New Enlightenment und Intelligent Design

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Beitragvon laie » Do 15. Apr 2010, 08:25

Mich bewegt seit einigen Tagen die Frage, ob die Bright-Bewegung, die ja explizit ihr naturalistisches Weltbild hervorhebt, eine dialektische Beziehung zu den Vertretern des Intelligent Design hat. Man könnte diese Frage auch zweihundert Jahre früher stellen: waren die Aufklärer und die Kreationisten dialektisch verwandt?

Was ich meine mit Dialektik ist, dass ein Zustand sich aus seinem Gegenteil heraus entwickelt, bzw. beide Zustände die Seiten einer Medaille sind. Also z.B. Punk als Reaktion auf bestimmte gesellschaftliche Strömungen, katholische Soziallehre als Reaktion auf Sozialismus im 19.Jahrhundert, usw.

Ich denke, dass Kreationismus und dessen Nachfolger, ID, gedeutet werden können als der Versuch, letzte Zweckursachen auf quasi naturwissenschaftlichem Weg einzuführen. Ganz klar springen hier IDler auf einen Zug auf, der ihnen von der Aufklärung resp. der Brightsbewegung bereitgestellt wird. Man will sich ja keine Blöße geben und auf der Höhe der Zeit argumentieren. Nämlich als Naturwissenschaftler.

Doch das eigentliche Herz des Kreationismus/ID ist nicht ein verquerer Naturalismus, sondern ein sog. Likelihood-Schluss, der immer wieder falsch angewandt wird, zuletzt übrigens von dem Biologen Monod (in "Zufall und Notwendigkeit"). Worum geht es dabei? Setzt man einen Affen an eine Schreibmaschine, so wird daraus niemals der "Hamlet". Zufällig entsteht der "Hamlet" nicht. Also müsse es doch einen Schöpfer geben, der einen Plan hatte, wie die Weltgeschichte oder Evolution verlaufen solle. Sagt der Kreationist. Und der IDler entkleidet diesen Schluss von den letzten anthropomorphen Zügen (Mann mit weissem Bart) und sagt dazu "Intelligent Design".

Dieser Schluss ist freilich Unsinn, es kann nur geschlossen werden, dass sich das nächstemal vermutlich kein Shakespeare entwickelt. Monod dagegen schwang seinerzeit das Pendel in die andere Richtung: das Leben auf der Erde sei absolut einmalig, ein einmaliger Zufall, es könne sich nirgends im Universum wiederholen. Auch hier wiederum gilt: vermutlich wird es im Universum keinen Planeten geben, auf dem "Hamlet"-schreibende Primaten leben. Aber gänzlich auszuschliessen, dass es Leben auf anderen Planeten gibt, darf man nicht.

Eventuell aber wird der Kreationismus völlig verschwinden und durch eine andere Kritik ersetzt; nicht weil man die Kreationisten überzeugt hat, sondern weil sich kritische Gläubige nicht zu sehr mit einem extremen Naturalismus gemein machen möchten.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon stine » Do 15. Apr 2010, 11:51

laie hat geschrieben:Und der IDler entkleidet diesen Schluss von den letzten anthropomorphen Zügen (Mann mit weissem Bart) und sagt dazu "Intelligent Design".
Und du nennst dich Laie? Du bist doch ein Profi, gibs sofort zu! :mg:

LG stine
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Do 15. Apr 2010, 13:04

Unnötiges Vollzitat des Vorbeitrags entfernt. 1v6,5M

Hallo Stine, Du hast mich ertappt. Nein. Ich bin kein Profi. Ich bin bei den Themen, die hier angesteuert werden (was ist Gott, was ist dies, was ist das, warum machen die das und die jenes) nur Laie.

herzlich

der Laie
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon spacetime » So 18. Apr 2010, 19:15

laie hat geschrieben:waren die Aufklärer und die Kreationisten dialektisch verwandt?

Ja, beide Gruppen haben die objektive Wahrheit zum Maß der Erkenntnis gemacht. Ein Kreationist wird, wie auch ein Aufklärer, behaupten, die Wahrheit "wissen" zu können. Der Rationalist sieht sich dem Kreationisten überlegen, weil er einer universellen Logik folgt, die der Kreationist nicht verstehe. Dabei verhält es sich für den Kreationisten genau umgekehrt: Er sieht sich im Diskurs mit Rationalisten überlegen, weil er das Wissen - welches der Rationalist sucht - schon hat.
Ich meine, was genau unterscheidet den Kreationisten vom Rationalisten? Die fehlende Logik in seinen Annahmen?
Die Annahmen folgen streng genommen einer Logik, die auf vorgefertigter Gewissheit (Die Natur folgt einer Wahrheit!) basiert. Der Rationalist hat ebenfalls eine vorgefertigte Gewissheit, die sich nicht grundlegend von jener Kreationistischen unterscheidet (Die Natur ist folgt einer Logik!). Kreationisten suchen also nach einer Logik, die ihre Wahrheit bestätigt und Brights suchen nach einer Wahrheit, die ihre Logik bestätigt.
Im Prinzip sind das die zwei Seiten einer Medaille. Kreationisten zeigen uns dankenswerterweise ungewollt, dass an beiden Seiten der Medaille etwas absurdes, ideologisiertes haftet.

laie hat geschrieben:Eventuell aber wird der Kreationismus völlig verschwinden und durch eine andere Kritik ersetzt; nicht weil man die Kreationisten überzeugt hat, sondern weil sich kritische Gläubige nicht zu sehr mit einem extremen Naturalismus gemein machen möchten.

Ich frage mich, wie diese neue Kritik aussehen könnte. Hast du davon eine Vorstellung oder gibt es schon etwas Dahingehendes zu beobachten?
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon Nanna » Mo 19. Apr 2010, 12:35

Inwiefern kann Naturalismus "extrem" sein? Der Naturalismus sagt, dass die Welt ein energetisch-materielles System ist, das nach gewissen Regeln funktioniert. Daran kann man nichts extremisieren oder mäßigen. Gibt es vielleicht auch eine extreme Relativitätstheorie?

Mit der Dialektik von Kreationismus und Naturalismus würde ich es nicht übertreiben. Ich sehe beide Denkweisen eher als Folge der selbst für Kreationisten unleugbaren Wissenszuwächse über die Gesetzmäßigkeiten der Natur. Kreationisten versuchen ein traditionelles Weltbild an die neuen Erkenntnisse anzupassen, während Naturalisten mehr den Versuch einer tabula rasa machen. Ich tue mich äußerst schwer, da ein dialektisches Verhältnis zu erkennen. Es sind einfach zwei Versuche, die Welt zu verstehen, die aber auch prima unabhängig voneinander geführt werden könnten. Dialektik würde eine permanente Auseinandersetzung beinhalten, eine gegenseitige Beeinflussung. Diesen Einfluss hat zwar der Naturalismus auf den Kreationismus (zumindest in der modernen ID-Variante), aber der Kreationismus kann keinerlei Erkenntnis- und damit Wandlungsdruck auf den Naturalismus ausüben.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Di 20. Apr 2010, 13:00

Unsinniges Vollzitat des Vorbeitrags entfernt! 1v6,5M

Als "extrem" bezeichne ich stets den Grad der Überzeugung und den Absolutheitsanspruch, mit dem eine Ideologie (Materialismus, Naturalismus, Liberalismus, ..., Xismus) von ihren Anhängern vorgetragen wird.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon ujmp » Di 20. Apr 2010, 14:31

laie hat geschrieben:Als "extrem" bezeichne ich stets den Grad der Überzeugung und den Absolutheitsanspruch, mit dem eine Ideologie (Materialismus, Naturalismus, Liberalismus, ..., Xismus) von ihren Anhängern vorgetragen wird.

Und wieviel Grad sind "extrem"?
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Di 20. Apr 2010, 17:14

der Anhänger einer Ideologie sieht sich selbst in der Regel als nicht extrem, sondern stuft sich als "normal" ein. Er denkt, wenn es mit rechten Dingen zuginge, müssten alle Menschen so sein wie er. Daher kann mir nur der Nächste sagen, ob meine Ansichten "extrem" sind. Eben darum sind Aufklärung und Glaube als gegenseitige Korrekturmechanismen notwendig.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon ujmp » Di 20. Apr 2010, 17:55

Diese Haltung liebt die Wahrheit nicht besonders. Wahrscheinlich gehörst du zu denen, die meinen, Wahrheit gibt es auch gar nicht. Ich hoffe, du hältst mich nicht für extrem, wenn ich meine naturwissenschaftlich bestimmte Grundhaltung nicht so homöopathisch verdünne, wie du deinen Gott. Was meinst du, ist es extrem zu behaupten "Jesus konnte nicht übers Wasser gehen, weil das die Gesetze der Physik nicht zulassen."?
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon stine » Mi 21. Apr 2010, 06:43

Das neue Testament ist voll von Metaphern. Wer übers Wasser geht versucht Unmögliches und kann es doch schaffen. Petrus tat das im Vertrauen auf seinen Freund und Meister Jesus und schaffte es.
Ich denke nicht, dass "moderne", gebildete Christen sich dieses Sachverhaltes der Bibel nicht bewusst sind.

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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Mi 21. Apr 2010, 07:36

ujmp hat geschrieben:Diese Haltung liebt die Wahrheit nicht besonders. Wahrscheinlich gehörst du zu denen, die meinen, Wahrheit gibt es auch gar nicht. Ich hoffe, du hältst mich nicht für extrem, wenn ich meine naturwissenschaftlich bestimmte Grundhaltung nicht so homöopathisch verdünne, wie du deinen Gott. Was meinst du, ist es extrem zu behaupten "Jesus konnte nicht übers Wasser gehen, weil das die Gesetze der Physik nicht zulassen."?


Deine naturwissenschaftliche Grundhaltung in Ehren, aber um die geht es hier nicht. Es geht nicht darum, der Wissenschaft ein Wunder gleichberechtigt zur Seite zu stellen (im Übrigen ist der christliche Glaube eben kein Wunderglaube), sondern es geht um den Ausschließlichkeitscharakter, mit dem eine bestimmte Ansicht (sei sie nun wissenschaftlich oder religiös) vorgebracht wird. Und darin sind sich Naturwissenschaft und Kreationismus gleich.

Doch, meine Haltung liebt die Wahrheit sogar ganz besonders. Nämlich eine Wahrheit, die über den verschiedenen Meinungen und Inhalten steht.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon Arathas » Mi 21. Apr 2010, 09:51

laie hat geschrieben:sondern es geht um den Ausschließlichkeitscharakter, mit dem eine bestimmte Ansicht (sei sie nun wissenschaftlich oder religiös) vorgebracht wird. Und darin sind sich Naturwissenschaft und Kreationismus gleich.


Das ist falsch. Denn so verhält es sich nicht:

Die Wissenschaft nimmt keinen Ausschließlichkeitscharakter für sich in Anspruch, im Gegenteil, sie weiß, dass sie nie mehr als eine "bestmögliche Momentaufnahme" eines Zustandes ist. Und sobald es eine bessere Methode/Lösung gibt, wird der momentane Stand der Dinge mit dem neu hinzugekommenen Wissen entweder upgedated oder neu gemacht. Nimm die Relativitätstheorie als Beispiel: Sobald ein Wissenschaftler nachweisen kann, dass sie tatsächlich falsch ist, und eine bessere Theorie aufstellt, dann wird diese die Relativitätstheorie ablösen, bzw. die alte Theorie wird mit neuen Kenntnissen verfeinert werden.

Im krassen Gegensatz dazu steht die Religion: Da sie nicht auf falsifizierbaren Daten beruht, nimmt sie keinen "temporären Status" für sich in Anspruch, sondern einen fundamentalen. Religion hat tatsächlich den von dir angesprochenen Ausschließlichkeitscharakter, da es hier nicht möglich ist, nicht falsifizierbare Aussagen zu verbessern oder neu aufzustellen. So wird nie jemand einen triftigen Gegenbeweis gegen Gottes Allmacht oder Gottes Güte finden können - also wird das Gottesbild auch nicht von "guter Gott" zu "gleichgültiger Gott" oder "bösartiger Gott" geändert werden, auch wenn viele Anzeichen dafür sprächen.


Dein Vergleich hinkt also ganz gewaltig, denn Naturwissenschaften haben von Grundgerüst und Aufbau her nun mal nichts mit Religionen gemein.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Mi 21. Apr 2010, 13:51

Hallo Arathas,

für meine Ohren hast Du das Lied "Und immer weiter gehts voran" der positivistischen Wissenschaftstradition angestimmt. Guter Song, immer noch. Aufrichtige Wissenschaftler lassen sich von Argumenten überzeugen, verwerfen ihre Thesen, stellen ihre neue Thesen der Diskussion, lassen sich von Argumenten überzeugen... usw. Das ist in etwa das Bild der Wissenschaft vor Thomas Kuhn. Die Geschichte der Wissenschaft als "success story".

Thomas Kuhn hat (in "Structure of scientific revolution") dieser naiven Vorstellung eine ganz andere Ansicht gegenübergestellt. Danach sind normale Wissenschaftler primär daran interessiert, mit Hilfe bestehender Theorien Rätsel zu lösen. Beim Rätsellösen gehen die Wissenschaftler, die innerhalb eines bestimmten Paradigmas arbeiten, davon aus, dass ein Problem mit Hilfe bestimmter Theorien lösbar ist. Fehler oder Abweichungen sind nicht gewünscht und werden als "Meßfehler" ausgeklammert. Häufen sich diese Anomalien, kann sich vielleicht so etwas wie ein neues Paradigma bilden.

Aber: Neue Theorie und alte Theorie sind nach Kuhn nicht aufeinander reduzierbar, sondern inkommensurabel. Wissenschaftler der Alten Schule werden nicht überzeugt, sondern sterben einfach aus.

Die Entwicklung der Wissenschaft wird heute nicht mehr ganz so pessimistisch gesehen. Zumindest hat man versucht, Kuhns Idee der Inkommensurabilität zweier Theorien mit Hilfe der Reduktionsforschung zu präzisieren. Die Reduktion einer Theorie T auf eine Theorie T' (T' ist die reduzierende Theorie, T die reduzierte Theorie, man sagt auch: T' reduziert T) setzt zwei Reduktionen voraus:

1) einmal eine ontologische Reduktion. Hier muss die reduzierende Theorie zeigen, dass sie ontologisch gesehen von den "gleichen Dingen" spricht wie T oder anders ausgedrückt, dass der Individuenbereich I', über den T' jetzt spricht auch den Individuenbereich I von T umfasst.

2) eine Reduktion der Gesetzesaussagen. T' muss all das über den neuen Individuenbereich I' aussagen, was auch T über I ausgesagt hat - und dazu noch "ein bisschen mehr".

Der Erfolg und die Stringenz der Naturwissenschaften müsste sich in solchen Reduktionen niederschlagen - am Ende stünde dann die Grand Unified Theory (GUT). Doch davon ist man wohl weit entfernt. Es gibt überhaupt nur ein paar Fälle, in denen weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die Reduktion geglückt ist. Dazu gehört z.b. die Reduktion der Mendelschen Genetik auf die Molekulargenetik. Oder die Reduktion der Newtonschen Partikelmechanik auf die Relativistische Teilchenmechanik. Und noch ein paar mehr. Bei der überwiegenden Anzahl derzeit existierender Theorien weiss man überhaupt nicht, wie man sie auseinander hervorgehen lassen soll. Das bedeutet freilich nicht, dass die jeweiligen Fachwissenschaftler ihre eigene Vorstellung über die Geschichte ihres Fachs haben.

Kurz: von einem logisch-stringenten Aufbau der (Natur)wissenschaften kann keine Rede sein. Daher weiss man auch nicht, ob wirklich immer die "bessere" Theorie die "schlechtere" Theorie abgelöst hat (gut und schlecht im Sinne der Erklärungsfähigkeit von Theorien).

Freilich können sich Wissenschaftler überzeugen lassen und umdenken. Aber dieses Umdenken kann für die allermeisten von ihnen nur in einem bestimmten Paradigma geschehen. Das Paradigma bestimmt, was sie wie denken. Wie bei den Kreationisten.

Vielleicht kannst du dir besser vorstellen, was ich meine, wenn du Ernst Mayrs wiederholte Klage über die "Arroganz der Physiker" ernst nimmst, von denen einer (ich glaube Rutherford) die Biologie kurzerhand zum "Briefmarkensammeln" degradiert hatte.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon Arathas » Mi 21. Apr 2010, 14:09

Aber dieses Umdenken kann für die allermeisten von ihnen nur in einem bestimmten Paradigma geschehen.


Das alles mag durchaus sein und ist auch nur menschlich, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass die Wissenschaftliche Methode an sich falsifizierbar ist, und dass das wissenschaftliche Verständnis der Menschheit sich in der Vergangenheit ständig überwarf und neu ordnete. Man kann immer Argumente finden, die Kreationismus und Naturwissenschaft die selben Fehler vorwerfen. Muss man jedoch nicht. Beziehungsweise, welchem Zweck sollte das dienlich sein?
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Mi 21. Apr 2010, 18:45

Arathas hat geschrieben: Das alles mag durchaus sein und ist auch nur menschlich, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass die Wissenschaftliche Methode an sich falsifizierbar ist,


Unter welchen Bedingungen die wissenschaftliche Methode überhaupt falsifizierbar ist oder ob eine Theorie nicht auf verschiedenerlei Hinsicht immun gegen widerspenstige Erfahrungen ist, ist m.E. noch nicht abschliessend geklärt. Zumindest nach der strukturalistischen Ansicht, nach der eine Theorie als ein Tupel der Gestalt T = <K, I> mit K als dem logisch-mathematischer Kern und der Menge I der intendierten Anwendungen (das "empirische" der Theorie) rekonstruierbar ist, müsste das Scheitern einer gegebenen Theorie T in einem Anwendungsfall i Element I nicht zwingend zu einer Revision von K führen: man würde den problematischen Anwendungsfall einfach ausklammern und behaupten, dass dafür eine andere, vielleicht noch zu formulierende Theorie verwendet werden muss. Oder denken wir an schwierige Fälle von Theorienimmunität wie im Vorliegen theoretischer Begriffe, deren Bestimmung bereits das, was die Theorie "eigentlich sagt" voraussetzt: das Verhältnis zwischen einer Theorie und ihren Meßmethoden wird über den Begriff des Meßmodells präzisiert. Ein Meßmodell stellt i.d.R. bereits eine erfolgreiche Anwendung der zugrundeliegenden Theorie dar. Das ist natürlich ein Zirkel, wenn die Daten, mit denen eine zu falsifizierende Theorie gefüttert werden soll, aus einer erfolgreichen Anwendung eben dieser stammt. Es hat lange Zeit gebraucht, um dieses Problem der theoretischen Terme in den Griff zu bekommen.

Arathas hat geschrieben:und dass das wissenschaftliche Verständnis der Menschheit sich in der Vergangenheit ständig überwarf und neu ordnete.


zugegeben, es gibt Wissen oder nennen wir es lieber Überzeugungen, die sich hartnäckiger gegen widerspenstige Erfahrungen behaupten als andere, bei denen die Falsifizierbarkeit gewissermassen Programm ist. Aber es ist einfach nicht wahr, dass nur Überzeugungen, denen wir das Etikett wissenschaftlich verpassen, änderbar sind bzw. an der Erfahrung scheitern können.

Arathas hat geschrieben: Man kann immer Argumente finden, die Kreationismus und Naturwissenschaft die selben Fehler vorwerfen. Muss man jedoch nicht. Beziehungsweise, welchem Zweck sollte das dienlich sein?


Meine Idee ist nicht, Naturwissenschaft und Kreationismus/ID gegeneinander auszuspielen. Kreationismus/ID ist eine abscheuliche Sache. Jetzt lag es mir schon in den Händen, ich wollte doch tatsächlich schreiben: 'es ist der Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten'. Ich habs nicht geschrieben. Denn genau das ist meine These: man versteht Strömungen wie Aufklärung, Kreationismus etc. in meinen Augen nicht, wenn man sie voneinander isoliert und nacheinander abspult. Herkömmlich zeichnet man ja folgendes Bild: Antike (alle schon bisschen schlau), dann Christentum und finsteres Mittelalter, gefolgt von Renaissance, Reformation. Und dann - plopp- das "Zeitalter der Vernunft" bricht an. Ganz plötzlich. Vorher war Finsternis, nun leuchtet auf einmal das Licht der Aufklärung. Diese Sichtweise ist, denke ich, problematisch. Denn sie übersieht, dass sich nicht so eine klare Trennung zwischen der Zeit der Aufklärung und der Zeit davor ziehen lässt. Geistesgeschichtliche Ideen bedingen einander, laufen gleichzeitig nebeneinander her. Warum fand im Islam keine Aufklärung statt? Vielleicht, weil das Wesen der Aufklärung bereits im Christentum angelegt war? Weil bereits die "Finsteren", die Nicht-Aufgeklärten ihre Theorien an der Erfahrung scheitern liessen? Weil das Verhältnis zwischen Christentum und Aufklärung vielleicht doch nicht so einfach ist, wie gerne behauptet wird?
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon Pete » Mi 21. Apr 2010, 19:19

Es ist nicht so, dass es im Islam keine Aufklärer gab. Vielmehr war doch die arabische Welt eine sehr aufgeklärte Welt. Wir müssen fragen, warum gerade jetzt der Fundamentalismus im Islam boomt. Waren die Araber den Europäern im Wissen weit vorraus, so hinken sie jetzt hinterher.

Genau das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen und darauf achten, dass Bildung ein zu wichtiges Gut ist, als es verkommen zu lassen.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon smalonius » Mi 21. Apr 2010, 20:38

Sowas ähnliches wie Pete wollte ich auch gerade schreiben. Pete ist mir zuvorgekommen.

Der Islam hatte seine Sufis. Vielleicht um 1200 oder 1300 AD. Die Sufis haben damals schon Religionstoleranz gepredigt, und die Ansicht vertreten, daß der Gott der einen Gläubigen genauso gut sei, wie der Gott Andersgläubiger.

Es würde mich nicht wundern (wissen tue ich's nicht), wenn es eine gerade Linie von den Sufis zu den Bahai'i gäbe. Die Bahaii sagen, die Überlieferungen jeder Religion seien göttliche Offenbarungen und die unterschiedliche Auslegung sei nur Ausdruck menschlicher Fehlinterpretation.

Die Ansicht ist mir symphatisch, auch wenn ich sie nicht teile. Eine ziemlich aufgeklärte Sichtweise. Das ist doch mal was Neues unter den Religionen. Nicht mehr "wir haben Recht, und ihr habt Unrecht", sondern eher "sagen wir nicht alle dasselbe?" (Tun sie nicht, aber das ist ein anderes Thema.)


Apropos Islam und Intelligent Design, angeblich hat ein arabischer Wissenschaftler ebenfalls über Evolution geschrieben.

In the Book of Animals, abu Uthman al-Jahith (781-869), an intellectual of East African descent, was the first to speculate on the influence of the environment on species. He wrote: "Animals engage in a struggle for existence; for resources, to avoid being eaten and to breed. Environmental factors influence organisms to develop new characteristics to ensure survival, thus transforming into new species. Animals that survive to breed can pass on their successful characteristics to offspring.

http://www.telegraph.co.uk/science/scie ... iuses.html

Ich kann das nur zitieren, aber nicht einschätzen. :ka:
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon Nanna » Mi 21. Apr 2010, 21:08

laie hat geschrieben:Denn sie übersieht, dass sich nicht so eine klare Trennung zwischen der Zeit der Aufklärung und der Zeit davor ziehen lässt. Geistesgeschichtliche Ideen bedingen einander, laufen gleichzeitig nebeneinander her.


Das ist sicherlich richtig. Trotzdem lässt sich doch sagen, dass der Naturalismus mit höherer Wahrscheinlichkeit ein exakteres Modell der objektiven Wirklichkeit liefert, als Kreationismus/ID, denke ich.
Sofern man das wissenschaftliche Element der Selbsthinterfragung in seine Weltsicht integriert hat, wird man kaum einem dogmatischen Anspruch anhängen. Hier sehe ich einen entscheidenden Unterschied zwischen Naturalismus und Kreationismus, denn genau dieses Element steht in viel engerer Verbindung zu ersterem als zu zweiterem.
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon laie » Do 22. Apr 2010, 14:29

Pete hat geschrieben:Es ist nicht so, dass es im Islam keine Aufklärer gab. Vielmehr war doch die arabische Welt eine sehr aufgeklärte Welt. Wir müssen fragen, warum gerade jetzt der Fundamentalismus im Islam boomt. Waren die Araber den Europäern im Wissen weit vorraus, so hinken sie jetzt hinterher.

Genau das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen und darauf achten, dass Bildung ein zu wichtiges Gut ist, als es verkommen zu lassen.


Du hebst auf die "glorreiche Zeit des Islams" von 622 bis etwa zum 14. Jahrhundert ab. Ja, da brachten die Araber den Europäern das Erbe des Hellenismus, brachten ihnen Aristoteles und andere. Aber das war keine Aufklärung mit einer Abkehr von religiösen Authoritäten wie sie Europa etwa seit dem 17. Jahrhundert verstärkt erlebt.

Ich meine, dass die Art und Weise, wie in der Hochzeit des Christentums (Mittelalter, Neuzeit) Kritik mit der eigenen Tradition geübt wurde, auch positiv auf die Aufklärung und deren Repräsentanten wirkte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß es in der Zeit des Osmanischen Reiches keinen einzigen Kommentar des Korans gibt. Obgleich der Sultan in Istanbul zugleich Kalif ist und also man vermuten sollte, daß das geistige Zentrum des Islams nun näher an Istanbul herangerückt war, gibt es keine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben wie es sowohl in der katholischen wie in der evangelischen Kirche geschah.

Noch ein Wort zum Fundamentalismus: den grössten Zulauf haben derzeit keineswegs fundamentalistisch islamistische Gruppen, sondern christliche. Der christliche Fundamentalismus hat weit mehr Gewicht als der islamistische. Nur sagt das bei uns keiner. ;)
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Re: New Enlightenment und Intelligent Design

Beitragvon platon » Sa 24. Apr 2010, 20:39

laie hat geschrieben:Der christliche Fundamentalismus hat weit mehr Gewicht als der islamistische. Nur sagt das bei uns keiner. ;)

Vielleicht ändert sich das ja, wenn die Christen anfangen, die Sprengstoffgürtel umzuschnallen.
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