Nanna hat geschrieben:@Vollbreit:
Finde ich jetzt nur in Maßen überzeugend. Da könntest/solltest du ein stärkeres, mithin auch gehaltvolleres, Plädoyer abliefern, finde ich.
Wie denn?
Ich kann mir ja nicht einfach was aus den Fingern saugen und sagen, dass die Datenlage bei der Homöopathie spitze ist, denn sie ist es nicht.
Wenn gesagt wird persönliche Erfahrungen seien vollkommen wertlos, dann stellt sich m.E. die Frage für wen? Für die Naturwissenschaft, die reproduzierbare Ergebnisse braucht, sicher in anderer Weise, als für den Einzelnen, der für sein Leben auch reproduzierbare Ergebnisse braucht, aber wo andere Faktoren einfließen.
Das überschneidet sich in Teilen, aber nicht absolut. Es ist durchaus möglich den Menschen als reine Egomaschine zu betrachten, die nach reinen, biologisch determinierten Nützlichkeitserwägungen agiert.
Der Extremfall ist Dennett und sein eliminativer Materialismus, der auf alles subjekthafte gerne verzichtet, das andere Extrem ist ein reiner Subjektivismus, der sich völlig dem Dialog entzieht.
Ich halte diesem übergroßen Skeptizismus gegenüber dem Subjekt schlicht für falsch.
Alle Welt bemüht sich dann gerne nachzuweisen, dass das einzige, was dem Subjekt zuzutrauen ist, der Irrtum ist.
Es kann getäuscht werden, konditioniert werden, Selbstsuggestionen unterliegen, ein bisschen wirr sein, es müsste an seinen eigenen Widersprüchen zerbrechen, weshalb es sie ausblendet und so weiter. Auf jeder Fall scheinen wir fremdgesteuert, mal von Ideologen, mal von unserem Hirn, nur eines sind wir bei dieser Aufzählung nie: Rationale Wesen, die in der Lage sind, sich selbstkritisch und andere kritisch zu prüfen.
Zwar ist unser gesamtes gesellschaftliches Miteinander darauf ausgerichtet, dass wir eigenständig denkende und entscheidende Wesen sind, Politik, Justiz und im Grunde auch der philosophische Hintergrund, dem sich die Brights verschrieben haben, könnte zumindest in der Tradition der Aufklärung stehen.
In der Praxis des Lebens wird dem Subjekt dann aber genau dieser Status, ein wirklich rationales Subjekt sein zu können, zur Selbstkritik, zur Verarbeitung von Fremdkritik, zur intellektuellen Redlichkeit, zum Bemühen innere Widersprüche abzubauen und so weiter fähig zu sein, abgesprochen, zugunsten einer m.E. fragwürdigen Sichtweise.
Diese lautet: Trau nicht dir, trau den Statistiken. Wenn du meinst, dass deine Sichtweise nicht zu den Statistiken passt, korrigiere deine Sichtweise so lange, bis sie zu den Statistiken passt. Zwar kann die Wissenschaft sich irren, aber sie irrt sich immer weniger, als der einzelne. Wenn du nach der Prüfung noch immer eine abweichende Meinung hast, dann bist du entweder zu dumm oder zu verbohrt und solltest nicht mehr erwarten ernst genommen zu werden (auch wenn 20 Jahre später exakt das Gegenteil „richtig“ ist).
Nanna hat geschrieben:Die Physiker, Chemiker und Biologen kriegen halt nachweisbare, reproduzierbare Ergebnisse hin und meist sind das auch Sachen, deren Effekt wirklich stark ist.
Was daran liegen dürfte, dass die keine Menschen untersuchen. Bereits Sozialwissenschaften werden ja als sogenannte „weiche Wissenschaften“ entwertet, von der Philosophie heißt es zuweilen, sie sei eh nur Gelaber und die Ergebnisse der Verhaltenstherapie, die sich in Rahmen der Psychologie am meisten der naturwissenschaftlichen Sichtweise angenommen hat, gelten inzwischen (obwohl über Jahre eine evidenzbasierte Studie nach der anderen das exakte Gegenteil belegte) als überschaubar. Nützlich und gut, bei eher oberflächlichen Symptomen oder bei Menschen, die zur Reflexion nicht in der Lage sind.
Nanna hat geschrieben:Homöopathie erscheint mir ein bisschen wie die Geschichte mit den Gebetsstudien. Man verhandelt ohne Ende, ob eine minimale statistische Fluktuation, unter oder sehr, sehr nahe an der Fehlertoleranz, ein Beweis für die Wirksamkeit von Gebeten sei und vergisst dabei, dass das ein recht klägliches Zufriedengeben ist. Da ist doch die Perspektive verrrutscht. "Hach, der Junge hat mit zehn jetzt angefangen, Messer und Gabel zu benutzen, der wird später sicher mal Botschafter und der Star jedes Festbanketts, Schatz." Verzeih den Sarkasmus, aber wer damit nicht zufrieden ist, ist von Hybris noch recht weit entfernt, glaube ich.
Auch die wissenschaftliche Untersuchung von Gebeten finde ich halbwegs aberwitzig, was soll das denn aussagen und für wen? Er glaubt, wird beten und soll das auch tun (warum auch nicht?), wer nicht glaubt, soll es lassen (warum auch nicht?). Gesundheitstechnisch bringt der Glaube etwas und zwar genau denen, die bereits glauben, vermutlich im Rahmen einer Selbstverstärkung, aber wisse tue ich das natürlich nicht. Der, der nicht glaubt oder im Zweifel ist, profitiert nicht davon.
Ganz rational wäre es also das Optimum den Placeboeffekt, mit der besten Therapie zu kombinieren, d.h. man sollte, dann auch ganz rationalerweise, dem am meisten vertrauen, was am besten wirkt. Das hat auch lange Zeit sehr gut geklappt, aber ganz offensichtlich läuft da augenblicklich was schief und es ist m.E. irrational so zu tun, als sei es anders.
Das hat aber nicht eine Ursache, sondern eher 20.
Was die Homöopathie angeht, ist einfach mein vollkommen subjektiver Ansatz der, dass ich sage, wenn ich das was ich so über die Jahre mitbekommen habe, an homöopathischen Erfolgen und Fehlschlägen, bei Mensch und Tier, in banalen und gravierenderen Fällen, ich mir das ganz rational nicht anders erklären kann, als das die Homöopathie wirkt.
D.h. ich müsste mich betrügen, wenn ich mir sagen würde, vielleicht habe ich mich ja in meinen Beobachtungen doch geirrt.
Und damit meine ich nicht, dass man nicht in vielen Fällen prinzipiell auch eine andere Erklärung finden könnte (man kann immer eine finden). Die Frage ist, ist es rational, nach einer anderen zu suchen? Damit meine ich: Wenn Du Kopfschmerzen hast dann nimmst Du etwas, von dem Du denkst, dass es Dir hilft: ASS, Pulle Bier, warmes Bad, was auch immer. Kannst Du sicher ausschließen, dass es bei Einnahme der Tablette nicht zufällig so gewesen sein kann, dass das Wetter wechselte, die Kopfschmerzen spontan aufhörten, Du vom Placeboeffekt profitiertest, das eine Konditionierung ist...? Selbst bei einer Chemotherapie kannst Du nicht ausschließen, dass zufällig mit der Behandlung der Krebs verschwindet, es ein Placeboeffekt ist... Aber irgendwann stellt sich die Frage, ob es rational und gerechtfertigt ist, anzunehmen, dass es immer ein andere Erklärung gibt. Bei ASS würdest Du das nicht annehmen und sagen, ja da weiß ich ja auch, dass es wirkt. Weil es Studien gibt, die das belegen. Nur, als Du zum ersten Mal Medis genommen hast, hast Du so nicht argumentiert, sondern weil Mama die Dir gegeben hat oder der Arzt sie verschrieben und so weiter. Du wirst aber einen Indikator immer schon bei Dir gehabt haben, nämlich Dein Empfinden. Hat mir geholfen oder hat mir nicht geholfen. Jeder wird mal die Erfahrung gemacht haben, dass Medis nicht geholfen haben. „Ich hab hier was Tolles, hilft gegen Seekrankheit“ und dann kotzt man trotzdem. Da hat man dann auch nichts davon, wenn die Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen ist. Es gibt auch hier 1000 Dinge auf die man achten muss, weshalb ich die Forschung gut finde, z.B. stereochemische Aspekte, die bspw. bei Contergan eine Rolle spielten, bestimmten Verunreinigungen und so weiter.
Und im realen Leben hast Du nie Laborsituationen, da spielen immer mehrere Effekte mit pharmako und pycho (jeweils etliche) , aber unterm Strich muss man halt das finden, was zum eigenen Leben am besten passt.
Es könnte ja sein, dass es den wissenschaftlich durchoptimierten Lebensansatz gibt, indem man z.B. alles was gesund ist und alles was schadet in den Computer haut, noch individuelle Daten wie Geschlecht, Alter, Größe, Blutgruppe usw, mit rein nimmt und dann das optimale Lebensprofil berechnet: Was sollte ich essen, wann und wie bewegen, Gifte scheiden aus, zuviel Stress natürlich auch und so weiter. Der Trend geht ja bereits dahin, sein Leben online zu stellen und sich so selbst und fremd kontrollieren zu lassen.
Kann nur sein, dass die wirklich eigenen Wünsche und Vorstellungen dabei komplett flach fallen. Nicht jeder der raucht und trinkt weiß nicht um die Gefahren, aber es könnte sein, dass Menschen durchaus unterschiedliche Prioritäten setzen, Prämissen haben. Man kann dem Raucher ja vorwerfen, sein Argument der Lebensqualität sei ärmlich oder teuer erkauft, aber wer will ihm das, mit welchem Recht vorschreiben? Geht es einem wirklich besser, wenn man sich irgendwelchen zeitgeistigen Vorstellungen unterwirft? Vom Ökototalitarismus über den Gesundheitsterror bis zu durchgeknallten Veganern, die er erklären Du seist ein Mörder, weil Du vielleicht einen Ledergürtel hast.
Der Bogen zur Homöopathie: Bei all dem würdest Du – und ich weiß, dass Du es da auch tust – das Subjekt nicht als marginal darstellen. Ich bin relativ überzeugt, dass Du Dich, außer mal so zum Spaß, nicht an den Computer anschließen lassen würdest, der Dein Leben durchoptimiert und erst mal all Deine Reisen in Spannungsgebiete kassiert, weil viel zu gefährlich. Hier würdest Du, zurecht, sagen, dass Du das ganz gut selbst entscheiden kannst und willst und vielleicht sogar Deinen eigene Erfahrungen an Ort und Stelle etwas höher bewerten würdest, als das eine oder andere, was Dir ein Experte sagt oder was der Computer errechnet.
Ich sage einfach, dass ich dies und das an mir und anderen beobachtet habe und mein rationaler Schluss ist, dass die Homöopathie wirkt. Damit werde ich zwar niemanden überzeugen, aber ich kann nicht anders, als mir selbst zu sagen, dass es eben nicht immer Zufall, was anderes oder der feste Glaube war, der mich dazu bringt, dieses Urteil zu fällen.
Und auf die Idee, der einzelne könne sich nur irren, steige ich nicht ein.
Nanna hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Ich halte die Informationsidee für die beste, Hahnemann selbst spricht von einer „geistartigen, dynamischen Kraft“, was ungefähr auf das hinauslaufen könnte.
Bitte was?
Ich weiß nicht, ob der Begriff Information damals schon in dem Sinne geläufig war. In den § 9 bis 11 entfaltet Hahnemann diese Idee (in der Sprache seiner Zeit).
http://www.homeoint.org/books4/organon/org000.htm#p9