Was ewig währt, wird... langweilig?

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Beitragvon Darth Nefarius » Fr 1. Nov 2013, 23:47

[ADMIN] Fortsetzung von Forumsuhr: Umstellung von Sommer- auf Winterzeit! [/ADMIN]

Mal einfach so gefragt: Ist es eigentlich so qualvoll in alle Ewigkeit was auch immer zu machen? Irgendwann müsste man sich doch an die Strafe gewöhnen - sterben könnte man in der Hölle sowieso nicht mehr. Und der Himmel wäre auch irgendwann langweilig - Zucker in den Arsch geblasen zu bekommen, macht nur dekadent - also hätte man auch als Atheist nichts zu verlieren. :mg:
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Re: Forumsuhr: Umstellung von Sommer- auf Winterzeit!

Beitragvon Nanna » Sa 2. Nov 2013, 01:58

Sagt das der Typ, der nach dem ewigen Leben strebt? ;-)
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Re: Forumsuhr: Umstellung von Sommer- auf Winterzeit!

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 2. Nov 2013, 19:18

Ganz recht. Ich gehe zwar nicht von einem Leben nach dem Tod aus, aber die Androhung mit der ewigen Hölle ist für mich gerade aufgrund der Ewigkeit lächerlich, da sie ja genau das ist, was ich anstrebe. Wie diese Ewigkeit aussehen wird, ist dann zweitrangig, da man sich an alles anpassen oder gewöhnen kann - wenn Zeit erstmal keine Rolle spielt. Insofern kann kein Gläubiger mir mit der Hölle Angst machen, das Nichts ist weit furchterregender als alles andere. Die Unsterblichkeit, die ich in anstrebe, würde sowieso nichts mit einem ewigen Paradies zu tun haben, da an jeder Ecke der Tod lauern würde: Sobald man also das Altern verhindert hat, bleiben immer noch widerwertige degenerative Krankheiten, als nächstes müsste man die physische Verletzlichkeit beseitigen, danach müsste man sich unabhängig machen von den lästigen Notwendigkeiten wie organische Nahrung und dergleichen. Desweiteren müsste man verhindern, dass einem die Nähe zu einem irgendwann sterbenden Stern gefährlich wird, irgendwann müsste man auch noch den Kältetod umgehen. Das Universum wäre eine einzige riesige Herausforderung. Eine Art zu Sterben zu verhindern würde nur bedeuten, eine andere Art wahrscheinlicher zu machen - aber das ist immer noch besser als gleich die Hände in den Schoß zu legen. So ein Leben wäre zwar nicht die Hölle, aber nunmal weit entfernt von einer infantilen Hoffnung auf ein Paradies.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Nanna » So 3. Nov 2013, 01:27

Ich halte es da nach wie vor mit Epikur. ;-)

Meine Sorge gilt eher der Zeit, wo der nahende Tod sich abzeichnet. Man weiß z.B. aus Langzeitstudien wie dem SOEP, dass in den letzten fünf Lebensjahren die Lebenszufriedenheit signifikant sinkt. Eigentlich nicht verwunderlich, aber eben auch empirisch nachweisbar. Meine zweite Sorge gilt denen, die zurückbleiben und trauern. Für die möchte ich gesorgt wissen.

Keine Ahnung, ob ich ein ewiges Leben ausschlagen würde. Aber das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist sicherlich weder das Sterben noch das Weiterleben.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Darth Nefarius » So 3. Nov 2013, 12:47

Nanna hat geschrieben:Meine Sorge gilt eher der Zeit, wo der nahende Tod sich abzeichnet.

Damit ruiniert man sich aber die Zeit, die einem noch bleibt; das ist selbstverschuldet. An dieser Zeit ist nichts anders als an einer anderen Epoche im Leben, mit der Ausnahme, dass man dem Nichts näher steht - und damit ist es auch nicht die Angst vor dieser Zeit, sondern die vor dem Nichts. Klar werden Studien zeigen, dass die Lebensqualität dann sinkt, aber das liegt nicht an dieser Zeit an sich, sondern nur an der Angst, mit der man nicht umgehen kann. Ein für uns vielleicht näheres Beispiel: Wenn du eine Klausur schreiben sollst, so hast du kurz vor der Klausur immer die Sorge, dass du vielleicht nicht genug oder das Falsche gelernt hast. Ja, diese Zeit ist dann unangenehm und geht auch mal mit Schlafstörungen einher, aber die Ursache ist letztlich doch die Klausur, da die Sorge nur schwindet, wenn die Klausur geschrieben und die Ergebnisse bekannt sind. Genauso ist es mit den letzten Lebensjahren: Wäre der Tod nicht absehbar, wären es nur einige Jahre unter vielen.
Und wenn dich das nicht überzeugt, so erkläre mir, was deiner Meinung nach diese Jahre so unangenehm macht, wenn nicht diese Angst und Gewissheit.
Nanna hat geschrieben:Meine zweite Sorge gilt denen, die zurückbleiben und trauern. Für die möchte ich gesorgt wissen.

Da kenne ich auch keine adäquate Lösung: Wie geht man mit Verlust um? Wie geht man damit um, dass man entweder die geliebten Menschen verliert oder man fürchtet, was aus ihnen wird, wenn man selbst nicht mehr existiert? Letzteres ist vielleicht gut durch ein möglichst langes Leben zu lösen - dadurch aber erhöht man die Chance, dass man ersteres erleidet. Meine beste Idee dazu wäre, mein Gedächtnis zu löschen - aber damit bin ich auch noch nicht so recht zufrieden. Es scheint mir zu nahe am Selbstmord zu sein, da ich mich auch über meine Erinnerungen und damit verbundenen Emotionen und Überzeugungen definiere. Man würde damit ein Stück von sich selber auslöschen - allerdings dadurch wohl immerhin einen Teil retten: den Verstand und das Leben, welche bei zu großem Schmerz durchaus gefährdet sein können. Es ist wohl nur eine ultima ratio. Das buddhistische Gewäsch von Loslassen ist für mich keine Option, da es nur möglich wäre, wenn man ohnehin nie viel für das, was man loslässt, empfunden hat. Und wenn es so ist, baue ich erst gar nicht eine Beziehung zu etwas Unbedeutendem auf und muss gar nicht loslassen.
Übrigens finde ich deine Titelwahl zwar lustig, aber etwas unangemessen: Meine Intention bestand zum einen darin anzumerken, dass die hypothetischen ewigen Qualen in der Hölle in Anbetracht der Ewigkeit keine echte Angst bei mir hervorrufen können und zum anderen darin, dass die hypothetischen Freuden des Himmels irgendwann langweilig sein müssten (besonder Kinder kennen doch den Moment, wo auch das begehrteste Spielzeug langweilig wird und man den Eltern dann auf die Nerven geht, um etwas neues zu bekommen - soll man sich den Himmel auch so vorstellen? Wenn ja, wäre der Himmel die Ausgeburt der Dekandenz). Es sind beides passive Zustände, die in einer hypothetischen Ewigkeit im Diesseits nicht existieren könnten, da das Verlangen nach Ewigkeit eine aktive Rolle vorraussetzen- und damit Langeweile ausschließen würde.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon stine » So 3. Nov 2013, 13:56



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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Jounk33 » Mo 4. Nov 2013, 18:18

In den letzten 5 Lebensjahren soll also die Zufriedenheit stark sinken ?
Ich mein woher will man das denn bitte sehr wissen. Wer stellt den solche Studien an ?
dabei drängt sich mir regelrecht die Frage auf ob man dabei Leute untersuchte die von ihrem nahen Tod wussten oder es nicht wussten.
Im ersten Falle könnte ich das nachvollziehen, aber das ist dann auch unerheblich weil die meisten wissen eben nicht wann sie sterben. Im zweiten Falle wirds aber Grenz-oder-pseudowissenschaftlich. Das würde ja bedeuten, dass es eine höhere Macht gibt die einem das Leben versalzt damit man gerne stirbt.
Also ich halte das für blödsinnig.

Darth Nefarius, woher wollen Sie wissen, dass man im Himmel Zucker in den Arsch geblasen bekommt ?
Dass Ihnen das Nichts Angst macht kommt daher, dass Sie doch auf was anders hoffen als auf Nichts. Im grunde ist deswegen erst sowas wie der Himmel, die Hölle erfunden worden. Das es weder eine glaubhafte vorweltliche, noch nachweltliche Erfahrung gbt, sagt doch, dass das Nichts genau das ist was wir davon wissen. 0, nicht 1

Desweiteren bin ich der Meinung, dass ewiges Leben den nachteil hätte neues Leben unmöglich zu machen. Es würde sich so verhalten was wir heute beim Weltfinanzsystem beobachten. Somit wäre ewiges Leben doch eine Strafe, weil man dann, ab einer gewissen zeit sehr einsam werden würde. Aber alles Theorie.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Nanna » Di 5. Nov 2013, 00:44

Jounk33 hat geschrieben:In den letzten 5 Lebensjahren soll also die Zufriedenheit stark sinken ?
Ich mein woher will man das denn bitte sehr wissen. Wer stellt den solche Studien an ?

Das wurde im Rahmen des SOEP (Sozio-Ökonomisches Bevölkerungspanel) ermittelt, eines der ältesten und größten Längsschnittforschungsprojekte zur Gesellschaft, die es in Deutschland gibt, und das seit 1981 läuft.

Jounk33 hat geschrieben:dabei drängt sich mir regelrecht die Frage auf ob man dabei Leute untersuchte die von ihrem nahen Tod wussten oder es nicht wussten.
Im ersten Falle könnte ich das nachvollziehen, aber das ist dann auch unerheblich weil die meisten wissen eben nicht wann sie sterben. Im zweiten Falle wirds aber Grenz-oder-pseudowissenschaftlich. Das würde ja bedeuten, dass es eine höhere Macht gibt die einem das Leben versalzt damit man gerne stirbt.
Also ich halte das für blödsinnig.

Das Ergebnis ist doch trivial, denn im Prinzip ist das ziemlich erwartbar. Die meisten Menschen sterben ja an Krankheit und/oder Altersschwäche und das ist normalerweise ein fortgesetzter Prozess, d.h. der körperliche Niedergang setzt geraume Zeit vor dem Tod ein und steigert sich kontinuierlich. Statistisch ist es sehr naheliegend, dass wir in einem bestimmten Zeitraum vor dem Tod im Mittel eine erhebliche Abnahme an Lebensqualität sehen, die dann im Tod gipfelt. Es wäre sogar andersherum eher ein Zeichen für Unwissenschaftlichkeit, denn würde die Lebensqualität bis zum Tod statistisch gleich bleiben, würde das bedeuten, dass die meisten Leute einfach so aus heiterem Himmel und ohne vorausgehende Krankheit oder Gebrechen sterben und das ist aller Lebenserfahrung nach ganz offensichtlich nicht so. Die Abnahme der Lebensqualität zum Tod hin muss statistisch sichtbar sein, denn sonst würde die Statistik implizieren, dass Kranke (Krankheit ist neben Armut die Hauptursache unterdurchschnittlicher Lebensqualität) dieselbe Überlebenswahrscheinlichkeit besitzen, wie Gesunde, und das wäre ja nun Blödsinn.
Offenbar ist es nun so, dass der Großteil der Betroffenen das in etwa in den letzten fünf Lebensjahren erlebt und der Zeitraum, den das quantitativ im Leben statistisch gesehen einnimmt ist doch das eigentlich interessante Ergebnis. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von um die 75 Jahre heißt das nämlich, dass der durchschnittliche Bundesbürger etwa 70 Jahre lang ein relativ zufriedendes Leben vor sich hinleben kann.
Einige werden vielleicht die letzten zehn Jahre mit Krankheit und Siechtum zu kämpfen haben, andere sterben nach kurzer und schwerer Krankheit, aber im Mittel sind es eben so etwa die letzten fünf Jahre, die betroffen sind. Wir wissen ja auch, dass der durchschnittliche Krankenkassenpatient die höchsten Kosten in den letzten beiden Jahren seines Lebens verursacht, einfach weil die intensivmedizinische Betreuung insbesondere kranke Senioren betrifft, deren Sterben man noch etwas hinauszuzögern versucht. Unwissenschaftlich ist daran nichts, solange man sich darüber klar ist, wie man die Statistik lesen und verstehen muss. Es ist nicht so, dass man grundsätzlich in den letzten Lebensjahren überhaupt leidet oder dass es ausgerechnet die letzten fünf sein müssen. Die Statistik sagt einfach nur aus, dass durchschnittlich in den letzten fünf Lebensjahren die durchschnittliche wahrgenommene Lebensqualität deutlich und zunehmend von der durchschnittlich wahrgenommenen der Gesamtbevölkerung abnimmt. Und das ist eben dadurch zu erklären, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht einfach so tot umfällt, sondern nach einem längeren Prozess des Kränkelns und Vergreisens stirbt, der logischerweise in der Statistik sichtbar ist.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 5. Nov 2013, 11:07

Jounk33 hat geschrieben:Darth Nefarius, woher wollen Sie wissen, dass man im Himmel Zucker in den Arsch geblasen bekommt ?

:lachtot:
Die Höflichkeit in dieser absurden Frage ist das Sahnehäubchen! Natürlich weiß ich das nicht, ich glaube ja nichtmal an einen Himmel - habe aber in der hypothetischen Annahme, dass es einen solchen gäbe, versucht anzumerken, wie absurd die Vorstellung von einem Paradies oder Himmel ist. Der Mensch kann nie dauerhaftes Glück erleben - dies ist aber nunmal die allgemeine Definition eines Himmels. Kein Mangel an Ressourcen, fehlende Herausforderungen und der daraus resultierende Mangel an Zielen lässt den Menschen dekandent und faul werden - oder zum "letzten Menschen" wie Nietzsche es nannte. Früher oder später wird jeder seines Glückes überdrüssig und empfindet keine Freude mehr an seinem Lieblingsessen, seinem Lieblingsfilm, seiner Lieblingsmusik oder sonstwas.
Die umgekehrte Problematik sehe ich in einer hypothetischen Hölle: Jede Strafe wird durch die Ewigkeit relativiert und erträglich - denn sterben wird man sowieso nicht davon.
Diese Fragen stellen sich Gläubige meiner Meinung nach viel zu selten - wenn überhaupt. Selbst wenn man die Prämisse eines Lebens nach dem Tod hinnimmt, gibt es einfach kein plausibles Konzept. Wieso sind denn so viele bereit an einen Himmel zu glauben, aber dem Politiker nicht abzukaufen, dass er "Hummer für alle" beschaffen kann? Mir fehlt diese berechtigte Skepsis bei der Politik einfach bei den Versprechungen der Religionen.
Jounk33 hat geschrieben:Dass Ihnen das Nichts Angst macht kommt daher, dass Sie doch auf was anders hoffen als auf Nichts.

Ja, natürlich - aber das bedeutet nicht, dass meine Hoffnung meinen Verstand dahingehend verdreht, dass ich glaube, was ich hoffe. Ich will einfach leben, ich hoffe auf ein Morgen und ein Morgen danach - aber das bedeutet nicht, dass ich an einen Himmel glaube. Es gibt nicht nur den Kontrast zwischen Nichts und Himmel, sondern auch normales Leben. Meine Hoffnung stellt sich in der Bemühung dar, das bisschem Materie, dass mich bildet, möglichst lange zu erhalten und nicht einer Religion anzuhängen. An ein ewiges Leben glaube ich nicht - nur weil ich hoffe nicht zu sterben. Ein lebensnahes Beispiel: Jeder hofft mal ein Millionär zu sein, aber rationale Menschen spielen kein Lotto - denn ihnen ist klar, dass die Hoffnung nicht die Realität verändert.
Jounk33 hat geschrieben: Im grunde ist deswegen erst sowas wie der Himmel, die Hölle erfunden worden.

Wieder richtig. Das ist aber eine andere Strategie mit dieser Angst umzugehen als meine - eine wesentlich primitivere. Sie kann nämlich nicht zwischen Wunsch und Realität unterscheiden. Die Angst vor dem Tod als Wurzel allen Übels (also der Religion :mg: ) zu sehen, halte ich daher für falsch. Es kommt auf den Umgang an.
Jounk33 hat geschrieben:Desweiteren bin ich der Meinung, dass ewiges Leben den nachteil hätte neues Leben unmöglich zu machen.

Das ist nicht zwingend. Es mag ja sein, dass die Ressourcen dennoch endlich bleiben, aber es schließt neues Leben per se nicht aus. Wir schaffen es auch ohne Unsterbliche unsere Ressourcen aufzubrauchen. Aber ich sehe, was du meinst: Du befürchtest, dass die Bevölkerungsexplosion nicht mehr auch nur ansatzweise durch eine gewisse Sterberate ausgeglichen werden könnte. Ja, das ist gut möglich. Man müsste dann entsprechende Strategien aufstellen, um dies zu beheben: Z.Bsp. wäre es denkbar, dass das Mittel zur Unsterblichkeit nur an reiche Industrieländer mit rückläufiger Bevölkerung verkauft werden kann, da es für alle anderen zu teuer ist. Dies wäre aber nur eine mittelfristige Lösung, da ich mir (wenn überhaupt möglich) ein Mittel als modifizierten Virus vorstellen kann, welches unser Genom nachhaltig verändert. Es könnte als Virus also entweder ansteckend und/oder vererbbar sein - Unsterblichkeit wäre als "ansteckend". Ich will aber ganz ehrlich sein und klar machen, dass mich die Menschheit insgesamt nicht in dieser Frage interessiert. Es geht mir um meine Unsterblichkeit - wie ich dies erreichen würde ohne die Ressourcenknappheit zu verschlimmern, will ich nicht konkret erläutern, aber ich habe einen Plan. :wink:
Jounk33 hat geschrieben: Somit wäre ewiges Leben doch eine Strafe, weil man dann, ab einer gewissen zeit sehr einsam werden würde. Aber alles Theorie.

Wenn man nie sehr gesellig war, ist das kein Problem. Schwierig ist nur der Verlustd er geliebten Menschen - aber das habe ich auch schon angesprochen. Induzierte Amnesie könnte das Problem lösen.
Nanna hat geschrieben:Offenbar ist es nun so, dass der Großteil der Betroffenen das in etwa in den letzten fünf Lebensjahren erlebt und der Zeitraum, den das quantitativ im Leben statistisch gesehen einnimmt ist doch das eigentlich interessante Ergebnis.

Sein Einwand ist dennoch bis zu einem gewissen Grad berechtigt, da die Schlussfolgerung der Soziologen falsch sein könnte: Vielleicht sinkt die Lebensqualität auch einfach nur wegen der Krankheit, die dem Tod vorausgeht und nicht wegen der Angst vor dem Tod selbst.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon stine » Di 5. Nov 2013, 12:13

Das Hauptproblem, Darth, ist dein Bewusstsein! Du versuchst Sachverhalte mit dem Verstand zu klären, der dir für das Wachleben gegeben ist. Das ist, würde ich sagen, das falsche Werkzeug.
Du kannst dir nicht vorstellen ohne dein Bewusstsein zu sein.
Nimm mal eine Herde Büffel die gelangweilt im Gras steht und dumm durch die Gegend starrt. Ist den Tieren wirklich langweilig? Starren sie wirklich auf irgendwas? Wird deren Leben erst spannend, wenn ein Rudel Löwen nach Futter sucht?
Was fühlt ein Baum? Lebt er überhaupt? Wenn ja, denkt er sich was?
Verfolgt die irdische Biomasse ein Ziel?

Hast du schon mal konzentriert an etwas gearbeitet und gar nicht bemerkt, wie die Zeit dabei vergeht?
Bist du schon mal operiert worden und hast anschließend festgestellt, dass zwischen Einschlafen und Aufwachen du nichts wahrgnommen hast, du dir hinterher sogar dachtest, Einschlafen und Aufwachen hätte im selben Zeitfenster stattgefunden?

Die Ewigkeit, vor der dir graut, wirst du nicht "erleben" müssen. Sie wird ohne dein Bewusstsein stattfinden. Die Ewigkeit ist ein gedachter endloser Zeitraum, den du dir selbst mit deinem Begriff von Zeit zurecht zimmerst. Wenn du tot bist, wirst du keine Zeit mehr "erleben". Es wird dir egal sein, wieviele Mio Jahre vergehen, wenn du dahin zurückgekehrt sein wirst, von wo du gekommen bist. Oder war dir VOR deiner Geburt irgendwann mal langweilig?

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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Nanna » Di 5. Nov 2013, 14:39

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Offenbar ist es nun so, dass der Großteil der Betroffenen das in etwa in den letzten fünf Lebensjahren erlebt und der Zeitraum, den das quantitativ im Leben statistisch gesehen einnimmt ist doch das eigentlich interessante Ergebnis.

Sein Einwand ist dennoch bis zu einem gewissen Grad berechtigt, da die Schlussfolgerung der Soziologen falsch sein könnte: Vielleicht sinkt die Lebensqualität auch einfach nur wegen der Krankheit, die dem Tod vorausgeht und nicht wegen der Angst vor dem Tod selbst.

Ich habe nirgendwo gesagt, dass irgendjemand diese Schlussfolgerung gezogen hätte. ;-)

Natürlich ist der Zusammenhang so, wie du es sagst: Man wird krank, dadurch sinkt die Lebensqualität, und gleichzeitig erhöht sich, insbesondere im Alter, die Wahrscheinlichkeit, zu sterben. Sowohl die Abnahme der Lebensqualität als auch der Tod, der statistisch dann zeitnah (nämlich durchschnittlich nach fünf Jahren) eintritt, sind auf Krankheit und altersschwächebedingte Gebrechen zurückzuführen und stehen - wie gesagt, das ist eigentlich trivial - in einem statistisch erfassbaren Zusammenhang.

Vielleicht liegt das Missverständnis darin begründet, dass ich zu Beginn diese Studie im Zusammenhang mit dem Altern und dem Wahrnehmen des herannahenden Todes in Verbindung gebracht habe. Mir ging es dabei aber eigentlich nur darum, klar zu machen, dass für die meisten Menschen dem Tod eine - häufig mehrjährige - unangenehme bis leidvolle Zeit vorausgeht. Wer Mitte Siebzig und krank ist, weiß natürlich, dass es das mit dem Leben jetzt im Wesentlichen war und da nicht mehr viel kommen wird, weil man einfach in dem Alter nicht mehr dieselben regenerativen Fähigkeiten besitzt. Und das ist eine Zeit, vor der ich mich mehr fürchte als vor dem eigentlichen Totsein. Eventuell auch vor dem Sterben. Ich habe das bei alten Leuten schon miterlebt, wie sich deren Sterben über Stunden gezogen hat und nicht den Eindruck machte, besonders angenehm zu sein. Ich würde lieber nach einem ruhigen Sonntagnachmittag mit meiner Familie und meinen Urenkeln irgendwann um 2080 rum friedlich im Schlaf sterben, das wäre schon ein echt gelungenes Ende.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 5. Nov 2013, 20:20

stine hat geschrieben:Die Ewigkeit, vor der dir graut, wirst du nicht "erleben" müssen. Sie wird ohne dein Bewusstsein stattfinden. Die Ewigkeit ist ein gedachter endloser Zeitraum, den du dir selbst mit deinem Begriff von Zeit zurecht zimmerst. Wenn du tot bist, wirst du keine Zeit mehr "erleben". Es wird dir egal sein, wieviele Mio Jahre vergehen, wenn du dahin zurückgekehrt sein wirst, von wo du gekommen bist. Oder war dir VOR deiner Geburt irgendwann mal langweilig?

Du hast mich da völlig missverstanden. Ich strebe die Ewigkeit an, aber in der realen Welt, nicht in einem Phantasiegebilde wie Himmel oder Diesseits. Es ging mir darum zu zeigen (zum wievielten mal habe ich das jetzt geschrieben?), dass die Diesseitsvorstellungen absurd sind und ihre Wirkung bei Menschen, die das Konzept mal durchdenken, nicht vorhanden ist. Es ging um die hypothetische Langeweile in einem hypothetischen Himmel. :kopfwand: Ich bin der Letze, der an sowas glaubt, will aber (mal argumentativ von der Prämisse ausgehend, dass es einen Himmel oder eine Hölle gäbe) nur klar machen, dass man mich damit nicht ködern oder bedrohen kann. Der Himmel reizt mich nicht und die Hölle schockt mich nicht - das war meine Aussage.
Nanna hat geschrieben:Ich habe nirgendwo gesagt, dass irgendjemand diese Schlussfolgerung gezogen hätte. ;-)

Geschenkt, aber das hier:
Nanna hat geschrieben:Meine Sorge gilt eher der Zeit, wo der nahende Tod sich abzeichnet. Man weiß z.B. aus Langzeitstudien wie dem SOEP, dass in den letzten fünf Lebensjahren die Lebenszufriedenheit signifikant sinkt.

hat das irgendwie impliziert. Ein Darth denkt sich:"Er sagt also, dass er meint, nicht direkt vor dem Tod selbst, sondern vor der Zeit davor Angst zu haben - er meint, es sei nämlich berechtigt, da nachgewiesen wurde, dass die Lebensqualität in den 5 Jahren vor dem Tod sinke. Das impliziert, dass die Soziologen (wie er) einen Zusammenhang zwischen Zeit vor dem Tod und gesenkter Lebensqualität angenommen haben." - aber das können wir auch lassen.
Nanna hat geschrieben:Wer Mitte Siebzig und krank ist, weiß natürlich, dass es das mit dem Leben jetzt im Wesentlichen war und da nicht mehr viel kommen wird, weil man einfach in dem Alter nicht mehr dieselben regenerativen Fähigkeiten besitzt. Und das ist eine Zeit, vor der ich mich mehr fürchte als vor dem eigentlichen Totsein.

Ja, ich weiß, was du meinst. Aber das Altern steht nunmal oft in einem kausalen Zusammenhang zum Tod. Die Degeneration des Körpers zu verhindern, bedeutet auch den Tod (durch Krankheit und Verfall) zu verhindern. Du kannst dir natürlich immer noch die Kugel geben - aber das Problem mit dem Altern wäre gelöst. Das "Totsein" ist ja kein wahrnehmbarer Zustand, wie Stine selbst unnötigerweise angemerkt hat (da niemand hier das Gegenteil behauptet hat), aber nichts wahrnehmen, nicht denken, nicht handeln oder fühlen zu können ist auch ein furchtbarer Zustand. Jeder von euch würde doch fürchten, plötzlich einen Arm oder ein Bein zu verlieren oder vom Hals abwärts gelähmt zu sein, blind oder taub zu sein. Jeder fürchtet in einem Wachkoma zu liegen oder hirntod zu sein. Das sind alles nur Zustände, die teilweise ein Tod sind, wie schlimm ist es wohl alles auf einmal zu verlieren?
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon stine » Mi 6. Nov 2013, 08:24

Darth Nefarius hat geschrieben:... aber nichts wahrnehmen, nicht denken, nicht handeln oder fühlen zu können ist auch ein furchtbarer Zustand. Jeder von euch würde doch fürchten, plötzlich einen Arm oder ein Bein zu verlieren oder vom Hals abwärts gelähmt zu sein, blind oder taub zu sein. Jeder fürchtet in einem Wachkoma zu liegen oder hirntod zu sein. Das sind alles nur Zustände, die teilweise ein Tod sind, wie schlimm ist es wohl alles auf einmal zu verlieren?

Mag sein, dass ich dich nicht verstehe, aber du verstehst auch nicht, was ich meine. :/
Ein Bein ab oder der Arm... blind oder taub sein oder sonst ein Schicksal... das sind Zeiterlebnisse im bewussten Zustand. Will das nicht in deinen Kopf?
Mit den Maßstäben eines jungen gesunden Menschen kannst du nicht andere Sachverhalte beurteilen, weil die Sicht immer die eigene ist.
Genausowenig wie du als junger Mensch das Alter beurteilen kannst. Wir stellen uns das grausam vor, aber mit jedem Jahrzehnt geht das schneller in eine Richtung. Wer geistig fit bleibt und sich gesund ernährt, etwas Sport treibt, der hat das zwar im Alter vielleicht besser und sieht besser aus, aber nichts desto trotz wird er auch älter. Wie hat Blacky Fuchsberger gesagt: Altern ist nichts für Feiglinge!
Die ewige Jugend, wie du sie anstrebst, ist vielleicht wirklich langweilig. Stell dir vor, du wirst nie älter und bleibst immer derselbe, der du bist. Selbst wenn du dich dabei geistig weiterentwickelst, wirst du irgendwann nicht mehr zu den Gleichaltrigen passen, denen du körperlich ähnlich siehst. Jedes Erlebnis und jedes Vorwärtskommen verändert das Wesen eines Menschen. Wenn ich heute an meine Schulzeit zurück denke, kommt es mir vor, als wäre das ein ganz anderer Mensch gewesen. Ich habe das zwar selbst erlebt, es war mein eigenes Leben, aber es hat nichts mehr mit der Person zu tun, die ich heute bin. Ich bin eigentlich froh, dass manches vorbei ist und dass ich mich immer wieder mal verändern konnte und mich somit auch von alten Zöpfen lösen konnte. Wenn ich Bilder aus meiner Kinderzeit betrachte, erkenne ich mich darin nicht wieder. Ich weiß nur dass ich das bin, weil man es mir gesagt hat.

Natürlich haben wir alle Sorge im Alter zu erkranken oder uns nicht mehr selber helfen zu können. Aber mit der Erfahrung die ich heute habe, denke ich, dass wenn es soweit ist, ich eben dann an anderen Dingen Freude haben werde, als ich es heute habe. Vielleicht freut es mich dann, wenn jeden Morgen der nette Pfleger kommt und mir das Frühstück bringt. Vielleicht träume ich dabei von einem Hotelaufenthalt auf Santorini. Angst vor der Zukunft zu haben blockiert und verhindert ein schönes Leben im Jetzt!

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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Nanna » Mi 6. Nov 2013, 13:22

Darth Nefarius hat geschrieben:Geschenkt, aber das hier:
Nanna hat geschrieben:Meine Sorge gilt eher der Zeit, wo der nahende Tod sich abzeichnet. Man weiß z.B. aus Langzeitstudien wie dem SOEP, dass in den letzten fünf Lebensjahren die Lebenszufriedenheit signifikant sinkt.

hat das irgendwie impliziert. Ein Darth denkt sich:"Er sagt also, dass er meint, nicht direkt vor dem Tod selbst, sondern vor der Zeit davor Angst zu haben - er meint, es sei nämlich berechtigt, da nachgewiesen wurde, dass die Lebensqualität in den 5 Jahren vor dem Tod sinke. Das impliziert, dass die Soziologen (wie er) einen Zusammenhang zwischen Zeit vor dem Tod und gesenkter Lebensqualität angenommen haben." - aber das können wir auch lassen.

Ich bin kein Soziologe, aber der Zusammenhang ist natürlich statistisch vorhanden. Und natürlich leite ich aus einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Gesamtbevölkerung auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für mich persönlich ab, im Vorfeld des Todes einige Jahre mit körperlich und geistig unangenehmen Zuständen konfrontiert zu sein. Was ich nicht annehme, ist, dass dies zwingend geschehen muss und dass es genau einen Zeitraum von fünf Jahren betreffen wird. Das sind Richtwerte, die angeben, wie es für den Durchschnitt der Menschen heutzutage aussieht. Dass die Statistik keine Kausalität impliziert, ist mir schon klar.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das "Totsein" ist ja kein wahrnehmbarer Zustand, wie Stine selbst unnötigerweise angemerkt hat (da niemand hier das Gegenteil behauptet hat), aber nichts wahrnehmen, nicht denken, nicht handeln oder fühlen zu können ist auch ein furchtbarer Zustand. Jeder von euch würde doch fürchten, plötzlich einen Arm oder ein Bein zu verlieren oder vom Hals abwärts gelähmt zu sein, blind oder taub zu sein. Jeder fürchtet in einem Wachkoma zu liegen oder hirntod zu sein. Das sind alles nur Zustände, die teilweise ein Tod sind, wie schlimm ist es wohl alles auf einmal zu verlieren?

Vor dem Verlust eines Arms, eines Beins oder vor dem Locked-In-Syndrom habe ich selbstverständlich Angst, aber doch gerade deshalb, weil ich mitkriege, was mit mir passiert. Du rechnest das ganze quantitativ hoch und sagst, dass der Teilverlust ein schrecklicher Gedanke ist, der Totalverlust daher ungleich schlimmer sein müsse. Aber ich glaube nicht, dass man das extrapolieren kann. Wie viele schwerstkranke Leute wollen lieber sterben als ein Leben angefüllt mit qualvollen Schmerzen zu leben? Töten wir Tiere nicht eher "um sie von ihrem Leiden zu erlösen", als dass wir sie zwingen, nichts mehr erleben zu können außer Ohnmacht und Schmerz? Der Verlust der Lebensqualität ist in diesen Stadien ja gerade deshalb schlimm, weil man ihn erkennen kann. Verlust setzt ja den Kontrast zu etwas voraus, was man als besseren Zustand kennen gelernt hat. Aber der Tote kann keinen Verlust empfinden, nicht nur, weil ihm objektiv die neurologische Infrastruktur dafür abhanden gekommen ist, sondern auch, weil er das Leben ja nicht kennt (tun wir so, als gäbe es Zombies, die tot und erinnerungslos wären, aber noch gewisse motorische Körperfunktionen und ein einfaches Denkvermögen hätten, dann würden diese ihre Existenz nicht als Verlust wahrnehmen).

Der Witz ist doch nun, dass man Todesangst nur im Zustand der Abwesenheit des Todes empfinden kann. Das ist in solchen Situationen, die das Leben verlängern, z.B. bei einer Gefahrenabwehr, auch absolut sinnvoll, denn der kurze Augenblick schrecklicher Angst erkauft einem viel mehr Zeit, die man weiterleben kann. Aber abgesehen davon ist Angst vor dem Tod wegen des Verlusts eigener Fähigkeiten nicht besonders hilfreich, weil man dann die Zeit, die man im Leben hat und die man genießen könnte, damit verbringt, den Verlust des Lebens zu betrauern, bevor er eingetreten ist. Anstatt also das an Lebensgenuss mitzunehmen, was man wirklich haben könnte, verringert die Todesangst diesen Genuss anstatt ihn zu verlängern. Von daher ist das Ablegen der Todesangst meines Erachtens viel wichtiger als die Beschäftigung damit, wie man dem Tod möglichst lange auskommen kann, insbesondere wenn man, statt vielleicht in gesunde Lebensweise, die ja auch abgesehen von der lebensverlängernden Funktion angenehme Seiten hat, in spekulative Lebensverlängerungen investiert. Sicherlich, wenn einem das Freude bereitet, wie z.B. dir die biomedizinische Forschung, dann ist das ein Wert an sich und es spricht nichts gegen deren Ausübung, aber ein Leben in Angst vor dem Verlust bedeutet doch, dass man das, was man begehrt, ohnehin längst verloren hat.

Von daher lade ich lieber Freunde und Familie ein, mache eine gute Flasche Wein auf und genieße die Zeit, die ich habe. Der Tod kriegt uns eh alle.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 6. Nov 2013, 13:53

stine hat geschrieben:Ein Bein ab oder der Arm... blind oder taub sein oder sonst ein Schicksal... das sind Zeiterlebnisse im bewussten Zustand. Will das nicht in deinen Kopf?

Aber nur, wenn es erstmal eintritt. Du kannst hier genauso argumentieren, dass du jetzt ja nicht blind bist genauso wie du argumentierst, dass du jetzt auch nicht tot bist. Ich muss einen Zustand nicht bewusst wahrnehmen, um ihn berechtigt zu fürchten. jedes Tier hat einen Selbsterhaltungstrieb und begreift, dass es lieber am Leben als tot ist, wieso will das nicht in deinen Kopf?
stine hat geschrieben:Mit den Maßstäben eines jungen gesunden Menschen kannst du nicht andere Sachverhalte beurteilen, weil die Sicht immer die eigene ist.

Wenn du auch gesund bist, hast du mir in dieser Erfahrung nichts voraus nur weil du älter bist. Und nur weil ich selbst nicht blind bin, lasse ich mir nicht absprechen diesen Zustand als nicht erstrebenswert einzustufen. Blinde Menschen mögen mit gewisser Übung den Nachteil bis zu einem gewissen Grad kompensieren und sogar gern behaupten, dass sie nicht im traditionellen Gebrauch des Wortes behindert sind - von ihnen würde aber wohl jeder die Chance ergreifen wieder sehen zu können, wenn sie bestünde. Es gehört zum gesunden Menschenverstand eine Situation zu antizipieren, bevor sie eintritt und sich ein Urteil bilden zu können. Mit der gleichen Argumentation könntest du jedem vorwerfen, sich zu versichern, weil die meisten von den Versicherten wahrscheinlich nicht die Situation der Zahlungsunfähigkeit aufgrund eines Unfalls oder eines Schadens kennen. Du könntest jedem, der vorsorglich zum Arzt des Krebsrisikos in Prostata oder Brust wegen geht, vorwerfen, dass er doch gar nicht die Urteilsfähigkeit besitzt, diese Krebsarten einschätzen zu können. Aber diese Menschen besitzen Verstand und Urteilskraft, auch ohne die gefürchtete Situation zu kennen, da sich noch niemand, der zurechnungsfähig war, über Krebs oder Armut nach Unfall gefreut hat. Das Stichwort heißt Prophylaxe. Ich muss den Tod nicht kennen, um ihn berechtigt zu fürchten.
stine hat geschrieben:Genausowenig wie du als junger Mensch das Alter beurteilen kannst.

Wie gesagt, es hängt vom Verstand und der Fähigkeit zur Antizipation ab, noch nicht eingetretene Situationen angemessen beurteilen zu können. Auf dämliche Behauptungen, dass ich mir dies und das nicht anmaßen könnte, habe ich schon immer geantwortet, dass ich es aber tue.
stine hat geschrieben:Wir stellen uns das grausam vor, aber mit jedem Jahrzehnt geht das schneller in eine Richtung. Wer geistig fit bleibt und sich gesund ernährt, etwas Sport treibt, der hat das zwar im Alter vielleicht besser und sieht besser aus, aber nichts desto trotz wird er auch älter. Wie hat Blacky Fuchsberger gesagt: Altern ist nichts für Feiglinge!

Es ist keine echte Leistung, alt zu werden, sondern nur der Fortschritt der körperlichen Degeneration. Wenn man diesen stoppen und nicht nur bremsen kann, ist es nicht feige, sondern eine große Leistung. Aber es stimmt ja - ich behaupte es ohnehin die ganze Zeit - dies würde aus der Angst vor dem Tod und der Degeneration geschehen. Aber ich bin lieber feige als Kompost. Wenn einer ungesichert auf dem Dach eines Hochhauses spaziert, ist er vielleicht auch nicht feige, aber gewiss dämlich. Angst ist eine instinktiv intelligente Emotion und Mutproben, bei denen man nichts gewinnt, sondern nur zeigt, dass man unwillens ist zu denken oder sich berechtigt zu fürchten, sind nicht lobenswert. Wenn einer den degenerierten Zustand bewusst anstrebt, ist er nicht zurechnungsfähig.
stine hat geschrieben:Die ewige Jugend, wie du sie anstrebst, ist vielleicht wirklich langweilig.

Immer noch nicht begriffen: Ich habe nicht von der ewigen Jugend geredet, sondern von den Jenseitsvorstellungen der Religionen, die mir weder Angst einjagen, noch mich ködern können. Unsterblichkeit in der Realität wäre nicht langweilig, sie wäre mit vielen Herausforderungen und Entdeckungen verbunden. Was meinst du denn, könnte man nicht alles entdecken (und zwar nur auf der Erde(!) und nicht im Sonnensystem, in der Galaxie, im Universum) könnte, wenn man erst unendlich viel Zeit hätte! Wenn etwas echte Anmaßung ist, dann ist es der Glaube, dass das Universum einen langweilen könnte!
stine hat geschrieben: Stell dir vor, du wirst nie älter und bleibst immer derselbe, der du bist.

Das ist nie der Fall, auch jetzt nicht. Man ändert sich nicht nur durch körperlichen Verfall, sondern auch durch Wissen, Erfahrung, Erlebnisse und den Ort, an dem man sich gerade befindet. Zwillinge sind auch nicht die selbe Person nur weil sie körperlich fast identisch sind.
stine hat geschrieben:Selbst wenn du dich dabei geistig weiterentwickelst, wirst du irgendwann nicht mehr zu den Gleichaltrigen passen, denen du körperlich ähnlich siehst.

Das tat ich nie - wäre für mich also nichts neues. Das ist das Schicksal jedes außergewöhnlichen Menschen. :kg:
stine hat geschrieben:Jedes Erlebnis und jedes Vorwärtskommen verändert das Wesen eines Menschen. Wenn ich heute an meine Schulzeit zurück denke, kommt es mir vor, als wäre das ein ganz anderer Mensch gewesen. Ich habe das zwar selbst erlebt, es war mein eigenes Leben, aber es hat nichts mehr mit der Person zu tun, die ich heute bin. Ich bin eigentlich froh, dass manches vorbei ist und dass ich mich immer wieder mal verändern konnte und mich somit auch von alten Zöpfen lösen konnte. Wenn ich Bilder aus meiner Kinderzeit betrachte, erkenne ich mich darin nicht wieder. Ich weiß nur dass ich das bin, weil man es mir gesagt hat.

Abgeschnittene Zöpfe bedeuten keine Weiterentwicklung. Selbst wenn du sie heute noch hättest, würde nicht dein neuer Haarschnitt dich zu einem anderen Menschen machen, sondern deine Erfahrung, was du nun denkst, weißt usw. - bei dieser Gelegenheit will ich mal was ansprechen, was mich schon immer gewundert hat: Glauben Frauen wirklich, dass ein neuer Haarschnitt ein neues Kapitel in ihrem Leben einleitet und sie zu einem ganz anderen Menschen macht? Jedesmal, wenn eine Frau Schluss macht, ändert sie ihre Frisur und man wundert sich als Mann, ob die Veränderung einer Beziehung gleichgesetzt wurde mit der Behaarung! :irre:
stine hat geschrieben:Natürlich haben wir alle Sorge im Alter zu erkranken oder uns nicht mehr selber helfen zu können. Aber mit der Erfahrung die ich heute habe, denke ich, dass wenn es soweit ist, ich eben dann an anderen Dingen Freude haben werde, als ich es heute habe. Vielleicht freut es mich dann, wenn jeden Morgen der nette Pfleger kommt und mir das Frühstück bringt. Vielleicht träume ich dabei von einem Hotelaufenthalt auf Santorini. Angst vor der Zukunft zu haben blockiert und verhindert ein schönes Leben im Jetzt!

Wie hast du es noch gleich formuliert: Als junger Mensch kannst du das Alter nicht beurteilen! Abgesehen davon wirkt deine Vorstellung wirklich naiv. Was wenn du nicht genug zurückgelegt hast, um dir einen netten Pfleger und einen Hotelaufenthalt zu leisten? Was wenn doch und du dennoch nichts genießen kannst, weil deine Gelenke, deine Muskeln, deine Verdauung schmerzt, du nichts bei dir behalten kannst, nur noch einen leichtverdaulichen und ungenießbaren Brei zu dir nehmen musst - garniert mit einem Haufen Pillen? Egal wie reich einer ist, wieviel er vorgesorgt hat - jeder stirbt allein und im Alter auch noch schmerzhaft.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 6. Nov 2013, 14:36

Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das "Totsein" ist ja kein wahrnehmbarer Zustand, wie Stine selbst unnötigerweise angemerkt hat (da niemand hier das Gegenteil behauptet hat), aber nichts wahrnehmen, nicht denken, nicht handeln oder fühlen zu können ist auch ein furchtbarer Zustand. Jeder von euch würde doch fürchten, plötzlich einen Arm oder ein Bein zu verlieren oder vom Hals abwärts gelähmt zu sein, blind oder taub zu sein. Jeder fürchtet in einem Wachkoma zu liegen oder hirntod zu sein. Das sind alles nur Zustände, die teilweise ein Tod sind, wie schlimm ist es wohl alles auf einmal zu verlieren?

Vor dem Verlust eines Arms, eines Beins oder vor dem Locked-In-Syndrom habe ich selbstverständlich Angst, aber doch gerade deshalb, weil ich mitkriege, was mit mir passiert.

Wie bereits bei stine angemerkt, BIST du jetzt ja nicht in diesem Zustand, fürchtest ihn aber trotzdem. Du bist NICHT blind, fürchtest es aber zu sein. Ich bin NICHT tot, fürchte es aber zu sein. Man fürchtet den Verlust von etwas, das einem wichtig ist: Die Fähigkeit etwas wahrzunehmen, etwas tun zu können oder einfach das Leben selbst. Mich wundert die aufrichtige Gleichgültigkeit hier gegenüber dem wertvollsten, das wir haben: das Leben. Selbst eure Moral basiert doch letztlich auf der wichtigsten Sorge: Dem Tod. Die goldene Regel, das Strafgesetz - alles hat das Leben des Menschen als Fokus. Es soll erhalten werden, geachtet und was auch immer. Es wird als verwerflich betrachtet, ein Leben auszulöschen, es wird als notwendig erachtet, sich zu schützen. Diese vielleicht intersubjektivsten Prämissen leiten sich aus der Angst vor dem Tod ab. Was wenn jeder das Leben als nicht erhaltenswert betrachtet, wenn der Tod nicht zu fürchten ist? Impliziert es nicht, dass nicht nur das eigene, sondern auch jedes andere Leben als wertlos betrachtet wird? Auch wenn ihr es jetzt nicht zugeben wollt, um euch der Angst nicht zu stellen, so ist die Angst vor dem Tod das, was unser Leben am stärksten bestimmt. Plausibel, dass die größte Angst einfach geleugnet wird, um sie nicht erleben zu müssen. Ein Verlust ist nicht nur dann fürchtenswert, wenn man ihn mitbekommt. Was doch viele antreibt, ist den morgigen Tag zu erleben, vielleicht den Durchbruch in der eigenen Forschung, eine Beförderung, das Begegnen der großen Liebe, das Kennenlernen der eigenen Kinder und Kindeskinder. Fürchtet ihr etwa nicht, dies alles NICHT erleben zu können? Nicht nur wahrnehmbares Leid ist fürchtenswert, sondern auch die Situation, dass man manches nie wird erleben können! Ich erwarte, dass dieses bisschen Antizipation von euch geleistet werden kann.
Nanna hat geschrieben: Du rechnest das ganze quantitativ hoch und sagst, dass der Teilverlust ein schrecklicher Gedanke ist, der Totalverlust daher ungleich schlimmer sein müsse. Aber ich glaube nicht, dass man das extrapolieren kann.

Natürlich kannst du das. Wenn du nicht das Leid an sich fürchtest, sondern das Fehlen von Glück, so kannst du als Blinder vielleicht imer noch sagen, dass du zumindest deine Lieblingsmusik hören kannst, dass du immer noch dein Lieblingsessen einnehmen kannst, immernoch deine Liebsten berühren kannst. Beim Verlust eines Arms könntest du immer noch deine Spaziergänge in deinem Lieblingspark machen, immer noch alles sehen, hören und fühlen, was dir Genuss und Glück bereitet. Wäre das möglich, wenn du tot wärst? Nein. Tod bedeutet kein Glück mehr wahrnehmen zu können - da ist es für mich kein Trost, dass ich auch nicht mehr leiden würde. Leid kann ich ertragen, aber nicht die Abwesenheit von Glück und die Hoffnung darauf.
Nanna hat geschrieben: Wie viele schwerstkranke Leute wollen lieber sterben als ein Leben angefüllt mit qualvollen Schmerzen zu leben?

Zu viele, die sich eigentlich nicht bewusst sind, was sie noch alles genießen könnten.
Nanna hat geschrieben:Töten wir Tiere nicht eher "um sie von ihrem Leiden zu erlösen", als dass wir sie zwingen, nichts mehr erleben zu können außer Ohnmacht und Schmerz?

Nein, wir töten kranke und verwundete Tiere, damit sie uns nicht zur Last fallen. Wäre nämlich das die korrekte Argumentation, wäre Sterbehilfe für Menschen hier nicht illegal und andernorts so kontrovers. Der Gnadenschuss ist eine Handlung aus egoistischer Bequemlichkeit und nicht aus ernstgemeinter Gnade - aber deswegen von mir nicht unbedingt geächtet (bevor noch eine verwunderte Frage wegen meines Egoismus aufkommt).
Nanna hat geschrieben:Der Verlust der Lebensqualität ist in diesen Stadien ja gerade deshalb schlimm, weil man ihn erkennen kann.

Nur wenn man sich die ganze Zeit auf sein Leiden konzentriert. Ich achte z.Bsp. nicht darauf, dass ich immer noch nur Student bin, noch ledig und allein in einer Großstadt lebe. Ich achte darauf, dass ich schon mehr geleistet habe, als man mir zugetraut hat, dass ich immernoch nicht gescheitert bin, immer noch in Regelstudienzeit lerne und lebe, dass ich die (für Großstadtverhältnisse und allemal im Vergleich zu osteuropäischen Großstädten) frische Luft atmen kann, dass ich keine ernsten Krankheiten vorzuweisen habe. Es ist alles eine Frage der Einstellung und Perspektive, ob es einem gut oder schlecht geht. Ich habe z.Bsp. mal eine Studentin mit MS in sehr fortgeschrittenem Stadium getroffen, die dennoch die Hoffnung und den Willen hatte, sich selbst mal aus ihrer Situation durch die Forschung befreien zu können (obwohl es wahrscheinlicher ist, dass sie die Fähigkeit eigenständig zu atmen vor ihrem Master verliert). Ich kenne meinen Großvater, der immer noch in meinem Geburtsland lebt - dem Land, das für ihn zum Exil wurde, nachdem sein Vater bei der Verfolgung starb, der den Krebs überlebte, die ihm der verseuchte Boden wohl einbrachte, den Tod seines Sohnes (meines Onkels) wegsteckte, erlebt wie seine Frau und meine Großmutter nichtmal mehr ihre eigene und einzige Tochter wiedererkennt aufgrund des fortgeschrittenen Alzheimers, aufgrund seiner Arteriosklerose eine geringe Lebenserwartung besitzt und dennoch lebt und versucht das Leben zu genießen. Wer einen zu schwachen Lebenswillen hat, wird von mir nicht abgehalten, seinem Leben ein Ende zu setzen - aber ich lasse mir nicht erzählen, dass man nicht immer das Leben genießen könne! Ihr seid so verzogen und unberührt von Leid, dass ihr gar nicht wisst, was wirkliches Leid bedeutet und wie man dennoch das Beste aus seiner Situation macht!
Nanna hat geschrieben:
Der Witz ist doch nun, dass man Todesangst nur im Zustand der Abwesenheit des Todes empfinden kann.

Richtig, ich erkenne aber nicht den Witz daran.
Nanna hat geschrieben:Das ist in solchen Situationen, die das Leben verlängern, z.B. bei einer Gefahrenabwehr, auch absolut sinnvoll, denn der kurze Augenblick schrecklicher Angst erkauft einem viel mehr Zeit, die man weiterleben kann. Aber abgesehen davon ist Angst vor dem Tod wegen des Verlusts eigener Fähigkeiten nicht besonders hilfreich, weil man dann die Zeit, die man im Leben hat und die man genießen könnte, damit verbringt, den Verlust des Lebens zu betrauern, bevor er eingetreten ist.

Blödsinn, diese Angst ermöglicht mir den morgigen Tag zu erleben, auf etwas Besseres zu hoffen und mein momentanes Glück wahrzunehmen, das Leben zu schätzen. Auch Angst bedeutet nicht zwangsläufig, dass man Leid empfindet - Angst kann ein Rausch sein, einen Schub der Motivation verursachen, dich schneller und stärker machen. Schmerzen bedeuten auch nicht unbedingt Leid, sie können auch Wut und Angst verursachen. Letztlich gibt es nichts, was wirklich zwangsläufig Leid verursacht, wenn man es nicht zulässt. Leid ist emotional manifestierte Resignation. In den beschissensten Situationen habe ich nie Leid zugelassen, sondern nur Wut und Angst.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon stine » Mi 6. Nov 2013, 16:26

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgeschnittene Zöpfe ...
Glauben Frauen wirklich, dass ein neuer Haarschnitt ein neues Kapitel in ihrem Leben einleitet und sie zu einem ganz anderen Menschen macht? :irre:

Der ist gut !!!

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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon stine » Mi 6. Nov 2013, 16:28

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich muss einen Zustand nicht bewusst wahrnehmen, um ihn berechtigt zu fürchten.
Wieso solltest du überhaupt etwas fürchten müssen?

:o0: stine
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Jounk33 » Mi 6. Nov 2013, 23:11

Also bitte entschuligen Sie, dass ich jetzt die weitere Disskussion nicht vollständig gelesen habe.
Zunächst aber was zur Statistik, ja, aus menschlichem Verhalten kann man Statistiken anfertigen und zwar für alles mögliche. Aber umgekehrt können alle Statistiken keinen einzigen Menschen erklären und keine noch so genaue Statistik kann menschliches Verhalten vorhersagen. Ich sage das weil Statistiken bei uns immer wichtiger werden. Also ich denke, dass Statistiken einen grossen Teil der allgemeinen Unzufriedenheit erst ausmachen, weil man Statistik teilweise als Idealfall benutzt und es dem Individuum pauschal überstülpt. Aber das nur am Rande.

Die eigentliche Sache die ich erwähnen wollte ist die. Was man als Unzufriedenheit meint bei ältere Menschen zu verzeichen ist eventuell gar nicht die Art von Unzufriedenheit die wir im jungen und mittleren Alter kennen. Bzw. könnte diese Art von Unzufriedenheit auch gar nichts mit Krankheit und Tod ansich zu tun haben sondern auf der Tatsache beruhen, dass die westliche Kultur vorwiegend auf Jugend ausgerichtet ist und ältere Leute quasi immer mehr sozial unsichtbar werden, also für das gemeinsame Leben nicht mehr so wichtig sind wie junge und gesunde Menschen. Das ist in verschiedene andere Kulturen anders, weil man ältere Leute wegen der Erfahrung und Weisheit braucht. Aber in der westlichen Industriekultur muss ein älterer Mensch schon sehr aus dem Rahmen fallen um überhaupt "bemerkt" zu werden. und was nimmt man wohl um das ungenutzte Pozenzial an Erfahrung auszugleichen ? Genau, Statistiken :)
Ich glaube, dass diese Tatsache ein wesentlicher Teil der Unzufriedenheit der Alten ausmacht.
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Re: Was ewig währt, wird... langweilig?

Beitragvon Nanna » Do 7. Nov 2013, 01:14

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie bereits bei stine angemerkt, BIST du jetzt ja nicht in diesem Zustand, fürchtest ihn aber trotzdem. Du bist NICHT blind, fürchtest es aber zu sein. Ich bin NICHT tot, fürchte es aber zu sein. Man fürchtet den Verlust von etwas, das einem wichtig ist: Die Fähigkeit etwas wahrzunehmen, etwas tun zu können oder einfach das Leben selbst. Mich wundert die aufrichtige Gleichgültigkeit hier gegenüber dem wertvollsten, das wir haben: das Leben.

Ah, ein Missverständnis: Meine Akzeptanz meiner eigenen Endlichkeit hat nichts mit Gering-, sondern im Gegenteil mit Wertschätzung des Lebens zu tun. Ich habe nur erkannt, dass es ein wichtiges Unterfangen ist, sich von der Angst um den Tod zu lösen, weil sie, und da sind wir uns ja auf verquere Weise einig, das eigentliche ist, was uns dabei im Weg steht, zu leben. Ich habe auf dieser Welt wenn es so richtig gut läuft vielleicht 80, 90 Jahre zu leben und zwar unabhängig davon, ob ich jetzt Angst vor dem Tod habe oder nicht. Die Angst vor dem Tod wird mich, jedenfalls auf lange Sicht betrachtet, nicht retten. Also verschwende ich nicht die wertvolle Zeit, die ich habe, mit dem Betrauern meines eigenen Todes. Das sollen Andere machen. Ich weine lieber um die, die ich selbst verloren habe und bemühe mich, möglichst nicht durch Unverantwortlichkeit meinen eigenen Tod herbei zu führen, auch und gerade, weil ich ja auch für Andere verantwortlich bin.

Darth Nefarius hat geschrieben:Selbst eure Moral basiert doch letztlich auf der wichtigsten Sorge: Dem Tod. Die goldene Regel, das Strafgesetz - alles hat das Leben des Menschen als Fokus. Es soll erhalten werden, geachtet und was auch immer. Es wird als verwerflich betrachtet, ein Leben auszulöschen, es wird als notwendig erachtet, sich zu schützen. Diese vielleicht intersubjektivsten Prämissen leiten sich aus der Angst vor dem Tod ab. Was wenn jeder das Leben als nicht erhaltenswert betrachtet, wenn der Tod nicht zu fürchten ist? Impliziert es nicht, dass nicht nur das eigene, sondern auch jedes andere Leben als wertlos betrachtet wird?

Ich behaupte, dass du hier zwei Sachen vermischt: Die Akzeptanz des Todes als natürlichem Bestandteil des Lebens und die Akzeptanz eines gewaltsamen Todes durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Das erste ist unvermeidlich, und ein Großteil der Lebensweisheiten der Menschheit dreht sich um die Frage, wie man damit umgehen sollte. Moralvorstellungen haben damit nichts zu tun, denn der Mensch hat darüber keine Gewalt und damit auch keine Regelungskompetenz. Das zweite ist vermeidbar und jemand anderem Lebenszeit zu nehmen, ist genauso ein Verbrechen, wie jemand anderem sonstiges (legitimes) Eigentum wegzunehmen, nur dass Mord nochmal eine ganz andere Qualität besitzt. Hier hat der Mensch Regelungskompetenz, denn es geht dann darum, dass jemandem verfügbare Lebenszeit vermiest oder genommen wurde. Alles, was nach einem natürlichen Tod kommt, ist aber grundsätzlich unverfügbar, und deshalb hilft auch alles Jammern und Moralisieren hier nicht weiter. Akzeptanz und seinen Frieden mit der eigenen Sterblichkeit zu machen ist das einzige, was ich als echte Lösung sehen kann, um sein Leben wirklich genießen zu können.

Darth Nefarius hat geschrieben:Auch wenn ihr es jetzt nicht zugeben wollt, um euch der Angst nicht zu stellen, so ist die Angst vor dem Tod das, was unser Leben am stärksten bestimmt. Plausibel, dass die größte Angst einfach geleugnet wird, um sie nicht erleben zu müssen. Ein Verlust ist nicht nur dann fürchtenswert, wenn man ihn mitbekommt. Was doch viele antreibt, ist den morgigen Tag zu erleben, vielleicht den Durchbruch in der eigenen Forschung, eine Beförderung, das Begegnen der großen Liebe, das Kennenlernen der eigenen Kinder und Kindeskinder. Fürchtet ihr etwa nicht, dies alles NICHT erleben zu können? Nicht nur wahrnehmbares Leid ist fürchtenswert, sondern auch die Situation, dass man manches nie wird erleben können! Ich erwarte, dass dieses bisschen Antizipation von euch geleistet werden kann.

Wird es ja. Aber es ändert ja nichts an der simplen Feststellung, dass die Angst das ist, was einen beeinträchtigt, nicht der Tod an sich. Und damit kann man ja bewusst umgehen. Todesangst zu haben und das auch zu wissen muss nicht heißen, dass man sich ihr nicht stellen kann. Auch ein Soldat oder Feuerwehrmann geht ja unter Umständen dem sehr wahrscheinlichen Tod entgegen, und tut es trotz der Todesangst, weil er der Ansicht ist, dass es wichtigeres gibt als das individuelle Überleben.

Darth Nefarius hat geschrieben:Tod bedeutet kein Glück mehr wahrnehmen zu können - da ist es für mich kein Trost, dass ich auch nicht mehr leiden würde. Leid kann ich ertragen, aber nicht die Abwesenheit von Glück und die Hoffnung darauf.

Im Augenblick des Todes verstummt auch dein Verlangen nach Glück. Mir persönlich wäre es viel wichtiger, glücklich zu sterben, als ewig in Angst vor dem Tod zu leben.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Wie viele schwerstkranke Leute wollen lieber sterben als ein Leben angefüllt mit qualvollen Schmerzen zu leben?

Zu viele, die sich eigentlich nicht bewusst sind, was sie noch alles genießen könnten.

Wenn selbst Morphium am Dosierungslimit keine Linderung von Schmerzen mehr bringt, die keinen anderen Gedanken mehr zulassen, habe ich Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die den Tod ein paar Monate vorziehen möchten.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Töten wir Tiere nicht eher "um sie von ihrem Leiden zu erlösen", als dass wir sie zwingen, nichts mehr erleben zu können außer Ohnmacht und Schmerz?

Nein, wir töten kranke und verwundete Tiere, damit sie uns nicht zur Last fallen. Wäre nämlich das die korrekte Argumentation, wäre Sterbehilfe für Menschen hier nicht illegal und andernorts so kontrovers.

Ich stehe der Sterbehilfe selbst mit einer gemischten, nicht ganz geklärten Meinung gegenüber, wobei das recht weit in philosophische Gegenden hineinreicht, wo ich mir recht sicher bin, dass du schon die Prämissen häufig nicht akzeptieren würdest. Von daher klammere ich diesen Teil für den Moment lieber mal aus, das ist mir für jetzt gerade ein zu großes Fass.

Was die Motivation von Leuten angeht, die ihre Tiere einschläfern lassen, gehe ich weiterhin fest davon aus, dass Tötungen auch aus Mitgefühl geschehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Der Verlust der Lebensqualität ist in diesen Stadien ja gerade deshalb schlimm, weil man ihn erkennen kann.

Es ist alles eine Frage der Einstellung und Perspektive, ob es einem gut oder schlecht geht.

Wenn du heute jung und gesund bist und das Leben voller Möglichkeiten zu sein scheint, und du schließlich alt, schwach und gebrechlich wirst, vieles, was du gerne gemacht hast, nicht mehr tun kannst, geliebte Freunde längst tot sind und du vielleicht durch Hör- und Sehschwäche selbst im nächsten Umfeld schleichend isoliert wirst, dann kannst du selbstverständlich der Einstellung sein, dass das Leben immer noch grundsätzlich etwas Schönes ist. Aber auf die Frage "War es vor zehn Jahren einfacher und konnten Sie mehr machen?" würdest du wohl trotzdem ehrlich mit "ja" antworten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ihr seid so verzogen und unberührt von Leid, dass ihr gar nicht wisst, was wirkliches Leid bedeutet und wie man dennoch das Beste aus seiner Situation macht!

Wirklich? Das Mein-Haus-mein-Auto-meine-Yacht-Spiel? Du wärst vielleicht erstaunter, als du denkst. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Der Witz ist doch nun, dass man Todesangst nur im Zustand der Abwesenheit des Todes empfinden kann.

Richtig, ich erkenne aber nicht den Witz daran.

Warum etwas fürchten, was einen eh nicht berührt? Der Tod Anderer sollte einem viel mehr Angst machen als der eigene, wenn man logisch überlegt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Blödsinn, diese Angst ermöglicht mir den morgigen Tag zu erleben, auf etwas Besseres zu hoffen und mein momentanes Glück wahrzunehmen, das Leben zu schätzen. Auch Angst bedeutet nicht zwangsläufig, dass man Leid empfindet - Angst kann ein Rausch sein, einen Schub der Motivation verursachen, dich schneller und stärker machen. Schmerzen bedeuten auch nicht unbedingt Leid, sie können auch Wut und Angst verursachen. Letztlich gibt es nichts, was wirklich zwangsläufig Leid verursacht, wenn man es nicht zulässt. Leid ist emotional manifestierte Resignation. In den beschissensten Situationen habe ich nie Leid zugelassen, sondern nur Wut und Angst.

Diese Einstellung kann einem sicher über vieles hinweghelfen. Aber der Tod ist ein anderes Kaliber, den wirst du nicht besiegen, ihm höchstens schwere Rückzugsgefechte liefern.
Natürlich ist Lebenswille etwas Gutes und ich habe nirgendwo die blanke Todesverachtung gelobt. Aber ich denke, dass man einen gesunden Realismus pflegen sollte, wenn es um die eigene Sterblichkeit geht.

Jounk33 hat geschrieben:Zunächst aber was zur Statistik, ja, aus menschlichem Verhalten kann man Statistiken anfertigen und zwar für alles mögliche. Aber umgekehrt können alle Statistiken keinen einzigen Menschen erklären und keine noch so genaue Statistik kann menschliches Verhalten vorhersagen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Mir ist das bewusst.

Jounk33 hat geschrieben:Die eigentliche Sache die ich erwähnen wollte ist die. Was man als Unzufriedenheit meint bei ältere Menschen zu verzeichen ist eventuell gar nicht die Art von Unzufriedenheit die wir im jungen und mittleren Alter kennen. Bzw. könnte diese Art von Unzufriedenheit auch gar nichts mit Krankheit und Tod ansich zu tun haben sondern auf der Tatsache beruhen, dass die westliche Kultur vorwiegend auf Jugend ausgerichtet ist und ältere Leute quasi immer mehr sozial unsichtbar werden, also für das gemeinsame Leben nicht mehr so wichtig sind wie junge und gesunde Menschen.

Dass es an diesem Phänomen einen starken kulturellen Anteil geben könnte, halte ich durchaus für plausibel. Sollte das zutreffen, wäre das natürlich eine Chance für uns, uns von der Miesepetrigkeit gegen Lebensende ein Stück weit zu emanzipieren.
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