ganimed hat geschrieben:Quanten waren ja auch nur so dahingesagt, weil das sozusagen so ziemlich die unterste Ebene ist, von der wir verlässlich wissen. Aber um Reduktion zu betreiben und zu vermuten, dass die Welt physisch ist und nicht teilweise metaphysisch, muss man ja nun keineswegs die Quanten verstehen.
Eine Welt zu postulieren in der Elefanten keine Elefanten sind, sondern Quantenballungen Elefanten sehr viel treffender, wahrer und besser beschreiben, ist Metaphysik, schon weil wir zu dieser Welt überhaupt keinen Zugang haben.
ganimed hat geschrieben:Atome, Moleküle, das reicht ja sicher auch schon als Fundament. Mir geht es ja nur darum, dass wir beim Anblick eines Staus (um mal ein klassisches Emergenzphänomen zu nennen) nicht wie Nanna anfangen, das ganze als eine Menge von Autos PLUS einem mystischen, nicht näher zu fassenden metaphysischen Anteil zu sehen. Nein, es sind wirklich nur Autos, nach allem was wir wissen. Autos in einer ganz bestimmten Relation zueinander.
Und ein Stapel sind wirklich nur Zeitschriften. Und Denken ist wirklich nur Hirngewitter. Und Liebe ist wirklich nur Neurotransmitterausstoß. Seltsam, dass man überhaupt diese Begriffe bemühte, nicht wahr? Streichen wird sie doch alle wieder.
ganimed hat geschrieben:Sehr viele Hirnforscher haben schon sehr viele Blicke auf das Hirn geworfen und meines Wissens noch nie einen konkreten oder indirekten Hinweis auf metaphysische Elemente in den neuronalen Prozessen gefunden.
Sehr viele Hirnforscher haben auch sehr wenig Ahnung von Philosophie.
ganimed hat geschrieben:Wie kommt ein intelligenter Mensch wie Nanna oder andere hier dann dazu, ohne solche Hinweise dennoch diese phantastisch klingende Annahme zu wagen, dass da bei einfachen Gedanken bereits Metaphysik am Werke sei? Das wäre meine Frage. Meine Vermutung als Antwort: Intuition, die in diesem Fall fehlleitet.
Eine Lösung dazu bietet wiederum Daniel Dennett an. Er sagt ganz einfach: Streichen. Manche Begriffe haben überhaupt keine Bedeutung und man kann ersatzlos auf sie verzichten. Qualia? In den Müll. Intersubjektivität? Weg damit. Das Subjekt? Überflüssig.
Am Ende bleibt eine Welt der objektiv beschreibbaren Funktionen über. Eigenartigerweise glaubt aber auch Dennett nicht an den Physikalismus, sondern ist schon der Auffassung, dass unsere Gehirn sich von einer Schüssel Hefe unterscheidet. Das erfasst die Quantenphysik nicht, denn der Unterschied zwischen Hefe und Hirn verschwindet gerade genau auf dieser Ebene von "alles ist Physik kleinster Teilchen".
So werden genau jene Ebenen wieder eingeführt, deren „wahre“ Existenz zuvor geleugnet wird.
Warum? Weil wir Welt erkennen wollen. Quanten wollen keine Welt erkennen. Ohne wollendes Ich ist Wissenschaft, Erkenntnis, Philosophie überhaupt nicht zu denken. Dass nun ausgerechnet dieses wollende Ich, was die Grundlage der Erkenntnis, des Wunsches nach Erkenntnis bildet als eigentlich gar nicht existent, nur Zellen und eigentlich nur Quantenballungen negiert werden soll, ist ein Treppenwitz der Geschichte, nicht mehr.
Dennett gerät in den Widerspruch erklären zu müssen, warum die Reduktion der Psyche auf biologische Funktionen und die Einkürzung des Gesamtgebietes der Psychologie allein auf Wahrnehmungspsychologie – warum gerade die, was ist mit den anderen? – segensreich sein soll, aber die eigentlich logische weitere Reduktion all dessen hin zum Physikalismus dann doch Unsinn ist. Verstehe ich nicht, Du?
Warum Quantenphysiker Elefanten besser beschreiben können sollten als Verhaltensforscher und Quantenelefanten die wahreren Elefanten sind, habe ich auch noch immer nicht verstanden.
Gibt es eigentlich schone ein quantenpyhsikalische Buchkritik? Gibt es eine biologische Theaterkritik?
Im Grunde steht im Hintergrund dieser Diskussion die philosophische Frage, ob eine komplett objektivierbare Beschreibung der Welt möglich ist (wie Dennett meint und auch einige Hirnforscher glaub(t)en) oder ob bei dem Verzicht auf die Perspektive der ersten Person ein irreduzibler semantischer Rest bleibt, wie z.B. Habermas glaubt. (Um das zu verstehen, müsstest Du allerdings wissen, was ein irreduzibler semantischer Rest sein könnte. Das meine ich nicht abwertend, sondern um die Kritik erfassen zu können.)
Der Versuch den einige Hirnforscher unternommen haben, dieser metaphysischen Forderung einer komlett objektivierbaren Welt mal ein erstes Knochengerüst zu verleihen, noch gänzlich ohne Fleisch, ist aber kläglich gescheitert. Genau an der Stelle, an der man nicht umhin kann, jene verzichtenswerten Termini der Sprache der ersten Person, auf das nun zu objektivierende Hirn zu übertragen. Auf einmal „wollte“ dann das Hirn etwas. Der Natur, zu der das biologische Organ Gehirn – und nichts weier soll es ja sein – gehört, unterstellen wir aber gerade, keine Intentionen zu haben, nichts zu wollen. Den Vogel schoss tatsächlich Roth ab, der nirgendwo einen anderen Akteur erblicken konnte, als das Gehirn, kein Ich winkte hinter den bunten Wärmebildchen, kein Homunkulus weit und breit – hast Du mal recherchiert wo man diese Homunkuli eigentlich findet: Ich sag’s Dir, ausschließlich in den Anatomiebüchern der Neurologen, kein Philosoph der Welt hat in den letzten 200 Jahren damit arguementiert, musste mal googlen – diesem Gehirn dann aber unterstellte „perfide“ zu sein. Das ist schon harter Stoff.
Eine andere Antwort ist, dass Du eventuell nicht so genau weißt, was eigentlich Metaphysik ist.
Der wiki-Artikel ist sehr gut:
http://de.wikipedia.org/wiki/MetaphysikZu Deiner Antwort an laie:
ganimed hat geschrieben:Durch diesen Reduktionismus und die Annahme, dass eine Emotion auch auf körperlicher Ebene verstehbar ist, hat man meines Wissens bereits viele Erfolge gerade im Grenzgebiet Hirnforschung-Psychologie erzielt.
Nenn mir bitte von den vielen mal einen einzigen.
Meines Wissens ist es so, dass man ungefähr gar nichts Neues aus den Erforschungen der Hirnforscher für die Psychologie ableiten kann, was nicht schon seit Jahrzehenten bekannt ist. Damals hieß Hirnforschung Neurologie bzw. Psychiatrie.
Ich kann den entsetzlichen Hype um bunte Wärmebildchen nun auch tatsächlich überhaupt nicht nachvollziehen. Eines der Stichworte die in dem Kontext aufgekommen ist, ist ja die Neuroplastizität. Die wunderbare Eigenschaft des Gehirns immer anders zu sein. Frauen haben ein etwas anderes Gehirn als Männer, Linkshänder ein anderes als Rechtshänder, Geiger ein anderes als Mathematiker, Du ein anderes als Ich. Die Größe der Areale denen man eine feste Zuordnung großenteils wieder abspricht differiert erheblich, zwischen den einzelnen Menschen.
Was also ist damit gewonnen, wenn man auf einen Millimeter genau bestimmen kann, welches Areal oder sind es zwei, oder vier, oder doch 38 oder 17.000, bei mir aktiv ist, wenn ich an Rotwein denke?
Was hast Du davon?
Was sagt eigentlich das bunte Wärmebilchen genau aus? Es beschreibt eine etwas erhöhte Durchblutungssituation. Was genau sagt das und woher weiß man das? Ist doch klar, da denkt es, da wird gedacht. Ja? Ab wann denn? Um wieviel Prozent muss die Durchblutung den erhöht sein, damit man weiß, dass es hier denkt? Und wenn parallel meine Zunge auch durchblutet ist, oder meine linke Wade, denkt es dort auch? Warum (nicht)?
Es könnte richtig sein, dass dort wo es warm wird, grade nicht gedacht wird, das könnte die Klimaanlage des Gehirns sein, gedacht wird immer unmittelbar daneben.
Was genau spricht gegen diese These?
Wusstest Du, dass dort oft eine Präzision vorgegaukelt wird, die es gar nicht gibt?
Die neuesten fMRT Geräte haben nur eine bestimmte Auflösung, so dass es gar keine scharfen Bereiche gibt, die man lokalisieren kann. Dennoch werden Aussagen über Bereiche getroffen, die Unterhalb der Auflösung liegen.
Wusstest Du, dass einige Hirnforscher, die führende Protagonisten der Diskussion sind, zu dem Gebiet über das sie Aussagen machen, manchmal gar nicht selbst geforscht haben und die Ergebnisse der anderen, die dazu geforschrt haben, sehr freundlich ausgedrückt, sehr großzügig interpretiert haben?
Wieviele Sprachzentren gibt es wohl ? Zwei, vier? Ungefähr 50.
Wieviele Neurotransmittersysteme gibt es wohl? Neurotransmitter stellen Kontakte zwischen verschiedenen Nervenzellen her und haben an verschiedenen Bereichen im Hirn (und im Körper) mitunter völlig unterschiedliche Funktionen. So knapp 20. Wir kennen gerade mal Dopamin, Serotonin, Noradrenalin einigermaßen, die anderen nicht besonders.
Es gibt immer wieder Versuche mit der elektrischen Stimulation einzelner Areale, der Hirnschrittmacher, bspw. bei Parkinson-Patienten. Was vorgeführt wird, ist immer eindrucksvoll. Eben noch bewegungsunfähig klappt alles bestens, wenn der Schrittmacher angeht.
Die andere Seite der Medaille ist der Durchschnittspatient auf der neurologischen Station. Geh mal hin und schau selbst. Überzeugend funktionieren die Dinger so gut wie nie.