Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 01:39

Mark hat geschrieben:Das entlarvt Euch schlichtweg nur als Heuchler.

Mir fällt dazu noch folgender Satz ein: "When you make peaceful protest impossible, you make violent protest inevitable."
Aber ich denke an diesem Punkt sind wir noch nicht angelangt. Solange ich in einer Demokratie lebe versuche ich demokratiepolitisch legitime (!= legale) Wege zu finden meinen Protest auszudrücken, auch weil ich denke, dass demokratische Verhältnisse eine unverzichtbare Basis darstellen ohne die diese Arbeit und das Streben nach mehr Gerechtigkeit gar nicht möglich wäre.

Neulich wurde ich gefragt, ob man moralisch korrekt oder demokratiepolitisch korrekt handeln sollte, denn moralisch ließen sich unter Umständen noch ganz andere Dinge rechtfertigen, die ich aber zumindest taktisch unklug finde. Meine Gegenfrage war, ob der Fragende denn in der Welt leben wollen würde, die er durch diese Handlungen schaffen würde, selbst wenn seine politischen Ziele erreicht werden würden. Eine Welt in der jemand sich zum Beispiel nicht pro Tierausbeutung aussprechen kann ohne um sein Leben zu fürchten. Das wäre keine gute Ausgangslage für eine Gesellschaft in der die Interessen aller berücksichtigt werden sollen, das würde nicht zu unseren Zielen führen.

Mark hat geschrieben:Häh ? Es geht darum denen zu helfen von denen man selber Hilfe dafür erwarten könnte, wenn man in umgekehrter Situation wäre. Du verstehst das nicht ?

Ja, aber wenn es praktisch unwahrscheinlich wäre, dass man in diese Situation kommt? Weil man zum Beispiel eben nur leicht pigmentiert und technologisch weit überlegen ist?

Mark hat geschrieben:Da kann ich doch nur lachen

Wenn du fertig bist, kannst du den Artikel lesen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Mark » Sa 22. Mai 2010, 01:57

Du siehst ja wie schwierig es ist die Menschen dazu zu motivieren sich für die Rechte anderer Menschen einzusetzen, die am anderen ende der Welt unterdrückt werden. Einzig die Angst davor, daß diese Unterdrückung einen selber treffen könnte kann überhaupt ein paar Leute dazu bewegen sich einzusetzen. Genau das ist doch beobachtbar, oder nicht ?

und wenn man hier in unserem Land wieder Unschuldige massenhaft über die Klinge springen lassen würde, dann würde ich mich aber garantiert nicht durch friedliche Strassenproteste dagegen engagieren.. ich fürchte dann wäre die Obrigkeit auch schon nicht mehr ernsthaft beeindruckt.

Und den Text zur Jagd hab ich gelesen, schon vor Monaten.
"Tatsächlich sind die Schäden durch Wildverbiss riesig, muss auch Kinzelbach zugeben. In mehr als 80 Prozent der Reviere leiden Laubbäume wie die Eiche unter teils starkem Verbiss. Drei Viertel der Tannen sind geschädigt, wie die baden-württembergische Landesforstverwaltung in ihrem "Forstlichen Gutachten 2007" feststellte."


Wie soll sich das verbessern, wenn man die Tiere nicht mehr in ihrer Zahl begrenzt ? Wo passiert das Wunder ?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 02:04

Mein Ansatz zur Durchsetzung von Tierrechten beruht nicht darauf Menschen im großen Maßstab zu überreden.
http://www.vegan.at/warumvegan/tierrech ... eform.html

Mark hat geschrieben:Wie soll sich das verbessern, wenn man die Tiere nicht mehr in ihrer Zahl begrenzt ? Wo passiert das Wunder ?

Was steht denn unter dem von dir Zitierten?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Sa 22. Mai 2010, 16:57

Julia hat geschrieben: Das Vitamin B12 Thema können wir langsam abhaken, denke ich.


Kannst Du für dich gerne abhaken, weil Du voreingenommen und mit einem merkwürdigen Sendungsbewußtsein behaftet bist. Deshalb mischt Du auch ständig die Argumentationsebenen, verweigerst die Antwort auf konkrete Nachfragen und wirst dies alles zum wiederholten Male bestreiten.

Ich halte mal aus meiner Sicht fest:

1. Vegetarische und vor allem vegane Ernährung ist eine Extremform menschlicher Ernährung, die in einigen Fällen, vor allem bei Heranwachsenden zu Mangelerscheinungen, bis hin zu Todesfolgen führen kann.
2. Vegenaer neigen - wie Du hier schön zeigst - dazu nicht nur sich so zu ernähren, sondern auch abhängige Individuen (Haustiere, Kinder) diese Ernährungsweise aufzuzwingen.
3.Dafür hast Du aus meiner Sicht der Dinge bislang keine nachvollziehbaren Argumente gebracht.

Das ist aus meiner Sicht der Dinge auch unmöglich, da das Vegenertum eine weltanschauliche Einstellung ist -die für mich im Übrigen quasi religiöse Merkmale aufweist. Du wirst dafür keine faktische Grundlage finden.

Zum Ausgleich bestätige ich Dir, das sich Vegetarier und zumeist auch Vegener als Erwachsene wesentlich gesünder ernähren, als der Durchschnittskonsument. Dies führt in Verbindung mit einer allgemeine gesünderen Lebensform auch zu nachweisbar positiven Effekten, hat aber mit unserer bisherigen Diskussion kaum etwas zu tun. Ich würde aber postulieren, dass ein Veganer, den man einmal im Monat in Hypnose versetzt und ihm ohne sein Wissen ein ordentliches Stück Fleisch einverleibte, nach einiger Zeit noch gesünder wäre. Dafür sprechen zugegebenermaßen nur ernährungsphysiologische Erkenntnisse und der Versuch wäre wohl nur schwer durch eine Ethikkommission zu bekommen :mg:

PS: Deinen neuen Avatar finde ich ziemlich plump.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 17:20

Du kannst diese Ernährungsform gerne extrem nennen und sie weicht sicher auch extrem von der anderer Personen ab, aber mehr sagt das nicht aus.
Auf den Versuch die simple Weisheit "Eine vernünftige vegane Ernährung ist gesund und eine unvernünftige vegane Ernährung ungesund" hier zu einer Gefahr aufzubauschen fallen hoffentlich nicht allzu viele herein.
Es gab auch schon Todesfälle durch unadequate Mischkost, nur steht dann nicht in der Zeitung: "Fleischesser lassen Kind verhungern". Genauso wenig wie man in der Bild lesen wird: "Deutscher verprügelt Oma".
Veganer "zwingen" ihren Kindern ihre Ernährung nicht mehr und nicht weniger auf als Fleischesser und solange es keine gesundheitlichen Bedenken gibt, ist das kein Problem. Die Position der ADA ist, dass man sich in jedem Lebensalter vegan ernähren kann.
Auf der anderen Seite weiß ich von einem, der seiner vegetarischen Freundin heimlich Fleisch ins Essen mischt und sich damit auch noch brüstet. Soviel dazu.

Zappa hat geschrieben:PS: Deinen neuen Avatar finde ich ziemlich plump.

Solange es nur mein Avatar, nicht wie bei dir die Argumentation ist.

Zappa hat geschrieben:Das ist aus meiner Sicht der Dinge auch unmöglich, da das Vegenertum eine weltanschauliche Einstellung ist -die für mich im Übrigen quasi religiöse Merkmale aufweist. Du wirst dafür keine faktische Grundlage finden.

Was ist die faktische Grundlage auf der du Kannibalismus ablehnst, oder tust du das nicht?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon smalonius » Sa 22. Mai 2010, 18:43

Zappa hat geschrieben:Mein Mitleid für ein unter vernünftigen Bedingungen aufgezogenes und professionell geschlachtetes Hausschwein oder Huhn gibt das jedenfalls nicht her.

Nur leider ist das aus wirtschaftlichen Gründen schwierig. Erstens will der Konsument billiges Fleisch, und das geht nur über Massentierhaltung. Zweitens wäre der Flächenverbrauch ziemlich groß, wenn nur mehr "glückliche Kühe und glückliche Schweine" gehalten werden würden.

Das führt dann zu solchen Auswüchsen:

Smithfield Foods, Inc.

Products: Meat
Revenue: $11 Billion USD
Employees: 51,000

Smithfield Foods, Inc. is the world’s largest pork producer and processor.[1] Its headquarters are in Smithfield, Virginia, with operations in 26 states and 9 countries. The company raises 14 million hogs a year and processes 27 million. The company produced 5.9 billion pounds of pork and 1.4 billion pounds of fresh beef in 2006.
[...]
Smithfield has come under criticism for the millions of gallons of fecal matter that it produces and stores in holding ponds, untreated. In a four year period, in North Carolina alone, 4.7 million gallons of hog fecal matter were released into the state's rivers. Workers and residents near Smithfield plants have reported health problems, and have complained about constant, overpowering stenches of hog feces.[1]

In 1997, Smithfield was fined $12.6 million for violation of the federal Clean Water Act.[3] "The fine was the third-largest civil penalty ever levied under the act by the EPA. It amounted to .035 percent of Smithfield's annual sales."

http://en.wikipedia.org/wiki/Smithfield_Foods


Siehe auch hier, den Original-Artikel kann ich gerade nicht finden.

Julia hat geschrieben:Ich hoffe du lässt deinen B12-Status dann wenigstens regelmäßig mit dem richtigen Test überwachen.

Ahhm, nein. Ich meide Ärzte wie der Teufel das Weihwasser. (Aber das ist ein anderes Thema.) Außerdem bin ich ja nur 90% vegan. Fisch esse ich schon gelegentlich und Käse auf der Pizza ist für mich auch OK. Die 10% Inkonsequenz kann ich aushalten, ohne daß mir graue Haare wachsen. ;-)

Zappa hat geschrieben:Ansonsten reicht mir mein B12 Triumph :kg:

Na gut, das lasse ich jetzt mal so stehen. Wenn ich das nächste mal hier Unsinn schreibe, dann berufe ich mich auf meinen zu niedrigen B12-Spiegel. :pfeif:

Julia hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:PS: Deinen neuen Avatar finde ich ziemlich plump.

Solange es nur mein Avatar, nicht wie bei dir die Argumentation ist.

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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 18:56

smalonius hat geschrieben:Ahhm, nein. Ich meide Ärzte wie der Teufel das Weihwasser. (Aber das ist ein anderes Thema.)

Also ich habe mir vorgenommen nach einjährigem Veganersein ein Blutbild machen zu lassen. Nur schade, dass ich vorher keines zum Vergleich gemacht habe. Es gibt hier sogar einen veganen Arzt. Jedenfalls finde ich das nicht gut. :no:
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Sa 22. Mai 2010, 19:11

Julia hat geschrieben: ... und solange es keine gesundheitlichen Bedenken gibt, ist das kein Problem.


Die gibt es aber leider, Du kannst offenbar den hier geposteten Informationen nicht mehr folgen.

Julia hat geschrieben: Position der ADA ist, dass man sich in jedem Lebensalter vegan ernähren kann.


Ja und die Position von Herrn Ackermann ist, dass man Leerverkäufe wieder zulassen soll.

Julia hat geschrieben:Was ist die faktische Grundlage auf der du Kannibalismus ablehnst, oder tust du das nicht?


Ich lehne das ab, aber es gibt keine faktische Grundlage. Nur relative moralische Werte - die muss man offen diskutieren - und anthropologische Konstanten, wie z.B. Mitleid. Moralische Werte, die mehrheitsfähig sind, setzen sich dann durch. Kannibalismus, Scharia und Veganertum sind im Moment nicht mehrheitsfähig. Nicht mehr und nicht weniger.

Du aber behauptest die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und über absolute moralische Werte zu verfügen, dass ist der Unterschied.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Sa 22. Mai 2010, 19:19

smalonius hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Mein Mitleid für ein unter vernünftigen Bedingungen aufgezogenes und professionell geschlachtetes Hausschwein oder Huhn gibt das jedenfalls nicht her.

Nur leider ist das aus wirtschaftlichen Gründen schwierig. Erstens will der Konsument billiges Fleisch, und das geht nur über Massentierhaltung. Zweitens wäre der Flächenverbrauch ziemlich groß, wenn nur mehr "glückliche Kühe und glückliche Schweine" gehalten werden würden.


Das ist ein ganz anderes Thema und ein anderes Diskussionsniveau. Da bin ich bei Dir und habe aus diesen Gründen auch mein Fleischkonsum reduziert (Bio hab ich eh immer schon bevorzugt ohne mich damit moralisch freikaufen zu wollen). Das wir viel zu viel Fleisch essen ist klar und auch aus ernährungsphysiologischer Sicht unbestritten, die tierrechtlichen und ökologischen Aspekte ganz außen vor gelassen.

Ein anderes Thema ist natürlich die Lust am Essen. Was gibt es schöneres als bei herrlichem Wetter mit Kumpels zu grillen und dazu ein kühles Bier zu trinken? :gott:
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 19:35

Zappa hat geschrieben:Die gibt es aber leider, Du kannst offenbar den hier geposteten Informationen nicht mehr folgen.

Dazu fällt mir wirklich nichts mehr ein.

Zappa hat geschrieben:Ja und die Position von Herrn Ackermann ist, dass man Leerverkäufe wieder zulassen soll.

Klar, wenn ich die Wahl habe zwischen der Meinung von Zappa, der sich 5 Sekunden Zeit genommen hat zu googlen, und der Meinung der größten Vereinigung von Ernährungsberatern mit ca. 67.000 Mitgliedern, dann weiß ich doch wessen Einschätzung ich vertraue.

Zappa hat geschrieben:Du aber behauptest die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und über absolute moralische Werte zu verfügen, dass ist der Unterschied.

Das ist lustig, zumal ich gerade in einer Diskussion genau den gegenteiligen Standpunkt vertreten habe, aber ersteres stimmt tatsächlich. (Stichwort ethischer Institutionalismus)

Zappa hat geschrieben:Kannibalismus, Scharia und Veganertum sind im Moment nicht mehrheitsfähig. Nicht mehr und nicht weniger.

Siehst du, und wir werden das ändern, mit oder ohne dich.
Zuletzt geändert von Julia am Sa 22. Mai 2010, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 19:39

Zappa hat geschrieben:Ein anderes Thema ist natürlich die Lust am Essen. Was gibt es schöneres als bei herrlichem Wetter mit Kumpels zu grillen und dazu ein kühles Bier zu trinken? :gott:

Ich war neulich auch mit meinen veganen Kumpels grillen, Alkohol haben wir allerdings nicht nötig.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 21:49

Zappa hat geschrieben:Jaja und zur Not mit Wucht in ein Hochhaus - guten Flug!

Ich fasse zusammen: Der eine Antiveganer wirft mir Heuchelei vor, weil ich keine Gewalt gegen Tierausbeuter befürworte und der andere Antiveganer wirft mir die Befürwortung von Gewalt gegen Tierausbeuter vor. Da hier nur noch mit Scheiße geworfen wird, müssen wir die Diskussion wohl beenden.

Edit: Ups, da ist gerade ein Beitrag gelöscht worden.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Sa 22. Mai 2010, 22:14

Julia hat geschrieben:Edit: Ups, da ist gerade ein Beitrag gelöscht worden.


Ja, das hier trifft es vielleicht etwas besser:



Die Alternative ist Fundamentalismus.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Sa 22. Mai 2010, 22:20

2 Wie erkennen oder bestimmen wir das Gute?

Eine klassische Definition des Guten, die auf Platon (427-347 v.Chr.) und Aristoteles (384-322 v.Chr.) zurück geht, besagt: „Das Gute ist das, wonach alles strebt“. Aus dem offensichtlichen Ungenügen dieser wie auch manch anderer mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit formulierten Begriffsbestimmungen kann man den Schluss ziehen, dass sich das Gute explizit überhaupt nicht erschöpfend definieren lässt. Nach jedem fehlgeschlagenen Versuch bleibt ein gewisser „Bedeutungs-Überschuss“ zurück, durch den der Begriff des Guten sämtliche seiner Definitionen überragt; der Philosoph Richard M. Hare (*1919) bezeichnete ihn deshalb als supervenient und aus diesem Grund als nur implizit erläuterungsfähig (7, 8). Das Gute ist multipel realisierbar und kann deshalb auf abstraktem Wege nicht umfassend bestimmt werden.

Nach welchen Prinzipien sind Moralsysteme dann überhaupt legitimer Weise konstruierbar? Dabei geht es mir nicht um die tatsächliche Entscheidung zwischen gut oder schlecht, richtig oder falsch, also um Moral, sondern vielmehr um die elementaren methodischen Voraussetzungen jedes sinnvollen ethischen Diskurses. Welche wissenschaftlich-systematischen Vorstellungen gibt es über die biologischen, psychologischen, intellektuellen oder sozialen Grundlagen menschlicher Wertentscheidungen? Drei Theorien möchte ich Ihnen jetzt in gebotener Kürze vorstellen, nämlich den Kognitivismus, den Emotivismus und den Institutionalismus.

2.1 Kognitivismus

Nach kognitivistischer Auffassung haben ethische Aussagen denselben Rang wie solche Sätze, mit denen wir eine empirische Erkenntnis oder einen logischen Schluss ausdrücken: Das Verfassungspostulat „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ wäre nach dieser Theorie prinzipiell nicht anders zu beurteilen wie die Feststellung „Das Fell des Katers ist schwarz“ oder der mathematische Satz „Die Winkelsumme im Dreieck beträgt 180O“. Die kognitivistische Theorie hat zum einen den Vorteil, dass sie mit den syntaktischen Regeln unserer Sprache („Die Eigenschaft A des Objekts B hat die Ausprägung C“) überein stimmt. Zum anderen korrespondiert der ethische Kognitivismus mit unserer Alltagserfahrung, die wir gerne als den „gesunden Menschenverstand“ bezeichnen. Die Mehrheit der Philosophen von Platon über Aristoteles bis zu dem britischen Ethiker George Edward Moore (1873-1958) kann zu den Vertretern kognitivistischer Positionen gerechnet werden, die in ihrer Konsequenz zu einem ethischen Objektivismus führen. Der Inhalt moralischer Aussagen ist demnach entweder eindeutig wahr oder eindeutig falsch, weil er mit moralischen Tatsachen übereinstimmt, die ihrerseits in der äußeren Realität objektiv existieren.

Vor allem zwei scheinbar kleine, aber äußerst hässliche Schwierigkeiten haben den Kognitivismus jedoch in Misskredit gebracht. Die erste betrifft das Problem der Wahrnehmung moralischer „Tatsachen“. Die physiologisch bekannten Sinnesorgane des Menschen sind hierfür offenbar ungeeignet; der Kognitivist muss sich deshalb hilfsweise zur Existenz einer „höheren“, metaphysischen Art der Wahrnehmung bekennen, der Intuition. Gerade die wichtige Rolle der Intuition aber widerspricht ihrerseits dem Objektivitätsanspruch, den der Kognitivist erhebt. Die zweite Schwierigkeit besteht in der Ableitung normativer Regeln aus Tatsachenbehauptungen. Nach dem Gesetz von der Unableitbarkeit eines Sollens aus einem Sein, das in der Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals der schottische Philosoph David Hume (1711-1776) aufgestellt hat, ist der logisch zwingende, also deduktive Schluss von einer feststellenden auf eine normative Aussage unmöglich, da hierbei die Schlussfolgerung durch den Inhalt der Prämissen nicht gedeckt würde. Die Vertreter des ethischen Kognitivismus sind aber ganz im Sinne dieses naturalistischen (G.E. Moore, 1903) oder besser faktizistischen (A.W. Bauer, 1998) Fehlschlusses darauf angewiesen, aus moralischen „Tatsachen“ in deduktiver Weise verbindliche moralische Gebote bzw. Verbote zu entwickeln.

2.2 Emotivismus

Eine radikale Konsequenz aus diesen Widersprüchen ziehen die Anhänger des Emotivismus, unter denen sich der eben genannte Philosoph David Hume (9) befindet. Für den Emotivisten gibt es keine objektiven moralischen Aussagen; nach seiner Meinung beschreibt deshalb etwa der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ keine kognitiv erfassbare Realität, er ist vielmehr das literarische Resümee eines subjektiven Gefühls, einer Emotion. Sowohl der deskriptive Emotivismus bei Hume als auch seine modernen Varianten, etwa die feministisch geprägte Care-Ethik (10), lassen nun allerdings einen verbindlichen Diskurs beinahe aussichtslos erscheinen, denn wenn moralische Aussagen lediglich subjektive, individuelle Gefühle widerspiegelten, dann ließe sich über sie weder vernünftig streiten noch könnte man aus ihnen gar allgemeingültige Bewertungs- oder Handlungsnormen ableiten.

2.3 Institutionalismus

Einen Weg aus den Sackgassen sowohl des Kognitivismus als auch des Emotivismus verspricht schließlich der Institutionalismus, wie ihn 1969 der kalifornische Philosoph John R. Searle (*1932) durch den Begriff der institutionellen Tatsache eingeführt und der Schweizer Philosoph Rafael Ferber auf den Bereich der moralischen Tatsachen ausgedehnt hat (7, 11). Moralische Tatsachen sind demnach keine objektiven physischen oder metaphysischen Realitäten, wie es der Kognitivismus behauptet. Sie sind aber auch nicht bloß subjektive psychische Phänomene, die andere Personen allenfalls zur Nachempfindung oder zur Nachahmung anregen können. Moralische Tatsachen müssen vielmehr als von Menschen historisch geschaffene soziale Institutionen angesehen werden, die innerhalb einer Kultur- und Sprachgemeinschaft nach bestimmten Regeln intersubjektiv konstituiert, stabilisiert, tradiert und modifiziert werden. Diese Regeln folgen der Struktur „A gilt als B im Kontext der Gemeinschaft C“. Institutionelle Tatsachen (institutional facts) sind auf eine bestimmte Art und Weise interpretierte rohe Tatsachen (brute facts), in ihnen gehen Lebenswelt und Sprachwelt eine konkrete normative Verbindung ein, die indessen nicht starr und unauflöslich ist.

Institutionelle Tatsachen werden von Menschen gemacht. Sie enthalten zugleich aber Normen, deren Nichtbefolgung oft Sanktionen nach sich zieht. Die moralischen Gefühle und Überzeugungen des einzelnen Menschen werden normaler Weise in den vorhandenen institutionellen Rahmen gut integriert. Sie sind also nicht etwa irrational und rein subjektiv, sondern sie entstehen im Rahmen des individuellen Sozialisationsprozesses durch Verinnerlichung konstitutiver Regeln der umgebenden Sprach- und Rechtsgemeinschaft. Daher erscheint der Institutionalismus gegenwärtig als diejenige ethische Theorie mit dem relativ größten Erklärungspotential für die Entstehung moralischer Werte und mit dem entscheidenden Vorteil empirischer Prüfbarkeit bei gleichzeitig sehr geringer dogmatischer Vorbelastung.

3 Sind also alle moralischen Werte relativ?

Müssen wir aus dem ethischen Institutionalismus nun folgern, dass unsere moralischen Werte völlig beliebig und relativ sind, also „gleichwertig“ (oder gleichermaßen wertlos) im wörtlichen Sinne? Dies wäre womöglich eine fatale Konsequenz, die uns jedoch vor allem von Seiten der sogenannten „postmodernen“ Philosophie nahe gelegt werden könnte. Zum Glück beruht diese Philosophie – wie 1999 Alan Sokal und Jean Bricmont in ihrem Buch Eleganter Unsinn (12) eindrucksvoll gezeigt haben – auf unhaltbaren erkenntnistheoretischen Voraussetzungen wie etwa auf dem Trugbild einer ontologischen Reduktion der Außenwelt auf ein reines Sprachspiel sowie auf der Leugnung des Unterschieds zwischen rohen (oder „natürlichen“) und institutionellen Tatsachen. So kommt es auch, dass die Vertreter dieser antinaturalistischen Wissenschaftsideologie neuere biophilosophische Ansätze wie etwa die Evolutionäre Erkenntnistheorie, die Evolutionäre Ethik (13, 14, 15) und die Soziobiologie (16) bekämpfen oder ignorieren. Gerade die biophilosophischen Theorien sind jedoch von größter Bedeutung für eine künftige Philosophie des Geistes und somit auch für die Ethik, weshalb es sich gerade im Rahmen des Themas prädiktive Medizin, das ja im engeren Sinne mit den „Genen“ zu tun hat, geradezu anbietet, einen Blick auf diese Theorien zu werfen.

3.1 Evolutionäre Erkenntnistheorie

Die Evolutionäre Erkenntnistheorie, die auf den österreichischen Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1903-1989) sowie auf dessen Schüler Rupert Riedl (*1925) und Franz M. Wuketits (*1955) zurückgeht, beschäftigt sich mit der biologischen Evolution kognitiver Systeme und Fähigkeiten. Sie ist eine naturphilosophische Theorie der phylogenetischen Entwicklung des menschlichen Erkenntnisapparates, die neben der neodarwinischen Evolutionstheorie noch drei weitere Prämissen voraussetzt (17): 1. als Erkenntnistheorie den Hypothetischen Realismus, 2. ein projektives Modell des menschlichen Erkenntnisapparates, wonach im Erkenntnisprozess reale Objekte und Strukturen aus ihren Projektionen rekonstruiert werden und 3. eine naturalistische Theorie von Gehirn und Bewusstsein, nach der Geist, Seele und Bewusstsein emergente biologische Systemeigenschaften des Zentralnervensystems sind. Der Evolutionären Erkenntnistheorie sind bislang keine inneren Widersprüche nachgewiesen worden, und sie verfügt über eine erhebliche Problemlösungspotenz.

Der Philosoph Gerhard Vollmer beschrieb das zu realisierende Programm der Evolutionären Erkenntnistheorie wie folgt: „Gedächtnis und Lernvermögen, Neugier, Abstraktion und Generalisation, Schaffung und Gebrauch von Begriffen, Bildung von Hypothesen, kommunikative Bedürfnisse, Gebrauch einer deskriptiven und argumentativen Sprache, eine kritische Haltung und das Bedürfnis nach intersubjektiver Zustimmung – all das sind in der Tat typisch menschliche Züge, die biologisch verwurzelt und zugleich für die Wissenschaft konstitutiv sind. Hier liegt ein weites Feld, das von einer Evolutionären Neurowissenschaft, einer Evolutionären Psychologie und der Evolutionären Erkenntnistheorie erforscht werden kann und erforscht werden sollte“.

3.2 Evolutionäre Ethik und Soziobiologie

Wie die Evolutionäre Erkenntnistheorie ist auch die Evolutionäre Ethik eine „Satellitentheorie“ der allgemeinen Evolutionslehre. Als erklärende Theorie verfolgt die Evolutionäre Ethik keine normativen Ziele. Sie soll vielmehr die historische Entwicklung des empirisch beobachteten sittlichen Verhaltens verständlich machen. Die Evolutionäre Ethik zielt darauf ab, unsere angeborenen Verhaltens- und Handlungsstrukturen, kooperatives Verhalten und Altruismus eingeschlossen, als darwinische Anpassungen an unsere evolutionäre Vergangenheit, vor allem an die Umwelt der Jungsteinzeit, also einer rund 10.000 Jahre zurück liegenden Epoche, zu erklären (18). Sie ist demnach eine soziobiologische Handlungstheorie, indem sie bestimmte Grund- und Rahmenbedingungen für soziale Interaktion auf dem Feld der biologischen Phylogenese des Menschen aufsucht.

Bei einer sachgerechten Anwendung der Evolutionären Ethik muss der Forscher allerdings die Gefahr vermeiden, dass er jenem naturalistischen Fehlschluss vom Sein auf das Sollen erliegt, den ich vorhin dargestellt habe. Evolutionäre Ethik ist nur solange ein wissenschaftlich seriöses Verfahren, wie sie deskriptiv arbeitet und normative Festschreibungen vermeidet. Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Schmerz, Leiden und Sterben sind wertneutrale Mechanismen der biologischen Evolution. Es wäre aber ein logischer Fehlschluss, wenn man aus dieser Tatsache eine Rechtfertigung dafür ableiten würde, dass Menschen – durch ihre Gene gleichsam gezwungen – andere Menschen quälen, foltern oder töten dürften (19). Deskriptive Aussagen können an der Erfahrung überprüft werden und sich dabei bewähren oder aber scheitern. Dagegen können Normen empirisch weder auf Wahrheit noch auf Geltung befragt werden, sondern sie sind lediglich pragmatisch im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit, Lehrbarkeit, Verständlichkeit, und Plausibilität kritisierbar.

Aus dem Sein folgt nicht das Sollen; allerdings auch nicht dessen Gegenteil (das wäre ein kontrafaktizistischer Fehlschluss vom Sein auf das Nicht-Sollen). Wohl aber könnte die Soziobiologie durch methodisch gewonnenes Wissen über die im Lauf der Evolution erworbene menschliche „Neigungsstruktur“ Erkenntnisse über die Grenzen erfüllbarer normativer Forderungen an den Menschen bereitstellen. Das aus der Steinzeit überkommene biologische Erbe bringt Probleme mit sich: Das Natürliche ist in der heutigen Welt eben nicht unbedingt das Gute. Natürliches, das früher vernünftig gewesen sein mag, kann heute sinnlos geworden sein. Was früher das individuelle oder kollektive Überleben förderte, zum Beispiel kriegerische Aggressivität, mag heute kontraproduktiv und selbstzerstörerisch wirken. Die Ursache für dieses Dilemma liegt in der Divergenz zwischen dem äußerst langsamen Tempo der biologischen Evolution und der hohen, sich im Verlauf der Geschichte steigernden Geschwindigkeit des sozialen Wandels begründet (20).

http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~g47/bauerz24.htm
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Di 25. Mai 2010, 18:12

Ich würde es gar nicht so kompliziert aufhängen, denn auf die ethische Theorie werden wir uns hier nicht einigen können und absolute Werte gibt es nicht.

Niemand wird aber ernsthaft bestreiten, dass ethisch Entscheidungen die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen haben. Nun kann man durchdeklinieren, welche Interessen Tiere haben. Das differiert sicher nach Leidensfähigkeit, Bewusstsein, etc. kurz: Komplexität. Je komplexer ein Organismus ist, desto stärker hat man seine Interessen zu berücksichtigen. Ist man soweit, kann man sogar versuchen dass zu quantifizieren. Ein Ansatz wäre z.B. zu sagen: Je stärker etwas einen Fluchtreflex auslöst desto stärker gilt es das zu vermeiden, bzw. es müssen gewichtige Interessen dagegen stehen um so etwas zu rechtfertigen.

Und dann kann man darauf aufbauend verschiedene ethische Forderungen aufstellen und gemeinsam diskutieren. Das ist so ähnlich wie in dem geposteten philosophischen Beispiel: Es gibt dann verschiedene Kandidaten für gutes Verhalten in möglichst genau definierten "Interessenräumen" und die kann man gegeneinander abwägen, auch wenn es "das Gute an und für sich" nicht gibt.

Z.B. frage ich mich, gegen welche Interessen ich verstoße, wenn ich eine Kuh melke (vernünftige Haltungsbedingungen voraus gesetzt)? Oder wie groß das Interesse eines Bienenschwarms an seinem Honig zu bemessen ist etc. pp. Die Gänsebauern im Perigord behaupten, das die Gänse freiwillig zum "Stopfen" kommen, wenn dem so ist (kann man ja überprüfen) ist das Stopfen nicht so verwerflich, wie es oft hingestellt wird.

Die Frage "darf man ein Tier essen" wird man so natürlich nicht absolut beantworten können, dass ist IMHO aber auch logisch. Wenn allerdings eine intensive Diskussion über Tierinteressen angestoßen wird, dann werden sicherlich in Zukunft weniger Tiere leiden, da bin ich mir sicher (ökologische und gesundheitliche Aspekte kommen ja noch dazu).

Wichtig ist mir, dass man keine absoluten ethischen Gebote aufstellen kann, weil es keine absoluten Werte gibt. Insofern ist dein Ansatz "ich bin überzeugt davon, dass man niemals Tiere essen darf und beweis Euch das jetzt mal" von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn bei Interessensabwägungen gibt es immer auch einen Entscheidungsspielraum. Das ist immer auch eine Einzelfallentscheidung (Du darfst nicht töten ist ein starkes ethisches Gebot, aber kein absolutes. Sogar Menschen darf man in Ausnahmesituationen töten (Tyrannenmord, Selbstverteidigung), Tiere also auch).
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Di 25. Mai 2010, 22:02

Zappa hat geschrieben:Nun kann man durchdeklinieren, welche Interessen Tiere haben.

Nach Gewirth hat jedes Lebewesen, dass handlungsfähig ist (und das bedeutet ein Bewusstsein hat), zumindest implizit das Interesse daran, dass die Bedingungen für Handlungsfreiheit erfüllt sind; und das wären: Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon smalonius » Di 25. Mai 2010, 22:08

Ich mag diesen Bauer nicht, von dem der lange Text stammt. Noch weniger mag ich es, daß solche Leute in Ethikausschüssen sitzen. :sauer:

Er schafft es tatsächlich, Zeile an Zeile und Absatz an Absatz zu reihen, ohne eine einzige inhaltliche Aussage zu machen. Aus dem Text:
Der Evolutionären Erkenntnistheorie sind bislang keine inneren Widersprüche nachgewiesen worden, und sie verfügt über eine erhebliche Problemlösungspotenz.

Bauer behauptet eine "Problemlösungspotenz", aber er versäumt es, Lösungen anzugeben. Er vermeidet es tunlichst, eine konkrete Aussage zu machen.

Wenn er es dann doch tut, liegt er daneben.
Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Schmerz, Leiden und Sterben sind wertneutrale Mechanismen der biologischen Evolution. Es wäre aber ein logischer Fehlschluss, wenn man aus dieser Tatsache eine Rechtfertigung dafür ableiten würde, dass Menschen – durch ihre Gene gleichsam gezwungen – andere Menschen quälen, foltern oder töten dürften

Grummel. Was für ein elendes Geschwafel. Bauer verbreitet hier die üblichen Klischees über Evolution. Mir ist kein evolutionsbiologisches Werk bekannt, das den Fokus auf Schmerz, Leiden und Sterben legt.

An Julia gerichtet möchte ich sage: ich befürchte "moralischer Institutionalismus" ist ein argumentativer Fuß-Schuß für deine Sache. Denn die üblichen "moralischen Institutionen" sagen: Hühnerfarmen, Schweine- und Kälbermast seien in Ordnung. Da wäre mir ein "Emotivismus" lieber, der behauptet, das sind alles herzlose Leute, die Fleisch fressen. "Moralischer Institutionalismus" klingt für mich nach "die Mehrheit hat Recht". Leider hatte, geschichtlich gesehen, die Mehrheit meistens unrecht. Über Recht und Unrecht kann man nicht abstimmen - und genau das ist, was moralischer Institutionalismus versucht.

Zappa hat geschrieben:Ein Ansatz wäre z.B. zu sagen: Je stärker etwas einen Fluchtreflex auslöst desto stärker gilt es das zu vermeiden, bzw. es müssen gewichtige Interessen dagegen stehen um so etwas zu rechtfertigen.

Das gefällt mir. Ich hab mich mit Julia schon mal über ein ähnliches Thema unterhalten. Selbstzitat:
smallie hat geschrieben:Ich, als Schüler, morgens, an der Bushaltestelle. Gegenüber ist eine Metzgerei. Gerade hat der Viehtransporter eine Ladung Schweine angeliefert, da entkommt eins der Schweine. Die arme Sau läuft fürchterlich quiekend die Straße entlang und die Metzgerlehrlinge hinterher. Ziemlich surreal eigentlich. Der Kampf um's Dasein im zwanzigsten Jahrhundert. :\

Bewußt oder nicht, das Schwein hat "gemerkt" daß es besser ist, Fersengeld zu geben.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mi 26. Mai 2010, 10:23

smalonius hat geschrieben:An Julia gerichtet möchte ich sage: ich befürchte "moralischer Institutionalismus" ist ein argumentativer Fuß-Schuß für deine Sache.

Ich befürchte aber, dass die intellektuelle Redlichkeit verlangt, dass ich das vertrete, was ich für richtig halte, auch wenn es meinen politischen Interessen entgegen stehen mag. Ob es das tut ist eine andere Frage.

smalonius hat geschrieben:Denn die üblichen "moralischen Institutionen" sagen: Hühnerfarmen, Schweine- und Kälbermast seien in Ordnung. Da wäre mir ein "Emotivismus" lieber, der behauptet, das sind alles herzlose Leute, die Fleisch fressen. "Moralischer Institutionalismus" klingt für mich nach "die Mehrheit hat Recht". Leider hatte, geschichtlich gesehen, die Mehrheit meistens unrecht. Über Recht und Unrecht kann man nicht abstimmen - und genau das ist, was moralischer Institutionalismus versucht.

Ethischer Institutionalismus heißt nicht, dass die Mehrheit Recht hat, sondern dass es kein Rechthaben gibt, letztendlich. Wenn es um die Frage geht, wie wir handeln sollen, muss man immer von irgendwelchen Prämissen ausgehen, die man nicht letztbegründen kann. Was für mich aber nicht bedeutet, dass jede Moral gleichwertig ist oder dass ich meine Moral nicht verteidigen sollte, weil eh alles relativ ist. Es bedeutet nur, dass es diesen Absolutheitsanspruch nicht gibt.
Außerdem bin ich der Meinung, dass Tierrechte durchaus das Potential haben eine institutionelle Tatsache zu werden, weil sie gar nicht so weit von dem entfernt sind, was die Menschen für richtig halten. Ich glaube das Problem liegt eher an den momentanen Umständen, der Tatsache, dass Tiere eben noch ausgebeutet werden und zwar auf eine Art und Weise, die die meisten Menschen sowieso schon ablehnen. Es tut nur niemand was dagegen.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Mi 26. Mai 2010, 18:12

Julia hat geschrieben:Nach Gewirth hat jedes Lebewesen, dass handlungsfähig ist (und das bedeutet ein Bewusstsein hat), zumindest implizit das Interesse daran, dass die Bedingungen für Handlungsfreiheit erfüllt sind; und das wären: Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit.


Bewusstsein ist sicher ein starkes Argument. Ein bewusstes Wesen hat sicherlich ein Interesse, dass es zu berücksichtigen gilt. Allerdings ist die Grenze ein bisschen willkürlich, man könnte mit etwas bösem Willen unterstellen, dass Gewirth hier seinen Spezietismus nur auf "benachbarte" Spezies erweitert hat. Bewußtsein ist übrigens nur schwer zu messen, mit Handlungsfähigket kann man da ordentlich daneben liegen. Auch dazu hab ich was aus youtube zu bieten:



Das Interesse an Leben und körperlicher Unversehrtheit würde ich mal viel weiter fassen. In puncto Leben prinzipiell auf alles, was sich fortpflanzt. Das Interesse an körperlicher Unversehrtheit würde ich mal ad hoc allen Organismen mit einem Nervensystem zusprechen, denn wir können damit auf Schmerzempfinden schließen. Soweit ich weiß sind auch für Pflanzen mittlerweile Signalprozesse nachgewiesen, die so etwas wie Stress- und Abwehrfunktionen erfüllen. Damit wird hier schon deutlich, dass diese Interessen nicht absolut sein können, sondern abgewogen werden müssen. Von irgendwas Organischem müssen wir ja nun mal leben.

Wir müssen die Interessen irgendwie quantifizieren, bzw. gegeneinander abwägen. Da führt kein Weg dran vorbei. Wesentliche Aspekte sind dabei auch für mich Schmerzempfindung, Bewusstsein, Ich-Empfinden, Fähigkeit in die Zukunft zu schauen, Empathiefähigkeit etc. Da steckt sicherlich eine Menge Spezietismus mit drin, ganz trennen kann man sich da aufgrund des Mangels an speziesübergreifenden "Messparameter" nicht. Wir haben halt vor allem unser eigenes Sensorium um die Leiden des Gegenüber zu bewerten. Lieber wären mir da - wie bereits gesagt - objektivere Kriterien wie Fluchttendenz, Stressreaktionen etc.

Insofern würde ich die Eingangsfrage "Sind wir wertvoller als andere Tiere?" mit: "Ja, relativ!" beantworten.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Mi 26. Mai 2010, 18:24

smalonius hat geschrieben:
Der Evolutionären Erkenntnistheorie sind bislang keine inneren Widersprüche nachgewiesen worden, und sie verfügt über eine erhebliche Problemlösungspotenz.



Soweit ich das noch memorieren, ist diesem Ansatz prinzipiell der naturalistische Fehlschluss nachgewiesen worden, aber ich mag mich da irren.

Ich finde sowas für eine Alltagsdiskussion auch eher irrelevant. Wemm man sich drauf einigt, dass nicht der bloße Eigennutz sondern auch die Interessen des Gegenüber für ethische Entscheidungen wichtig sind und man sich dann ernsthaft die Mühe macht die Interessen zu benennen, ist sehr viel erreicht.

Ob ich mich dann schlussendlich evolutionärer Erkenntnistheoretiker oder erkennender Evolutionstheoretiker nennt ist doch eh wurscht :mg:
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