stine hat geschrieben:Wieso sollte Lob oder Tadel etwas bewirken? Dann wäre der Erfolg von einem bewussten Verhalten abhängig und das ist es doch genau, was Deterministen abstreiten.
stine hat geschrieben:Wenn ich tadle und der Getadelte baut trotzdem wieder Mist, kann er dann immer noch nichts dafür?
stine hat geschrieben:Wenn ich lobe und der Gelobte verbessert sich, dann war das Zufall oder was?
ganimed hat geschrieben:Ein bewusstes Verhalten, das Nachdenken, Reflektieren, all das können doch wunderbare Gründe für eine bestimmte Entscheidung sein. Und alles was die Deterministen behaupten, ist, dass eine Entscheidung nicht vom Himmel fällt, sondern aus Gründen erfolgt.
ujmp hat geschrieben:Das Wort "frei" verlangt immer ein Objekt: Frei, wovon? Es ist völlig koherent, dieses Wovon als Exklusion anzugeben, d.h. anzugeben, wovon eine Entscheidung abhängen darf, wie z.B. "von Gründen, aber von sonst nichts".
Vollbreit hat geschrieben:Gründe hieße: Ich entscheide mich dafür, weil ...
Ursachen hieße: Mir passiert es, dass ...
Kannst Du Dich dieser Unterscheidung anschließen, oder ist für Dich beides dasselbe?
AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir nochmal den fiktiven Herrn Müller von oben, der mich betrogen hat. Hatte er die Wahlmöglichkeit, mich nicht zu betrügen? Ja, Herr Müller kann seine Zukunft beeinflussen, wie Du oben zugegeben hast. (Und, Zitat von Dir: "Habe ich jemals behauptet, dass man nicht wählen kann?")
AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben: Du hast nun aber behauptet, dass es einen logischen Widerspruch darstellen würde, wenn Inkompis diese Form von Schuld ablehnen aber gleichzeit doch loben und tadeln wollen. Habe ich das richtig verstanden? Siehst du diesen Widerspruch jetzt immernoch oder konnten wir das klären?
Ja, das hast Du richtig verstanden, ja, ich sehe diesen Widerspruch immer noch und nein, wir konnten das noch nicht klären.
AgentProvocateur hat geschrieben:1. "Entscheidung" ist eine Substantivierung des Verbes "entscheiden", so wie "Handlung" eine Substantivierung des Verbes "handeln" ist. Richtig?
AgentProvocateur hat geschrieben:Für etwas, das außerhalb seiner bewussten Kontrolle liegt, darf man mE nicht verantwortlich gemacht werden.
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich will darauf hinaus, dass der Tourette-Mensch keine bewusste Kontrolle über sein Verhalten hat und deswegen (nach meinen Begriffen) weder frei wäre, noch verantwortlich, noch schuldig für sein Verhalten gemacht werden dürfte.
ganimed hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Gründe hieße: Ich entscheide mich dafür, weil ...
Ursachen hieße: Mir passiert es, dass ...
Kannst Du Dich dieser Unterscheidung anschließen, oder ist für Dich beides dasselbe?
Es geht ja darum, von was die Entscheidung abhängt. In diesem Zusammenhang kann ich keinen relevanten Unterschied zwischen inneren Faktoren und äußeren Faktoren ausmachen. Nur ein Kompatibilist, der mit "Freiheit" lediglich die gefühlte Freiheit meint, für den macht es einen ganz entscheidenden Unterschied, weil sich fremde, äußere Gründe wie Zwang anfühlen und dann als unfrei empfunden werden, während innere Ursachen sich frei anfühlen.
Oder gibt es einen anderen Grund, wieso du diese Unterscheidung vornimmst?
ganimed hat geschrieben:Ja wieso eigentlich? Wieso ist der Tourette-Mensch unschuldig? Es waren schließlich seine eigenen Neuronen bzw. bestimmte Eigenschaften dieser Neuronen, die zu einer unbewussten Entscheidung geführt haben. Und diese Neuronen machen nicht einen Teil seiner Identität aus? Wieso unterteilst du einen Menschen in menschliche, bewusste, verantwortliche Teile und unmenschliche, unbewusste, unverantwortliche Teile? Wo verläuft bei dir diese Trennlinie? Und wieso sind die unbewussten unschuldig?
Philipp Kampschroer hat geschrieben:Settembrini echauffiert sich. Schon wieder kann Hans Castorp nicht folgen und rechtfertigt sich: Er habe seit Langem keine Zeitung mehr gelesen und könne folglich nichts von diesem Erdbeben mitbekommen haben. Settembrini schließt die Augen und schüttelt seine „kleine braune Hand in der Luft“. Er rede doch nicht von einem aktuellen Ereignis, sondern von der „Erschütterung, die Lissabon heimsuchte, im Jahre 1755“, sogar Voltaire habe sich deswegen empört und protestiert „im Namen des Geistes und der Vernunft gegen diesen skandalösen Unfug der Natur, dem drei Viertel einer blühenden Stadt und Tausende von Menschenleben zum Opfer fielen…“
http://literaturundfeuilleton.wordpress ... erschlang/
ganimed hat geschrieben:stine hat geschrieben:Wieso sollte Lob oder Tadel etwas bewirken? Dann wäre der Erfolg von einem bewussten Verhalten abhängig und das ist es doch genau, was Deterministen abstreiten.
Ein bewusstes Verhalten, das Nachdenken, Reflektieren, all das können doch wunderbare Gründe für eine bestimmte Entscheidung sein. Und alles was die Deterministen behaupten, ist, dass eine Entscheidung nicht vom Himmel fällt, sondern aus Gründen erfolgt.
ganimed hat geschrieben:Deshalb also kann Lob und Tadel sehr wohl eine Wirkung haben. Wie Sam Harris schreibt, beeinflusst ein Tadeö bestimmt irgendwelche nervlichen Pegel und bestimmt mit, wie bei dem Golfer im nächsten Versuch die genaue nervliche Balance erreicht wird, die beispielsweise für feinmotorische Sachen nötig sein könnte. Irgendwie so.
ganimed hat geschrieben:stine hat geschrieben:Wenn ich tadle und der Getadelte baut trotzdem wieder Mist, kann er dann immer noch nichts dafür?
Genau. Der Tadel war ein kausaler Faktor. Es gab weitere unzählige Faktoren (innere Zustände, Gedanken, Muskelspannungen,...). Und dass der Getadelte immer noch nicht trifft (falls du jetzt noch den Golfer meinst) ist ein Ergebnis all dieser Faktoren. Ein unausweichliches Ergebnis, so dass der Golfer gar nicht anders konnte und deshalb nicht schuld ist.
ganimed hat geschrieben:stine hat geschrieben:Wenn ich lobe und der Gelobte verbessert sich, dann war das Zufall oder was?
Nein. Eben nicht Zufall laut Determinismus. Sondern das unausweichliche Ergebnis der Gründe. Also auch hier keine Schuld (im positiven Sinne). Ein richtig guter Golfer kann sich also im Grunde genommen darauf nicht wirklich etwas einbilden. Sein gutes Spiel ist das Ergebnis von kausalen Faktoren.
ganimed hat geschrieben:Es geht ja darum, von was die Entscheidung abhängt. In diesem Zusammenhang kann ich keinen relevanten Unterschied zwischen inneren Faktoren und äußeren Faktoren ausmachen.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir nochmal den fiktiven Herrn Müller von oben, der mich betrogen hat. Hatte er die Wahlmöglichkeit, mich nicht zu betrügen? Ja, Herr Müller kann seine Zukunft beeinflussen, wie Du oben zugegeben hast. (Und, Zitat von Dir: "Habe ich jemals behauptet, dass man nicht wählen kann?")
Nein, Herr Müller hatte keine FREIE Wahlmöglichkeit, dich zu betrügen. Denn er hat seine Zukunft vorher ja genau so beeinflusst, wie die kausalen Faktoren das vorgegeben haben. Ob er also selbst die Kette gebaut hat, an der er hängt, oder ob ihm die Kette von außen zustößt ist völlig schnuppe.
ganimed hat geschrieben:Wichtig ist doch nur, dass er an einer kausalen Kette hängt in dem Moment, wo er sich entscheidet (aber nicht frei), dich zu betrügen. Es ist nicht seine Schuld, dass er sich zum Betrügen entschloss, es ist nicht seine Schuld, wie auch immer er vorher seine Zukunft beeinflusste, usw. usw.
Weil für den Wikipedia-Schuld-Begriff die notwendige Bedingung, dass man auch anders hätte können müssen, nicht erfüllt ist. Ist doch logisch, oder?
ganimed hat geschrieben:Dann wiederhole und begründe mal bitte diesen angeblichen Widerspruch [jemand lehnt Schuld ab, jedoch nicht Lob und Tadel]. Ich verstehe nämlich momentan nicht so recht, was noch unklar sein könnte.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:1. "Entscheidung" ist eine Substantivierung des Verbes "entscheiden", so wie "Handlung" eine Substantivierung des Verbes "handeln" ist. Richtig?
Willst du etwa darauf hinaus, dass eine Entscheidung eine Handlung sei? Und dass demzufolge Handlungsfreiheit genügte, um freie Entscheidungen zu erzeugen?
ganimed hat geschrieben:Denn die Entscheidung als Handlung kann ich frei nennen, in dem Sinne der Handlungsfreiheit, dass ich also ungehindert entscheiden konnte. Wenn ich aber von einer freien Entscheidung spreche, dann meine ich frei im Sinne der kausalen Abhängigkeit.
ganimed hat geschrieben:Falls dein Argument mit der Substantivierung irgendeinen anderen Hintergrund hat, dann erläutere den mal bitte. Dann gehe ich da gerne drauf ein.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Für etwas, das außerhalb seiner bewussten Kontrolle liegt, darf man mE nicht verantwortlich gemacht werden.
"Und für etwas, dass innerhalb der bewussten Kontrolle liegt, darf man verantwortlich gemacht werden, weil es sich so anfühlte, als sei man frei und der Determinismus wunderbarerweise außer Kraft." Habe ich damit deine Position richtig vervollständigt?
ganimed hat geschrieben:Meine Position wäre, dass, egal ob bewusst oder unbewusst, die Entscheidung deshalb unfrei ist, weil man sie gemäß der Faktoren trifft und sie deshalb festgelegt ist, ohne Spielraum, ohne Freiheit.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Ich will darauf hinaus, dass der Tourette-Mensch keine bewusste Kontrolle über sein Verhalten hat und deswegen (nach meinen Begriffen) weder frei wäre, noch verantwortlich, noch schuldig für sein Verhalten gemacht werden dürfte.
Ja wieso eigentlich? Wieso ist der Tourette-Mensch unschuldig? Es waren schließlich seine eigenen Neuronen bzw. bestimmte Eigenschaften dieser Neuronen, die zu einer unbewussten Entscheidung geführt haben. Und diese Neuronen machen nicht einen Teil seiner Identität aus? Wieso unterteilst du einen Menschen in menschliche, bewusste, verantwortliche Teile und unmenschliche, unbewusste, unverantwortliche Teile? Wo verläuft bei dir diese Trennlinie? Und wieso sind die unbewussten unschuldig?
Vollbreit hat geschrieben:Aber ich verstehe glaube ich, wie Dir das erscheint, dass man nämlich für seine Gründe nichts kann (ich wähle also nicht eine Begründung und bin in dem Sinne kein verantwortlicher Akteur), sondern sie passieren mir, wie rote Haare oder grüne Augen.
Stimmt das?
Vollbreit hat geschrieben:Voltaire protestiert im Namen der Vernunft gegen ein Erdbeben.
Ist er ein Narr?
AgentProvocateur hat geschrieben:Indeterministen behaupten wohl, dass etwas vom Himmel fallen müsse, damit jemand frei und verantwortlich bzw. schuldig sein könne. Aber wieso, was ist der Grund dafür? Und wie kann man sich dieses "vom Himmel fallen" konkret vorstellen?
AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben:Wie Sam Harris schreibt, beeinflusst ein Tadeö bestimmt irgendwelche nervlichen Pegel und bestimmt mit, wie bei dem Golfer im nächsten Versuch die genaue nervliche Balance erreicht wird, die beispielsweise für feinmotorische Sachen nötig sein könnte. Irgendwie so.
Frage: wer oder was sind Akteure in diesem Szenario? Wer oder was lobt bzw. tadelt wen oder was?
AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben:Ein richtig guter Golfer kann sich also im Grunde genommen darauf nicht wirklich etwas einbilden. Sein gutes Spiel ist das Ergebnis von kausalen Faktoren.
Und diese kausalen Faktoren sind alle außerhalb des Golfers anzusiedeln? Ist es nicht so, dass ein guter Golfer vorher lange trainiert hat, um ein guter Golfer zu werden? Was aber dann etwas mit ihm zu hätte, oder? Und was man ihm daher zuzurechnen könnte, oder?
AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben:Es geht ja darum, von was die Entscheidung abhängt. In diesem Zusammenhang kann ich keinen relevanten Unterschied zwischen inneren Faktoren und äußeren Faktoren ausmachen.
Doch, hast Du doch oben selber gesagt: es ergibt keinen rechten Sinn, jemanden zu loben oder zu tadeln für etwas, über das er keine bewusste Kontrolle hat. Herrn Müller dafür zu tadeln, dass er stark schwitzt, ist sinnlos, (denn über sein Schwitzen hat er keine bewusste Kontrolle), ihn jedoch dafür zu tadeln, dass er mich betrogen hat, ergibt deswegen einen Sinn, weil das einen Einfluss auf ihn und/oder auf Andere haben kann.
AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben:Weil für den Wikipedia-Schuld-Begriff die notwendige Bedingung, dass man auch anders hätte können müssen, nicht erfüllt ist. Ist doch logisch, oder?
Nein, ist es nicht. "Anders handeln können" kann man auf zweierlei Weise verstehen: 1. als grundsätzliche Fähigkeit (z.B.: "wir können entscheiden, ob wir jemanden loben/tadeln") und 2. als inkompatibilistische Forderung.
AgentProvocateur hat geschrieben:Nochmal: ich verstehe unter Schuld dieses: jemand ist verantwortlich für einen Normverstoß. Wenn jemand zustimmt, dass Verantwortung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt zugewiesen werden kann, dann muss er demnach auch zustimmen, dass Schuld unter bestimmten Umständen gerechtfertigt zugewiesen werden kann.
AgentProvocateur hat geschrieben:Verstehe ich nicht. Eine Entscheidung ist Deiner Ansicht nach sowohl eine Handlung und insofern frei, als auch eine Entscheiung, aber als Entscheidung nicht frei, weil Du an eine Entscheidungs-Entscheidung die Anforderung stellst, dass diese kausal unabhängig sein müsse? Wieso?
AgentProvocateur hat geschrieben:Eine Entscheidung ist keine eigenständige Entität, daher ergibt es keinen Sinn, zu fordern, eine Entscheidung müsse unabhängig von Allem (also auch dem Entscheider) sein.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Indeterministen behaupten wohl, dass etwas vom Himmel fallen müsse, damit jemand frei und verantwortlich bzw. schuldig sein könne. Aber wieso, was ist der Grund dafür? Und wie kann man sich dieses "vom Himmel fallen" konkret vorstellen?
Wenn nichts vom Himmel fällt, dann ist es festgelegt. FESTgelegt. Das meint das Gegenteil von frei. Das ist der Grund dafür. Und dieser Grund hat auch dann Bestand wenn man sich das "vom Himmel fallen" konkret gar nicht vorstellen kann. Deine Frage nach der konkreten Vorstellung ist also eigentlich irrelevant.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Frage: wer oder was sind Akteure in diesem Szenario? Wer oder was lobt bzw. tadelt wen oder was?
Ich meine mich zu erinnern, dass Sam Harris beim Golfer-Szenario davon sprach, dass sich der Golfer über sich selber ärgert, also sich selber tadelt.
ganimed hat geschrieben:Viele Faktoren sind dem Golfer zuzurechnen, die meisten vermutlich. Für einige dieser Faktoren ist er verantwortlich. An keinem ist er Schuld, denn er konnte ja in der jeweiligen Faktor-Entstehungs-Situation gar nicht anders entscheiden und handeln. Sein gutes Spiel kann also nicht als seine Schuld bzw. sein Verdienst angesehen werden.
ganimed hat geschrieben:Bei der Frage, ob die Entscheidung frei ist, ist es irrelevant, ob die kausalen Faktoren von innen oder außen stammen, bewusst oder unbewusst waren. Bei der Frage, ob Tadel/Lob einen Sinn hat, stimmt, da ist es nicht irrelevant.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben:Weil für den Wikipedia-Schuld-Begriff die notwendige Bedingung, dass man auch anders hätte können müssen, nicht erfüllt ist. Ist doch logisch, oder?
Nein, ist es nicht. "Anders handeln können" kann man auf zweierlei Weise verstehen: 1. als grundsätzliche Fähigkeit (z.B.: "wir können entscheiden, ob wir jemanden loben/tadeln") und 2. als inkompatibilistische Forderung.
Na nun rate mal, auf welche dieser zweierlei Weisen ich den Ausdruck stets meine. Genau. Als (2.).
ganimed hat geschrieben:Und außerdem finde ich, dass deine Interpretation von "anders handeln können" als "grundsätzliche Fähigkeit" falsch ist. Der Mörder hat sein Opfer erschossen. Er hätte anders handeln können (im Sinne einer grundsätzlichen Fähigkeit), nämlich er hätte auch Rommee spielen können (da ihm das seine Tante Trude mal beigebracht hat). Da er somit über die grundsätzliche Fähigkeit einer Andershandlung verfügt, ist er also des Mordes schuldig. Ein Mörder wäre nach dieser bescheuerten Logik nur dann unschuldig, wenn er wirklich nur eine einzige grundsätzliche Fähigkeit hätte: abdrücken. Rommee spielen, mit den Augen blinzeln, lesen, Buschwindröschen am Geruch erkennen, all das dürfte er nicht können. So einen Menschen gibt es aber nicht. Jeder kann zwei oder sogar noch mehr Dinge. Es ist jedoch völlig irrwitzig, diese Fähigkeiten als relevant für die Schuldfrage anzusehen. Deine Interpretation (1.) solltest du dringend überdenken.
ganimed hat geschrieben:Ich (und Wikipedia) verstehe unter Schuld: jemand ist verantwortlich für einen Normverstoß und hätte in der Situation anders handeln können. Und genau weil ich das so verstehe, leitet sich für mich logisch dann auch etwas anderes ab. Nämlich dass Schuld im Determinismus nie zugewiesen werden kann.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Eine Entscheidung ist keine eigenständige Entität, daher ergibt es keinen Sinn, zu fordern, eine Entscheidung müsse unabhängig von Allem (also auch dem Entscheider) sein.
Nun mal langsam. Ich hätte gefordert, dass eine Entscheidung von Allem unabhängig ist? Das stimmt doch gar nicht. Ich fordere nur, dass du eine Entscheidung, welche vollständig abhängig ist (und damit völlig festgelegt ist) nicht frei nennst. Ich habe nichts gegen solche Entscheidungen. Ich fordere keine neuen, bisher undenkbare Arten von Entscheidungen. Also höre auf, mich danach zu fragen, wie man sich eine freie Entscheidung nach meinen Vorstellungen vorstellen müsse. Ich fordere dich nur immer wieder auf, mir zu erklären, wieso du etwas völlig festgelegtes als frei bezeichnest. Und deine Antwort ist regelmäßig: weil es von bestimmten Dingen festgelegt ist. Und das ist eine schlechte Antwort.
ganimed hat geschrieben:Wenn es festgelegt ist, dann nennen wir es doch lieber nicht frei, oder?
ganimed hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Aber ich verstehe glaube ich, wie Dir das erscheint, dass man nämlich für seine Gründe nichts kann (ich wähle also nicht eine Begründung und bin in dem Sinne kein verantwortlicher Akteur), sondern sie passieren mir, wie rote Haare oder grüne Augen.
Stimmt das?
Das stimmt. Wobei das was du in Klammern schreibst aber nicht stimmt.
Ich wähle durchaus eine Begründung. Und für diese Begründung bin ich dann auch verantwortlich. Man kann mir die Wahl dieser Begründung zuordnen. Weil diese Wahl beispielsweise in meinem Kopf erfolgte mit allen dort zur Verfügung stehenden Ressourcen (Erinnerungen, Neigungen, Prägungen,...). Aber es gab keinen Moment bei dieser Wahl, bei dem ich anders gekonnt hätte. Die Wahl war ein neuronaler Prozess, der deterministisch ablief. Ich hätte in der jeweiligen Situation nicht anders wählen können. Deshalb war diese Wahl nicht frei und ich bin zwar verantwortlich aber nicht schuldig.
Ich habe noch mal nachgelesen und bin der Meinung, dass Voltaires Anklage (die sich primär gegen Leibniz' Idee von der besten aller möglichen Welten wendet) das was ich meine nicht illustriert.ganimed hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Voltaire protestiert im Namen der Vernunft gegen ein Erdbeben.
Ist er ein Narr?
Ich verstehe noch nicht so ganz, was Voltaire da tut. Macht er dem Erdbeben einen Vorwurf? Oder bedauert er nur das Erdbeben? Wem gibt er die Schuld? Und wofür?
AgentProvocateur hat geschrieben:Nur kann ich nun immer noch keinen Grund dafür sehen, dass die Gleichung "frei = nicht determiniert" gilt. So einen Grund würde ich aber gerne sehen wollen.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn eine Entscheidung hinreichend von jemandem selber festgelegt wird oder wenn jemand eine von ihm festgelegte Handlung durchführen kann, wieso sollte jemand sie dann nicht "frei" nennen?
AgentProvocateur hat geschrieben:Wieso sollte aus "P hat die Fähigkeit zu X" folgen, dass P nicht auch die Fähigkeit zu Y (und/oder V, W und Z) hätte? Verstehe Dein Argument hier überhaupt nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst, dass Du eine Begründung wählst, dann klingt das für mich so nach Waren im Supermarkt. Will ich jetzt nicht ins Lächerliche ziehen, sondern ich bemühe das Bild um anzumerken, dass Du damit den eigentlichen Punkt, dass es nämlich Kriterien gibt, anhand derer Du entscheidest, in der Weise, dass Du sagst: „Damit stimme ich überein“ oder „Ja, das ist es, was ich denke“ nur verschiebst.
Du gibt an, nirgendwo beteiligt zu sein, Dir kommen 10 Gründe in den Sinn (oder die liegen vor Dir, metaphorisch) und „Dein Gehirn“ wählt einen davon aus und auf irgendwelchen noch nicht geklärten Wegen gelangt der Ausgang der Wahl dannn zu Dir.
Vollbreit hat geschrieben:Erwachsenen Menschen, die nicht unter aktuell Drogen stehen, nicht psychotisch oder „geisteskrank“ sind trauen wir hingegen zu wissen zu können, dass uns etwas wichtig ist ...
Würde er nun, ohne guten Grund, unser Vertrauen enttäuschen, wir wären genickt oder verärgert.
Kannst Du denn je in einem ernstgemeinten Sinn objektiv sein?ganimed hat geschrieben:Ich glaube, du missverstehst meinen Versuch, den Vorgang objektiv zu beschreiben. Aus subjektiver Sicht kann ich natürlich auch gerne erzählen. Aber dabei würde ich doch auch wieder Fehler begehen.
Wer kann denn, außer Dir, entscheiden, ob Du frei bist? Die Kriterien der Kompatibilisten sind ja also solche objektiv, da sie beanspruchen für alle zu gelten. Aber sie sind subjektiv und können auch nicht anders sein, wenn es darum geht, welche Gründe Du denn, warum, bevorzugst.ganimed hat geschrieben:Weil subjetiv, so wie es mir vorkommt, haben die von dir genannten persönlichen Kriterien natürlich ihre Bedeutung (aber woher?) und ICH benutze sie, um zu entscheiden (aber wie?) und dabei fühle ich mich souverän und frei (und das ist eine Illusion).
Verstehe ich auch nicht. Aber nicht weil ich es nicht verstehen kann, sondern weil Du es nicht begründen kannst. Kleiner, aber feiner Unterschied. Und bevor das jetzt zum Ping Pong wird, kann ich wohl... kannst du nicht … jawohl... nee... schreib die Begründung einfach hin. Das reicht mir schon.ganimed hat geschrieben:Wenn du diese subjektive Ebene partout nicht verlassen wolltest, wäre die ganze Diskussion schnell zu Ende. Du wärst ein Kompatibilist und würdest gar nicht verstehen, wieso ich etwas, was sich so frei anfühlt, als unfrei bezeichne.
Indem ich darauf verweise dass Freud das schon vor 100 Jahren gesagt hat, was ihn nicht davon abgehalten hat, die Willensfreiheit des Menschen zu stärken und in dem ich die sensationelle Nachricht verkünde, dass es Leute gibt, die die gut begründete Position vertreten, dass Freiheit und Determinismus sich gar nicht ausschließen.ganimed hat geschrieben:Und wenn Hirnforscher vermelden, dass große Teile unserer täglichen Entscheidungen im Unterbewusstsein abgehandelt werden, wie baust du solche Nachrichten in deine subjektive Weltsicht ein?
Das tue ich nicht, weise nur schonend darauf hin, dass dieses „objektive Wissen“ eine oft mehr schlecht als recht begründete Interpretation darstellt, wofür ich etliche gute Gründe habe, falls das nicht ohnehin klar ist.ganimed hat geschrieben:Wie kannst du objektives Wissen über Hirnvorgänge ignorieren?
Weil Freiheit wie ich sie verstehe an Bewusstheit gekoppelt ist. Wenn ich gar nicht weiß was ich will, wie soll ich da was wollen?ganimed hat geschrieben:Wieso ist für dich ein bewusstes Anwenden eines Kriteriums so viel freier als ein unterbewusstes Anwenden möglicherweise desselben Kriteriums?
Im Kompatibilismus aus, denn dieser ist ein Determinsimus, wie Du weißt. Weißt Du es?ganimed hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Erwachsenen Menschen, die nicht unter aktuell Drogen stehen, nicht psychotisch oder „geisteskrank“ sind trauen wir hingegen zu wissen zu können, dass uns etwas wichtig ist ...
Würde er nun, ohne guten Grund, unser Vertrauen enttäuschen, wir wären genickt oder verärgert.
Der letzte Satz klingt sehr bezeichnend aus meiner Perspektive. Im Determinismus hat alles seine Gründe.
Wenn jemand einen guten Grund vorbringt, bin ich nicht enttäuscht, sondern kann ihn verstehen.ganimed hat geschrieben:Wenn dich jemand ohne guten Grund enttäuscht, glaubst du dann, er hätte es aus schlechten Gründen getan?
Was soll ich dazu sagen, das kommt auf die Gründe an. Wie schmeckt Dir Essen? Siehste.ganimed hat geschrieben:Oder er hätte es ohne Gründe getan? Wie bewertest du Gründe?
Ja selbstverständlich, wieso denn nicht?ganimed hat geschrieben:Und glaubst du wirklich, dass man seine eigenen Gründe überhaupt kennen und nennen kann?
ganimed hat geschrieben:Wo doch, wie oben angedeutet, es so zu sein scheint, dass Vieles eben unterbewusst abläuft, wo man also die Gründe prinzipiell nicht kennen kann.
Muss er das? Wer sagt das? Der soll nur mein Blumen gießen, oder, wenn er es nicht schaffte, mir sagen, warum. Auch bei dem interessiert mich nicht ob der Urgroßvater im 1. Weltkrieg einen Granatsplitter abbekam.ganimed hat geschrieben:Wenn also der Mensch, der dich enttäuscht, schon nicht seine ganzen Gründe alle kennen kann,
Weil ich weiß was ich erwarten kann und was zumutbar ist. So wie Du eben auch, wenn Du Deinen Nachbarn um eine Gefallen bittest.ganimed hat geschrieben:wie kommst du darauf, dass du sie kennen kannst, ja sogar beurteilen kannst (ob es gute Gründe sind oder nicht) und dann Anlass zur Verärgerung hättest.
*hüstel*ganimed hat geschrieben:Ich finde ja, darauf kann man nur kommen, nachdem man die Hirnforschung und den Determinismus ausblendet und ignoriert.
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