Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Max » Mo 29. Okt 2007, 22:18

Andreas Müller hat geschrieben:Eher wie ein Tier.
Wir Menschen sind Tiere.
Myron hat geschrieben:Was ist mit einem einsamen greisen Mütterchen, das den ganzen Tag zum lieben Gott betet, er möge sie doch endlich zu sich holen. Darf ich die Deiner Meinung nach dann auch töten, weil sie ja auch kein "Überlebensinteresse" hat?
Nein, sie kann über sich selbst entscheiden. Wenn sie sterben will, hat sie natürlich auch das Recht dazu. Aber diese Sterbehilfe hat nichts mit der Frage nach dem Überlebensinteresse zu tun. Es ist ihr Wunsch und ergibt sich aus ihrem Selbstbestimmungsrecht.
Myron hat geschrieben:Und ist es nicht völlig willkürlich und geradezu verfehlt, einem Baby 1 Tag vor seiner Geburt ein Überlebensinteresse ab- und 1 Tag nach der Geburt eines zuzusprechen?
Wenn man ein Baby 1 Tag vor der Geburt töten darf, wieso denn dann nicht auch noch 1 Tag, 1 Woche oder 1 Monat danach?
Macht es denn wirklich einen nennenswerten Unterschied, ob ich ein Baby im Mutterleib töte und es dann heraushole, oder ob ich es erst heraushole und dann töte?
Wenn ich das eine darf, weshalb dann nicht auch das andere?
Haben wir das nicht schon gesprochen?
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon pinkwoolf » Mo 29. Okt 2007, 22:31

Haben wir das nicht schon besprochen?

Besprochen schon, aber vom Verständnis der jeweils anderen Position sind wir noch weit entfernt.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Andreas Müller » Mo 29. Okt 2007, 22:36

Andere Tiere.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Max » Mo 29. Okt 2007, 23:21

Myron hat geschrieben:Und ist es nicht völlig willkürlich und geradezu verfehlt, einem Baby 1 Tag vor seiner Geburt ein Überlebensinteresse ab- und 1 Tag nach der Geburt eines zuzusprechen?
Das hat auch niemand hier gesagt. Sowohl das Un-, als auch das Neugeborene verfügen über kein Überlebensinteresse.
Myron hat geschrieben:Wenn man ein Baby 1 Tag vor der Geburt töten darf, wieso denn dann nicht auch noch 1 Tag, 1 Woche oder 1 Monat danach?
Hier einige Punkte.

  • Auf einer juridischen und intuitiven Ebene (im Gegensatz zur kritischen und reflexiven Ebene) muss man klare Normen haben
  • Die Grenze sollte lieber zu früh als zu spät gesetzt werden
  • Die Mutter und der Vater sind stärker an das Kind gebunden
Myron hat geschrieben:Macht es denn wirklich einen nennenswerten Unterschied, ob ich ein Baby im Mutterleib töte und es dann heraushole, oder ob ich es erst heraushole und dann töte?
Das ist missverständlich. Eine Spätabtreibung ist meist eine medikamentös herbeigeführte Geburt.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Handlungen ist der: Letzteres hat eine weitaus negaivere Wirkung auf andere. Außerdem führt es zu einer leichten Aushöhlung des Tötungsverbotes. Auf einer kritischen Ebene, die sich lediglich mit der Interessenerfüllung des Fötus oder des Neugeborenen befasst, gib es aber keinen Unterschied.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon pinkwoolf » Di 30. Okt 2007, 20:16

Zugegeben, die Geburt stellt eine deutlich definierbare Grenze dar, obwohl Max zu Recht erklärt:
Auf einer kritischen Ebene, die sich lediglich mit der Interessenerfüllung des Fötus oder des Neugeborenen befasst, gib es aber keinen Unterschied.

Mit der Geburt hätte man einen leicht definierbaren und relativ leicht zu verteidigenden Einschnitt. Mein Hinweis auf das antike Sparta war zugegebenermaßen als Provokation gemeint. Alles, was vor der Geburt liegt, ist irgendwo willkürlich und die Kriterien bleiben verschwommen.

Das allein ist aber auch noch kein stichhaltiges Argument; dieser Sachverhalt trifft auf eine Vielzahl von juristischen Entscheidungen zu. Deshalb dauern Gerichtsprozesse oft so lange.
Die chinesische Lösung – Freigabe bis zum ersten Atemzug des Kindes – bereitet mir jedenfalls moralische Bauchschmerzen. Schimpft mich dafür einen Mystiker.

Eine ganz andere Frage, vielleicht für einen Germanisten: Wer hat eigentlich das scheußliche Wort "Abtreibung" geprägt, und warum benutzen es alle? "Abort" klingt natürlich auch nicht ganz stubenrein. "Schwangerschaftsunterbrechung" ist schon besser, aber "Anti-Schwangerschaftsunterbrechungskampagne"? Manchmal erscheint die deutsche Sprache doch etwas unbeholfen.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Mittelklug » Mi 31. Okt 2007, 12:49

Nach Max's Aussage bildet sich das Zentrale Nervensystem ca. in der 18.ten Schwangerschaftswoche, also grob gesagt bis zur halben Schwangerschaftsdauer. Ich persönlich war schon immer dafür, dass eine Abtreibung VOR der ersten Hälfte ohne Probleme und ohne moralische Einwände durchzuführen sein sollte. NACH der Hälfte ist der Braten schon Halbdurch und sollte auch fertiggebraten werden.
Wie gesagt, in bestimmten Fällen (die Mutter würde bei Geburt sterben, das Baby ist schwer missgebildet,...) sollte eine Abtreibung auch noch in der zweiten Instanz human vertretbar sein. Generell jedoch sollte, falls die Eltern ihr +50%-Kind wirklich nicht haben möchten, es trotzdem zur Welt gebracht werden, aber dann halt in ein Pflegeheim kommen, hauptsache die Chance auf Leben.

Wegen der Unbewusstheit und fehlendem Lebensinteresse:
Diese bestehen zwar noch nicht mal bei einem frisch Neugeborenem, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass dieser kleine Mensch, ob im Mutterleib oder drausen, diese mit Sicherheit mal haben wird. Bei ner Abtreibung wird dem Kleinen aber nichtmal die Chance gewährt, diese Lebensinteresse zu entdecken.
Daher gilt für mich, SOBALD sich das Bewusstsein größenteils gebildet hat (ob mit oder ohne Lebensinteresse), nämlich bis zur völligen Funktion des Nervensystems, sollte eine Abtreibung missbilligt werden und nur in Ausnahmefällen gelten. DAVOR ist es keine große Sache.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon taotne » Mi 31. Okt 2007, 14:09

pinkwoolf hat geschrieben:Eine ganz andere Frage, vielleicht für einen Germanisten: Wer hat eigentlich das scheußliche Wort "Abtreibung" geprägt, und warum benutzen es alle? "Abort" klingt natürlich auch nicht ganz stubenrein. "Schwangerschaftsunterbrechung" ist schon besser, aber "Anti-Schwangerschaftsunterbrechungskampagne"? Manchmal erscheint die deutsche Sprache doch etwas unbeholfen.



Das Problem mit dem Wort Schwangerschaftsunterbrechung ist wohl offensichtlich. Jedenfalls hat das mein Religionslehrer lächerlich gemacht, indem er darauf hingewiesen hat, dass "Unterbrechung" eine Fortführung suggeriert. Da das aber bei einer "Abtreibung" nicht der Fall ist, ist diese Bezeichnung nicht angebracht...
Schwangerschaftabbruch wäre hier vielleicht treffender.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon jan » Mi 31. Okt 2007, 14:38

Zusätzlich sollte man noch die Frage klären, inwieweit man überhaupt eine Pflicht hat, seine Kinder großzuziehen.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Max » Mi 31. Okt 2007, 18:07

Das hört man in der Abtreibungsdiskussion sehr häufig: "Das Kind" solle ein Chance auf Leben haben, verfüge über ein Recht auf Leben. Dieser Einwand hakt. Er suggeriert, dass man es hier mit einem intentionalen Wesen, einer Person zu habe. So ist es aber nicht. Was wir später als Mensch erleben, der Charakter, die Persönlichkeit, bildet sich erst viel später aus. Wenn ein Wesen nicht über Wünsche und Interessen verfügt, ist es unsinnig, ihm den Wunsch auf Leben zuzuschreiben.

Hier sieht man, wie unsere Intuition uns täuschen kann. Wir unterstellen dem Fötus intuitiv -- man mag nicht sagen: aus dem Bauch heraus -- Wünsche, Ziele und Absichten, weil wir -- aufgrund unserer Natur -- zu allgemeinen, pauschalisierenden Urteilen neigen und dadurch dem Fötus etwas nicht vorhandenes unterstellen.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon pinkwoolf » Mi 31. Okt 2007, 18:55

@ Taotne

Das Wort "Schwangerschaftsunterbrechung" hast du ein für alle Mal unwiderlegbar in den Orkus befördert. Das ist gut.

An der Unbeholfenheit der deutschen Sprache verzweifle ich trotzdem weiterhin; denn "Anti-Schwangerschaftsabbruchskampagne" klingt auch nicht besser.


@ Max

Ich wehre mich dagegen, dass das "Bauch-Gefühl" jegliche Daseinsberechtigung abgesprochen bekommt. Sicherlich, in der naturwissenschaftlichen Erkundung der Welt hat es nichts zu suchen; aber erkläre mir doch mal die Begriffe "Bewusstsein" und "Moral" rein naturwissentschaftlich.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon jan » Mi 31. Okt 2007, 19:10

Und noch ein Punkt, wenn Selbsttötung erlaubt ist, was ist, wenn eine Schwangere eine Selbsttötung versucht?
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Andreas Müller » Mi 31. Okt 2007, 19:21

Das ist doch alles viel zu emotional. Als ob es mit unseren Ideen zu Massenabtreibungen Fast-Geborener käme! Welche Mutter würde denn so lange warten, das würde man doch nur in Extremfällen so handhaben! Viel wichtiger ist die Legalität der Abtreibung allgemein.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon jan » Mi 31. Okt 2007, 22:48

Max hat geschrieben:Erstens ist Spezieszugehörigkeit keine ethisch relevante Eigenschaft.


Spezieszugehörigkeit kann sehr wohl eine ethisch relevante Eigenschaft sein.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Jakob » Do 1. Nov 2007, 01:17

Juristisch ist die Frage, ab wann der Fötus als Person zu sehen ist, sehr umstritten. Die Frage stellt sich nicht nur bei der Abtreibungsproblematik, sondern z.B. auch bei der Schädigung ungeborener durch Arztfehler oder falsche Medikation (siehe Contergan-Fall).

Ich persönlich bevorzuge folgendes Model:

Freie Abtreibung bis zu dem Moment, ab dem das Ungeborene außerhalb des Mutterleibes theoretisch überleben könnte. Den genauen Zeitpunkt müßte man medizinisch auf die soundso vielte Schwangerschaftswoche festlegen.
Danach sollte eine Abtreibung nur noch bei medizinischer Notwendigkeit zulässig sein, also bei einer nicht anders abwendbaren Gefahr für die Mutter. Diese Notwendigkeit dürfte dann auch restriktiv bewertet werden. Das psychische Befinden der Mutter würde ich dabei wenig berücksichtigen, da das Kind ja auch zur Adoption freigegeben werden kann.

Abschließend möchte ich noch eines sagen: Das Recht des Menschen auf Leben ist die Basis jedes Gesellschaftsvertrages. Ab wann der Fötus bzw. das Neugeborene als Mensch zu sehen ist, darüber kann man sicher streiten. Im Zweifel sollte dieses Menschsein und das damit verbundene Lebensrecht aber lieber eine Woche zu früh angesetzt werde, als eine zu spät.
Diesbezüglich halte ich meinen Vorschlag, das Lebensrecht mit der Lebensfähigkeit zu verbinden, für zweckdienlich.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Falk » Do 1. Nov 2007, 11:16

@Mittelklug
Der erste Absatz ist argumentfrei, darauf gehe ich mal nicht ein, auch weil ich freilich nichts gegen deine Intuitionen sagen kann oder will.
Wegen der Unbewusstheit und fehlendem Lebensinteresse: Diese bestehen zwar noch nicht mal bei einem frisch Neugeborenem, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass dieser kleine Mensch, ob im Mutterleib oder drausen, diese mit Sicherheit mal haben wird.

Dann geht es dir aber nicht um das Bewußtsein, sondern bloß um das Menschsein. Wenn man Bewußtsein (oder Lebensinteresse) als Maßstab nimmt, dann ist Leben genau dann schützenswert, wenn es über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügt. Wenn wir hingegen darauf hinweisen, daß es darauf ankomme, ob ein Lebewesen irgendwann über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügen wird, dann ist der Maßstab nicht mehr das Bewußtsein (o. Lebensinteresse), sondern die Zugehörigkeit zu einer Spezies, deren Mitglieder ab irgendeinem Zeitpunkt über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügen. Das nennt man Speziesismus.
Du hast also etwas völlig anderes gesagt als du, vermute ich, sagen wolltest. Deine Argumentation funktioniert nur, wenn du zugibst, daß du ein Speziesist bist. Und dann mußt du dazu sagen, warum man in dieser Frage Speziesist sein kann.

In diese Falle tappt man fast immer, wenn man Säuglingen ein Recht auf Leben zugestehen möchte. Freilich sind solche willkürliche Setzungen in allen anderen Fragen, gerade für einen Naturalisten, nicht akzeptabel, weshalb es äußerst unplausibel ist, in diesem Punkt eine Ausnahme zu machen.

Es mag zwar unserer Intuition entsprechen, Säuglingen dieses Recht willkürlich zuzusprechen, aber man muß sich darüber im klaren sein, daß ein solches Vorgehen kontraproduktiv ist - es ist nämlich gefährlich, den Schutz von Säuglingen auf derart wacklige Füße zu stellen.

Wenn man etwa sagt, daß Säuglinge ein Recht auf Leben haben, weil dieses im Interesse seiner Angehörigen (und deren Bekannten) liegt, so ist das ein Argument, das schwer auszuhebeln ist. Es hat den unseren Intuitionen widersprechenden Nebeneffekt, daß Neugeborene, zu denen keinerlei emotionale Bindung besteht, kein Recht auf Leben haben.
Dennoch halte ich dieses Argument für entschieden besser als das Pochen auf Intuitionen. Diese Intuitionen schützen zwar alle Säuglinge, sind aber ethisch gesehen keinen Deut besser als irgendwelche andere Intuitionen, z.B. eine solche, die allen Säuglingen ohne Ansicht irgendwelcher Umstände das Recht auf Leben abspricht. Das ist gefährlich. Dann doch lieber das Argument, trotz emotional unbefriedigendem Nebeneffekt.

Hier im Thread klingt oft die Intuition an, was für den Menschen schlecht sei, sei auch moralisch schlecht. Das ist ein Fehlschluß. Es kann durchaus sein, daß eine ethisch vertretbare Haltung eine ist, die die Ausrottung des Menschen impliziert. Recht auf Leben oder Menschenwürde ist keine Grundlage für eine Ethik, sondern kann nur deren Ergebnis sein. Sonst redet man im luftleeren, weil argumentfreien und willkürlichen Raum - und hat damit auch keinerlei Handhabe mehr gegen religiöse Bekloppte, zu deren Intuitionen Recht auf Leben oder Menschenwürde nicht gehören.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon jan » Do 1. Nov 2007, 12:15

Falk hat geschrieben:Hier im Thread klingt oft die Intuition an, was für den Menschen schlecht sei, sei auch moralisch schlecht. Das ist ein Fehlschluß. Es kann durchaus sein, daß eine ethisch vertretbare Haltung eine ist, die die Ausrottung des Menschen impliziert. Recht auf Leben oder Menschenwürde ist keine Grundlage für eine Ethik, sondern kann nur deren Ergebnis sein. Sonst redet man im luftleeren, weil argumentfreien und willkürlichen Raum - und hat damit auch keinerlei Handhabe mehr gegen religiöse Bekloppte, zu deren Intuitionen Recht auf Leben oder Menschenwürde nicht gehören.


Mit dem selben Argument könnte man alle für jede Ethik erforderliche willkürlich axiomatisch festgelegten Ziele nur als Ergebnis und nicht als Grundlage einer Ethik erlauben. Interessant ist doch mehr die Frage zu was für Probleme und Wiedersprüche eine entsprechende Grundlage führen würde.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Andreas Müller » Do 1. Nov 2007, 13:31

So ein bisschen Speziesismus ist auf der anderen Seite nicht falsch. Wenn man davon ausgeht, dass man Tiere ohne oder mit unterentwickeltem Bewusstsein töten und essen darf, dann muss das auch für Menschen gelten. Da wäre ich aber wieder dagegen.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Max » Do 1. Nov 2007, 16:20

pinkwoolf hat geschrieben:Ich wehre mich dagegen, dass das "Bauch-Gefühl" jegliche Daseinsberechtigung abgesprochen bekommt. Sicherlich, in der naturwissenschaftlichen Erkundung der Welt hat es nichts zu suchen; aber erkläre mir doch mal die Begriffe "Bewusstsein" und "Moral" rein naturwissentschaftlich.
Das ist nicht Aufgabe der exakten Wissenschaft; es handelt sich hierbei um philosopische Fragen, nicht deskriptiv-empirische.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Myron » Do 1. Nov 2007, 16:51

Jakob hat geschrieben:Freie Abtreibung bis zu dem Moment, ab dem das Ungeborene außerhalb des Mutterleibes theoretisch überleben könnte. Den genauen Zeitpunkt müßte man medizinisch auf die soundso vielte Schwangerschaftswoche festlegen.


Man kann hier aber nicht ein für allemal einen genauen Zeitpunkt bestimmen, weil die Überlebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibes entscheidend vom jeweils gegenwärtigen Stand der Medizin bzw. der Medizintechnik abhängt, welche weiter Fortschritte macht. Im Jahr 2007 kann man Frühgeborene am Leben erhalten, die vor 20 Jahren noch hätten sterben müssen. Und in 20 Jahren würden wahrscheinlich Frühgeborene überleben können, die im Jahr 2007 noch sterben müssen.
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Re: Abtreibungsdebatte in Großbritannien

Beitragvon Myron » Do 1. Nov 2007, 17:05

Falk hat geschrieben:Dann geht es dir aber nicht um das Bewußtsein, sondern bloß um das Menschsein. Wenn man Bewußtsein (oder Lebensinteresse) als Maßstab nimmt, dann ist Leben genau dann schützenswert, wenn es über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügt. Wenn wir hingegen darauf hinweisen, daß es darauf ankomme, ob ein Lebewesen irgendwann über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügen wird, dann ist der Maßstab nicht mehr das Bewußtsein (o. Lebensinteresse), sondern die Zugehörigkeit zu einer Spezies, deren Mitglieder ab irgendeinem Zeitpunkt über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügen. Das nennt man Speziesismus.


Es ist zu unterscheiden zwischen dem Primärbewusstsein und dem höherstufigen Bewusstsein, dem Selbstbewusstsein. Nicht jeder bewusste Organismus ist sich seines Bewusstseins bewusst. Bewusstsein ist also nicht gleich Meta-Bewusstsein.
Auch mit dem Begriff des Interesses ist das so eine Sache:
Zweifellos hat jeder bewusste Organismus insoweit ein Selbstinteresse, als er bestrebt ist, sein Sein, d.h. seine für ihn (über-)lebensnotwendigen intraorganismischen Prozesse aufrechtzuerhalten. Doch dieses elementare organismische Selbstinteresse ist von einem reflektierten Selbstinteresse auf der Meta-Ebene des Bewusstseins zu unterscheiden. Letzteres setzt sprachliches Denkvermögen voraus.
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