Nanna hat geschrieben:Niemand hat bestritten, dass der Tod etwas Endgültiges ist. Sich mit der Endgültigkeit nicht abfinden zu können ist doch nun eher dein Problem.
Und was meinst du dann damit:
Nanna hat geschrieben:Ich würde behaupten, dass der Tod mir als physische Angelegenheit relativ wenig Angst macht, da kann ich es mit Epikur halten.
Ich habe es so verstanden, dass du nicht vor dem Tod deines Körpers Angst hättest. Wenn du nicht das meinst, was dann?
Nanna hat geschrieben:Deine persönliche Bewertung ändert nichts an der empirischen Tatsache, dass der Grad an Schmerz von vielen Menschen in beiden Situationen ähnlich stark empfunden wird.
Es ist bestimmt eine andere Art von Schmerz. Hast du einen Beleg für diese Aussage? Nebenbei ist doch Eifersucht oder Hass das Resultat des einen Schmerzes. Dieses wandelt den Schmerz in etwas konstruktiveres um. Aber wozu soll sich denn der Schmerz über den Tod weiterentwickeln? Man hat dem Gegenüber nichts vorzuwerfen, das Bild wird nicht getrübt, dadurch kann der Schmerz bestimmt nicht leichter vergehen.
Nanna hat geschrieben:Kleiner Hinweis: Du wirst sterben. Bild dir da keine Schwachheiten ein, die Unsterblichkeit ist nichts, was irgendeiner unserer Zeitgenossen noch erleben wird.
Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass ich sterbe, habe ich nichts zu verlieren, wenn ich die Unsterblichkeit doch anstrebe. Das ist eine der wenigen Situationen, in denen die Wahrscheinlichkeit zwar gegen einen spricht, aber der Verlust nicht größer ist als beim Nichtversuchen.
Nanna hat geschrieben:Niemand nimmt dir die Freiheit, dem ewigen Leben hinterherhechelnd zu sterben. Aber falls dich meine Ansicht dazu interessiert, sehe ich dem Tod lieber mit Haltung entgegen. Dass ich sterben werde, ist klar, woran ich etwas ändern kann, ist wie ich das tun werde.
Ich wüsste gern, ob du auf dem Sterbebett noch Haltung bewahren kannst, kurz bevor du merkst, dass deine Organe versagen, dass deine Gliedmaßen kalt werden und dein Atem stockt. Ich bin mir sicher, dass ich nur durch das Ankämpfen halbwegs Haltung bewahren kann. Ich kann schlichtweg nicht resignieren. Aber dein letzter Hinweis deutet ohnehin auf einen Sterbehilfe-Beführworter hin, nicht wahr? Ich nehme an, dass du ein paar Pillen einwerfen würdest, um der von mir beschriebenen Situation aus dem Weg zu gehen. Das halte ich für Vergeudung und ziemlich sinnlos. Abgesehen davon hast du keine Garantie, dass du nicht doch Panik bekommst, wenn dir klar wird, dass du nicht mehr aufwachst. So viele Situationen, die größte Angst hervorrufen können.
Nanna hat geschrieben:Mir missfällt nicht der Wunsch nach langem Leben, sondern die generelle Verdrängung der Auseinandersetzung mit dem Tod.
Das tue ich doch gar nicht. Meine Bewältigungsstrategie ist Widerstand, nicht Leugnung. Genaugenommen verdränge ich das Problem weniger als du, da ich mein ganzes Leben auf diesen Gedanken ausrichte.
Nanna hat geschrieben: Aber vielleicht habe ich da auch einfach einen völlig anderen emotionalen Bezug dazu, weil ich mich eher als Teil eines Ganzen denn als komplett autarkes Wesen sehe.
Das hat damit nichts zu tun. Ich halte mich nicht für ein autarkes Wesen, sondern schlichtweg für sterblich. Selbst wenn man Teil eines ganzen ist (in einer kausalen Welt ist das der Fall), selbst wenn man in einen ewigen Kreislauf gerät, die eigenen Moleküle, Atome immer wieder umgewandelt und recyclet werden, so habe ich nichts davon, weil ich es nicht wahrnehme. Ich bin nicht das Atom, wir haben bestimmt einige Atome von Dinosauriern, Säbelzahntigern oder Neanderthalern in uns. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich deren Erinnerungen hätte, dass ich sie bin. Das bedeutet, dass sie tot sind und nichts davon haben, genausowenig wie ich etwas davon haben könnte, Teil eines Ganzen zu sein.
Nanna hat geschrieben:Mir macht der Gedanke keine Angst, irgendwann an die nächste Generation abgeben zu müssen, im Gegenteil, ich gestalte deren Zukunft mit und präge sie mit.
In 2-3 Generationen ist dein Beitrag vergessen und auch die Erinnerung an dich tot. Was hast du davon? Durch eine Erinnerung lebt man nicht weiter.
Nanna hat geschrieben: Es wird immer noch etwas von mir da sein, wenn ich physisch längst tot bin.
Ja, aber was von dir da sein wird, hat keinen Bezug mehr zu deinem Bewusstsein, zu deiner Wahrnehmung. Du hast dann nichts davon, benausowenig wie Tutanchamun nichts davon hat, dass sein Trockenfleisch irgendwo ausgestellt wird. Es ist unbelebte Materie, die nichts wahrnimmt. Die Person ist weg. Also, was hat man davon, dass etwas von einem bleibt? Vielleicht wird mal einer an deinem Namen auf einem Grabsteinb vorbeigehen und sich denken "Hmm, wer war das?", und das wars. Was hat man davon? Du wirst es nichtmehr mitbekommen.
Nanna hat geschrieben: Natürlich ist es einfacher, das zu akzeptieren, wenn man etwas weniger um sich selber kreist, und sich mehr klar macht, dass man ein nicht absolut klar abgegrenzter Knotenpunkt in einem sozialen Netz ist.
Wenn sich etwas meiner Wahrnehmung entzieht, dann ist es kein Teil von mir. Wenn ich nichts von meinen Überresten wahrnehme, dann habe ich nichts mehr davon. Keine trauer, keine Freude. Man ist nichts, nur tot.
Nanna hat geschrieben:Für meine kontinuierliche Erfahrung ist natürlich trotzdem endgültig Schluss, ja gut, so ist es halt.
Was hat man von dieser Einstellung?
Nanna hat geschrieben:Richtig, deshalb gibt es ja Fortpflanzung. Irgendwer macht schon weiter. Auch du wirst ja nur ein Puzzlestückchen zu diesen Entdeckungen beitragen.
Und was habe ich davon? Ich nehme das Endresultat dann vielleicht nicht mehr wahr, egal wieviele Nachkommen ich produzieren würde. Sie sind nicht ich, ich bin nicht meine Eltern oder deren Eltern. Ich setze deren Warhnehmung, deren Willen nicht fort, so wird es auch mit meinen Nachkommen sein. Es würde keinen Unterschied machen, wenn ich keine Nachkommen haben würde.
Nanna hat geschrieben: Du nimmst die Fackel von jemandem auf, trägst sie ein Stück weiter, und das war's.
Die Fackel ist aber kein Bewusstsein, keine Wahrnehmung, ich habe nichts davon Teil eines Ganzen zu sein. Durch diese Teilhabe werde ich nicht weniger sterblich.
Nanna hat geschrieben:Irgendwer wird vielleicht mal tausende Jahre alt wegen Forschungen, zu denen du beigetragen hast, aber für dich selber wird ein einzelnes Leben, selbst wenn du das Glück haben solltest, schon deutlich über 100 Jahre alt werden zu können, ausreichen müssen. Und ich denke, es zeugt gerade besonders von Vorstellungskraft, wenn man sich vorstellen kann, wo man im großen Ganzen mitspielt und wie es nach einem weitergehen könnte.
Ich kann mir vorstellen, zu was meine Forschung führen könnte, leider habe ich nur nichts davon. Es bleibt nur Vorstellung, keine Erfahrung, kein Bewusstsein, keine Unsterblichkeit. Glaube nicht, dass ich mir etwaige Gedanken nicht schon gemacht hätte, ich habe mich von allen möglichen Richtungen mit diesem Problem auseinandergesetzt.