Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Fr 4. Mai 2012, 11:29

Ich schliesse mich stine an und möchte gerne zur Eingangsfrage zurückkehren

Kann irgendetwas, was ich vor meinem Tod tue, eine negative Konsequenz für mich nach dem Zeitpunkt meines Todes haben?


Mögliche Antworten darauf lauten wohl "ja", "nein" oder "vielleicht".

Das Problem dabei ist, daß mit einer Negation die Brisanz der Frage keineswegs erschöpft ist. Angenommen, nichts, was ich vor meinem Tod tue, hat eine negative Konsequenz für mich nach dem Zeitpunkt meines Todes. Gut, aber was folgt nun aus dieser Einsicht für mein Leben vor meinem Tod? Und da ist man denen, die Angst vor der Zeit danach haben, wieder in einem Boot: genau wie diese muss auch ich mir Gedanken um mein Leben vor meinem Tod machen.

Worin besteht für euch ein erfülltes Leben? Seht ihr es auch so wie Ganimed

Ganimed hat geschrieben:Was soll ich hier tun (auch wenn es keine Konsequenzen für mein Nachleben hätte)? ...

Für mich ist das alles eine Großbaustelle. Und die naturalistische Position ist insofern besonders erholsam, weil man diese riesige Großbaustelle samt und sonders streichen kann von seiner Liste.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » Fr 4. Mai 2012, 13:02

@ laie:

Das wäre ja dann das nächste große Fass ohne Boden.
Ich bin auch der Auffassung, dass die Frage wie man leben sollte (oder will) letzten Endes in der Variante diesseitig und jenseitig zusammenfällt.

Paradigmatisch hier bspw. der Buddhismus, der ja hier und da auch Jenseitsanteile hat und Epikurs Philosophie, die ja auch Graeco-Buddhismus genannt wird. Also selbst ein anspruchsvollerer Hedonismus wird sich um Sollensfragen nicht drücken können.

Dass der Naturalismus sich mit der Formulierung einer eigenen ethischen Position schwer tut, ist ja bekannt. Dass der Verzicht auf ein Sollen ein Fortschritt wäre, erscheint mir eher undurchdacht.
Der Naturalismus ist aber ethisch auch nicht festgelegt und isofern wäre er kompatibel mit etablierten ethischen Systemen, was ja letztlich auf Kant, Utilitarismus oder irgendetwas dazwischen hinausläuft.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Fr 4. Mai 2012, 13:30

Ich wollte die Diskussion ein wenig entspannen und nicht gleich "das nächste Fass aufmachen". Ohne ideologische, ohne religionskritische Anstriche, mehr im Geiste eines zwanglosen "Was hört ihr gerade?"
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Fr 4. Mai 2012, 13:56

Nanna hat geschrieben:Was mir an der These von der religiösen Durchdrungenheit nicht passt, ist, dass ich das Gefühl habe, dass mir mit einem rhetorischen Kniff eine christliche Überzeugung untergeschoben werden soll, die mir angeblich nur nicht bewusst ist und dass ich keine Chance habe, mich aus einem alles überspannenden christlichen Diskurs zu lösen.
Das könnte man meinen. Man könnte aber auch den Status quo einfach nehmen und daran weiterstricken. Vielleicht ist die eine oder andere Verhaltensweise dem Christentum oder einer seit Jahrhunderten gelehrten Staatsreligion entsprungen, das muss aber nicht heißen, dass man es nicht weiter verwenden darf.

Humanisten tun das ja auch bereits, indem sie aus der Nächstenliebe die Solidarität titeln und aus der Hingabe den Altruismus hervorholen und sagen, das ist ein menschliches Phänomen, ohnehin vorhanden und das bedarf keiner religiösen Unterrichtung. So und nun kommt die lästige stine wieder und sagt, wenn das so ist, dann wundere ich mich, warum in christlichen Schulen die Solidariät gelebt wird und in humanistischen Schulen der Stärkere gewinnt. Irgendwas ist da in der Überlieferung und in der Selbstverständlichkeit noch nicht so ganz angekommen.

Nanna hat geschrieben:Das impliziert nämlich, dass manche hier eine objektivere Position einnehmen können als ich, was jeder Diskurstheorie von Habermas bis Focault und jeder Wissenschaftstheorie von Popper bis Adorno widerspricht.
Die objektivere Position ist von dir subjektiv unterstellt. Wir alle, gläubig, religiös, unreligiös oder ungläubig oder immer beides zusammen, sind doch bis hierher gemeinsam gekommen, jeder mit seiner ganz persönlichen Sicht auf das Ganze. Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen und uns untereinander ausspielen, denn ich denke, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen ist. Der Naturalismus ist ein guter Ansatz, nur ist er nicht zu Ende gedacht.
Die Demut vor der Natur und die Achtung des Lebens kommen mir in der Vermittlung einfach zu kurz. Albert Schweitzer hat einmal den Spruch getan: Jede tiefere Religiosität wird denkend, jedes wahrhaft tiefe Denken wird religiös. So sehe ich den Naturalismus auch: wenn ich mich wirklich tief hineindenke in die Welt der Materie, dann kann ich dabei durchaus religiös empfinden. (Wurde auch hier im Forum schon mehrmals angesprochen).

Das einzige was also noch fehlt ist das Vermitteln der Moral, die vielleicht selbstverständlich im Menschen angelegt ist, aber dennoch aktiviert und anerzogen werden muss. Sich einfach nur der Religion zu entziehen und die moralische Verpflichtung, die ein denkendes, sich bewusstes Lebewesen gegenüber sich und der Welt hat, dem Zufall überlassen, greift mir noch zu kurz. (Ich habe gerade ein Déjà-vu :crazy: )

Genau das, nämlich das Erkennen, dass Menschen Gebote brauchen und die Erkenntnis diese Gebote auch überliefern zu müssen, hat schon vor langer Zeit die Schriftgelehrten dazu getrieben, Schriftstücke zu verfassen, die wir heute ua auch als Bibel zusammengefasst lesen können. Die ganze Erfahrung der moralischen Verpflichtung und die Summe der Erkenntnisse des Zusammenlebens machen diese Schriftensammlung so einmalig. Verhaltensregeln, die nicht ein Staatschef, ein Kaiser oder eine Partei verfasst haben, sondern Menschen, die von sich behaupten, dass sie göttlichen Eingebungen gefolgt sind und diese niedergeschrieben haben, implizieren, dass es sich um Verhaltensreglen handelt, die so fundamental sind, dass sie immer gelten, egal, welche Regierung und welcher Mensch gerade an der Macht sind.

Die moralischen Werte haben sich nicht verändert, sie wurden nur als unabdingbar erkannt und zusammengefasst. Menschen sind immer Menschen geblieben und was ihnen gestern schaden konnte und Unfrieden brachte, das schadet heute noch genauso. All die Niederschriften sind bereits die Erfahrungswerte einer langen Beobachtungsphase. Ich denke, dass man in der Bibel sogar Erfahrungen der alten Philosophen, Epikur und Nachfolger, entliehen und als göttliche Eingabe aufgeschrieben hat. Moral als Grundlage menschlichen Zusammenlebens muss ein fortdauerndes Ding sein, zwar kommt man ohne sie schneller weiter, aber man lässt auch das eine oder den anderen dabei auf der Strecke.

Naturalismus ist eine gute Weltsicht, aber leider noch ohne moralischen Anspruch.

LG stine
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Sa 5. Mai 2012, 05:54

Vollbreit hat geschrieben:Man kann Begriffe immer so und so verwenden, auch den der politischen Religion oder der Quasireligion.

Das ist einer der wichtigsten Ansätze des rhetorischen Betruges und Selbstbetruges. Es ist m.E. intelligenter nicht über Begriffe zu diskutieren, besonders nicht über fragwürdige. Man sollte lieber erstmal mit möglichst unstrittigen Wörtern über Tatsachen sprechen. Die Tatsachen einer Religion bestehen aus bestimmten Verhaltensweisen. Verhaltensweisen können sich qualitativ und quantitativ unterscheiden. Für Demagogen geht es nur darum, wie sie rhetorisch von A nach B kommen. Sie lieben Unbegriffe, die unhandliche Begriffe sind, die das Begreifen verhindern. Was dann übrig bleibt von der schönen Rede sind irrelevante Apelle an Gefühle und Denkgewohnheiten oder aber Nebel.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 8. Mai 2012, 07:35

ujmp hat geschrieben:Sie lieben Unbegriffe, die unhandliche Begriffe sind, die das Begreifen verhindern.

Noch nie was von "abstrakten Nomen" gehört?
http://www.wortartensymbole.de/abstraktes-nomen.html
Müssen wir die jetzt abschaffen, weil der materielle Naturalist sowas nicht "begreifen" kann?

:lookwrong: stine
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Di 8. Mai 2012, 08:01

Du sollst nur nicht mit Begriffen hantieren, über die du selbst keine Klarheit hast, oder die du nur benutzt um Unklarheit zu erzeugen. Zumindest ist es nicht sehr fruchtbar, mit solchen Begriffen zu argumentieren. Was soll das denn, wenn man sich nocht nicht mal einig ist, was der Gegenstand der Diskussion ist?
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 8. Mai 2012, 08:43

Und welche "Begriffe" meinst du konkret?
Vielleicht klärt sich das, wenn man darüber spricht?

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » Di 8. Mai 2012, 09:23

@ ujmp:

Du meinst so einen schwammigen Kram wie "Würde"?
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