Lumen hat geschrieben:Welche Methoden hat eine Religion/Konfession/…, eine beliebige Aussage in ihren Schriften auf solide zu Füße stellen (also besser als „Lippenbekenntnis“)? Um das zu verorten: Du hattest den Einwand zu Erkenntnistheorie belächelt und nach einer Litanei deiner Expertise (und Unwürdigkeit meiner) bekundet, dass sei alles ganz anders, als ich es denke. Das würde ich gerne einlösen. Welche Methoden gibt es? Ich kann dir jetzt schon sagen, dass Exegese und Hermeneutik nicht zieht. Da du zustimmst, dass es keine „Other Ways of Knowing“ gibt, zu welchem Schluss kommst du dann also?
Das mit der Erkenntnistheorie bezog sich auf die meines Wissens allgemein anerkannte Feststellung, dass religiöse Weltauffassungen nicht "epistemologisch ultimativ" (also im Sinne einer zweifelsfreien Letztbegründung) widerlegt werden können, sondern "nur" als nicht befriedigend im Sinne wissenschaftlicher Erkenntnisse bezeichnet werden können. Religiöse Kosmologien sind nicht im emphatischen Sinne widerlegt, sondern "nur" durch bessere Erklärungen ersetzt worden - was aber eine Binsenweisheit ist und auch von den meisten Religiösen zumindest hierzulande problemlos zugestanden würde. Die glauben nämlich auch alle nicht mehr wörtlich an die Schöpfung in sieben Tagen. Vor dem Hintergrund kann man ganz klar religiöse Kosmologien kritisieren, klar, aber das hat meines Erachtens auch gar niemand angezweifelt.
Ansonsten musst du die Religiösen selbst fragen, welche Erkenntnismethoden sie benutzen (wollen). Ich habe nirgendwo für religiöse Weltbilder Werbung gemacht und sehe mich auch nicht als Advokat der Religionen. Ich sage lediglich, was ich schon die ganze Zeit gesagt habe, nämlich dass jeder, sofern er niemandem schadet, so viel Abwegiges glauben kann und darf, wie er will. Das allein rechtfertigt noch keine Anfeindung.
Lumen hat geschrieben:Anders als du es darstellst, ist der religiöse Glauben aber nicht einfach nur Meinung (vgl. Glauben von „Lippenbekenntnissen“).
Ich habe als "Lippenbekenntnis" deine Behauptung bezeichnet, du würdest niemandem vorschreiben wollen, was er oder sie zu glauben hat. Wo ist jetzt hier bitte der Kontext?
Es ist im Übrigen völlig egal, was Glaube deiner Ansicht nach ist. Oma Katharina aus dem kleinen Häuschen bei der Kirche hat ihr gutes Recht auf Religionsfreiheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit und es ist mir vor diesem Hintergrund schleierhaft, woher du ein Recht ableitest, sie und Millionen anderer unauffälliger Mitbürger als Gesellschaftsgefährdung zu brandmarken. Lass sie doch in Frieden, nimm sie nicht in Sippenhaft. Es gibt genug gestörte Fundamentalisten, mit denen du dich beschäftigen kannst. Warum kannst du dich nicht auf die beschränken, die nachweislich und offen die pluralistische, demokratische Gesellschaft bekämpfen?
Lumen hat geschrieben:Deswegen ist es — meiner bescheidenen Ansicht nach — egal, welcher Glaube hergenommen wird. Die Religionen, um die es gemeinhin geht sind ohnehin abrahamitische Monotheismen. Dort gibt es heilige Schriften, die seit ihrer Zusammenstellung gemeinhin nicht mehr verändert und angepasst werden.
Die Schriften sind nur von begrenzter Relevanz, weil Schriften ohne Interpretation einfach nur Cellulosehaufen sind. Deshalb ja meine Verteidigung von King: Es kommt darauf an, was einer Schrift von einer bestimmten Person oder Gruppe an Sinn entnommen wird, nicht was
du ihr an Sinn entnimmst. Wenn du dich an der Sklaverei aufhängst und King das geflissentlich überlesen hat, dann habt ihr schlichtweg unterschiedliche Schriften gelesen und deine Kritik an Kings Weltbild ist hinfällig, weil die Befürwortung der Sklaverei gar nicht vorkommt.
Übrigens, wörtliche Interpretation ist DAS Standardkriterium für die Identifikation von Fundamentalisten, da kannst du ein beliebiges Lehrbuch aus dem Regal ziehen. Also hüte dich bitte davor, mir jetzt zu erzählen, "dass das da aber drin steht". Über solcherlei Textinterpretation sind wirklich alle philosophischen und wissenschaftlichen Disziplinen seit Jahrzehnten hinweg.
Lumen hat geschrieben:Du hattest behauptet, es sei wichtig, sich auf einzelne Gruppen/Strömungen/Whatever zu konzentrieren, und behauptet es gäbe übergreifende Systemeigenschaften nicht, oder sie seien irgendwie nicht addressierbar.
Sag mal, ist das jetzt das dritte oder vierte Mal, dass ich dir das sage? Ich habe nicht gesagt, dass es keine Systemeigenschaften gäbe, sondern nur, dass es keine Alleinstellungsmerkmale gäbe, die Religion von allen anderen kulturellen Praktiken unterscheiden würde, so dass man Religion immer in dem Kontext sehen muss, in dem sie praktiziert wird und man sie aus dem nicht herauslösen kann. Ferner folgt daraus auch, dass eine bestimmte Haltung (z.B. Homophobie) meist nicht von der Religion ausgelöst wird und auch die Religion nicht der einzige beteiligte Faktor ist, sondern einer unter mehreren und möglicherweise auch nur eine Metastruktur: Erst ist jemand homophob, dann verbrämt er das religiös und am Ende wirkt es, als würde er
wegen der Religion homophob sein, dabei ist die Religion nur einer von mehreren Faktoren und nicht der zugrunde liegende, weshalb eine hypothetische Wegnahme der Religion auch nicht die Homophobie bei dieser Person verschwinden lassen würde. Ist das jetzt wirklich so schwer zu verstehen? Soll ich es vielleicht ein fünftes Mal wiederholen?
Selbstverständlich gibt es addressierbare Eigenschaften, etwa der Glaube an Übernatürliches. Aber das hat eine magiegläubige Person ja auch oder jemand, der glaubt, bei einer Prüfung schlecht abzuschneiden, weil er seinen Talisman vergessen hat, weshalb die Religion zu eliminieren nicht bedeuten würde, diese Denkweisen zu eliminieren. Religion ist
eine bestimmte, historisch gewachsene Anordnung solcher Phänomene, aber nicht die einzige und die Phänomene wären auch ohne Religion noch da - umgekehrt gibt es religiöse Strömungen, die bestimmte Merkmale stärker ausgeprägt haben oder gar nicht haben. Von daher ist es auch Unsinn,
der Religion eine Neigung zur Gewalt zu unterstellen, solange es perfekt friedliche, pazifistische Strömungen gibt. Man könnte, wenn man das empirisch entsprechend belegen könnte, nur sagen, dass bestimmte religiöse Strömungen zur Gewalt neigen oder dass die Mehrheit oder Minderheit der Religiösen zur Gewalt neigt. Und genau das heißt es eben zu differenzieren.
Lumen hat geschrieben:Das konnte keiner so genau herausfinden, was du meinst. [...] Wie gesagt, es weiß keiner, was dein Einwand hier ist. Aber wenn du diesen Punkt nicht in Frage gestellt hättest, wäre dieses Problem nicht offen.
Ich habe nicht mitgekriegt, dass irgendwer um Klärung gebeten hat - nichtmal bei dir so wirklich übrigens.
Den letzten Satz finde ich ganz interessant. In meinem Kopf klingt der so: "Wenn du mir von Anfang an zugestimmt hättest, dann könnten wir jetzt in trauter Eintracht auf die Religiösen einschlagen und müssten uns nicht diese irritierende Diskussion liefern, bei der ich offensichtlich die Wahrheit sage und du sie leugnest." Aber das ist natürlich rein meine persönliche Deutung.
Lumen hat geschrieben:Ebenso unklar ist, was es nun mit diesen „atheistischen Fundamentalisten“ auf sich hat. Es gibt laut deinem Zitat oben „atheistische Fundamentalisten“, ich bin wohl einer davon, und gleichzeitig ist fundamentalismus laut deiner Definition „ideologisierte Religion”, daneben gibt es eine zweite von Vollbreit favorisierte Definition). Dawkins ist laut deiner Behauptung keiner, obwohl dessen Sichtweise in dem Punkt praktisch meiner gleicht (siehe seine
TED Rede hier), das findet Vollbreit offensichtlich auch (es gibt zwar noch ein Feigenblatt-Fragezeichen in dem Artikel, aber seine Stoßrichtung und Meinung dazu ist klar geworden und wenigstens konsistent).
Ich habe mal durch das Video geschaltet. Dawkins spricht davon, Kreationisten zu attackieren (kein Problem meinerseits), dann redet er ein bisschen über Bildungsdefizite bei Religiösen und gegen Ende habe ich mal eine Stelle erwischt, wo er die Out Campaign skizziert, wo es also darum geht, Atheismus positiv zu besetzen, was sich ja stark mit den Zielen der Brights überschneidet und meine volle Unterstützung hat. Insofern ist für mich recht klar, dass Dawkins (hier) kein fundamentalistisches Verhalten an den Tag legt.
Was deine eigenen Beiträge angeht, so tue ich mich schwer, eine klare Übereinstimmung mit
dieser Rede von Dawkins zu finden. Ich habe Dawkins jedenfalls noch nie dabei erlebt, dass er gefordert hat, dass Religiöse, und ich zitiere dich hier, "überall und jederzeit ausgelacht werden [sollen], wenn sie den Mund aufmachen und von ihren infantilen, dummen, Ansichten sprechen". Ich habe auch Zweifel, dass Dawkins gewohnheitsmäßig Religiöse mit Faschisten vergleicht und keinen halben Satz sagen kann, in dem nicht von Kindesmissbrauch, Indoktrinierung und Verkrüppelung der geisten Fähigkeiten von Kindern, usw. die Rede ist. Übrigens alles Sachen, die du in den letzten zwei Wochen so abgesondert hast.
Ich frage mich, wie du irgendeinen Religiösen dazu bringen wirst, dir zuzuhören.
Lumen hat geschrieben:Kann jemand die heilige Schrift höchstwichtig, ja maßgeblich, finden. Gemeinhin macht das einen Gläubigen aus.
Kann, muss nicht.
Lumen hat geschrieben:Sind entsprechende Stellen (wie zum Beispiel Tötung Andersgläubiger) in der Schrift enthalten.
Ja, aber die Menge der Leute, die tatsächlich schon mal Andersgläubige attackiert haben, liegt im kleinen Prozentbereich oder gar darunter und dann auch fast immer nur in Regionen, wo eh schon Bürgerkrieg und Verlendung herrscht. Die Menge der Leute, die das befürworten, liegt in manchen Regionen hoch, global gesehen vermutlich relativ niedrig. Was die Frage aufwirft, wie relevant diese Stellen in den Augen der Gläubigen wirklich sind.
Lumen hat geschrieben:Es gibt keine Methode innerhalb des Glaubensystems zu wissen, welche Auslegung „stimmt“ — weshalb es die vielen Religionen, Konfessionen und Sekten überhaupt erst gibt.
Ja, aber warum stört dich das? Es gibt auch keine Methode, um sicher herauszufinden, ob du dich mit Sandra oder Kathrin paaren sollst, ob du Anzüge oder Homeboy-Klamotten tragen sollst, ob du Jazz, Klassik, Rock, Schlager oder Electro magst (und hey, hör dir mal bitte an, was da so alles gesungen wird) und welche Partei die "richtige" ist. Deine Identität ist deine eigene Sache, also lass die Leute sich zugehörig fühlen, zu was sie eben wollen.
Lumen hat geschrieben:Summa Sumarum, all things considered, ist deine Forderung die, dass ich die (Ansichten von) Menschen respektieren soll, deren heilige Bücher meinen Tod befürworten und wo es keine Erkenntnistheoretische oder anderweitig verlässliche Methode gibt, entsprechende Forderung mit Sicherheit zu entschärfen.
Normative Forderungen kann man nicht empirisch entschärfen, das hatten wir doch schon.
Ansonsten geh halt einfach mal auf die Straße und frag die Leute, ob sie deinen Tod befürworten (oder tu's lieber nicht, so wie du dich meist benimmst, bin ich mir am Ende nicht sicher, was die dir antworten). Ich halte es für unwahrscheinlich, dass besonders viele Leute dir sagen werden, dass du sterben sollst, selbst wenn sie am Sonntag in die Kirche gehen. Diese Sachen waren mal Teil der religiösen Anschauungen, aber die Orthodoxie und die Orthopraxis haben sich geändert. Wenn du das nicht berücksichtigst, ignorierst du empirische Befunde.
Lumen hat geschrieben:Auch der simple Rotstift kommt nicht in Frage, da heilige Texte eben nicht mal eben abgeändert werden. Diese, simple, und hoffentlich intuitiv einleuchtende Einsicht wird von dir mit Händen und Füßen bestritten. Selbst wenn wir, und das ist der ganze Clou, den moderatesten der moderatesten Gläubigen nähmen, sagen wir Bruder Paulus wie er manchmal im Fernsehen zu sehen ist (ein sympathischer Mensch, wie ich übrigens finde), ändert sich an dieser simplen Feststellung oben nichts. Und genau da bricht deine Argumentation auf ganzer Linie zusammen, da du nirgends darlegen konntest, inwiefern es eine Rolle spielt, welchen Ausschnitt der Gläubigen nun begutachtet wird.
Es gibt jemanden, der meine Antwort schöner formulieren kann: "For every complex problem there is an answer that is clear, simple, and wrong." - H. L. Mencken.
Ich kann dich nicht von deinem naiven Textverständnis kurieren. Das musst du schon selber schaffen. Kleiner Tipp: Mal was Literaturwissenschaftliches lesen.
Lumen hat geschrieben:Du meinst binäre Unterscheidung wie etwa Bright — Super? *lachpause* Du meinst, wenn also jemand, in einem Bright — Super Forum über diesen Sachverhalt diskutiert, dann wäre das schon psychologisch relevant? Natürlich kann man Atheismus ideologisieren, aber die Frage ist doch, woher, laut deiner Definition, die Religion herkommt. „(zur Erinnerung: Fundamentalismus = ideologisierte Religion)“.
Nein, es ist nicht psychologisch relevant, darüber zu diskutieren. Es ist psychologisch relevant, in allen Kontexten ausschließlich darum zu kreisen und für ein gesellschaftliches Problem keine anderen Ursachen sehen zu können als religiöse Überzeugungen in der Gesellschaft.
Und nein, ich werde mich nicht über die Genese des religiösen Denkens auslassen, ich hab auch noch Anderes zu tun.
Lumen hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich nehme vieler deiner Zusammenfassungen als Verkürzungen bzw. Verdrehungen dessen wahr, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Und jedes Mal, wenn du etwas zusammen fasst, bestätigst du mir, dass du den Kern dessen, was ich sagen möchte, nicht erfasst hast.
Der Kern, dessen was du sagen möchtest: „Don’t Rock the Boat“.
Nein, mehr "rock the boat, if you must, but let those leave first, who don't want to participate and who have been peaceful all along."
Lumen hat geschrieben:Ansonsten kannst du gerne mal Stine, als wohl eher dir zuneigte Dritte befragen, ob sie z.B. verstanden hat, was du unter „atheistische Fundamentalisten“ verstehst.
Mag irgendwer?