Worin besteht nun die behauptete Widerspruchsproblematik?
Sie kann an drei grundlegenden Bereichen konstatiert werden:
1. Veränderung und der damit verbundenen Frage nach Identität und Nichtidentität
2. Sein und Nichtsein
3. Wahrnehmung
Jedem dieser drei Bereiche ist allgemein gemeinsam, daß man zur Beschreibung eine Einheit aneinander ausschließender Gegensätze behaupten muss. Wenn ein Mensch z.B. im Laufe seines Lebens neue Erfahrungen hinzugewinnt, alte Denkmuster "über Bord wirft", bei einem Unfall ein Bein verliert, ja, auch wenn die Zellen aus denen er besteht, im Laufe des Lebens fortwährend ersetzt werden: wir sprechen trotzdem von demselben Menschen, obwohl er nicht derselbe ist. wir müssten also streng genommen sagen: er ist nicht mehr derselbe. Aber wenn dieser Mensch sich etwas zu schulden kommen lässt, kann er nicht sagen: ich bin nicht der, den ihr sucht, ich bin ein anderer.
Das zweite Beispiel entnehme ich der Summa Theologiae von Thomas von Aquin. Dort heisst es im ersten Buch, Quaestio 86, Artikel 3:
THOMAS V. AQUIN, S. th. I q86 a3 c hat geschrieben:Die kontingenten Dinge können in zweierlei
Weise betrachtet werden: einmal, insofern sie kontingent sind, zum anderen, insofern an
ihnen etwas an Notwendigkeit zu finden ist. Nichts ist nämlich so kontingent, daß es nicht
etwas Notwendiges an sich hat. So ist der Sachverhalt, daß Sokrates läuft, zwar in sich
kontingent. Aber das Verhältnis des Laufens zur Bewegung ist notwendig; denn es ist notwendig,
daß sich Sokrates bewegt, wenn er läuft. (zitiert nach Peter Knauer, 1991)
Das dritte Beispiel bezieht sich auf die Wahrnehmung:
Peter Knauer, 1991: 46 hat geschrieben:Als drittes Grundbeispiel für Gegensatzeinheit sei die Weise unserer Erkenntnis
weltlicher Wirklichkeit genannt. In jedem Bewußtseinsakt besteht eine Einheit
von Vollzug und Gehalt. Sie läßt sich nicht als nachträgliche Verbindung
unabhängig voneinander bestehender Größen verstehen. Ein Bewußtseinsgegenstand
kann nur als Moment an einem Bewußtseinsakt Bewußtseinsgegenstand
sein. Umgekehrt ist auch kein Bewußtseinsakt denkbar ohne einen Bewußtseinsgegenstand.
Als real bestehend ist der Bewußtseinsgegenstand unabhängig vom
Bewußtsein; als Bewußtseinsgegenstand ist er jedoch abhängig vom Bewußtsein.
Nun aber ist der Bewußtseinsgegenstand als solcher mit dem Bewußtseinsgegenstand
als solchem identisch und somit zugleich vom Bewußtsein unabhängig
und gerade darin abhängig. Wie läßt sich dieser Sachverhalt in seiner Beschreibung
definitiv von einem eigentlichen Widerspruch unterscheiden? (Hervorh. im Original)
@alle: Was wisst ihr über die Behebung dieser Widerspruchsproblematik? Welche Theorien, Meinungen usw. gibt es?