Interview über Fundamentalismus - sind wir Fundis?

Interview über Fundamentalismus - sind wir Fundis?

Beitragvon dvrvm » So 19. Aug 2007, 20:43

Hallo,
habe ein Interview mit dem Schweizer Philosophen Hans Saner mit Hauptthema Fundamentalismus aufgeschnappt.
http://www.tagblatt.ch/index.php?artikelxml=1371963
In grossen Teilen stimme ich ihm zu, z.B. kritisiert er B16's Haltung zur Lesart der Bibel. Etwas nachdenklich macht mich aber dieser Teil, der bezeichnenderweise ganz am Anfang steht:
Bestimmte Menschen religiöser Gemeinschaften oder Gruppen werden in der Öffentlichkeit als Fundamentalisten bezeichnet. Was ist gemeint, wenn sie als fundamentalistisch bezeichnet werden?
Hans Saner: Fundamentalismus gibt es nicht allein in religiösen Fragen und Lehren, sondern auch in wissenschaftlichen. Wenn jemand zum Beispiel als Wissenschaftler glaubt, dass es nur einen Weg zur Wahrheit gebe und das sei eben der Weg der Wissenschaft, dann würde ich auch von ihm sagen, dass er ein fundamentalistischer Scientist sei. Dieser Aberglaube aber dürfte heute unter den Wissenschaftlern nicht allzu verbreitet sein, weil sie mit der Wissenschaft auch die Wissenschafts-Kritik erlernt haben. Aber Nicht-Wissenschaftler haben oft einen Wissenschaftsaberglauben, das heisst, sie trauen der Wissenschaft viel mehr zu, als sie wirklich leisten kann.[...]


Hier ist natürlich der Begriff "Wahrheit" nicht genauer umschrieben. Aber: Darf ich nicht mehr sagen, "selber nachzudenken" sei der einzige Weg zur Wahrheit? Ist das schon fundamentalistisch? Ich bin nur schwacher Atheist, fast sogar eher Agnostiker, aber ich fände es unehrlich von mir, z.B. die Bibel als alternativen Zugang zur Wahrheit zuzulassen. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand seine Bibel liest oder an seinen Gott glaubt, ich glaube ihm sogar, dass es ihm helfen kann, aber er erlangt in meinen Augen dadurch keine Wahrheit. Ich finde seine Lehren (mal abgesehen von idealistisch-monistischen Einstellungen, die aber keine Religionen sind, und dem Pantheismus) "complete and utter bullshit". Nur weil ich es nicht auf der Strasse herumschreie, ändert das nichts an meiner Meinung.

Ich sehe hier etwas vom Vorwurf, dass die Wissenschaft auch nur eine Religion sei, was sie aber de facto eben nicht ist. Wissenschaft ist eine Methode. Religionen sind Inhalte...

Eure Meinung?
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Beitragvon Myron » So 19. Aug 2007, 21:27

Ich lasse mich insofern als Szientist bezeichnen, als ich der Meinung bin, dass es keine objektivere, keine "höhere" Erkenntnis der Wirklichkeit gibt als die wissenschaftliche.
Bin ich deshalb ein "fundamentalistischer Szientist"...?
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Beitragvon Klaus » So 19. Aug 2007, 22:06

Dr. Blume nennt uns Ultradarwinisten, auf dem Blog. Szientist und UD, muss ich mich jetzt schämen?
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Beitragvon Kival » So 19. Aug 2007, 22:08

Doch nicht der: http://dc2.uni-bielefeld.de/ oder? :/
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Beitragvon Klaus » So 19. Aug 2007, 22:28

Ich weiß nicht ob der aus Bielfeld ist, er ist Religionswissenschaftler und hat einen Kommentar auf dem Blog hinterlassen, einschließlich seiner Site.
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Beitragvon Peter Janotta » So 19. Aug 2007, 23:41

Nein Kival, deiner heißt R.Blume auf dem Blog gepostet hat ein gewisser Michael Blume.
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Beitragvon molosovsky » Mo 20. Aug 2007, 00:05

"Wahrheit" ist das Problem.
Mein Eindruck ist ja, daß viele Brights erstmal sehr rationallastig auftreten. Das Leben ist aber alles andere als eine rationale Sache. Auch Wissenschaften stoßen immer wieder auf Gebiete, die vor Paradoxien, seltsamen Schleifen usw. nur so strotzen und so gar nichts mehr zu tun haben mit dem einfachen berechnen und messen. Nicht umsonst heit es ja über die Quantenphysik: "Wer sagt, sie verstanden zu haben, hat sie garantiert NICHT verstanden." :)

Meteoreinschlagsgefahr wird durch beten nicht gemildert. Da sollten sich Naturalisten einig sein, und ich bin mal so optimistisch, daß viele Religiöse dem auch zustimmen. Siehe Blitzableiter auf Gotteshäusern.

Aber: Wissenschaft ist eine Methode, kann jedoch genauso zu einer bzw. von einer Ideologie verhunzt werden wie alles andere auch. Nichts ist vor Korruption oder Hybris sicher, bzw. davor, als Deckmäntelchen genutzt zu werden. Ich denk nur an die Rassenkunde und die Kopfvermessungen. Damals, und das ist keine 100 Jahre her, galt das als "wissenschaftlich". Nicht bei allen, aber doch bei genug, um Teil des Mainstreams zu sein. -- Ich sehe heute ähniches: (vorsicht: es wird noch subjektiver) Weltraumtouristik oder transhumanistische Wetware, ja High-End-Desingerdrogen und Dopingschmu, SDchönheits-OPs usw. sind dekandente Statusprotzmarker bzw. Verführungskarotten, tretetn aber mit wissenschaftlichem SF-Nimbus auf und sind letztendlich durchaus mit der Sphäre des Wissenschaftlichen verbunden. Aber das waren auch schon anatomische Studien an Lebenden wie einst im alten Ägyptien.

Grüße
Alex / molo
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Beitragvon Kival » Mo 20. Aug 2007, 00:11

molosovsky hat geschrieben:Mein Eindruck ist ja, daß viele Brights erstmal sehr rationallastig auftreten. Das Leben ist aber alles andere als eine rationale Sache.


Das ist überhaupt kein Widerspruch. Erkenntnisfragen lassen sich sicher nicht durch Irrationalismen lösen.

Auch Wissenschaften stoßen immer wieder auf Gebiete, die vor Paradoxien, seltsamen Schleifen usw. nur so strotzen und so gar nichts mehr zu tun haben, mit dem einfachen Berechnen und Messen. Nicht umsonst heit es ja über die Quantenphysik: "Wer sagt, sie verstanden zu haben, hat sie garantiert NICHT verstanden." :)


"Einfaches Berechnen und Messen" hat nix mit einer kritisch-rationalen Methode zu tun.
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Beitragvon Kival » Mo 20. Aug 2007, 00:13

Peter Janotta hat geschrieben:Nein Kival, deiner heißt R.Blume auf dem Blog gepostet hat ein gewisser Michael Blume.


Puh.
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Beitragvon molosovsky » Mo 20. Aug 2007, 00:46

Viel Spaß beim Lösen folgender "Erkenntnisfragen" mit nicht-irrationalen Methoden:
Wo mache ich meinen nächsten Urlaub?
Worauf hab ich grad Lust?
Wen soll ich morgen in der Disco aufreißen?
Für welchen Job soll ich mich entscheiden?
Wie gegen Leid und Ungerechtigkeit vorgehen (vorausgehsetzt, man will das)?
Usw.

(Polemik aus: ich weiß, daß waren grad alles Beispiele für persöniche Lebensfragen)

Eine der großen Schwächen des so rational auftretenden Brights ist, daß er Gefahr läuft allzuschnell kalt und "unmenschlich" zu wirken.

Vergessen hatte ich übriegns auf den Unterschied zwischen Wahrheit im Sinne von Fakten und Wahrheit im Sinne von Erfahrung hinzuweisen. Die beiden stimmen nicht unbedingt überein. Ersteres hat mit dem Blitzableiter zu tun. Zweiteres mit Lebenswahrheiten. Mitleidvolle und mitleidlose Menschen teilen nun mal nicht die selben Wahrheiten. Die Wahrheiten eines Gutmenschen sind nun mal nicht die selben wie die eines sadistischen Soziopathen.

Wir alle machen die Welt, und weil eben (noch) an sehr vielen unterschiedlichen Strängen gezogen wird, schauts so chaotisch aus, wie eben zugeht derzeit. Aber ich schweife ab und drohe zudem, wie ein unbedingter Fürsprecher des Goldenen Mittelwegs zu klingen, des Auflösens aller Extreme im weder/noch-Bereich. Nichts liegt mir hier ferner.

Ich bin sehr für eine wissenschaftliche Erschließung der Welt. Dazu gehört aber dann leider auch eine Praxis der strengsten Geheimhaltung und des gezielten Nichtwissens.
Grüße
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Re: Interview über Fundamentalismus - sind wir Fundis?

Beitragvon emporda » Mo 20. Aug 2007, 12:40

dvrvm hat geschrieben:Darf ich nicht mehr sagen, "selber nachzudenken" sei der einzige Weg zur Wahrheit? Ist das schon fundamentalistisch?

Ich halte mich nicht für einen Fanatiker. Wenn mir jemand mit Sicherheit schlüssig die Existenz des christlichen Gottes und die Nichtexistenz aller anderen Götter beweist und alle die damit zusammenhängenden Fragen beantwortet, dann bin ich bereit über meine Einstellung zum Glauben nachzudenken und sie eventuell zu ändern - also kein Fanatiker sondern ein charakterloser Oportunist.

molosovsky hat geschrieben:"Wahrheit" ist das Problem.

Hier würde ich sagen, Thema verfehlt. Nicht die Wissenschaft ist Gegenstand der Fundiaktionen und Argumente, sondern die Existenz eines Gottes.
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Beitragvon Myron » Mo 20. Aug 2007, 13:49

Klaus hat geschrieben:Dr. Blume nennt uns Ultradarwinisten, auf dem Blog. Szientist und UD, muss ich mich jetzt schämen?


Solche Präfixe dienen allein dem rhetorischen Zweck, uns als Extremisten, als Radikale, als Fanatiker hinzustellen, die sich von den religiösen Fundis charakterlich nicht unterscheiden.
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Beitragvon Schoham » Mo 20. Aug 2007, 16:40

molosovsky hat geschrieben:Eine der großen Schwächen des so rational auftretenden Brights ist, daß er Gefahr läuft allzuschnell kalt und "unmenschlich" zu wirken.


Bild

Jaaa - hat was! ;-) (Nicht böse sein Klaus :^^: )


Mit was für Methoden kuriert man diese Schwäche?
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Beitragvon Klaus » Mo 20. Aug 2007, 16:44

In diesem Forum mit Null-Toleranz gegenüber den Versuchen metaphysische Placebos loswerden zu wollen.
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Beitragvon molosovsky » Mo 20. Aug 2007, 18:04

Klaus, genau die Art von Kampf-Leuchtentum ists, weshalb ich nur einen Beitrag fürs Bright-Blog geschrieben hab.

Der Ton macht die Musik, nicht der Mundgeruch (auch wenn das Giger-Alien lange als Pinup bei mir im Zimmer hing).
Grüße
Alex / molo
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Beitragvon Klaus » Mo 20. Aug 2007, 18:13

@Alex, völlig in Ordnung, bei dir beschweren sich ja auch nicht die Benutzer des Forums, da kann man klug reden und everybody´s darling sein. Du verkennst
die Tatsachen. Ich habe aber keinen Bock darüber zu diskutieren.
Das Forum hat Regeln, die gilt es einzuhalten, wenn Spam-Beschwerden kommen habe ich zu reagieren, dass ich dem einen oder anderen dabei auf die Füße treten muss ist mir auch klar. Da ich weiß, dass der Versuch es allen Recht machen zu wollen scheitern würde, geht es so. Da gibt es kein Jaein, sondern ein klares Ja oder Nein. Von deiner Position läßt sich klug daher schreiben.
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Beitragvon molosovsky » Mo 20. Aug 2007, 18:38

Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, was Spam-Beschwerden damit zu haben, daß mir die radikalen Töne halt derzeit noch dergestalt zuviel sind, daß ich eben nur sehr langsam raus komme aus meinem vertüdelten Hedonisten-Einsiedlerkrebsloch.

War/bin ich etwa Grund für Spam-Bewerden???
Grüße
Alex / molo
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Beitragvon Klaus » Mo 20. Aug 2007, 18:53

du schwurbelst dir da eine seichte Welt zusammen, ohne jedweden Bezug zum entsprechenden Post. Rae oder wie auch immer war schon mal gesperrt und ich habe mit ihr in vllt 15 PN die Bedingungen ausgehandelt um die Beschwerden klein zu halten, und wenn ich in solchen, in deinen Augen markigen Worten, Kommentare abgebe, ist das eine Art ein Forum zu führen ohne den Admin oder den Mod herauszukehren, ich gebrauche das sehr selten und sehr ungern und hier im Forum werden die Topics lax gehandhabt, oder tolerant.
Du bist kein Grund für Spam-Beschwerden. Das hat andere Ursachen so und jetzt bitte b2t
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Beitragvon stefan2 » Mo 20. Aug 2007, 18:54

Hallo,

ich denke, dass man das von Saner hier ausgesprochene durchaus als warnung an die naturwissenschaften und ihren manchmal doch sehr absoluten anspruch annehmen soll. Dies durchaus auch innerwissenschaftlich: wenn man die ergebnisse der quantenphysik nimmt: Über die hätten physiker vor 100 jahren (und auch noch später) erst mal nur gelacht . Und mit den biowissenschaften steht es ja doch auch nicht viel besser (z.b. mit der voraussage Darwins eines Falters mit über 30 cm langem Saurüssel)
Und mit dem selber-nachdenken ist das ja auch so eine sache: vieles wird man denn doch nicht so weit verstehen, dass man das möglicherweise doch vorhandene haar in der suppe selbst findet.

Stefan
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Beitragvon Schoham » Mo 20. Aug 2007, 19:03

Klaus hat geschrieben:In diesem Forum mit Null-Toleranz gegenüber den Versuchen metaphysische Placebos loswerden zu wollen.


Stark verdünnter Placebo wird von Menschen mit Vorurteilen auch noch wahrgenommen,
wenn nichts in die Richtung zu lesen ist.
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