Viel quer lesen. Das ganze Spektrum mitnehmen, im Onlinebereich von Spiegel Online, TAZ, Focus, Süddeutsche, Welt, Nachdenkseiten. Verschiedene Kommentare lesen, die jeweils immer besser damit sind, Ungereimtheiten bei der Opposition zu finden, aber weniger bei der eigenen Seite. Bei der Recherche rational vorgehen, sich nicht unnötig festlegen und festfressen. Unbekannte Themengebiete, wo man anfängt eine Meinung zu bilden, wenigstens einmal durch Wikipedia durchjagen und dort weiterführende Quellen bei Bedarf beachten. Kommt drauf an, was du selbst für wichtig empfindest. Kritisches Denken trainieren, Argumentstrukturen verstehen lernen. Dabei ist ein Blick auf die
Fehlschlüsse ganz hilfreich. Ebenso ein Blick auf kognitive Vorurteile (
cognitive bias, eine Übersicht hier)
Sich allgemein antrainieren, eine Bewertung einer anderen Person nicht einfach zu übernehmen. Der Autor findet es gut, dass viel exportiert wird. Für wen ist das gut? Sollte ich es auch gut finden? Dabei hilft die alte römische Formulierung:
Qui Bono? (Wem nützt es? Wer profitiert davon?). Als nächstes hilft noch ein Blick auf die Ökonomie einer Aussage. Wenn da steht "russischer Rollstuhlfahrer tötet Ehefrau" stellt sich mir die Frage, was mir gesagt werden soll. Darum ist es kritisch wenn eine Schlagzeile "türkischstämmiger Mann tötet Ehefrau" lautet. Inwiefern ist die Herkunft wichtig, also warum "verschwendet" der Autor Platz dafür? Dabei ist es dann hilfreich in Gewichtungen und Assoziationen zu denken. Welcher Anteil hat Gewicht: der Sachverhalt 1 (Mann tötet Ehefrau) oder Sachverhalt 2 (jemand aus der Türkei tötet irgendwen)? Als nächstes kann man ja seine eigene Spotan-Reaktion bemerken, und vermuten, welche Wirkung ein Autor intendierte. Angenommen, der Autor möchte eine andere Person kritisch beurteilen und es steht da unverhofft "Die Frau war früher Kommunistin", dann stellt sich auch im Sinne der Aufmerksamkeits-Ökonomie die Frage, was der Autor damit bezwecken möchte. Das Bauchgefühl ist durchaus nützlich. Stimmt die Reaktion mit dem Sachverhalt überein, oder nicht. Wenn nicht, ist es möglicherweise manipulativ. Dazu braucht man noch etwas Basiswissen in Kommunikation. Jede Aussage hat mehrere Ebenen. Wenn deine Freundin meint "es ist ganz schön kalt hier", möchte sie bestimmt keine Offenkundigkeiten kommunizieren, sondern je nach Lage, dass du dich mal näher rüberbequemst, das Fenster zumachst, oder die Heizung aufdrehst. Sie sagt etwas über einen Sachverhalt, einiges über sich selbst (möchte z.B. aus irgendeinem Grund nicht direkt Anweisungen geben), und hat auch noch einen Appell an dich. Nicht anders ist das bei Texten und Nachrichten.
Schließlich kannst du noch in Begriffe reinschauen und die Sprache beobachten. Welche Arten von Metaphern werden genutzt? Sind es kriegerische, wie Siegen, kämpfen und durchhalten? Mal steht Merkel "vor" ihrem Minister, hier ist die Metapher "schützend", mal steht sie "dahinter", rückenstärkend. In dem Sinne werden auch Bewertungen wieder interessant. Wie sieht ein Sachverhalt faktisch gesehen denn aus, wenn die Interpretation weggelassen wird? Was macht Merkel konkret? Hier ist sehr viel "Spin" möglich. Zwischen "leidenschaftlich diskutieren" und "zerstritten sein" besteht vielleicht garkein Unterschied. Manche Journalisten arbeiten damit, eine ungenehme Fraktion oder Partei als "zerstritten" darzustellen, hier ist die Wahl der Aussrücke nicht zufällig. Genauso kann ein Fehltritt wirklich ein Fehltritt sein, oder "menschliche Schwäche". Ganz hilfreich ist auch noch das sogenannte "Framing". Das ist vor allem in den USA ganz groß. Man beachte: die Abtreibungsgegner, die auch ungewollte Schwangerschaft von Vergewaltigten "schützen" wollen, nennen sich selbst "Pro Life" (Pro Leben). Die andere Seite nennt sich dann notgedrungen "Pro Choice". Ganz klar, wer das Framing da gewonnen hat. Interessant sind hier Politiker nach Wahlen, wenn sie Bezugsgrößen auswählen müssen: das Ergebnis könnte gleichzeitig "das schlechteste aller Zeiten" sein, oder auch nur "wir haben uns nur um 1% verschlechtert". Auch da drehen Spin-Meister sich das so hin, wie es für sie gut klingt.