Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon stine » Fr 21. Dez 2012, 15:58

Gleichstand wird es nie geben, weil die Welt so nicht funktioniert. Steuerhinterziehung ist zwar kein Kavaliersdelikt, andererseits müssen Staatssystems erlauben, dass sich jemand etwas erarbeitet, ohne hinterher zwangsenteignet zu werden.
Die gesamte Wirtschaft kann nur funktionieren, wenn es Unternehmer UND Arbeiter gibt.
Es gibt Menschen die brauchen eine konkrete Ansage und es gibt Menschen, denen fällt ständig etwas Neues ein. Beides muss Boden finden. Wer unternehmerisches Risiko trägt, sollte das auch bezahlt bekommen, schließlich sorgt er/sie dafür, dass andere auch davon leben können, die das Risiko nicht selber tragen wollen. Man kann höchstens darüber streiten, wie viel mehr das Mehr sein soll. Das 10fache, das 100fache oder das 10.000fache?
Einem echten Unternehmer geht es meistens auch gar nicht darum, möglichst viel Gewinn abzusahnen, sondern es geht darum, den Betrieb am Laufen zu halten.

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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon stine » Fr 21. Dez 2012, 16:05

Gandalf hat geschrieben:"Ich gehe, weil Sie der Ansicht sind, dass der Erfolg, die Schaffenskraft, das Talent, im Grunde: der Unterschied, bestraft werden müssen"
Gerard Depardieu
'Das' ist Kapitalflucht!

Kapitalflucht ist, wenn das Erwirtschaftete der entsprechenden Abgabenordnung entzogen werden soll. Das ist unlauter. Denn der so Verdienende konnte das ja nur verdienen, weil er die Sicherheit des Systems nutzen konnte. Sicherheit und Ordnung haben ihm letztlich möglich gemacht, sich solch ein Vermögen zu verdienen. Ich denke Depardieu hätte nach Abzug der Steuern auch noch genug. Aber sicher ist auch, dass ein sozialistisches System mehr hinlangen muss, als ein kapitalistisches, das auf Eigenleistung basiert und wenig Absicherung bieten muss.

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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon Zappa » Fr 21. Dez 2012, 17:20

Sicher ist es so, dass Depardieu u.a. von der französischen Filmförderung profitiert hat und deshalb auch etwas an die Gesellschaft zurück zu zahlen hat. Aber 75% Steuer, d.h 3/4 der auf einem erfolgreichen Leben fußenden Einnahmen gehen an den Staat? Ich weiß nicht, irgendwie ist da auch für mich eine Grenze überschritten.
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon Gandalf » Fr 21. Dez 2012, 18:05

stine hat geschrieben:Kapitalflucht ist, wenn das Erwirtschaftete der entsprechenden Abgabenordnung entzogen werden soll. Das ist unlauter.


Auf welchem Einverständnis beruht eine Abgabenordnung? Und was ist wenn dieses bedingte Eiverständnis gebrochen wird?

stine hat geschrieben:Denn der so Verdienende konnte das ja nur verdienen, weil er die Sicherheit des Systems nutzen konnte. Sicherheit und Ordnung haben ihm letztlich möglich gemacht, sich solch ein Vermögen zu verdienen.


Unter Hitler und Stalin gab es auch "Sicherheit und Ordnung" - hat es den Produktiven was genutzt? Fehlt da nicht noch was? Und was wäre wenn es Depardieu (die Produktiven allgemein) gar nicht gegeben hätte, - von was ernähren sich "Sicherheit und Ordnung" ?

Ich denke, du verwechselt hier Ursache und Wirkung


stine hat geschrieben: Ich denke Depardieu hätte nach Abzug der Steuern auch noch genug. Aber sicher ist auch, dass ein sozialistisches System mehr hinlangen muss, als ein kapitalistisches, das auf Eigenleistung basiert und wenig Absicherung bieten muss.

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Wie "genug" von was? Was glaubst Du was Produktive mit überschüssigem Kapital anfagen? - Und was passiert, wenn man ihnen beliebig Kapital entzieht, bis auf das was sie für Konsum brauchen? (Worauf Du wohl anspielst, - so wie auch Katja Kipping)

Was passiert dann mit dem entzogenen Kapital - ist es dann bei den Sozialpolitikern besser aufgehoben - die einem allen Ernstes erzählen, das man sich "reich konsumieren" könnte?
*kopfschüttel*

JEDER CENT ist bei einem Produktiven besser aufgehoben, als bei einem korrupten Politiker!
EIN CENT, der letzlich auch Dir zu Gute kommen wird, da Du in (D)einer Nichtleisdtungsphase darauf angewiesen bist, dass dieser CENT kaufkraft hat. Eine Kaufkraft, für die Produktive bereit sind etwas zu produzieren.


Kein Wunder das wir in Europa in der Wettbewerbsfähigkeit (Produktivität) bereits seit längerem auf dem absteigenden Ast sind. Hat nur noch keiner gemerkt, weil wir uns ja so ein super Sozialsystem leisten, das automatisch und beliebig von einem "Tischlein-Deck-Dich" versorgt wird. Das Erwachen unserer Gutmenschen wird jedoch um so bitterer, wenn sie 'totz' ihrer so "gerechten und gutmeinenden Ideen" bei den Chinesen betteln gehen müssen - und die Chinesen ihnen schon sagen werden, das es kein Menschenrecht auf unverdientes Einkommen gibt.

http://www.marx-forum.de/grafik/interna ... lt2012.jpg
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Fr 21. Dez 2012, 18:45

stine hat geschrieben:Kapitalflucht ist, wenn das Erwirtschaftete der entsprechenden Abgabenordnung entzogen werden soll.


Nein. Ökonomen verstehen unter Kapitalflucht, dass Kapital aus bestimmten Regionen abgezogen wird, beispielsweise aufgrund steigender politischer Risiken. Das hat negative Konsequenzen (z.B. Arbeitsplatzabbau)...
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon stine » Fr 21. Dez 2012, 19:38

Ich denke, wir sprechen ganz unterschiedliche Dinge an. Ich denke an Kapital, das, nach @Gandalf "überschüssiges" Kapital ist, das ihre Besitzer jetzt auslagern, weil es im eigenen Land nicht mehr sicher investiert werden kann.
Angelegtes Kapital, das nichts anderes macht, als auf Rendite zu warten, Rendite aus Staatsanleihen oder Spekulationsgewinnen der Banken. Genau dieses Kapital ist mE schuld an der Krise.
Hinter allen Staatsschulden stehen auch Anleger mit ihrem "überschüssigen" Kapital.

Zappa hat geschrieben:75% Steuer, d.h 3/4 der auf einem erfolgreichen Leben fußenden Einnahmen gehen an den Staat?
Klar ist das viel und ohne Zweifel zuviel, aber das ist in FRA doch nichts Neues?
Allerdings befindet er sich mit seiner Landflucht in bester Gesellschaft. Kapitalströme aus allen Pleiteländern fließen derzeit über den Globus. Hätten die Anleger ihr "überschüssiges" Kapital reinvestiert und nicht faul an die Bank gegeben, zum Rendite machen, dann wären die Länder vielleicht gar nicht pleite.

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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Fr 21. Dez 2012, 20:21

stine hat geschrieben:Ich denke, wir sprechen ganz unterschiedliche Dinge an. Ich denke an Kapital, das, nach @Gandalf "überschüssiges" Kapital ist, das ihre Besitzer jetzt auslagern, weil es im eigenen Land nicht mehr sicher investiert werden kann.
Angelegtes Kapital, das nichts anderes macht, als auf Rendite zu warten, Rendite aus Staatsanleihen oder Spekulationsgewinnen der Banken. Genau dieses Kapital ist mE schuld an der Krise.
Hinter allen Staatsschulden stehen auch Anleger mit ihrem "überschüssigen" Kapital.

Kapital wird generell da angelegt, wo sich sein Besitzer das beste Chance/Risiko-Verhältnis erwartet. Warum sollte ich mein Kapital nicht beispielsweise in Südamerika investieren dürfen?
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Sa 22. Dez 2012, 06:42

Übrigens noch eine Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt. Wenn wir mal davon ausgehen, dass die deutsche Bundesregierung versteht, oder zumindestens Leute beschäftigt, die verstehen, was da in der Eurozone grade abläuft, und ihr mal unterstellen, dass sie ihren Amtseid zu erfüllen trachtet, dann kann die aktuelle Politik eigentlich nur bedeuten, dass Frankreich und Co. massive Repressionshebel in der Hand haben, die die Regierung regelmäßig dazu bewegen, die Ersparnisse ihre Bürger in ein Fass ohne Boden zu werfen. Wir reden hier immerhin schon über Summen im 13-stelligen Bereich. Meine Frage, an diejenigen (Nanna?), die von Politik mehr verstehen als ich: Welche Erpressungsmöglichkeiten können das sein, dass sie deutsche Regierungen zu solch irrsinnigen und wahnwitzigen Aktionen bewegen können?
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon Zappa » Sa 22. Dez 2012, 07:49

provinzler hat geschrieben: Kapital wird generell da angelegt, wo sich sein Besitzer das beste Chance/Risiko-Verhältnis erwartet. Warum sollte ich mein Kapital nicht beispielsweise in Südamerika investieren dürfen?

Das würde ich so nicht sagen. Wenn ich mein Kapital anlege, dann berücksichtige ich durchaus auch ethische Fragestellungen. Als ich noch unerfahren war, habe ich auch in Fonds investiert, mach ich gar nicht mehr, weil ich nicht wissen kann ob die nicht auch Aktien im Portfolio haben, die ich nie kaufen würde (Waffenproduktion, gewisse Minengesellschaften etc.). Ich denke man kann und sollte sein Kapital so anlegen, dass gewisse ethische Grundsätze gewahrt werden. Natürlich sind die persönlichen Beeinflussungsmöglichkeiten marginal, da ich ja z.B. keinen Einfluss darauf habe, wo meine Rentenbeiträge investiert werden, aber das entschuldigt nicht jede Renditengier. Ich bin halt, wie alle, kein homo oeconomicus ...
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Sa 22. Dez 2012, 09:45

Zappa hat geschrieben:
provinzler hat geschrieben: Kapital wird generell da angelegt, wo sich sein Besitzer das beste Chance/Risiko-Verhältnis erwartet. Warum sollte ich mein Kapital nicht beispielsweise in Südamerika investieren dürfen?

Das würde ich so nicht sagen. Wenn ich mein Kapital anlege, dann berücksichtige ich durchaus auch ethische Fragestellungen. Als ich noch unerfahren war, habe ich auch in Fonds investiert, mach ich gar nicht mehr, weil ich nicht wissen kann ob die nicht auch Aktien im Portfolio haben, die ich nie kaufen würde (Waffenproduktion, gewisse Minengesellschaften etc.). Ich denke man kann und sollte sein Kapital so anlegen, dass gewisse ethische Grundsätze gewahrt werden. Natürlich sind die persönlichen Beeinflussungsmöglichkeiten marginal, da ich ja z.B. keinen Einfluss darauf habe, wo meine Rentenbeiträge investiert werden, aber das entschuldigt nicht jede Renditengier. Ich bin halt, wie alle, kein homo oeconomicus ...

Natürlich gibt es Randbedingungen. Wie man die einzeln setzt, ist dann wieder eine andre Frage. Reine Waffenhersteller würd ich mir jetzt auch nicht ins Depot legen, aber was ist beispielsweise mit einer Firma wie Daimler die etwa auch militärische Fahrzeuge herstellt oder BASF, die entsprechende Panzertarnlacke und solche Dinge liefern, neben Hunderten andrer Produkten? Abgesehen davon, dass Krieg für alle Beteiligten (auch für Investoren ganz weit weg) letztlich kein gutes Geschäft ist, wenn man es mit den Opportunitätskosten in Form von entgangenen in Friedenszeiten möglichen Gewinne in Relation setzt. Deine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gehen vollständig in die Finanzierung der aktuellen Renten, die der privaten werden fast aussschließlich in billige Politikerdienstwägen und Stimmenkäufe gesteckt. (Man nennt den Umweg gern euphemistisch "Staatsanleihe"). Deine private Rentenversicherung darf qua Regulatorik kaum in andre Dinge investieren. Ein erheblicher Teil wird grade per "ordre de mutti" in einem Fass ohne Boden namens "Eurorettung" versenkt...
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon stine » Sa 22. Dez 2012, 14:18

provinzler hat geschrieben:Welche Erpressungsmöglichkeiten können das sein, dass sie deutsche Regierungen zu solch irrsinnigen und wahnwitzigen Aktionen bewegen können?
Wir sind die Kriegsverlierer.
Vielleicht spielt das immer noch eine Rolle?
Haben wir da was unterschrieben? Sowas wie ein Hausversprechen, dass wir jetzt immer freundlich sind?

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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Sa 22. Dez 2012, 15:36

stine hat geschrieben:Wir sind die Kriegsverlierer.
Vielleicht spielt das immer noch eine Rolle?
Haben wir da was unterschrieben? Sowas wie ein Hausversprechen, dass wir jetzt immer freundlich sind?

LG stine

Eine Möglichkeit könnte in der Tat die immer noch gültige Feindstaatenklausel der UNO sein. Das ist jedenfalls die Vermutung von Prof. Schachtschneider.
http://www.zurzeit.at/index.php?id=704
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon Gandalf » Sa 22. Dez 2012, 16:59

provinzler hat geschrieben:Eine Möglichkeit könnte in der Tat die immer noch gültige Feindstaatenklausel der UNO sein. Das ist jedenfalls die Vermutung von Prof. Schachtschneider.
http://www.zurzeit.at/index.php?id=704


Obwohl das Völkerrecht sehr komplex und verwirrend ist (wusstet ihr, das die "Staatsangehörigkeit Deutsch", in einem deutschen Reisepass nichts darüber aussagt, ob man tatsächlich "Deutscher" ist? - Spielt z.B. u.a. bei Adoptionen eine Rolle), - glaube ich das nicht (mehr). Zwar ein Ärgernis allemal, da "wir" wahrscheinlich die größten Spesenrechungen für diesen Verein zahlen, aber für einen Erpressungsversuch bedarf es auch konkreter Erpresser. - Und die sind wohl eher in den Finanzeliten zu suchen, die Plündergut wittern.

Und wir bereiten ihnen mit unseren, - naiven "typisch deutschen" idealistischen Vorstellungen von einem großen Kollektiv, mit dem wir uns gegenseitig retten um das Paradies zu erlangen, - ein schönes Festmahl, bei dem sie nur zugreifen müssen, wenn sie an unsere "(unaufgeklärte) altruistische Moral" apellieren. Kein anderer Menschenschlag schwelgt so gern in einer Schuld, die er nicht begangen hat, wie "der aktuelle Deutsche".

Gepaart mit diesem irrationalen Schuldkomplex kommt wohl wieder mal Größenwahn hinzu (v.a. bei den "Grünen", die ja nicht nur Europa, sondern mittlerweile die ganze Welt mit ihren Ge- und Verboten retten wollen)

Liberalismus - die unersetzbare Idee in der Krise

Hinsichtlich der Eurokrise beklagte Prof. Habermann den Missbrauch des staatlichen Geldmonopols und die vorherrschende naive Einstellung zur EU: Er bezeichnete die Vision Vereinigter Staaten von Europa als Utopismus und Ausdruck deutschen Größenwahns, in dem die aus dem Mittelalter rührende Reichsidee auf Europa übertragen werde. Selbst angesichts der anhaltenden Gefahr sozialer Unruhen sieht Prof. Habermann noch eine Chance für den Liberalismus, was aber aus dem Publikum auf energische Bedenken stieß.
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » So 23. Dez 2012, 12:19

Darum hatte ich ja einschränkend geschrieben: " Wenn wir mal davon ausgehen, dass die deutsche Bundesregierung versteht, oder zumindestens Leute beschäftigt, die verstehen, was da in der Eurozone grade abläuft,..."
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Sa 29. Dez 2012, 11:50

Das französische Verfassungsgericht hat offenbar die 75%-Steuer für unzulässig erklärt...

http://www.huffingtonpost.fr/2012/12/29 ... 79795.html
Zuletzt geändert von 1von6,5Milliarden am Sa 29. Dez 2012, 12:37, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Link mal um den persönlichen Sitzungsanteil mit Facebook gekürzt, 1v6,5M
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon Nanna » So 30. Dez 2012, 01:40

provinzler hat geschrieben:Übrigens noch eine Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt. Wenn wir mal davon ausgehen, dass die deutsche Bundesregierung versteht, oder zumindestens Leute beschäftigt, die verstehen, was da in der Eurozone grade abläuft, und ihr mal unterstellen, dass sie ihren Amtseid zu erfüllen trachtet, dann kann die aktuelle Politik eigentlich nur bedeuten, dass Frankreich und Co. massive Repressionshebel in der Hand haben, die die Regierung regelmäßig dazu bewegen, die Ersparnisse ihre Bürger in ein Fass ohne Boden zu werfen. Wir reden hier immerhin schon über Summen im 13-stelligen Bereich. Meine Frage, an diejenigen (Nanna?), die von Politik mehr verstehen als ich: Welche Erpressungsmöglichkeiten können das sein, dass sie deutsche Regierungen zu solch irrsinnigen und wahnwitzigen Aktionen bewegen können?

Um da jetzt verspätet noch ein paar Worte dazu zu verlieren:
Ich glaube erstmal, dass du zu sehr von deinem subjektiven Verständnis davon ausgehst, wie Politik funktioniert. Natürlich sind Interessensausgleiche und gegenseitige Erpressungen zwischen verschiedenen Akteuren an der Tagesordnung, aber die Vorstellung, dass sich Politik so abspielt, dass sich da Teilchen gegenseitig anstoßen (=erpressen) und dann alles seinen determinierten Gang läuft, ist schon etwas unterkomplex.

Versetz dich mal einen Augenblick in die Lage der Bundesregierung. Muss Frankreich denn die Bundesregierung erpressen? Muss Frankreich überhaupt nur einen Piep sagen? Reicht nicht aus, dass alle, ohne dass es einer aussprechen müsste, ganz genau wissen, dass der Euro und mit ihm ein großer Teil der EU auf der Kippe stehen, ein Konstrukt, an dem die Europäer seit 60 Jahren mühsam herumschrauben und das keiner ernsthaft wieder loshaben will? Europa ist in den letzten Jahren von separatistischen und nationalistischen Tendenzen ganz schön durchgeschüttelt worden, und denk bitte daran, dass die Perspektive der "Ausgründung", die bei den Libertären offensichtlich positiv besetzt ist, nicht das ist, was in den Köpfen der Regierenden herumgeistert. Bei denen gehen eher die Warnlampen des 20. Jahrhunderts wieder an und das meines Erachtens zu Recht, denn was der nationalistische Mob da von sich gibt, hat mit dem, was Gandalf durch Ausgründung bezweckt, nichts zu tun. Ich betone das deshalb, weil ich nicht sicher bin, ob du dich hier nicht ein wenig mehr bemühen müsstest, die Lage durch die Brille der Bundesregierung zu betrachten. Solange du, und so scheint es mir, davon ausgehst, dass heimlich alle so denken wie du und hinter einem davon abweichenden Verhalten entweder böser Wille (ausbeuterische Staatsklasse) oder Erpressbarkeit stehen, wirst du beim Verstehen des Verhaltens der Regierung nicht voran kommen.

Ich denke, dass es viel banaler ist, als irgendwelche geheimen Pistolen, die da jemandem auf die Brust gesetzt werden: Die Regierung weiß, dass die Konsequenzen eines verfallenden Europas dramatisch wären und dass ihr im wesentlichen nur die Flucht nach vorne bleibt. Sprich, wir kaufen Zeit und kaufen Länder heraus und versuchen in der Zwischenzeit irgendwie die Integration voranzutreiben, so dass wir beim nächsten Mal besser gewappnet sind. Die öffentlichen statements sind da im Kern des Inhalts von der Wahrheit vermutlich nicht besonders weit entfernt.

Übrigens, das mit der Feindstaatenklausel und dem Weltkrieg ist wirklich blanker Unsinn, damit kann man niemanden mehr erpressen und schon gleich zehn mal nicht in dieser Größenordnung, und Schachtschneider... naja.
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon Vollbreit » So 30. Dez 2012, 12:00

Was ich an der Diskussion interessant finde, ist dass sie offensichtlich zeigt, wie relativ bestimmte Interpretationen sind.

Persönlich neige ich eher zu Nannas Auffassung, dass bestimmte Konsequenzen sich eben aus der Logik der Systeme selbst ergeben, ohne geheime Strippenzieher dahinter.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon ein ganzes Bündel von Abhängigkeiten und Faktoren, die nicht einfach Systemzwang sind: Persönliche Sympathien und Abneigungen, machtpolitische Erwägungen (nicht wenige sagen, ein Schuldenschnitt sie längst fällig, da es aber nicht gut ankommt vor eine Wahl den Kurs zu korrigieren und erklären zu müssen, warum man hunderte Milliarden versenkt hat, blechen wir also für Angies Wiederwahl und man macht weiter wie bisher), ehrlicher Glaube an ein bestimmtes Vorgehen und hier und da könnten auch Erpressungen im Spiel sein, warum nicht (da man Jahre später oft erfährt, wo überall welche im Spiel waren)?

Aber mehr noch: Was ist denn nun die richtige Perspektive?
Jene, die die Wahrheit besser abbildet, aber genau hier fallen Wahrheit und Interpretation ja zusammen. Selbst der, der mit am nächtlichen Verhandlungstisch gesessen hat, weiß ja nichts über die Wahrheit, sondern er kann nur seinen Eindruck wiedergeben.

Man kann noch nicht mal nachträglich sagen, der andere Ansatz wäre besser gewesen, weil auch das nur Spekulation ist. Und nicht mal bei einem Erfolg kann man sagen, man habe den richtigen Weg beschritten (auch wenn es natürlich immer so dargestellt werden wird), weil man letztlich bei komplexen Systemen nicht weiß, welcher Ansatz denn nun wirklich was bewirkt hat.
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » So 30. Dez 2012, 14:17

@ Nanna:
Irgendwie ergibt das nur alles keinen rechten Sinn. Der Euro wurde damals eingeführt als politisches Projekt, gegen die Bedenken der meisten Fachleute. Nicht alle Ökonomen sind Spezialisten für Währungsfragen. Die Spezialisten waren von Anfang an mehr als skeptisch und taten dies auch in ihren jeweiligen Positionen kund. Horst Köhler etwa boxte als Unterhändler trotz seines nur widerwillig mitziehenden Ministers Theo Waigel damals in den Verhandlungen die No-Bailout-Klauseln durch, die man nun seit einiger Zeit geflissentlich ignoriert. Alan Greenspan gab dem Euro eine Lebensdauer von 10 Jahren. Ohne die Stützungsaktionen wäre er nach etwa 8 1/2 Jahren (1999- Mitte 2007) erledigt gewesen (wenigstens in Griechenland).
Es ist außerdem jedem klar, dass man mit dem aktuellen Vorgehen die Probleme nicht löst, sondern nur zementiert und verschärft. Es ist bestenfalls naiv anzunehmen, dass man das Geld nur ins Schaufenster legen muss, und es schon keiner nehmen wird.
Um es klipp und klar auszudrücken. Der Euro ist der Spaltpilz Europas. Die derzeitige Konstruktion der Eurozone und die darin wirkenden ökonomischen Mechanismen sind es, die nationalistische Gefühle eine Renaissance verschaffen. Dabei können wir noch froh sein, dass der Mob nur die Spitze des Eisberges sieht. Denn die irrwitzigen Milliardenbeträge über die in unseren Parlamenten diskutiert wird, sind buchstäblich Peanuts verglichen mit den Summen die unterm Ladentisch (EZB) durchgeschoben werden. Und die Summen werden solange sich strukturell nichts ändern jährlich größer.
Euro, Euro über alles lautet wohl die Devise und selbst das Bundesverfassungsgericht wischt das Grundgesetz für das "größere Wohl" einfach mal beiseite. Ist das ein Rechtsstaat? Und Theo Waigel verspricht uns den Tausendjährigen Euro (äh halt nein, waren nur 400 Jahre). Und was sagt unsere Bundesregierung? Dass finstere anglo-amerikanische Finanzmarktschwarzkräfte sich gegen den Euro verschworen haben und seit Mai 2010 wird jetzt zurückgeschossen. Goldman Sachs zittert bestimmt schon vor den Geldkanonen der BRD und Draghis "Dicker Bertha". Nein, die Suppe hat uns die europäische Politik schon selber eingebrockt, die Ratingagenturen machen nur ihren Job.
Die derzeitige Politik ist der sicherste Weg die Fliehkräfte innerhalb Europas weiter zu verstärken. Irgendjemand hat mal gesagt, die Definition des Irrsinns sei, immer das Gleiche zu tun und andre Ergebnisse zu erwarten. Seit 5 1/2 Jahre (Mitte 2007) versuchen unsere Politiker nun schon das Problem mit immer mehr Steuergeldern zuzukleistern. Anfangs noch im Rahmen der Gesetze und internationalen Verträge. Als die Politik diese im Frühsommer 2010 über Bord warf, traten binnen kürzester Zeit in Deutschland alle zurück, die mit der Materie vertraut waren, weil sie das nicht mittragen wollten. (Axel Weber, Horst Köhler, etwas später dann auch noch Jürgen Stark). 5 1/2 Jahre und die Defizite, also die zusätztlich zu finanzierenden Summen werden jährlich größer. Jetzt wollen die Vögel auch noch die "Bankenunion", was nichts weiter ist, als ein Abschlachten der Genossenschaftsbanken, die es in dieser Form nur in Deutschland und Österreich gibt zugunsten der Großbanken. 5 1/2 Jahre und die einzige Lösung die unserer Politik einfällt ist immer noch mit noch mehr Geld alles für ein paar Monate zuzukleistern. Vielleicht übersteht man so ja noch die nächste Wahl. Aber es ist keine Lösung.
Staatspleiten wären der Untergang? Lüge. Seit 1950 gabs weltweit 186 Staatspleiten in 95 Staaten. Eine Währungsunion kann man nicht auflösen? Lüge. Zwischen 1948 und 1997 gabs nicht weniger als 128 Austritte aus Währungsunionen. Und die Welt dreht sich immer noch. Ein Euroende bedeutet zwangsläufig neuen Krieg? Lüge. Wer soll denn das wandelnde Altenheim Europa dem Tod entgegenwindeln, wenn man die Jungen auf dem Schlachtfeld verheizt? Was bleibt dann als Schreckensbild noch übrig? A ja, die Regierung könnte abgewählt werden. Aber nennt man das nicht Demokratie?
Kannst du mir das erklären? Mein bescheidener Verstand reicht nicht aus, zu begreifen, was in diesen Köpfen vorgehen mag (immer vorausgesetzt, dass da überhaupt was andres vorgeht, als die Sicherung der eigenen Pensionsansprüche)
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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » So 30. Dez 2012, 19:51

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Re: Euro-/Finanz- und Wirtschaftskrisen

Beitragvon provinzler » Fr 15. Feb 2013, 17:11

Die neuste Pariser Schnapsidee: Man will Firmen verbieten, Fabriken zu schließen, die Gewinn machen, aber die Kapitalkosten nicht annähernd decken. Mal abgesehen davon, dass es Mittel und Wege gibt, Gewinne firmenintern so zu schieben, dass eine missliebige Fabrik einfach Verluste schreibt statt einer schwarzen Null, aber was bitte geht in diesen Köpfen vor? Die scheinens echt drauf abgesehen haben, den Karren so schnell wie möglich gegen die Wand zu fahren...
Kürzlich hat man ja schon Peugeot nen Milliardenkredite eingeräumt, unter der Auflage, dass sie nix tun, um die Verluste zu reduzieren...
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