ganimed hat geschrieben:Wie kommst du nur darauf, dass es hier darum ginge, wie Lebewesen (du meinst vermutlich den Menschen und nicht alle Lebewesen) qualitativ fühlt und denkt?
Stell dir Qualität und Quantität wie x- und y-Achse eines Koordinatensystems vor. Auf der einen Achse zuzulegen hat nichts damit zu tun, auf der anderen Achse zuzulegen. Man misst auch Unterschiedliches, wenn man feststellt, wer welchen Wert auf welcher Achse hat. Qualität kann man nicht zählen, das liegt in der Natur der Sache begründet, und ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass Qualität nur innerhalb eines diskursiven Systems erkannt und benannt werden kann, weil man dafür reflektieren muss, dass A besser ist als B. "Besser" ist definitionsabhängig. Wenn ich "besser" mit "freier" gleichsetze, muss ich mich zum Beispiel mit den Bedingungen freien Handelns und Entscheidens auseinandersetzen. Da hat der Mensch gegenüber einem Tier, das instinkthaft und/oder (selbst)konditioniert handelt, einfach einen Vorteil. Aber das besprichst du ja schon mit AgentProvocateur, wie gesagt.
ganimed hat geschrieben:Es gibt geeignetere und ungeeignetere, begründetere und weniger begründetere. Es ist nicht alles gleich. Wenn ich auch sofort einsehe, dass ich ebenfalls nicht den einen, den einzigen, den wahren Maßstab nennen kann. Aber die Maßstabsklasse der biologischen, quantitativen Indikatoren, die mit Fortpflanzung, Genweitergabe und dem Besetzen von Lebensräumen zu tun haben, sollte nach meiner Einschätzung die richtige Richtung sein.
Er misst halt keine qualitativen Faktoren, weil qualitativ höheres Verhalten mit der Menge der Lebewesen, die es können, rein gar nichts zu tun hat. Es können eine Milliarde simple Lebewesen gegen einen Sokrates stehen, qualitativ gewinnt Sokrates. Dafür gibt es natürlich bessere und schlechtere Begründungen, klar.
ganimed hat geschrieben:Wenn jemand 10 Punkte hat, dann ist er eben nicht zehnmal so gut wie jemand mit 1 Punkt. Nach meiner Zuordnung wird der mit 10 Punkten als "ausreichend" bewertet und der mit 1 Punkt als "ungenügend". Nach der Transformation in die Qualität macht ein quantitativer Vergleich natürlich keinen Sinn mehr ("wie viel mal ist ausreichend besser als ungenügend?"), und vorher ist er ebenfalls nicht möglich (vor der Transformation sind 10 Punkte einfach nur 10 mal mehr Punkte, ohne qualitative Wertung). Deine Argumentation scheint mir also irgendwie an dem Prinzip der Transformation aus quantitativem Maßstab in die qualitative Wertung vorbei zu gehen.
Deine Zuordnung/Transformation ist subjektiv, willkürlich und mathematisch nicht durchführbar.
ganimed hat geschrieben:Wie ich darlegte ist es aber auch Mainstream an Schulen, qualitative Aussagen aus quantitativen Werten abzuleiten.
Dann bleib an der Schule, wenn dir Uni zu differenziert ist.
Was man an der Schule tut, ist, einen (im Prinzip willkürlichen) Maßstab anzulegen, wo die Zahl gelöster Aufgaben mit einer besseren Note einhergeht. Man geht davon aus, dass jemand, der qualitativ besser arbeiten kann, auch quantitativ höhere Werte erreicht. Diese Annahme ist begründet, aber diese Begründung ist natürlich (wie ausnahmslos JEDE Begründung) eine qualitative Argumentation (quantitativ kann man nicht argumentieren, oder hast du schonmal eine Gleichung gesehen, die für eine philosophische Position argumentiert hat?). Das liegt aber nicht daran, dass das Lösen vieler Aufgaben per se Qualität bedeutet, sondern dass sie mit Qualität korreliert.
Gehen wir nochmal zurück zu unserem Koordinatensystem: Wer qualitativ hochwertig denken und arbeiten kann, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch viele Aufgaben lösen. Dass er qualitativ hochwertig denken kann, lässt sich aber nicht direkt aus der Menge der gelösten Aufgaben ablesen, denn man kann mit Auswendiglernen oder umständlichen, wenig eleganten Lösungswegen bei vielen Aufgabentypen unheimlich weit kommen. In der Mathematik kann man noch am ehesten von einer engen Verbindung von Quantität und Qualität reden (kleine Anekdote: in Erlangen gibt's einen Matheprof., der die Güte von Lösungswegen in Zentimetern misst, die für die Lösung der Aufgabe gebraucht wurden, weil kurze meist mit eleganten Lösungen korrelieren - aber auch hier eben nur wieder korrelieren), aber letztlich braucht auch eine elegante Lösung einer Aufgabe eine qualitative Bewertung.
Was also passiert, ist, dass jemand, der auf der y-(Qualitäts)-Geraden aufsteigt, auch auf der x-(Quantitäts)-Geraden aufsteigt (das ist jetzt nur eine Modell-Vorstellung, um das Problem anschaulich zu machen! Natürlich kann man nicht wirklich eine Qualitätsgerade erstellen, weil das ja eine quantitative Messung von Qualität implizieren würde). Er tut dies aber korrelativ, nicht kausal, denn es gilt bekanntlich: Korrelation != Kausalität:
Den statistischen Zusammenhang kann man mittels Linearer Regression analysieren, dann kommt eine Steigungsgerade raus, so eine z.B.:
Eine Regressionsgerade beschreibt den Zusammenhang, kann ihn aber nicht erklären oder Kausalitäten nachweisen! Ebenso macht sie keine qualitativen Aussagen, sondern beschreibt quantitativ die Stärke eines Zusammenhangs.
Natürlich kann der Zusammenhang an sich kausal sein, aber das ist quantitativ nicht nachweisbar, sondern muss mit einer qualitativen Theorie begründet werden. Wenn man es dennoch tut, so wie du es hier penetrant versuchst, begeht man einen Fehlschluss vom Typ cum hoc ergo propter hoc.
Das heißt nicht, dass eine Korrelation nicht ein starker Hinweis auf einen Kausalzusammenhang sein kann, aber mathmatisch bzw. formallogisch lässt sich das halt nicht ableiten. Ein bisschen richtig gibt es in der Logik nicht. Wenn es dich aber beruhigt: Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand im oberen rechten Viertel unseres Koordinatensystems landet, weil er zufällig alle Aufgaben richtig angekreuzt hat, ist extrem gering, d.h. Korrelationen sagen schon etwas aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise jemand beim amerikanischen SAT-Test in der Highschool einen der drei Abschnitte zufällig korrekt richtig ankreuzt ist vernichtend gering:
Randall Munroe hat geschrieben:Well, if they each used a computer to take the test a million times each day, and continued this every day for five billion years—until the Sun expanded to a red giant and the Earth was charred to a cinder—the chance of any of them ever getting a perfect score on just the math section would be about 0.0001%.
Aus diesem Grund ist eine Notenskala zur Bestimmung qualitativer Methoden aus pragmatischen Gründen absolut akzeptabel, aber NICHT wegen formallogisch eindeutiger Ableitbarkeit! Für eine Bewertung an der Schule mag das vollkommen ausreichen (wobei es auch da heftige Diskussionen in den Didaktikseminaren gibt, weil ja ein Testdesigner die Punkte anhand nichtobjektiver Kriterien vergibt), für ein philosophisches Argument oder exakte wissenschaftshtoeretische Darlegungen sind solche Zusammenhänge eher minder relevant. Insbesondere im vorliegenden Fall kannst du qualitative Überlegenheit von Lebewesen nicht mithilfe quantitativer Methoden nachweisen, sofern du etwas anderes messen willst als ihren Überlebenserfolg. Ich stimme zu, dass es für eine wissenschaftliche Studie über den Überlebenserfolg einzelner Arten vollkommen in Ordnung ist, dein Kriterien-Set zu verwenden, aber für die Beantwortung der Frage nach der philosohpischen Qualität des Verhalten eines Lebewesens ist sie einfach ungeeignet. Du redest da über etwas komplett anderes als ich und ich will nicht über Überlebenserfolg sprechen, weil es im Kontext philosophischer Qualität stinklangweilig und unproduktiv ist und uns einer Antwort keinen Millimeter näher bringt.