Vollbreit hat geschrieben:Finde ich sehr interessant.provinzler hat geschrieben:Meine große Stärken sind Zahlen, und Ökonomie ist nur der Bereich wo ich diese Stärke am intensivsten kultiviert habe.
Hast Du mal Peter Plichta gelesen?
Nein.
Vollbreit hat geschrieben:Finde ich sehr interessant.provinzler hat geschrieben:Meine große Stärken sind Zahlen, und Ökonomie ist nur der Bereich wo ich diese Stärke am intensivsten kultiviert habe.
Hast Du mal Peter Plichta gelesen?
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich wusste doch, dass hier noch was offen war.
Da hatte ich inzwischen ganz drauf vergessen. Danke für die ausführliche Analyse. War für mich sehr spannend zu lesen.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: Ökonomie ist sicherlich seine große Stärke und sein großes Interesse, aber sein Lebensthema scheint mir ein anderes zu sein, die beachtliche ökonomische Expertise ist mehr das Vehikel dafür.
Ich würde das ein bisschen anders formulieren. Meine große Stärken sind Zahlen, und Ökonomie ist nur der Bereich wo ich diese Stärke am intensivsten kultiviert habe. Ich hab für Zahlen so ne Art sechsten Sinn, und hab manchmal regelrecht das Gefühl, dass mir Zahlen Dinge anvertrauen, die sie andren verschweigen, auch wenn das jetzt vielleicht verdammt esoterisch klingt. Andre Kinder haben mit Lego oder Puppen gespielt, ich mit Zahlen.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich gehe von Introversion aus, weil die tiefen Fachkenntnisse und die Schilderungen von gewissen negativen Erlebnissne bezüglich Gruppen in der Kindheit (da war neulich mal eine Bemerkung über Sozialpädagogen, die offenbar irgendwelche gruppenbildenden Sachen aufzwängen wollten), eher für jemanden sprechen, der gut für sich selbst sein kann.
Diese Frage ist für mich auch sehr spannend, denn was das Thema angeht bin ich regelrecht schizophren. Richtig ist, dass ich kleine übersichtliche Gruppen gegenüber großen chaotischen vorziehe. Ein gemütliches Bierchen mit zwei, drei Leuten ist mir lieber als eine Disko oder ein Club. Richtig ist auch, dass ich keinen Gruppenzwang mag. Das spricht für die Introvertiertheit.
Gibt allerdings auch einiges was dagegen spricht. Ich bin jemand der quasi wo er geht und steht völlig problemlos und auch gerne wildfremde Leute anspricht und mit ihnen ins Gespräch kommt (Ob im Zug, an der Bushaltestelle, an der Supermarktkasse, am Würstlstand oder wo auch immer). Ich lern andauernd irgendwelche interessanten Leute kennen mit denen dann in etlichen Fällen sogar längerfristige Kontakte (in einigen Fällen auch echte Freundschaften) entstehen.
Und der zweite Punkt. Wenn ich gut vorbereitet bin und/oder mich in einer Gruppe wohlfühle, mag ich es schon mal ganz gerne ne kleine Show abzuziehen. Die von meiner Mutter geplanten und ausgedachten, von meiner introvertierten zurückhaltenden Schwester musikalisch erarbeiteten (mir selbst ist Ausarbeiten und Einstudieren meistens zu mühsam) und untermalten Einlagen auf Familienfesten, genießen in der Verwandtschaft fast so eine Art Kultstatus. Da hab ich auch kein Problem meiner Tante mit Kniefall ihr Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Das wären ja alles wohl eher extrovertierte Züge...
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: weil er eine völlig andere Ausrichtung hat, künstlerischer und sprachlicher veranlagt ist.
Das ist der nächste Punkt, den ich ganz interessant finde. So bescheinigst du mir zwar eine hohe Eloquenz (braucht man dafür keine Sprachbegabung?) und spreche doch immerhin bisher drei moderne Fremdsprachen (zwei fließend, eine eher holprig) und bin (wenigstens meinten das die diversen Chorleiter) auch durchaus musikalisch (ist das nicht künstlerisch?).
provinzler hat geschrieben:Ich kenne jedenfalls genug Leute, denen es wesentlich schwerer fällt Sprachen zu lernen als mir, und die das schwerpunktmäßig machen, nicht nur wie ich so ein bisschen nebenbei...
provinzler hat geschrieben:Bin wohl eine ziemlich vielschichtige und komplexe Persönlichkeit , die sicher nicht so leicht zu analysieren ist, und deswegen auch an Nanna nochmal ein klares für die klare und gut strukturierte Analyse
wikisocion hat geschrieben:It is possible to say that the aristocrat is to a larger degree a social being, an the democrat—individualistic. Therefore, the dispute of what is more important—society or the individual—cannot be resolved.
Nanna hat geschrieben:Dann INTJ. INFJ ist dafür doch zu sehr personenbezogen. Ich hab mich darauf versteift, weil du eine Angewohnheit hast, dich über moralische Missstände zu empören und das ist eher ein typisches Merkmal von des idealist temperaments. Aber mit mehr Informationen dreht sich die Sache. Dann liegt es wahrscheinlich daran, dass du dich persönlich angegriffen fühlst, wenn jemand die Logik, die du in der Welt siehst, nicht anerkennen kann.
Nanna hat geschrieben:Kurz gesagt sind demokratische Typen individualistischer und aristrokratische kollektiver veranlagt. Was ich für dich einfach mal zu bedenken geben wollte, ist, dass du die Frage nach der "richtigen Rolle" eventuell auch mal als Präferenz ansehen solltest, also dass es deine Präferenz ist, die individualistisch zu verhalten und zu orientieren, aber dass andere Leute grundsätzlich und von ihrer ganzen (ererbten) Veranlagung her gruppenbezogen denken. Die genaue Erklärung gibt es hier: http://www.wikisocion.org/en/index.php? ... istocratic (falls ich mit meiner Typisierung diesmal richtig läge, wären wir in Socionics beide vom Typ ILI)
Nanna hat geschrieben:Das nur am Rande. Vielleicht ist es ja auch für dich eine Option, dich mal genauer mit der Neigung von bestimmten Persönlichkeitstypen zu bestimmten politischen Idealen zu beschäftigen. Das kann einen vielleicht mit der Situation, dass die Mehrheit der Gesellschaft andere Präferenzen hat als man selbst, ein Stück weit versöhnen, weil man es zumindest versteht und auch realisiert, dass sich daran nicht grundsätzlich etwas ändern wird.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Dann INTJ. INFJ ist dafür doch zu sehr personenbezogen. Ich hab mich darauf versteift, weil du eine Angewohnheit hast, dich über moralische Missstände zu empören und das ist eher ein typisches Merkmal von des idealist temperaments. Aber mit mehr Informationen dreht sich die Sache. Dann liegt es wahrscheinlich daran, dass du dich persönlich angegriffen fühlst, wenn jemand die Logik, die du in der Welt siehst, nicht anerkennen kann.
Ja und nein. Ich fühle mich immer dann persönlich angegriffen, wenn jemand meint er hätte irgendwie ein Recht darauf, in mein Leben zwangsweise einzugreifen, selbst wenn ich niemandem etwas getan habe, was so einen Eingriff zur Notwehr machen würde.
provinzler hat geschrieben:Ich kann eigentlich ganz gut damit leben, wenn jemand eine andre Meinung vertritt als ich. Aber ich werde sauer, wenn er aus seiner Meinung Ansprüche gegen mich ableitet. (Beispielsweise behauptet er hätte aufgrund dessen was er als "gerecht" empfindet das Recht mich zu berauben oder räuberisch in Form von Steuern zu erpressen).
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Kurz gesagt sind demokratische Typen individualistischer und aristrokratische kollektiver veranlagt. Was ich für dich einfach mal zu bedenken geben wollte, ist, dass du die Frage nach der "richtigen Rolle" eventuell auch mal als Präferenz ansehen solltest, also dass es deine Präferenz ist, die individualistisch zu verhalten und zu orientieren, aber dass andere Leute grundsätzlich und von ihrer ganzen (ererbten) Veranlagung her gruppenbezogen denken. Die genaue Erklärung gibt es hier: http://www.wikisocion.org/en/index.php? ... istocratic (falls ich mit meiner Typisierung diesmal richtig läge, wären wir in Socionics beide vom Typ ILI)
Das ist in der Tat die treffendste Beschreibung meiner Person, die ich je gelesen habe. Auch wenn ich gelernt habe, mit bestimmte Aspekten zu leben, bzw. sie zu kaschieren, gerade was den Umgang mit diesem merkwürdigen Phänomen Mitmensch angeht...
provinzler hat geschrieben:Und diese andren Präferenzen geben dieser Mehrheit das Recht zu den oben beschriebenen gewalttätigen Übergriffigkeiten?
provinzler hat geschrieben:Allerdings scheint das darwinistische Prinzip die gewalttätigen Kategorien zu bevorzugen und den friedlicheren lediglich eine ausgleichende Nischenfunktion zuzugestehen.
provinzler hat geschrieben:Ich muss sagen, dass diese Aussichten meine Stimmung nicht grade heben und mich eher noch fatalistischer und zynischer werden lässt. Vielleicht ist es wirklich am Besten, die Situation so zu nehmen wie sie ist und als zynischer Opportunist für mich das beste dabei rauszuholen.
provinzler hat geschrieben:Ich behaupte einfach mal, in einer Gesellschaft mit klarer ILI - Mehrheit wäre Adolf Hitler vermutlich in ner Nervenheilanstalt gelandet und Ausschwitz wär der Menschheit erspart geblieben, genauso wie Stalin, Pol Pot, Mao und wie all die kollektivistischen Menschenfreunde noch so hießen ...
provinzler hat geschrieben:Aber wie gesagt, wir sind eine Minderheit...
Nanna hat geschrieben:INTJs haben eine im Vergleich zu anderen Thinkern besonders starke Neigung, verärgert bis verwirrt über Verhaltensweisen zu sein, deren Zustandekommen sie nicht logisch nachvollziehen können. Wenn ich das jetzt dreist auf dich übertragen würde, wäre die These, dass du nicht nur von der Übergriffigkeit als solcher provoziert wirst, sondern noch dazu Schwierigkeiten hast, zu verstehen, dass Menschen überhaupt zu solchem Verhalten neigen und es als normal empfinden.
Nanna hat geschrieben: Und den Tipp, mal die Perspektive rein experimentell zu wechseln, gebe ich auch nicht vor dem Hintergrund, dich unbedingt überzeugen zu wollen, dass man alles kollektivstisch betrachten sollte, sondern weil es einen Weg ist, ein Stück weit Frieden mit den allgemeinen Umständen zu schließen.
Nanna hat geschrieben: Wenn ich das jetzt dreist auf dich übertragen würde, wäre die These, dass du nicht nur von der Übergriffigkeit als solcher provoziert wirst, sondern noch dazu Schwierigkeiten hast, zu verstehen, dass Menschen überhaupt zu solchem Verhalten neigen und es als normal empfinden. Ist aber jetzt auch nur eine wilde Spekulation.
Nanna hat geschrieben:
Spiel deine Rolle als Korrektiv der Gesellschaft, aber ärger dich nicht jedes Mal gar so blau, wenn die Steuererklärung ansteht. Vor allem sollte man sich davor bewahren, sich so reinzusteigern, dass man am Ende die Graustufen nicht mehr sehen kann, und dann plötzlich Möglichkeiten übersieht, wo man seinen kleinen Teil zu einer Veränderung beitragen kann. Und überhaupt hat es keinen Sinn, sich an der Welt zu rächen, indem man fatalistisch wird. Der Welt ist das nämlich wurscht und weh tut's einem nur selber.
Nanna hat geschrieben: Du bist doch sicherlich auch jemand, auf den man hört, weil man ihm Kompetenz zugesteht.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: Und den Tipp, mal die Perspektive rein experimentell zu wechseln, gebe ich auch nicht vor dem Hintergrund, dich unbedingt überzeugen zu wollen, dass man alles kollektivstisch betrachten sollte, sondern weil es einen Weg ist, ein Stück weit Frieden mit den allgemeinen Umständen zu schließen.
Ich verstehe nach wie vor nicht ganz, warum ich meinen Frieden mit Leuten oder Umständen machen sollte, deren oberstes Anliegen es seit jeher zu sein scheint, mir endlich das Rückgrat zu brechen, und mich "auf Linie" zu bringen. Nur weil Scheiße nunmal unmal unumgänglich ist, stinkt sie nicht weniger.
provinzler hat geschrieben:Und ich fühle mich vom Gestank dieser kollektivistischen Scheiße erheblich belästigt. Dein Rat kommt mir jetzt ungefähr so vor, als sollte ich mir die Nase abschneiden, oder mir wenigstens lang genug einreden, es wären Himbeeren, damits mich nicht mehr so stört.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: Wenn ich das jetzt dreist auf dich übertragen würde, wäre die These, dass du nicht nur von der Übergriffigkeit als solcher provoziert wirst, sondern noch dazu Schwierigkeiten hast, zu verstehen, dass Menschen überhaupt zu solchem Verhalten neigen und es als normal empfinden. Ist aber jetzt auch nur eine wilde Spekulation.
Das beschreibt ziemlich perfekt meine Situation in Kindergarten/Grundschule un der gymnasialen Unterstufe. Ich kann die Aggression, die von Seiten von Mitschülern und einigen Lehrern auf mich einprasselte, bis heute nicht nachvollziehen.
provinzler hat geschrieben:Und das albernste an der Situation war, dass die sich anscheinend dabei auch noch voll im Recht fühlen, weil ich renitenter Kerl mir partout nicht das Rückgrat brechen ließ (solche Leute nennen das dann zynisch "einfügen" oder "unterordnen") und mich der Aggression bezichtigten.
provinzler hat geschrieben:Die waren anscheinend der Ansicht, mein penetrantes Abheben von der "Norm" (oder besser vom wohligen und bequemen Mittelmaß) würde die eigene Aggression in irgendeiner Form rechtfertigen.
provinzler hat geschrieben:An der Welt rächen ist sowieso Quatsch, alles was ich tun kann ist Situationsarbitrage. Also meine Intelligenz dazu zu nutzen, den Sitzplatz im Bus des Lebens zu kriegen, wos am wenigsten penetrant stinkt.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Du bist doch sicherlich auch jemand, auf den man hört, weil man ihm Kompetenz zugesteht.
Ja, speziell dann wenn man mir mein junges Alter nicht ansieht (also beispielsweise in Internetforen). Das Alter ist im Real Life manchmal noch hinderlich, wenn Leute meinen wegen des Alters automatisch klüger zu sein. Aber auch das gibt sich zunehmend, zumal ich wie mir gesagt wird, älter aussehe als ich bin. Manchmal wird mir das dann sogar zu viel. So hatte eine ältere Nachbarin, ein etwas einfacheres Gemüt, die feste Überzeugung, dass es nichts gibt, was ich nicht weiß. Die wollte mich sogar mal mit zum Arzt nehmen, damit ich ihr sagen kann, ob er ihr die Wahrheit sagt, oder nicht. Meine aufrichtige Antwort, dass ich von Medizin keine Ahnung habe, und mir daher kein Urteil anmaße, empfand sie als Bescheidenheit.
Nanna hat geschrieben:Du bist, wenn ich es richtig verstehe, wie ich in einer ländlichen Gegend aufgewachsen: Niemand auf dem Dorf würde behaupten, der Mistgestank wäre angenehm, aber genauso wenig verbringt irgendjemand damit Zeit, sich den lieben langen Tag darüber aufzuregen. Keiner redet sich ein, es wäre Himbeerduft, und wahrscheinlich kommen manche besser damit klar als andere. Aber da alle wissen, dass der Gestank nicht verschwinden wird, nehmen die Leute es mit Humor und Gelassenheit. Und das ändert nichts daran, dass sich am Ende trotzdem alle freuen, wenn mal eine neue Biogasanlage die Geruchsbelästigung reduziert.
Nanna hat geschrieben: Das ist auch das, was ich immer damit meinte, wenn ich dir früher erklärt habe, dass du dir diskussionstechnisch keinen Gefallen tust, wenn du immer wieder und mit wachsender Verärgerung vermeintliche ökonomische Schwächen kollektiver Systeme aufzeigst. Damit redest du häufig an den Ängsten anderer Menschen vorbei, die vielleicht gerne bereit sind, für etwas mehr Vorhersehbarkeit und Stabilität wirtschaftliche Dynamik zu opfern. Was du anbietest, ist schlicht nicht attraktiv für jeden. Da wäre die Frage für dich: Was kann ich außer ökonomischen Vorteilen noch so anbieten mit einer liberalen Vision? Wie erkläre ich denen, die Gemeinschaft brauchen, um sich sicher zu fühlen, dass ihre Ängste nicht eintreten werden?
Nanna hat geschrieben:Kurios, dass jemandem, der Macht so ablehnt wie du, durch seine Fähigkeiten Macht zukommt, nicht wahr?
provinzler hat geschrieben:ja, wer gerne Ketten hat und Sklave ist, dem wird man den Liberalismus nicht schmackhaft machen können. Das einzige, was ich nicht verstehe ist, warum die so penetrant wollen, dass jeder sich diese Ketten anlegen lässt. Wenn manche ein Verhältnis zur Politik haben wollen wie die Sau zum Bauern, mit begrenztem Bewegungsspielraum, geregelter Verpflegung, und der Gefahr nach Belieben geschlachtet zu werden, warum wollen die mich unbedingt genauso sehen.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Kurios, dass jemandem, der Macht so ablehnt wie du, durch seine Fähigkeiten Macht zukommt, nicht wahr?
Ich war auch im Fußballverein Mannschaftskapitän. Warum? Weil ich eloquent und clever genug war, mit dem Schiri zu diskutieren, ohne mir Karten einzuhandeln. Weil ich bewiesen hatte, dass man durch mich Spiele gewinnen konnte, die man sonst verlor, was übrigens nicht an meinen herausragenden Fußballfähigkeiten lag, sondern daran, dass ich für die Hammelklasse einfach viel zu "strategisch" spielte. Fähigkeiten können einem je nach Kontext Macht verschaffen, keine Frage.
Nanna hat geschrieben:Ich kann mich in vielen Fällen (Uni, Arbeitsplatz, Projektarbeit) häufig über die Regeln für Normalsterbliche recht eigenmächtig hinwegsetzen, weil man sich darauf verlassen kann, dass ich bei aller Eigenständigkeit immer einen Vorteil für das Team herausschlage und gewisse Privilegien, die ich mir herausnehme, nie zum Nachteil der Anderen ausnutze. Außerdem habe ich ein sehr feines Gespür dafür, wann es (auch sozial) wichtig ist, exakt by the book zu spielen und wann man Regeln als lose Richtlinien interpretieren kann.
Nanna hat geschrieben:Es geht eigentlich mehr darum, in der Lage zu sein, zu erkennen, wann das sture Einhalten einer Regel weniger zum Ziel der Regel beiträgt als eine pragmatische Lösung.
Nanna hat geschrieben:Wartest du ernsthaft nachts um drei an der leeren Kreuzung, wenn die Ampel rot ist?
Nanna hat geschrieben:Ich weiß z.B. gut, wo ich mir es mal herausnehmen kann, dem Team etwas zur Last zu fallen, etwa weil ich kurzfristig umdisopnieren muss und dadurch mal ausfalle oder unpünktlich bin, wenn ich gleichzeitig weiß, wann ich im Gegenzug 120% Arbeitsleistung dafür bringen muss (und das tue ich recht häufig; gewisse Vorrechte werden einem dann auch vom Arbeitgeber selbst eingeräumt). Du scheinst das mit kaltem Machiavellismus zu verwechseln, aber ich meine damit eigentlich, dass ich durch das gelegentliche Missachten gewisser Sekundärtugenden (z.B. kann das eben Pünktlichkeit sein) meine Ressourcen effizienter nutze und dadurch den pay-off sowohl für mich als auch für das Team erhöhe.
Nanna hat geschrieben: Oder ich setze mich entgegen gewisser Respektregeln auch gegenüber Höherrangigen mal mit recht pentrantem Diskutieren durch, weil ich erkannt habe, dass mein Lösungsvorschlag uns alle weiter bringen wird.
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Es geht eigentlich mehr darum, in der Lage zu sein, zu erkennen, wann das sture Einhalten einer Regel weniger zum Ziel der Regel beiträgt als eine pragmatische Lösung.
Klar, das sollte aber auch zur frage führen, ob nicht grundsätzlich die pragmatische Lösung angemessener ist als ein standartisierter Vorschlag - die Regel überhaupt nur als Vorschlag zu erkennen kann auch nicht vorausgesetzt werden, da diese nicht selten beansprucht, allgemeingültig zu sein.
Darth Nefarius hat geschrieben:Deswegen schätze ich 1. die Erkenntnis, dass es lächerlich ist, allgemeingültige Regeln aufstellen zu wollen oder zu glauben, dass solche existieren und sie alle nur Vorschläge sind und 2. dass die eigene Analyse einer Situation oft besser ist, da ein solcher Vorschlag nur allgemeine Situationen beschreibt.
Darth Nefarius hat geschrieben:Schön wärs, wenn ich bei dir Macchiavellismus erkennen könnte, das hätte ja noch wenigstens System und wäre weit weniger auf Heuchelei aufgebaut (ein Herrscher sollte eher anstreben, gefürchtet als geliebt zu werden - folglich muss er nicht (langfristig) lügen und betrügen, sondern nur skrupellos sein).
Darth Nefarius hat geschrieben:... Aber darin bestand ja auch nicht meine Kritik, sondern eben in der Scheinheiligkeit, Moral und Ethik als real und notwendig zu bezeichnen, aber sich gleichzeitig selbst herauszunehmen, es anders zu handhaben. Bei meinem Amoralismus bin ich wenigstens ehrlich und damit (soweit ich es zulasse) für andere einschätzbar.
Darth Nefarius hat geschrieben:Du machst es dir doch umso schwerer, wenn man bei dir erwartet, dass du moralisch handelst, wenn du auch diesen Anspruch hast, da die Enttäuschung der anderen über dich umso größer bei erwischtem Verstoß ist (und folglich lassen dich die Leute weniger durchgehen).
Darth Nefarius hat geschrieben:Bei mir passiert soetwas nicht, von mir erwartet man eiskalte Berechnung und pragmatischen Egoismus - allerdings sehr kooperativen, zuverlässigen und intelligenten (so wie es bei einem Macchiavellisten üblich ist). Ich habe in meinem ganzen Schulleben wohl nie mehr als eine handvoll Schultage verpasst, habe fast immer meine Hausaufgaben und Arbeiten erledigt und nie geschlampt. Das hat nichts mit Ethik zu tun, sondern mit Willenskraft und Disziplin.
Nanna hat geschrieben: Wenn zwei Menschen in der Wüste stehen und nur einen Kanister Wasser haben, mag es dem Einen pragmatisch erscheinen, den Zweiten umzulegen, wohingegen ein Anderer unter Pragmatismus verstehen würde, dass man das Wasser halt brüderlich teilt und das Beste daraus macht.
Nanna hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Deswegen schätze ich 1. die Erkenntnis, dass es lächerlich ist, allgemeingültige Regeln aufstellen zu wollen oder zu glauben, dass solche existieren und sie alle nur Vorschläge sind und 2. dass die eigene Analyse einer Situation oft besser ist, da ein solcher Vorschlag nur allgemeine Situationen beschreibt.
Klar sind sie Vorschläge. Das ist ja gerade der Punkt am Sein-Sollen-Problem, dass man moralische Regeln nicht empirisch in der Natur auffinden kann, sondern durch Reflexion aufstellen und optimieren muss. Dein utilitaristischer Appell an die Nützlichkeit ist übrigens auch eine allgemeine Regel.
Nanna hat geschrieben:Ich habe relativ viel Erfahrung darin, ein Team zu führen ohne eine Vorgesetztenfunktion zu haben (gute Beschreibung so eines Führungsstils beispielsweise hier). Aus ganz alltäglicher Erfahrung weiß ich, dass gefürchtet zu werden eine einzige Katastrophe ist, wenn man etwas erledigt bekommen will. Mitarbeiter brauchen Lob, Bestätigung und die Erfahrung, dass man zu ihnen loyal ist, selbst wenn sie mal Mist gebaut haben. Darüberhinaus brauchen sie aber auch ehrliches Feedback und die Möglichkeit, sich nach individueller Leistungsfähigkeit beweisen zu können. Wie der verlinkte Artikel völlig korrekt anmerkt, sind sozial inkompetente Vorgesetzte, die autoritäres Verhalten mit Autorität verwechseln, der größte Bremsklotz für Produktivität und für das allgemeine Klima ja sowieso.
Nanna hat geschrieben:Letztlich ist die Frage, was nachhaltiger ist und was man will: Dass die Leute einem aus Angst oder reinem Nutzenkalkül folgen oder aus Überzeugung und Vertrauen. Du kannst ja machen, was du willst, aber ich werde mich grundsätzlich immer für zweiteres entscheiden. Wenn ich nicht im umfassenden Sinne eine gute Führungspersönlichkeit bin, und das schließt Loyalität über reine Nutzenerwägungen hinaus ein, will ich auch den Job nicht haben. Da enttäuschte ich mich nur selbst.
Nanna hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:... Aber darin bestand ja auch nicht meine Kritik, sondern eben in der Scheinheiligkeit, Moral und Ethik als real und notwendig zu bezeichnen, aber sich gleichzeitig selbst herauszunehmen, es anders zu handhaben. Bei meinem Amoralismus bin ich wenigstens ehrlich und damit (soweit ich es zulasse) für andere einschätzbar.
Ich glaube, dass du da etwas kollossal missverstanden hast. Ich breche keine ethischen Regeln. Ich setze mich, und zwar mit Wissen und Billigung meiner Vorgesetzten, Kommilitonen oder wem auch immer, manchmal über bestimmte Konventionen hinweg, weil ich mit mehr Handlungsfreiheit in dem Fall bessere Ergebnisse erziele.
Nanna hat geschrieben: Wenn ich das darf, habe ich mir das durch jahrelanges zuverlässiges Erarbeiten von Vertrauen verdient. Wo es darauf ankommt, etwa bei der Überstundenabrechnung o.ä. bin ich absolut preußisch-penibel. Mit Amoralismus hat das alles überhaupt nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Andere sind manchmal eher bereit, mich von standardisierten Verfahren zu entbinden, weil sie mir vertrauen, dass ich mich auch dann noch ethisch sauber verhalten werde, wenn ich in unkontrollierter Umgebung arbeite. Und ich bin auch immer sehr offen und transparent dabei, meine Beweggründe zu erklären, irgendwelcher Obskurantismus liegt mir da fern.
Nanna hat geschrieben:Sorry, wenn du glaubst, mich da bei irgendetwas ertappt zu haben. Mir ging es eigentlich nur darum, provinzler nahe zu legen, die Integrität, die viele ihm zugestehen, insofern zu nutzen, als dass er dadurch häufig mehr Freiheit in der Gestaltung seiner Arbeitsweise erhalten kann (was er ja in dem Startup, wo er arbeitet, offensichtlich auch tut). Wer integer und vertrauenswürdig ist, darf häufig eher selbst entscheiden, wie er ein Ziel erreicht, gerade weil man ja darauf vertrauen kann, dass er dabei keine schmutzigen Wege einschlagen wird. Das setzt aber voraus, dass man sich seine Integrität bewahrt.
Nanna hat geschrieben:Ich bin bislang nicht in die Situation gekommen, wo mir vorgeworfen wurde, ein doppeltes Spiel zu spielen oder die Integrität meiner Intentionen angezweifelt wurde. Klar passieren Fehler und natürlich erreiche ich meine eigenen Standards in schöner Regelmäßigkeit nicht. Ich kann das aber zugeben und auch die Verantwortung auf mich nehmen, wenn ich irgendwo Mist gebaut habe. Lieber gleich drüber reden, dann ist das Thema vom Tisch. Gerade Leute, die einen länger kennen, kriegen da recht schnell mit, ob einen das ehrlich wurmt und man sich wirklich anstrengt, den gleichen Fehler nicht nochmals zu machen, oder ob man eine Entschuldigung nur als Ausflucht benutzt. Insofern, nein, bislang habe ich nicht erlebt, dass jemand von mir enttäuscht war, weil ich vollmundig meine Moral gepriesen habe und dann ein Versprechen nach dem anderen gebrochen habe.
Nanna hat geschrieben:Wenn meine Hausaufgaben schlecht waren, hat das aber auch nur mir geschadet, insofern ist das auch gar kein ethisches Problem.
Nanna hat geschrieben: Ich kann aber von mir sagen, dass ich mir nie Leistungen erschlichen habe.
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