@Mittelklug
Der erste Absatz ist argumentfrei, darauf gehe ich mal nicht ein, auch weil ich freilich nichts gegen deine Intuitionen sagen kann oder will.
Wegen der Unbewusstheit und fehlendem Lebensinteresse: Diese bestehen zwar noch nicht mal bei einem frisch Neugeborenem, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass dieser kleine Mensch, ob im Mutterleib oder drausen, diese mit Sicherheit mal haben wird.
Dann geht es dir aber nicht um das Bewußtsein, sondern bloß um das Menschsein. Wenn man Bewußtsein (oder Lebensinteresse) als Maßstab nimmt, dann ist Leben genau dann schützenswert, wenn es über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügt. Wenn wir hingegen darauf hinweisen, daß es darauf ankomme, ob ein Lebewesen irgendwann über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügen wird, dann ist der Maßstab nicht mehr das Bewußtsein (o. Lebensinteresse), sondern die Zugehörigkeit zu einer Spezies, deren Mitglieder ab irgendeinem Zeitpunkt über Bewußtsein (o. Lebensinteresse) verfügen. Das nennt man Speziesismus.
Du hast also etwas völlig anderes gesagt als du, vermute ich, sagen wolltest. Deine Argumentation funktioniert nur, wenn du zugibst, daß du ein Speziesist bist. Und dann mußt du dazu sagen, warum man in dieser Frage Speziesist sein kann.
In diese Falle tappt man fast immer, wenn man Säuglingen ein Recht auf Leben zugestehen möchte. Freilich sind solche willkürliche Setzungen in allen anderen Fragen, gerade für einen Naturalisten, nicht akzeptabel, weshalb es äußerst unplausibel ist, in diesem Punkt eine Ausnahme zu machen.
Es mag zwar unserer Intuition entsprechen, Säuglingen dieses Recht willkürlich zuzusprechen, aber man muß sich darüber im klaren sein, daß ein solches Vorgehen kontraproduktiv ist - es ist nämlich gefährlich, den Schutz von Säuglingen auf derart wacklige Füße zu stellen.
Wenn man etwa sagt, daß Säuglinge ein Recht auf Leben haben, weil dieses im Interesse seiner Angehörigen (und deren Bekannten) liegt, so ist das ein
Argument, das schwer auszuhebeln ist. Es hat den unseren Intuitionen widersprechenden Nebeneffekt, daß Neugeborene, zu denen keinerlei emotionale Bindung besteht, kein Recht auf Leben haben.
Dennoch halte ich dieses Argument für entschieden besser als das Pochen auf Intuitionen. Diese Intuitionen schützen zwar alle Säuglinge, sind aber ethisch gesehen keinen Deut besser als irgendwelche andere Intuitionen, z.B. eine solche, die allen Säuglingen ohne Ansicht irgendwelcher Umstände das Recht auf Leben abspricht. Das ist gefährlich. Dann doch lieber das Argument, trotz emotional unbefriedigendem Nebeneffekt.
Hier im Thread klingt oft die Intuition an, was für den Menschen schlecht sei, sei auch moralisch schlecht. Das ist ein Fehlschluß. Es kann durchaus sein, daß eine ethisch vertretbare Haltung eine ist, die die Ausrottung des Menschen impliziert. Recht auf Leben oder Menschenwürde ist keine
Grundlage für eine Ethik, sondern kann nur deren
Ergebnis sein. Sonst redet man im luftleeren, weil argumentfreien und willkürlichen Raum - und hat damit auch keinerlei Handhabe mehr gegen religiöse Bekloppte, zu deren Intuitionen Recht auf Leben oder Menschenwürde nicht gehören.