provinzler hat geschrieben:Im Grunde kann man die Frage doch auch anders stellen, und das tu ich in letzter Zeit immer häufiger. Das Einkommensniveau je Arbeitsstunde insgesamt ist über die letzten Dekaden so deutlich gestiegen, dass ein relativ komfortables Leben auch komplett selbstfinanziert mit vergleichsweise geringem Arbeitsaufwand möglich ist.
Ja und nein.
Einerseits, kann man sich mit einer gewissen Pfiffigkeit auf die von Dir beschriebene Art und Weise durchwurschteln, auf der anderen Seite reibe ich mir oft genug verwundert die Augen, wenn ich sehe, wie Menschen sich sehenden Augen auch ausbeuten lassen und damit meine ich nicht irgendwelche Kinder in Indien, sondern erwachsene Menschen bei uns.
Der Grund scheint mir oft zu sein, dass sie sich für sich mitunter gar nicht „mehr“ vorstellen können, auch dann, wenn es ihnen eigentlich nicht an Intelligenz oder Fähigkeiten mangelt.
Schwierig wird es da, wo genau das allerdings dann auch noch der Fall ist. Mangelnde Bildung geht nicht selten mit mangelndem Selbstbewusstsein, unrealistischen Vorstellungen, einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten die Diabetes, geringer Frustrationstoleranz usw. einher, alles Faktoren die die Tendenz haben einander zu verstärken.
Da früh geprägt und meist noch immer in diesen Strukturen lebend, ist es kaum möglich, hier eine große Änderung zu bewirken. Die zunehmende Schere in der Gesellschaft sorgt dafür, dass diese Abgehängten kaum je wieder den Anschluss finden, was wirtschaftlich bedrückend, aber menschlich noch viel bedrückender ist.
provinzler hat geschrieben:Klar, im Gesamtkontext ist es das, was unseren Wohlstand weiter vorantreibt (oder zumindest das BIP und die Steuereinnahmen). Auf individueller Ebene versteh ich das allerdings nicht immer. Vor allem, wenn man die Kosten gegenrechnet. Ich möchte nicht wissen wie vielen Zweitverdiener(meistens sind es Frauen) es gibt, die letzten Endes draufzahlen, wenn man Fahrtkosten, Mehrbedarf an Kleidung, usw. ehrlich dagegenrechnet.
Es läuft ja viel auch über Schwarzarbeit. Aber das Problem ist schon gut benannt, denn die eigentlich „Dummen“ sind diejenigen, die für wenig Geld hart arbeiten. Konsequent egoistisch wäre es sinnvoller auf solche Jobs zu verzichten und sich alimentieren zu lassen.
Vor vielleicht 2 Jahren, saß mal eine intelligente und mutige Frau in einer Talkshow, die ihren Arbeitslohn und die Sozialhilfe mal kühl gegengerechnet hat, bei Sozialhilfe auf einen Stundenlohn von 9 Euro kam und offensiv sagte, dafür bliebe sie lieber zu Hause und würde sich um ihr Kind kümmern. Die Verachtung die ihr entgegenschlug, war deutlich zu spüren.
Das heißt wenn Konzerne möglichst asozial denken und agieren, beklatschen wir das oder sehen es mindestens als, dem Zwang der Verhältnisse geschuldet, aber eben leider doch notwendig, an, aber wehe der Mensch wird der homo oeconomicus, der er angeblich immer schon ist.
Der Sozialhilfeempfänger der auf soziale Anerkennung zugunsten einer neuen Einbauküche alle paar Jahre pfeift – keine leichte Rechnung! - und die soziale Verachtung ertragen kann, genug Alkohol verträgt und/oder seinerseits den Staat, die Bonzen und die Doofen, die für ein paar Euro anschaffen gehen, verachtet, was er fast zwangsläufig tun muss, um sein Selbstbild zu erhalten, hat seine Wahl getroffen.
Ich kann aber mit jedem Tag ein wenig mehr verstehen, dass dubiose Projekte wie Bankenrettungen im größten und fragwürdigten Stil, die ja auch von liberalen Kräften mitunter als Bankensozialismus bezeichnet werden und soziale Kürzungen, auch wenn sie nur gefühlt sein mögen, nicht zu vermitteln sind und auch wohlmeinendere Interpreten habe ja mitunter große Zweifel am Sinn des Ganzen. Leider scheint mir diese Hundertmilliardengräber nicht zuletzt ein grandioses Wiederwahlprogramm unserer grauenhaft schlechten Bundeskanzlerin zu sein.
provinzler hat geschrieben:Weils Spaß macht, oder "um sich selbst zu verwirklichen"? Aber warum wird dann soviel gejammert? Das Bedürfnis nach einer gewissen Unabhängigkeit, falls irgendwas passiert, ist ja noch nachvollziehbar, aber so wie manche das betreiben ist das Irrsinn.
Dem stimme ich zu. Wer sich für 3 Euro ausbeuten lässt, ist zu einem erheblichen Teil selbst schuld und tut vor allem auch den anderen Menschen keinen Gefallen. Da viele in dieser Lage vielleicht nicht so weit denken können oder wollen, wäre es eine Aufgabe des Staates hier lenkend einzugreifen, aber m.E. versagt er hier auf ganzer Linie.
Wie schon mal erwähnt, sind die neoliberalen Blütenträume, ist der Markt erst dereguliert, kommt die soziale Gerechtigkeit im Schlepptau hinterher, geplatzt.
provinzler hat geschrieben:Genauso muss man sich als Mann fragen, ob man wirklich für zweifelhafte Aufstiegs- und Mehreinkommensaussichten, sein Privatleben komplett aufgeben soll.
Genau das empfiehlt auch Jelloushek und neben ihm tun es auch andere schon seit Jahren.
Warum jede doofe Beförderung mitmachen, die Stress und Lohn in ein Missverhältniss bringt, aber Mut macht, dass die Jugend verstärkt so denkt, wie Du es vorschlägst. Die greifen nicht mehr begeistert nach allem, sondern lehnen auch ab, zugunsten von Partnerschaft, nicht so weiten Fahrten, mehr Zeit. Gut so.
provinzler hat geschrieben:Hat was von dem Bild vom Esel, dem man die Karotte vor die Nase hält. Ich frage mich zunehmend ob es für die Lebensqualität nicht mitunter günstiger ist, auf bestimmte nicht wirklich notwendige Konsumausgaben zu verzichten, und stattdessen mehr Zeit für sich, den Partner und etwaige Kinder zu haben.
Sehe ich ebenso.
provinzler hat geschrieben:Das ist aber eine Entscheidung, die auf individueller Ebene fallen muss. Die Vision dieses "Beraters" zielt doch letztlich auch wieder daraufhin, mehr Erwerbsarbeitsstunden abzuleisten, höhere Steuern zu bezahlen, aus denen dann "Betreuungsmöglichkeiten" für die Kinder geschaffen werden (und natürlich, wer wollte es ihm verdenken, mehr Geld für die Berater zur Verfügung stehen). Aus meiner Sicht ist das nichts andres als ein "weiter so".
Ist halt eine Frage, die jeder für sich selber beantworten muss...
Meinst Du den Jelloushek? Der ist eigentlich ganz auf Deiner Linie, nur wenn der Zeitgeist gerade aus einer anderen Ecke pfeift, rennen die Leute halt da hin. Die heute so verachteten Manager, waren ja nicht wenige Jahre zuvor noch die Helden, die Telekom-Aktie sollte Volksaktie werden und jeder der es meinte sich leisten zu können und zu müssen, rannte zu irgendwelchen Managemantgruppenseminaren, die so eine skurrile Mischung aus vorsätzlich überteuerter Vulgärpsychologie („Chaka, du schaffst es“, „Du kannst alles erreichen, was du wirklich willst“) und Erlörunsgsekte anbot und gleich nach dem Abebben des Esobooms erschien.