Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon El Schwalmo » Do 18. Sep 2008, 16:49

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Wir sollten die Begriffe "Erkenntnis" und "Wahrnehmung" bzw. "Erfahrung" unterscheiden.
Was erkannt wird, sind weniger Dinge denn Tatsachen.

in welchem Zusammenhang steht das mit dem Satz, den Du zitiert hast?


Ob es unerkennbare/unwissbare Wahrheiten/Tatsachen gibt, ist eine Frage, und ob es unwahrnehmbare/unerfahrbare Dinge gibt oder geben kann, eine andere Frage.

hmmm, ich muss zugeben, diese Terminologie ist mir nicht vertraut. Du hast meine Postings gelesen, gehe ich, beispielsweise bei dem 'etwas' in dem zitierten Satz, Deiner Meinung nach von 'Dingen' oder von 'Tatsachen' aus?
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Do 18. Sep 2008, 17:32

El Schwalmo hat geschrieben:hmmm, ich muss zugeben, diese Terminologie ist mir nicht vertraut. Du hast meine Postings gelesen, gehe ich, beispielsweise bei dem 'etwas' in dem zitierten Satz, Deiner Meinung nach von 'Dingen' oder von 'Tatsachen' aus?


Du meinst sicher diesen Satz:

"Auch wenn wir etwas nicht erkennen können, bedeutet das nicht, dass es nicht existiert."

"Erkennen" kann ja einerseits "sinnlich erkennen, wahrnehmen (von Dingen)" und andererseits "geistig erkennen, einsehen (von Tatsachen)" bedeuten.
Ich schätze in deinem Satz ist Ersteres gemeint.

Zu jedem existierenden Ding D gibt es eine entsprechende Tatsache, nämlich die Tatsache, dass D existiert.
Ich denke, dass Folgendes gilt:

Ax(E!x <-> <>K(E!x))

"Für jedes Ding x gilt: x existiert genau dann, wenn es logisch möglich ist zu wissen/erkennen, dass x existiert."

Dieser Satz ist nicht mit dem Folgenden zu verwechseln:

"Für jedes Ding x gilt: x existiert genau dann, wenn es im Universum (mindestens) eine biologische Spezies gibt, der es kognitiv möglich ist zu wissen/erkennen, dass x existiert."

Denn es ist durchaus möglich, dass es Dinge und Tatsachen gibt, die unseren menschlichen Verstand oder denjenigen irgendeiner anderen Tierart übersteigen, d.h. die wir oder andere hochentwickelte Tiere nicht erfassen, nicht erkennen können. Nur bei einem unendlichen und allwissenden Geist würden sich logische und kognitive Erkennbarkeit decken. Doch alle möglichen natürlichen Lebewesen sind hinsichtlich ihres Erkenntnisvermögens endlich, begrenzt und nicht allwissend.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Qubit » Do 18. Sep 2008, 17:34

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Wir sollten die Begriffe "Erkenntnis" und "Wahrnehmung" bzw. "Erfahrung" unterscheiden.
Was erkannt wird, sind weniger Dinge denn Tatsachen.

in welchem Zusammenhang steht das mit dem Satz, den Du zitiert hast?


Ob es unerkennbare/unwissbare Wahrheiten/Tatsachen gibt, ist eine Frage, und ob es unwahrnehmbare/unerfahrbare Dinge gibt oder geben kann, eine andere Frage.
Wen Sapere behauptet, dass es keine übersinnlichen Dinge geben könne, dann widerspreche ich ihm.


Ich will anmerken, dass all diese hübschen Begriffe nur sinnvoll mit Hintergrund eines Kontextes sind. Absolute "Wahrheiten", "Tatsachen", "Erfahrungen", "Erkenntnisse" usw. sind sinnfrei.
Dass Problem der IDler zB ist, dass in Einzelfragen ein "Kontextswitch" gefordert wird, ohne zu realisieren, dass der Gesamtkontext etablierter wissenschaftlicher Erkenntnisstrukturen damit inkompatibel wird. Wenn man - generell gesprochen - die Komponenten eines komplexen Systems mit etablierten wissenschaftlichen Strukturen beschreiben kann und desweiteren neue "Mechanismen" für das komplexe System einführt, darf die etablierte Beschreibung auf Komponentenebene nicht inkompatibel werden, insofern der Anspruch des wissenschaftlichen Kontextes aufrecht erhalten bleiben soll. Um es blumig zu formulieren: ein solcher "makroskopischer Phasenübergang" muss also "mikroskopisch" konsistent bleiben. 'Gott" kann nicht die Suppe zum Kochen bringen, ohne Moleküle zu bewegen. Könnte er es, hätten wir zwar eine neue "Suppentheorie", aber müssten unsere molekularkinetischen Theorien und alles was daran hängt in die Tonne treten ;-)
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Do 18. Sep 2008, 17:58

El Schwalmo hat geschrieben:Ist es wirklich unmöglich, dass es etwas real seiend gibt, das unserer Logik widerspricht?


Du wirst lachen, es gibt die sogenannte dialeth(e)ische Logik, die behauptet, dass einige widersprüchliche Sätze wahr sind:

"A dialetheia is a true contradiction, a statement, A, such that both it and its negation, A, are true. Hence, dialeth(e)ism is the view that there are true contradictions. Dialetheism opposes the so-called Law of Non-Contradiction (LNC) (sometimes also called the Law of Contradiction): for any A, it is impossible for both A and ~A to be true."

Die Beispiele, die von den Dialethe(e)isten ins Spiel gebracht werden, beziehen sich allerdings auf selbstbezügliche Sätze wie "Dieser Satz ist nicht wahr", deren logische Bewertung höchst umstritten ist. Sie behaupten, dieser Satz wäre sowohl wahr als auch falsch, während andere Logiker behaupten, er wäre weder wahr noch falsch.
Tatsache ist auf jeden Fall, dass der Dialeth(e)ismus nur von einer kleinen Minderheit unter den Logiker vertreten wird.
Und selbst wenn man ihn akzeptiert, ist damit die Frage, ob es in der (konkreten) Welt Dinge mit widersprüchlichen Eigenschaften gibt, noch nicht mitbeantwortet. Denn er bezieht sich primär nur auf abstrakte sprachliche oder sprachartige Entitäten wie Propositionen.

In meinen Augen gibt es keinen vernünftigen Grund, nicht davon auszugehen, dass zumindest konkrete Dinge mit widersprüchlichen Eigenschaften unmöglich existent sind.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon El Schwalmo » Do 18. Sep 2008, 17:59

Qubit hat geschrieben:Dass Problem der IDler zB ist, dass in Einzelfragen ein "Kontextswitch" gefordert wird, ohne zu realisieren, dass der Gesamtkontext etablierter wissenschaftlicher Erkenntnisstrukturen damit inkompatibel wird. Wenn man - generell gesprochen - die Komponenten eines komplexen Systems mit etablierten wissenschaftlichen Strukturen beschreiben kann und desweiteren neue "Mechanismen" für das komplexe System einführt, darf die etablierte Beschreibung auf Komponentenebene nicht inkompatibel werden, insofern der Anspruch des wissenschaftlichen Kontextes aufrecht erhalten bleiben soll. Um es blumig zu formulieren: ein solcher "makroskopischer Phasenübergang" muss also "mikroskopisch" konsistent bleiben. 'Gott" kann nicht die Suppe zum Kochen bringen, ohne Moleküle zu bewegen. Könnte er es, hätten wir zwar eine neue "Suppentheorie", aber müssten unsere molekularkinetischen Theorien und alles was daran hängt in die Tonne treten ;-)

hmmm, nach dem, was ich von ID weiß, kann ich das nicht nachvollziehen. Stell' Dir vor, ein Designer greift nur ab und an ein. Das war Standard-Auffassung unter Paläontologen, als der Begriff 'ID' noch lange nicht geprägt war.

Das Problem ist, dass unser Weltbild dann nicht mehr durchgehend naturalistisch wäre. Bisher konnte noch niemand zeigen, dass das der Fall ist. Niemand aber konnte bisher auch zeigen, dass Evolution ohne Design-Eingriffe funktioniert, wenn man von 'Mikroevolution' absieht (falls Du Beispiele kennst, die mir nicht bekannt sein sollten, würden mich die sehr interessieren).

Ein durchaus nachdenkenswerter Spruch aus der ID-Ecke lautet, dass die nicht daran interessiert sind, wie die Welt abläuft, wenn man den Naturalismus voraussetzt, sondern wie es tatsächlich ablief. Das ist dann wieder das, worauf ich hinaus wollte: aus der Methodologie, so sinnvoll und notwendig sie auch sein mag, folgt keine Ontologie.

Es gibt aber zumindest einige Philosophen, die das anders sehen (Mahner und Bunge), und das, was die formuliert haben, ist in etwa die Ontologie, die ich auch vertrete. Aber nicht mit dem Anspruch auf Geltung. Die gehen im Prinzip davon aus, dass die naturwissenschaftliche Methode funktioniert (sehe ich auch so) und überlegen dann, wie die Welt wohl gebaut sein müsste, damit das der Fall ist, und konstruieren so eine Ontologie. Das Problem ist nur, ob diese 'Ontologie' (Mahner zumindest hat eingesehen, dass seine Wortwahl etwas unglücklich ist, denn seine Auffassung von 'Ontologie' ist etwas idiosynkratisch) sich mit dem deckt, was 'an sich seiend 'ist.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Do 18. Sep 2008, 18:44

Qubit hat geschrieben:Ich will anmerken, dass all diese hübschen Begriffe nur sinnvoll mit Hintergrund eines Kontextes sind. Absolute "Wahrheiten", "Tatsachen", "Erfahrungen", "Erkenntnisse" usw. sind sinnfrei.


Sind sie nicht, da es eine allumfassende Wirklichkeit gibt.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Do 18. Sep 2008, 19:08

Myron hat geschrieben:
Du wirst lachen, es gibt die sogenannte dialeth(e)ische Logik, die behauptet, dass einige widersprüchliche Sätze wahr sind:

"A dialetheia is a true contradiction, a statement, A, such that both it and its negation, A, are true. Hence, dialeth(e)ism is the view that there are true contradictions. Dialetheism opposes the so-called Law of Non-Contradiction (LNC) (sometimes also called the Law of Contradiction): for any A, it is impossible for both A and ~A to be true."


Der Dialethismus hat übrigens eine logische Konsequenz, die mir einfach nur absurd erscheint:
Wenn der Dialethismus wahr ist, d.h. wenn es wahr ist, dass es wahre Widersprüche gibt, dann kann man mit dessen eigenen logischen Mitteln beweisen, dass es sowohl wahr als auch falsch ist, dass es wahre Widersprüche gibt.
Das heißt, ein Dialethist kommt nicht umhin einzugestehen, dass seine Position, wenn sie wahr ist, zugleich falsch ist!
Der führende Kopf des Dialethismus, Graham Priest, meint jedoch nicht, dass dieser sich selbst ad absurdum führt und somit irrational ist:

""It may be rational to accept that dialetheism is both true and false. In a sense, this is what I do accept: not only are some sentences of the form p & ~p true, but ~(p & ~p) is itself a logical truth. It is no refutation of one´s views to hold that it is false, i.e., has a true negation, if one´s view is precisely that some contradictions, in particular ones of this kind, may be true."

"Es kann rational sein zu akzeptieren, dass der Dialetheismus sowohl wahr als auch falsch ist. In einem gewissen Sinne ist es dieses, was ich akzeptiere: Es sind nicht nur einige Sätze der Form p & ~p wahr, sondern ~(p & ~p) ist selbst eine logische Wahrheit. Es stellt keine Widerlegung der eigenen Ansichten dar zu meinen, dass er falsch ist, d.i. eine wahre Negation hat, wenn die eigene Ansicht genau darin besteht, dass einige Widersprüche, insbesondere solche dieser Art, wahr sein können."
[meine Übers.]

(Priest, Graham. Beyond the Limits of Thought. 2nd ed. Oxford: Oxford University Press, 2002. p. 275, fn. 10)

Ich bestreite, dass es rational ist, eine logische Widerspruchstheorie zu vertreten, die selbst sowohl wahr als auch falsch, d.h. widersprüchlich ist.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Fr 19. Sep 2008, 01:43

Tja, es droht wieder einmal ein terminologisches Missverständnis:

Ich habe festgestellt, dass sich die Bezeichnung "methodologischer Naturalismus" auf Unterschiedliches beziehen kann, nämlich zum einen auf einen das Verhältnis von Philosophie und (Natur-)Wissenschaft betreffenden metaphilosophischen Standpunkt und zum anderen auf einen das Verhältnis von Religion und (Natur-)Wissenschaft betreffenden wissenschaftstheoretischen Standpunkt.

Der metaphilosophische MN—kurz MN_mp—besteht in der Ablehnung einer aprioristischen, antiempiristischen "Ersten Philosophie" und in der damit einhergehenden Ansicht, dass das philosophische Theoretisieren wissenschaftsabhängig ist, die Philosophie sich so weit wie möglich an den wissenschaftlichen, insbesondere den naturwissenschaftlichen Verfahrensweisen anlehnen sowie deren Ergebnisse zur Bestätigung oder Widerlegung ihrer Thesen übernehmen sollte.
Im Mittelalter galt das Motto "Philosophia ancilla theologiae!", und dem MN_mp nach gilt heutzutage:
Philosophia ancilla scientiae! (Die Philosophie ist die Magd der Wissenschaft!)

Der wissenschaftstheoretische methodologische Naturalismus—kurz MN_wt— besteht in der Ansicht, dass supernaturalistische, insbesondere theistische Hypothesen bei der wissenschaftlichen, insbesondere der naturwissenschaftlichen Theoriebildung keine Rolle spielen bzw. spielen sollen.
Diese Ansicht kann durchaus auch von den Supernaturalisten, insbesondere den Theisten/Deisten unter den Wissenschaftlern vertreten werden, da sie nicht notwendigerweise mit dem metaphysischen Naturalismus gepaart ist, der verneint, dass es eine Übernatur gibt.
Zum MN_wt gehört auch die Ansicht, dass der einzig legitime Zuständigkeitsbereich der Wissenschaft, insbesondere der Naturwissenschaft, die natürliche Welt ist und die übernatürliche Welt, falls es eine solche gibt, sie einfach nichts angeht.

Siehe dazu: http://plato.stanford.edu/entries/naturalism/#Sci

(Anmerkung: Der Text von Fales bezieht sich auf den MN_wt.)
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon ganimed » Fr 19. Sep 2008, 02:09

Man nehme es mir nicht übel, aber nachts um 3, von Cola vollgedröhnt, bin ich manchmal etwas hemmungslos.

Mir kommen philosophische Diskurse, zumindest wenn Profis am Werk sind, eigentlich immer vor wie eine Kette von "terminologischen Missverständnissen" und den Versuchen, sie wieder zu beheben oder sogar gleich zu vermeiden. Sagt der Philosoph 3 Sätze, braucht er weitere 20, um klarzustellen, was die Begriffe aus den ersten drei Säzten bedeuteten. Ich verliere bei etwa Satz 12 oder 13 regelmäßig meine Geduld. Aber ok, das ist natürlich mein Problem.

Das Problem des Philosophen ist wohl, dass er sich exakt ausdrücken will und dazu aber die völlig ungeeignete Alltagssprache benutzt. Viel Glück trotzdem!
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Fr 19. Sep 2008, 02:43

sapere aude hat geschrieben:Myron, vielen Dank für diesen Beitrag!


Gern geschehen (auch wenn die Übersetzung etwas mühsam war)!

sapere aude hat geschrieben:Wie Du allerdings selbst bemerkst, ist Übernatürliches nicht mehr übernatürlich, wenn wir es wahrnehmen können.


Direkt wahrnehmbar ist etwas Übernatürliches als etwas Übersinnliches nicht. Andererseits ist in der Theologie von "religiösen Erfahrungen" die Rede.
Aber man kann unabhängig davon mit Recht sagen, dass z.B. ein sichtbarer Geist einen Körper haben müsste, um überhaupt gesehen werden zu können. Und was einen Körper hat, ist materieller Natur. Wahrnehmbare Geister wären also nicht wirklich übernatürlich, d.i. hyperphysisch, sondern nur bizarr-exotische natürliche Lebewesen.

sapere aude hat geschrieben:Die Behauptung, etwas Übernatürliches existiere außerhalb von Raum und Zeit, ist also logisch ein leerer Begriff, da Existenz des Raumes und der Zeit bedarf.


Diese definitorische Einschränkung des Existenzbegriffs lehne ich ab.
Dass es keine konkreten oder abstrakten nichtraumzeitlichen Gegenstände gibt, sollte eine gehaltvolle metaphysische These sein, die nicht allein kraft einer Definition als verifiziert gelten kann.

Zu sagen, dass ein Gegenstand existiert, heißt nicht per se, dass er in Raum und Zeit existiert, sondern, dass er nicht bloß ein gedachter, gemeinter Gegenstand ist, d.h. kein dem Geiste von Zeichen (Wörtern und Bildern) nur vorgespiegeltes Scheinding.
Der Existenzbegriff zeichnet innerhalb des Reiches der intentionalen Objekte diejenigen Objekte aus, die mehr sind als bloße Gegenstände unseres Denkens und Vorstellens, d.h. die selbstständig oder, um es mit einem Terminus von Roman Ingarden auszudrücken, "seinsautonom" sind.

Ich schließe mich dem Urteil Quine's an:

"Ich finde den engen Sinn nutzlos, den manche Philosophen dem Begriff der Existenz gegeben haben, nämlich konkretes Vorhandensein in Raum und Zeit."

(Quine, W. V. O. Grundzüge der Logik. 7. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1990. S. 255)

sapere aude hat geschrieben:Wir können also über Dinge, die unsere Erkenntnisfähigkeit übersteigen, nicht sprechen, da es sich selbstverständlich auch nicht um Dinge handelt, sondern nichts.


Solche Dinge mögen für uns nichts sein, was aber nicht heißt, dass sie auch an sich nichts sind.

sapere aude hat geschrieben:Ein mögliches "übernatürliches Wesen" ist per definitionem nicht wahrnehm- und deshalb auch nicht erkennbar und deshalb nicht existent.


Tut mir leid, aber das ist, wie die Logiker sagen, ein "Non sequitur", ein "Daraus-nicht-Folger".
Denn der Platonismus bejaht die Existenz abstrakter Objekte (* und verneint zugleich deren sinnliche Wahrnehmbarkeit.
(Ich möchte auch hier die Begriffe "Wahrnehmbarkeit" und "Erkennbarkeit" trennen.)

(* Götter und sonstige Geistwesen zählen nicht zu den abstrakten, sondern zu den konkreten Objekten. Denn abstrakte Objekte haben weder geistig-seelische Eigenschaften noch üben sie irgendeinen kausalen Einfluss aus.)
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Fr 19. Sep 2008, 03:05

ganimed hat geschrieben:Mir kommen philosophische Diskurse, zumindest wenn Profis am Werk sind, eigentlich immer vor wie eine Kette von "terminologischen Missverständnissen" und den Versuchen, sie wieder zu beheben oder sogar gleich zu vermeiden. Sagt der Philosoph 3 Sätze, braucht er weitere 20, um klarzustellen, was die Begriffe aus den ersten drei Säzten bedeuteten. Ich verliere bei etwa Satz 12 oder 13 regelmäßig meine Geduld. Aber ok, das ist natürlich mein Problem.


Mag sein, die analytische Philosophie ist auf jeden Fall die Kunst der begrifflichen Unterscheidung.

ganimed hat geschrieben:Das Problem des Philosophen ist wohl, dass er sich exakt ausdrücken will und dazu aber die völlig ungeeignete Alltagssprache benutzt. Viel Glück trotzdem!


Nichts gegen die Alltagssprache oder die "Sprache des Lebens" (Frege)!

"Alle Überlegungen können viel hausbackener angestellt werden, als ich sie in früherer Zeit angestellt habe. Und darum brauchen in der Philosophie auch keine neuen Wörter angewendet werden, sondern die alten, gewöhnlichen Wörter reichen aus."

(Wittgenstein, Ludwig. "Philosophie." In The Big Typescript (Wiener Ausgabe), hrsg. v. M. Nedo, 275-292. Wien: Springer (Lizenzausg. Zweitausendeins, Frankfurt a. M.), 2000. S. 283)

Das soll nicht heißen, dass es grundsätzlich am besten ist, auf jegliche Art von besonderen Fachbegriffen ("termini technici") zu verzichten. Man kann sich aber zweifellos auch in der Alltagssprache genau ausdrücken, sofern man nicht dumm ist und über einen ausreichenden Wortschatz verfügt.

"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden, aber nicht einfacher!" (Einstein: [Quelle ist mir momentan unbekannt])
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon sapere aude » Fr 19. Sep 2008, 09:11

Ich will es nochmal anders versuchen, und hoffe, dass ich vielleicht auch ganimed mitnehmen kann. =)

Wir sind uns ja einig, dass es in der Runde Leute gibt, die der Ansicht sind, dass wir zumindest die Möglichkeit der Existenz eines "Gottes" einräumen müssen, auch wenn es sich unserer Wahrnehmung grundsätzlich entzieht.

Ich nenne nun einen völlig willkürlich produzierten Begriff, der aus einer spontanen Aneinanderreihung von Buchstaben besteht: "Leünuldir"

Ich spreche diesem "Leünuldir" folgende, ebenfalls aus völlig willkürlich aneinandergereihten Buchstaben bestehende Eigenschaften zu:

"Leünuldir" ist "qujgupäjaherg" und "serhojüq" und kann "esrgoijhüoen" und "ösjkdlen"

Würdet ihr diesem "Leünuldir" und seinen Eigenschaften zumindest die Möglichkeit einer Existenz außerhalb unserer Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit einräumen?

Wenn Ihr das nicht tut, frage ich mich, wieso Ihr das dann bei "Gott" macht.

Aber möglicherweise tut Ihr das schon. Oder?

Obwohl es sich nicht um einen Gegenstand oder ein Objekt handelt, der/das tatsächlich irgendwelche Eigenschaften besitzt. Allein die Tatsache, dass es einen Namen dafür gibt, führt dazu, dass wir eine Vorstellung dazu entwickeln und ihm eine bloße Existenzmöglichkeit einräumen. Ein einfaches psychisches Phänomen.

Dieses Phänomen ist Vergleichbar mit dem "Gottes"-Begriff. Dieser Begriff ist für uns darüber hinaus auch noch mit differenzierten echten Erfahrungen angereichert, auch wenn dies keine mit diesem Begriff originär verbundenen externen realen Erfahrungen sind. Mit der Nennung oder bloßen Vorstellung dieses leeren Begriffes "Gott", der ebenso leer ist, wie "Leünuldir", werden per klassischer Konditinierung für uns tatsächlich vorhandene Emotionen, wie z.B. Überwältigung oder Dankbarkeit und Vorstellungen wie Unvorstellbarkeit, verbunden. Wird dieser Begriff ("Gott") dann irgendwann genannt, kommen diese Gefühle und Gedanken auf, die ja tatsächlich existieren und umgekehrt. Banalste Psychologie. Nichts weiter.

Weder "Gott" noch "Leünuldir" existieren*. Sie sind leere Begriffe, für Dinge, die für uns unvorstellbar sind und nicht existieren.

Der Begriff "übernatürlich" suggeriert durch seine bloße Existenz dass es "ETWAS" sei. So ähnlich wie "NICHTS". Doch genauso wie "Nichts" ist "Übernatürliches" nur ein Gegensatz zu "Etwas" und "Natürlichem". "Nichts" ist genausowenig denkbar wie "Übernatürliches" - aber wir haben trotzdem eine Vorstellung davon. Eigentlich paradox. "Nichts" ist ja nicht "Etwas" und trotzdem können wir es denken. Aber nur aus einem einzigen Grund, weil es "Etwas" gibt. Genauso verhält es sich mit "Übernatürlichem". Auch dies ist nur denkbar, weil es "Natürliches" gibt. Gäbe es "Natürliches" nicht, gäbe es den Begriff "Übernatürliches" nicht.

Aber nur weil es den Begriff gibt, heißt dies nicht, dass es so etwas tatsächlich gibt oder überhaupt geben könnte. So wie die bloße Existenz das Nichts verunmöglicht, verunmöglicht das "Natürliche" das "Übernatürliche". "Natürliches" und "Übernatürliches" widersprechen sich im Grunde so, wie "Etwas" und "Nichts".

Ein "Gott" existiert also nicht. Auch nicht möglichwerweise.

Wir können keine Aussagen über "Sein" treffen, das außerhalb unserer Vorstellung liegt. Auch keine Möglichkeitsaussagen, da diese zumindest ein mögliches Sein einschließen. Aber auch die unendlich kleine Wahrscheinlichkeitsaussage ist eine Seinsaussage, die unzulässig ist.

Wenn man also gefragt wird, ob es zumindest möglich ist, dass etwas "Übernatürliches" oder "Nichts" außerhalb unserer Wahrnehmung existiert, muß man mit nein antworten, genauso wie auf die Frage, ob es unmöglich ist.


------------------------------------
Den Beweis für die Nichtexistenz von "Leünuldir" gibts hier :wink: (aber beeilt Euch, nicht mehr lange!)
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon darwin upheaval » Fr 19. Sep 2008, 10:46

El Schwalmo hat geschrieben:Ein durchaus nachdenkenswerter Spruch aus der ID-Ecke lautet, dass die nicht daran interessiert sind, wie die Welt abläuft, wenn man den Naturalismus voraussetzt, sondern wie es tatsächlich ablief. Das ist dann wieder das, worauf ich hinaus wollte: aus der Methodologie, so sinnvoll und notwendig sie auch sein mag, folgt keine Ontologie.


Mir fällt dazu immer das Beispiel des Kriminologen ein, der versucht, mit rationalen Schlussfolgerungen einen Fall zu lösen. Er benutzt dazu seinen Verstand, arbeitet hypothetisch-deduktiv und überführt den mutmaßlichen Täter. Er vergleicht die Belege, die er in der Hand hält, mit seiner Hypothese und stellt fest, dass alles auf den Täter hindeutet. Er trägt seine Belege und Schlussfolgerungen vor Gericht vor und der Richter erklärt den mutmaßlichen Täter für schuldig.

Nun kommt der Anwalt daher und legt Berufung ein: "Euer Ehren, bedenken Sie bitte den folgenden Grundsatz: Wir sollten nicht daran interessiert sein, wie es sich zugetragen hat, wenn man die Methoden und Schlüsse des Kommissars voraussetzt, sondern wie es tatsächlich ablief. Aus den Rationalitätsstandards, die der Kommissar bei seiner Arbeit anwendete, folgt eben nichts für den Tathergang, denn es handelt sich ja nur um eine 'Pragmatik'. Sie können ja schließlich nicht 100%ig beweisen, dass mein Mandant tatsächlich der Täter war - es könnte auch der große Unbekannte gewesen sein, der die Tatwaffe in die Hosentasche meines Mandanten schmuggelte... in dubio pro reo!"
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon El Schwalmo » Fr 19. Sep 2008, 13:35

sapere aude hat geschrieben:Wenn man also gefragt wird, ob es zumindest möglich ist, dass etwas "Übernatürliches" oder "Nichts" außerhalb unserer Wahrnehmung existiert, muß man mit nein antworten, genauso wie auf die Frage, ob es unmöglich ist.

man muss das nicht. Du hast zwar viel geschrieben, aber leider kein Argument gebracht, das Deine These stützen würde.

Thread 1: können wir sinnvoll über etwas sprechen?

Thread 2: folgt aus Thread 1 irgendetwas über die Existenz von etwas?

Du rennst offene Scheunentore in Thread 1 ein. Hinsichtlich Thread 2, also dem, um das es hier geht, vermag ich kein Argument zu erkennen. Es ist trivial, dass wir Begriffe schaffen können, denen kein Gegenstand entspricht. Daraus folgt aber nichts.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon sapere aude » Fr 19. Sep 2008, 13:52

El Schwalmo hat geschrieben:
sapere aude hat geschrieben:Wenn man also gefragt wird, ob es zumindest möglich ist, dass etwas "Übernatürliches" oder "Nichts" außerhalb unserer Wahrnehmung existiert, muß man mit nein antworten, genauso wie auf die Frage, ob es unmöglich ist.

man muss das nicht. Du hast zwar viel geschrieben, aber leider kein Argument gebracht, das Deine These stützen würde.

Thread 1: können wir sinnvoll über etwas sprechen?

Thread 2: folgt aus Thread 1 irgendetwas über die Existenz von etwas?

Du rennst offene Scheunentore in Thread 1 ein. Hinsichtlich Thread 2, also dem, um das es hier geht, vermag ich kein Argument zu erkennen. Es ist trivial, dass wir Begriffe schaffen können, denen kein Gegenstand entspricht. Daraus folgt aber nichts.


Im Prinzip sind wir uns einig, glaube ich.

Du machst nur einen Fehler, wenn Du die mögliche Existenz von etwas Übernatürlichem einräumst.

Das kannst Du nicht.

Du kannst über die Existenz von etwas nur denken oder sprechen, wenn Du es fassen kannst.

Deshalb ist die Einräumung der Möglichkeit einer Existenz von Übernatürlichem unsinnig.

Dass das nicht bedeutet, dass nicht irgendwas ist, ist klar.

Wir können nur nicht sinnvoll darüber sprechen, darin sind wir uns offenbar einig.

Aber warum tust Du dann so, als ob man sinnvoll darüber sprechen könnte, indem Du die Möglichkeit einer übernatürlichen Existenz einräumst?

Darüber, wie wir über eine Sache denken und sprechen können, folgt nichts über ihre Existenz. Es folgt aber auch nichts über ihre "mögliche" Existenz.

Du sagst, der Satz "Die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Übernatürlichem ist nicht Null" ist wahr.

Das kannst Du aber gar nicht. Deshalb solltest Du es lassen. Daraus folgt genausowenig für die Existenz von Übernatürlichem.

Ich sage, der Satz "Die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Übernatürlichem ist Null" ist wahr.

Das kann ich genausowenig. Deshalb ist der Satz genauso wahr wie falsch - ebenso wie Deiner.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon El Schwalmo » Fr 19. Sep 2008, 14:48

sapere aude hat geschrieben:Dass das nicht bedeutet, dass nicht irgendwas ist, ist klar.

mein Punkt.

sapere aude hat geschrieben:Wir können nur nicht sinnvoll darüber sprechen, darin sind wir uns offenbar einig.

Aber warum tust Du dann so, als ob man sinnvoll darüber sprechen könnte, indem Du die Möglichkeit einer übernatürlichen Existenz einräumst?

Sorry, das habe ich nie geschrieben. Ich habe im Gegenteil behauptet, dass es absolut irrelevant für das Sein des Seienden ist, ob wir sinnvoll über etwas sprechen können. Darum fragte ich Dich auch nach 'esse es percipi'.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon sapere aude » Fr 19. Sep 2008, 15:12

El Schwalmo hat geschrieben:
sapere aude hat geschrieben:Wir können nur nicht sinnvoll darüber sprechen, darin sind wir uns offenbar einig.

Aber warum tust Du dann so, als ob man sinnvoll darüber sprechen könnte, indem Du die Möglichkeit einer übernatürlichen Existenz einräumst?
Sorry, das habe ich nie geschrieben.



Du schreibst hier:

"Könnte sein, dass ein herrschsüchtiger Gott einem Agnostiker wie mir, der vor gar keinem Gott sein Knie beugte, dessen Existenz aber nicht als Wahn abtat, gnädiger sein würde als einem, der den falschen Gott anbetete. Aber, ehrlich gesagt, über das, was ein wie auch immer gearteter Gott nach meinem Tode mit mir anstellen sollte, mache ich mir wenig Gedanken."


Das habe ich als "Ich denke, die Wahrscheinlichkeit eines "Gottes" ist nicht null" interpretiert. Sollte ich da falsch liegen, dann muß ich mich entschuldigen.

Also können wir uns darauf einigen, dass wir über diese Dinge nicht sprechen können. Über uns rational zugängliche Dinge können wir aber sehr wohl sprechen.

Und in diesem Bereich über den wir sprechen können, können wir guten Gewissens behaupten, es gibt keinen "Gott", qed.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Fr 19. Sep 2008, 16:04

sapere aude hat geschrieben:Wir sind uns ja einig, dass es in der Runde Leute gibt, die der Ansicht sind, dass wir zumindest die Möglichkeit der Existenz eines "Gottes" einräumen müssen, auch wenn es sich unserer Wahrnehmung grundsätzlich entzieht.


Die Möglichkeit ist nur dann a priori auszuschließen, wenn der betreffende Gottesbegriff in sich widersprüchlich, ungereimt ist.

sapere aude hat geschrieben:Ich nenne nun einen völlig willkürlich produzierten Begriff, der aus einer spontanen Aneinanderreihung von Buchstaben besteht: "Leünuldir"

Ich spreche diesem "Leünuldir" folgende, ebenfalls aus völlig willkürlich aneinandergereihten Buchstaben bestehende Eigenschaften zu:

"Leünuldir" ist "qujgupäjaherg" und "serhojüq" und kann "esrgoijhüoen" und "ösjkdlen"


Ein neu gebildeter Begriff muss natürlich durch bereits bekannte, bedeutungsvolle Begriffe definiert werden.

sapere aude hat geschrieben:Würdet ihr diesem "Leünuldir" und seinen Eigenschaften zumindest die Möglichkeit einer Existenz außerhalb unserer Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit einräumen?

Wenn Ihr das nicht tut, frage ich mich, wieso Ihr das dann bei "Gott" macht.


Der theistische Gottesbegriff ist aber nicht so buchstäblich bedeutungslos wie ""Leünuldir".
Die Theologen haben ihm eine Bedeutung gegeben, d.h. das Wesen Gottes bestimmt.

sapere aude hat geschrieben:Weder "Gott" noch "Leünuldir" existieren*. Sie sind leere Begriffe, für Dinge, die für uns unvorstellbar sind und nicht existieren.


Wie gesagt, der theistische Gottesbegriff ist nicht leer.
Hier eine meiner Formulierungen:

Gott ist ein außerräumliches (d.i. ortloses, nirgendwo befindliches), unräumliches (d.i. unausgedehntes, 0-dimensionales), (* unkörperlich-unstoffliches (d.i. aus nichts bestehendes), selbstbewusstes und vernunftbegabtes Lebewesen, d.i. ein reiner Geist mit Persönlichkeit, der ewig, allmächtig, allwissend, allgütig ist und die materielle Welt aus nichts erschaffen hat und absolut beherrscht.
(* Manche Theologen fügen "unzeitlich" hinzu.)


sapere aude hat geschrieben:Der Begriff "übernatürlich" suggeriert durch seine bloße Existenz dass es "ETWAS" sei. So ähnlich wie "NICHTS".


Das bloße Dasein eines Begriffs suggeriert nicht das Dasein von darunter fallenden Gegenständen.

sapere aude hat geschrieben:"Nichts" ist ja nicht "Etwas" und trotzdem können wir es denken. Aber nur aus einem einzigen Grund, weil es "Etwas" gibt. Genauso verhält es sich mit "Übernatürlichem". Auch dies ist nur denkbar, weil es "Natürliches" gibt. Gäbe es "Natürliches" nicht, gäbe es den Begriff "Übernatürliches" nicht.


Wie gesagt, das Dasein von Begriffen ist eine Sache und das Dasein von Gegenständen, die darunter fallen, eine andere.

sapere aude hat geschrieben:Aber nur weil es den Begriff gibt, heißt dies nicht, dass es so etwas tatsächlich gibt oder überhaupt geben könnte.


Natürlich nicht.
Aber wenn ein Begriff nicht widersprüchlich, d.h. in sich logisch stimmig ist, dann kann man sagen, dass es eine mögliche Welt gibt, worin etwas existiert, das unter den betreffenden Begriff fällt. Ein solche mögliche Welt muss freilich nicht die wirkliche Welt sein.
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon Myron » Fr 19. Sep 2008, 16:14

sapere aude hat geschrieben:Ich sage, der Satz "Die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Übernatürlichem ist Null" ist wahr.


Was sich mit Gewissheit sagen lässt, ist, dass die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Unmöglichem gleich Null ist.
Übernatürliche Wesen mit übernatürlichen Kräften sind nur dann (logisch) unmöglich, wenn unsere Begriffe davon in sich widersprüchlich sind. Ist dies der Fall?
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Re: Naturwissenschaftliche Forschung ist naturalistisch ...

Beitragvon El Schwalmo » Fr 19. Sep 2008, 16:17

Myron hat geschrieben:Die Möglichkeit ist nur dann a priori auszuschließen, wenn der betreffende Gottesbegriff in sich widersprüchlich, ungereimt ist.

und das auch nur dann, wenn das, was für uns widersprüchlich ist, in der 'Welt', in der dieser Gott existiert, ebenfalls widersprüchlich ist. Und selbst dann kann man sich noch fragen, ob sich ein Gott um unsere Logik schert.

Wenn jemand nur die Ebene kennt, ist ein Dreieck mit einer Winkelsumme von über 180 Grad in sich widersprüchlich. Auf einer Kugeloberfläche nicht. Spannend wird es, wenn ein Wesen der Ebene von 'allen möglichen Welten' redet.
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