Darth Nefarius hat geschrieben:Ich meine ist es so schwierig auf die aktuellsten Geschehnisse einzugehen oder mal alte Fronten zu meiden?
Öh, wer genau hat fängt jetzt hier gerade mit dem Frontendenken an und erklärt Neulingen, dass sie hier eh nichts zu erwarten hätten?
@Neotron:
Gerade bei kleineren Forengemeinschaften haben sich über Monate und Jahre gewisse Kommunikationsmuster eingeschlichen, denen die Alteingesessenen beim Eintreffen neuer Teilnehmer gerne noch eine Weile folgen. Meiner Erfahrung nach sollte sich das aber schnell geben. Entgegen Darth's Darstellung war das Forum eigentlich immer ein relativ integratives, zumindest aus meiner Sichtweise (ich war hier nicht immer Admin). Ich verstehe, dass es für dich ärgerlich ist, nachbohren zu müssen, aber bitte sieh es den Anderen - zumindest bei Einzelfällen - nach. Die häufig ansehnliche Länge der Beiträge hier führt auch bei den alten Hasen immer wieder dazu, dass auf zentrale Punkte von anderen gar nicht eingegangen wird. Man muss sich dann möglichweise nochmal wiederholen, das ist ärgerlich, hat aber nichts mit genuinem Desinteresse der Anderen zu tun.
Zappa hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: Meine persönliche Lehre aus diesen Erlebnissen, die ich schon so ähnlich, aber nicht derart extrem, vor zwei Jahren in Syrien hatte, ist, dass an einer vollkommenen Gleichberechtigung, nicht nur juristisch, sondern vor allem auch alltagspraktisch, kein Weg vorbeiführt.
Das Problem an dieser Einstellung (und so verstehe ich auch teilweise Stines Kritik daran) ist die Tatsache, dass man damit bestimmten Menschen, die Rollenmuster ausleben wollen/müssen, Zwang auferlegt.
Damit hast du sicherlich Recht. Die Frage ist, inwiefern es ein Recht darauf geben kann, Rollenmuster auf Kosten Anderer auszuleben. Das ist bei Handgreiflichkeiten auf dem Schulhof ja ebenso der Fall wie bei unwidersprochenen Erwartungshaltungen gegenüber dem anderen Geschlecht, die insbesondere dann problematisch werden, wenn die Betroffenen strukturell unterlegen sind und sich daher fügen müssen. Etwas anderes ist es, wenn jemand eine bestimmte Rolle aus persönlicher Neigung wählt und damit auch niemanden beeinträchtigt.
Gerade bei Geschlechterrollen, die ihren Ursprung ja häufig in patriarchalischen Machtverteilungen und teilweise auch als recht aggressiv konstruierter Sexualität haben (die dann mit entsprechend rabiaten Methoden wieder eingehegt werden muss, siehe meine Schilderungen aus Ägypten), kommt man hier unweigerlich in ein starkes Spannungsverhältnis. Meines Erachtens ist die reifere Methode hier eine pluralistische, die Rollenbilder abstrahiert. Meist gibt es in jeder sozialen und noch mehr jeder sexuellen Beziehung ein Machtgefälle, das allerdings u.U. je nach Lebensbereich in verschiedene Richtungen verlaufen kann. Anstatt die Kompetenzen pseudonaturalistisch einem bestimmten Geschlecht zuzuschreiben, wäre sinnvoller, es jedem Paar zu überlassen, wie es die Rollenbilder besetzen will, also wer den eher kümmernd-nachgiebigen (Anima) und wer den eher bestimmend-gestaltenden (Animus) Part übernimmt. stines Beispiel der Rollenverteilung bei homosexuellen Paaren ist da eigentlich kein schlechtes Beispiel, weil da sichtbar ist, dass es eben nicht am Geschlecht liegt, wer welchen Part übernimmt, sondern eher an der sozialen Mikrostruktur des Paares. Analog sollte auch innerhalb heterosexueller Paare frei bestimmbar - und mit zunehmender sozialer Kompetenz ist das wohl auch stärker oszillierend - sein, wer wann wie welche Rolle einnimmt.
Ich kann verstehen, dass das viele Leute, evtl. sogar die Mehrheit der Menschen, auf Dauer überfordert. Möglicherweise sind das diejenigen, die bei Vollbreit unter unter die konventionelle Moralstufe fallen. Denen würde ich nicht grundsätzlich absprechen, traditionelle Rollenmuster zu leben, aber das muss einer gewissen Wahlmöglichkeit unterliegen, es muss nach innen gerichtet bleiben und es muss Abweichlern aus der eigenen Gruppe/Familie/etc. die Möglichkeit zum Abweichen offen stehen. Im Umgang mit Anderen, die nach außen durch ihr Verhalten kommunizieren, dass sie daran nicht teilnehmen, muss definitiv Toleranz herrschen und die muss, da schlagen wir den Bogen zurück zur Schule, früh eingeübt werden. Wenn die Jungs sich Nachmittags auf dem Sportplatz als "echte Kerle" aufführen wollen, sollen sie das gerne tun können, aber in der Schule, auf der Straße, bei anderen Freunden zuhause usw. muss klar sein, dass Gewalt in jeglicher Form, auch psychisch, ein No-Go ist. Damit meine ich nicht, dass man als Eltern nicht u.U. mal Fünfe gerade sein lässt, du als Vater wirst da besser als ich wissen, wo die Grenze liegt, die man ziehen muss, damit die Kinder das grundlegende Prinzip kapieren.
Zappa hat geschrieben:Was ich damit sagen will ist, dass die Freiheit des einzelnen auch beinhaltet gewisse Rollenverhalten in einem vernünftigen Rahmen ausleben zu dürfen. Da muss man sich sicher drüber unterhalten, die Reaktion auf ein sozial unerwünschtes Verhalten sollte aber in einem gesunden Verhältnis zum potentiellen Schaden stehen. Eine vollkommene Gleichberechtigung halte ich aus dieser Perspektive für schädlich.
Gleichberechtigung heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass die Einen berechtigt sind, ihren konventionelleren Lebensstil zu leben und die Anderen einen postkonventionellen leben dürfen, ohne dass man sich deshalb anfeindet (mögen muss man sich genauso wenig). Wenn ein Mädchen aus einer konventionell eingestellten Familie nicht auf das Gymnasium darf und ihr Bruder schon, obwohl sie die Schlaue und Bücherbegeisterte ist und der Junge mehr der Handwerkertyp, dann ist die Freiheit des Einzelnen ja beispielsweise schon verletzt. Auch wenn ein konventionell eingestelltes Ehepaar ein Problem damit hat, wenn der Nachbar schwul ist oder wenn die beste Freundin mit ihrem Partner ein völlig "verdrehtes" Beziehungsleben hat, spreche ich denen jede Berechtigung ab, anderen Leuten Steine in den Weg zu legen.
Problematisch wird es tatsächlich da, wo man sich nicht aus dem Weg gehen kann (was übrigens auch schlecht wäre, weil dann bei den meisten Gruppen mit der Zeit die extremen Tendenzen zum Tragen kommen - ein bisschen muss man sich aber aus dem Weg gehen können, sonst kommt eine Wagenburgmentalität auf, die genau zum selben Problem führt). Mit der Schule hast du da sicher ein treffendes Beispiel gewählt.
Meines Erachtens ist das irgendwo auch der Preis, den wir für die Individualisierung zahlen, dass wir mit einer gewissen Verunsicherung leben müssen, was Rollenbilder betrifft, einfach weil durch die freiere Kombinierbarkeit von Eigenschaften auch die Zahl der verfügbaren Rollen explosionsartig angestiegen ist. Ich sehe da eigentlich kaum Alternativen dazu, mehr Akzeptanz für Andersartigkeit zu lernen, die ja auch dazu führt, dass man mit seiner eigenen Rollenwahl seltener aneckt. In einer toleranten Gesellschaft wird auch das traditionelle Ehepaar oder der "echte Kerl" auf der Harley geachtet, solange diese Leute ebenfalls tolerant sind, deren Rollenbilder haben halt nur ihre Leitfunktion verloren.
Julia hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:sehen wir von sehr begründeten und nicht änderbaren Ausnahmen ab, wie denen, dass Kurzsichtige keine Kampfpiloten, Männer keine Mütter oder Frauen nicht Julius Cäsar in einem Kinofilm werden können.
Letzteres geht durchaus, ich habe schon mal eine Männerrolle in einem Theaterstück übernommen, nachdem ich die männlichen Konkurrenten für die Rolle mit meinen Schauspielkünsten ausgestochen habe. Wenn ich mich richtig erinnere waren insgesamt drei Männerrollen in dem Stück durch Frauen besetzt.
Nur bei einer Aufführung habe ich meinen Turban nicht gefunden und das hat dann wohl doch etwas merkwürdig ausgesehen.
Ich glaube, das ist bei Theaterstücken auch einfacher, weil die Rollen da sehr abstrahiert werden. Kino lebt dagegen von einer möglichst fotorealistischen Darstellung, von den experimentelleren Milieus mal abgesehen. In einem großen Blockbuster würde Cäsar wohl eher computeranimiert als von einer Frau besetzt werden - was ich in diesem Zusammenhang auch nicht schlimm finde. Da wäre eine Frau in der Rolle möglicherweise eher noch eine Art Geschichtsklitterung, die die patriarchalischen Zustände von damals verschleiert.