Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben: Die Frage dahinter ist: Warum muss man immer Erkenntnisse zutage fördern? Wer sagt uns das?
Ich jedenfalls nicht. Man kann sich gerne im Hobbykeller, mit einem Glas Wein oder einer Meditation entspannen, sollte aber dann auch nicht von Erkenntnis(gewinn) reden.
Ja, aber die Fragen gehen oft in die Richtung, als würde Spiritualität nun mit aller Gewalt erkenntnistheoretische Aussagen machen wollen.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben: Die emotionale Bewertung ist ja wirklich nachgereicht, aber oftmals wird gerade in spirituellen Disziplinen versucht die Emotionen außen vor zu lassen.
Das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen. Wenn uns die neue Hirnforschung (von der Du ja nicht so viel hältst) eines gezeigt hat, dann das die evolutionär älteren emotionalen Gedankeninhalte immer mitschwingen.
Es stimmt nicht, dass ich von der neuen Hirnforschung nicht viel halte. Ich halte nicht viel davon, wenn versucht wird, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen Schlüsse zu ziehen, die über diesen Bereich hinaus gehen und ganz schlimm wird es, wenn daraus ein Weltbild gezimmert werden soll.
Zappa hat geschrieben:Keine Gedanken ohne emotionale Inhalte (es ist fraglich, ob etwas überhaupt individuell bewusst werden kann, wenn es emotional nicht vorab als "bedeutsam" bewertet wird). Ich denke wir reden hier schlicht von unterschiedlichen "Emotionen".
Natürlich kann etwas bewusst werden, was nicht bedeutsam ist, meditier mal. Was da durch die Birne fließt ist mitunter alles andere als bedeutsam. Das sind sozusagen freie Assoziationen. Ohne hinreichend emotionalen Gehalt wird nichts behalten, was wiederum mit dem dopaminergen System zu tun hat, man kann da lustige Querverbindungen ziehen, da Dopamin einerseits mit unserem Belohungssystem zusammenhängt, andererseits mit unsere Reizverarbeitung, in Form von „Reizhunger“ (typischerwiese zu beobachten bei Chorea Huntigton Patienten
http://www.wissenschaft-online.de/lexik ... ummer=4721) und in Form von Mustererkennung. Wer keien Muster und Regelmäßigeiten erkennt, lernt nicht. Wer zu viele erkennt gilt als schizophren.
Und unterschiedliche Emotionen, ja, die gibt es.
Es gibt Basisemotionen (eher Basisaffekte), man streitet immer noch welche das sind, so 5 bis 7 Stück hat man da auf dem Schirm. Dann gibt es sekundäre und tertiäre Emotionen, das sind in aller Regel Emotionen (oder Affekte), die bereits mit kognitiven Gehalten verwoben sind.
Scham ist eine primäre Emotionen, Schuld eher sekundär.
Aber nicht alles, was an kognitiven Gehalten durch die Innenwelt wandert oder eben auch nur mal kurz aufblitzt, ist emotional besetzt.
Geräuschen, Spracheindrücke, Sprachfetzen, spontan sich bildende Muster (wenn auf dem Teppich ein Gesicht erscheint), Erinnerungen banalster Art. Hegel hat mal irgendwann, sinngemäß, die Frage gestellt, wie aus alle dem halb- und vorbewussten Zeugs, was sofort wieder abstirbt, überhaupt sowas wie ein überdauerndes Ichgefühl werden kann (wobei die Frage ist, ob man ein Ich fühlen, oder nur denken kann).
Es bleibt dann nicht sehr lange bewusst, wenn kein emotionaler Gehalt dahinter steht.
Zappa hat geschrieben:Ich verstehe die Hirnforschung so, dass sie derzeit sagt, dass das Ich nicht erklärbar ist (außer man redet abstrakt von emergenten Phänomenen). Umgekehrt kann die Hirnforschung sehr weit belastbare (weil experimentell belegte und falszifizierbare) Aussagen treffen. Putzig finde ich dann immer, wenn Leute, die bis dahin praktisch überhaupt keine belastbaren Aussagen treffen können, dann hergehen und sagen "Tja, aber über die letzten Dinge könnt Ihr nichts sagen. Ätschbätsch, das erlebe ich aber als Falsifikation und ich phantasiere mir dann letztendliche Wahrheiten zusammen und bin da auch ganz überzeugt davon, weil ich die persönlich erleben kann". Sorry, aber das ist ideengeschichtlich mindestens hundert Jahre zurück.
Das ist dann eine Diskussion um die Hirnforschung. Der Rest ist doch dann eher wieder ein Strohmann-Argument. Wir können meinetwegen über die Hirnforschung an anderer Stelle reden.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Wieso? Die Geschichte klappt doch seit Jahrhunderten und die Daten falsifizieren immerhin die Idee, solche Erfahrungen könne es nicht geben. Die Falsifizierbarkeit liegt auch nie auf der Ebene der Fakten, sondern auf der theoretischen.
Das behauptest Du jetzt wiederholt, ich kann Dir dir aber nicht folgen. Nenn doch mal ein konkretes Beispiel, wo das funktioniert haben soll.
Die Praxis des Zazen macht beispielsweise genau das. Aber auch Yogapraktiken.
Worum geht es denn? Die Frage war, was Spiritualität ist. Myron ist der Auffassung, das könne man nicht genau sagen, da das alles mögliche heißen kann. Dem schließe ich mich nur bedingt an, denn ich glaube, wenn man von einem intellektuellen Menschen wie Richard Dawkins sagen würde, er sei ein sehr spiritueller Mensch, würde intuitiv, im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs kaum jemand zustimmen – und Dawkins vermutlich auch nicht.
Bleibt also für Spirituallität so etwas wie: Ein spirituelles Weltbild haben, was dann auch Religionen und dergleichen impliziert. Kann man machen, halte ich für eher unglücklich, aber ich bin nicht im Besitz der Deutungshoheit.
Mein Vorschlag war, Spritualität primär als (mystische) Praxis zu sehen und in diesem Zusammenhang sehe ich ein herausragendes Element die Einheitserfahrung.
Bei wiki lese ich:
Wikipedia hat geschrieben:Von Büssing wurde folgender Vorschlag gemacht: „Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet, bei der sich der/die Suchende ihres ‚göttlichen‘ Ursprungs bewusst ist (wobei sowohl ein transzendentes als auch ein immanentes göttliches Sein gemeint sein kann, z. B. Gott, Allah, JHWH, Tao, Brahman, Prajna, All-Eines u.a.) und eine Verbundenheit mit anderen, mit der Natur, mit dem Göttlichen usw. spürt. Aus diesem Bewusstsein heraus bemüht er/sie sich um die konkrete Verwirklichung der Lehren, Erfahrungen oder Einsichten im Sinne einer individuell gelebten Spiritualität, die durchaus auch nicht-konfessionell sein kann. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Vorstellungen.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Spiritualit%C3%A4t#Begriff
Das ist so eine Art Synthese aus dem Weltbild und der Praxis, die Einheit (hier: Verbundenheit) wird ebenfalls betont.
Also glaube und behaupte ich, dass ein zentrales Element der Spiritualität die Einheitserfahrung ist.
Und ich glaube, dass es die gibt, weil sie reichlich beschrieben wurde.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Warum denn das nicht? Konsequente Innenschau ist seit je her eines der Mittel von Erkenntnis schlechthin. Wie willst Du denn mehr über den Geist oder die Psyche erfahren, als wenn Du sie direkt und isoliert anschaust?
Auch das ist wissenschaftsgeschichtlich falsch. Wirkliche Erkenntnis (im Sinne von Wissensgewinn, nicht einfacher Wechsel der Perspektive) hat was mit (Natur)wissenschaftlichen Methoden zu tun.
Ist das nicht bei Licht betrachtet eine etwas zirkuläre Argumentation. Wirkliche Erkennntnis ist naturwissenschaftliche Erkenntnis = alles was nicht naturwissenschaftliche Erkenntnis ist, ist unwirklich und das soll eigentlich heißen: nichts wert. So konstruiert man gewöhnlich Dogmen.
Zappa hat geschrieben:Der Erkenntnisgewinn der Introspektion ist (wenn überhaupt vorhanden) verschwindend gering, wenn man sich die vorwissenschaftliche Entwicklung der Erkenntnis mal in Ruhe anschaut.
Kommt halt auf das Gebiet an. In der Astronomie ist da nicht so viel zu holen, aber wir reden ja hier auch eher von der Psyche. Freud lässt Grüßen. Oh, mir ist bekannt, dass ihm jahrzehntelang unterstellt wurde, nur ein netter Märchenonkel gewesen zu sein. Aber dann kam Kernberg, hat den Laden verwissenschaftlicht, Freuds Postulate unter die Lupe genommen, einiges weggeworfen, doch wenn man auf das schaut, was blieb, kann man dem alten Sigmund nur „Chapeau!“ zurufen.
Beachte bitte die Reihenfolge. Erst das Märchen, dann die wissenschaftliche Bestätigung.
Ich habe nichts dagegen, dass die Psychologie heute eine empirische Wissenschaft ist, aber die hat übrigens auch wenig Probleme damit ein Ich zu definieren.
Zappa hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Meditation ist doch eine Laborsituation. Außenreizverarmung und dann schauen, was passiert. Ganz sicher gibt es andere Wege, aber warum das nun keiner sein soll, kann ich nicht nachvollziehen.
Von mir aus ist es eine Laborsituation, aber eine grottenschlechte. Zunächst einmal fehlt ein objektiver Beobachter und dann auch die Überprüfbarkeit. Natürlich kann ein vollkommen ehrlicher, integrer und technisch guter Meditateur in sich hinein schauen und das dort erlebt kommunizieren. Nur kann ich seine Aussagen nicht wirklich von denen eines geldgierigen Scharlatan unterscheiden, der mir irgendeinen esoterischen Quatsch verkaufen will."Unterscheiden" meine ich hier im Sinne, von bewerten, was der Wirklichkeit oder "Wahrheit" näher kommt.
Wollen das denn alle die meditieren? Vielleicht solltest Du da Deine Feindbilder mal zurechtrücken.
Warum sollte Betrug allein den Esoterikern vorbehalten sein, in der Wissenschaft ist doch viel mehr Geld zu verdienen. Vom Wissenschaftsbetrug hört man nicht so gerne, weil man meint, die Wissenschaft sei so die letzte Bastion der an sich Aufrechten, Wissenschaftler zu sein impliziert integer, unbestechlich und moralisch hochstehend zu sein. Ja, Vorurteile können auch positiv sein.
Deine Story geht doch so: Seien wir doch mal ehrlich. Wir wissen doch, dass Spiritualität alles Quatsch ist. Es gibt nichts, was nicht mit rechten Dingen zugeht, aber es gibt Leute, die uns das gerne glauben machen wollen und eine paar Leichtgläubige, die darauf immer wieder reinfallen, Doof, gerissen oder in einer emotionalen Notlage, mehr ist da nicht. Und wir wissen, doch dass hier der Betrug die Regel ist.
Betrug gibt es zwar auch in der Wissenschaft, aber da ist es die Ausnahme. Klar gibt es Lobbyisten, den Kampf um die Forschungsgelder, Eitelkeiten und ideologische Überformung, aber im wesentlichen ist doch hier ein Ort der Redlichkeit.
Vermutlich in einer unsicherer werdenden Zeit vollkommen okay. Es sind so viele Eckpfeiler weggekloppt worden, dass ich gar kein sonderlich großes Vergnügen empfinde, darauf hinzuweisen, dass die Wissenschaft vermutlich in einem breiten Umfang längst nicht mehr dazu taugt die Insel der Glückseligen zu sein. Ich glaube, dass gute Illusionen hilfreich sind.
Aber wenn Du es schon ansprichst, dann muss ich sagen, dass ich der Auffassung bin, dass der Betrug hier vielleicht nicht an der Tagesordnung ist, aber doch (vor allem in den wirtschaftlich lukrativen und/oder hochideologischen Bereichen) verbreitet und mitunter systematisch.
Und dann sag mir doch mal die Kriterien anhand derer versucht werden soll den Betrug von der Wahrheit zu trennen.