ganimed hat geschrieben:Dennett hat geschrieben:So if you want to know whether some rapist/murderer was “free not to rape and murder,” don’t distract yourself with fantasies about determinism and rewinding the tape; rely on the sorts of observations and tests that everyday folk use to confirm and disconfirm their verdicts about who could have done otherwise and who couldn’t.
Ich soll das Tape nicht zurückspulen?
Falls Du etwas über die Fähigkeiten des Golfspielers erfahren willst, dann nutzt es nichts, wenn Du Dir tausendmal einen erfogreichen Putt von jemandem auf einem Videoband anschaust. Besser wäre, wenn Du Dir unterschiedliche Situationen und den jeweiligen Erfolg/Misserfolg anschauen würdest, dann würdest Du mehr über die Fähigkeit des Spielers erfahren.
ganimed hat geschrieben:Ich soll mich stattdessen dem ungefähren Urteil des Mobs anschließen?
Ja, in dem Falle solltest Du das, das wäre, falls Du Trainer bist und eine voraussichtlich erfolgreiche Golfmannschaft aufstellen willst, sicher viel besser, als ein Band eines Einzelereignisses zig-mal abzuspulen.
ganimed hat geschrieben:Darin eingeschlossen ist ja die Frage, wie stark dürfen wie die Situation variieren?
Bisschen mehr Wind, bisschen weniger Wind, mehr oder weniger Feuchtigkeit, mehr oder weniger Buckel und/oder Sand, mehr oder weniger Nebel, etc., evtl. auch kombinieren. Was eben so auftreten kann bei einem Golfturnier, ein guter Golfer sollte mit diesen unterschiedlichen Platzverhältnissen klar kommen.
ganimed hat geschrieben:Dürfen wir nur einzelne Atome verrücken und dann das Tape anfahren? Oder dürfen wir Häuser, Autos und Personen austauschen? (Er hätte anders handeln können, wenn das Auto nicht da gewesen wäre?) Oder dürfen wir neue Motive einführen? (Er hätte anders handeln können, wenn er Hunger gehabt hätte, was er ja hätte haben können, wenn er nicht dummerweise vorher was gegessen hätte). Wo fängt diese Varianz an und wo hört sie auf und wer legt das fest?
Kommt auf den jeweiligen Fall, die jeweilige Situation drauf an und darauf, was man wissen will. Wenn man z.B. wissen will, was die Höchstgeschwindigkeit eines Autos in der Ebene bei normalem Wind ist, dann sollte man das wohl nicht an einer starken Steigung mit starkem Gegenwind testen.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Der Widerspruch, dass Du Leuten zwar Verantwortung, jedoch keine Schuld zuweisen willst? Nein, nach meinen Begriffen von "Verantwortung" und "Schuld" ist der noch nicht vom Tisch.
Du wirfst mir also einen Widerspruch vor, der nur mit deinen Begriffen von "Verantwortung" und "Schuld" entsteht.
Ja. Allerdings meine ich nun nicht, dass das lediglich meine Privatbegriffe sind. Siehe den juristischen Grundsatz: "keine Strafe ohne Schuld". Den habe sicher nicht ich erfunden. Denke auch nicht, dass das irgendwie was mit Hass zu tun hätte, wie Du wohl annimmst. Ich denke vielmehr, dass dieser Grundsatz auf einen Schutz vor ungerechtfertigter Verurteilung abzielt.
ganimed hat geschrieben:Obwohl ich doch beispielsweise deinen Begriff von "Schuld" bei der Stelle "hätte anders können" ablehne.
Dazu wäre jedoch "hätte auch anders [entscheiden/handeln] können" erst mal darzulegen, bevor ich etwas dazu sagen kann.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Soweit, so gut, aber damit ist nun nur ein "es hätte auch anders kommen können" beschrieben, nicht aber ein "P hätte auch anders handeln können". Ich hatte jedoch nach einer Erklärung für das Letztere gefragt, nicht nach einer Erklärung für das Erstere. Damit Dein als notwendig angesehenes Kriterium für Freiheit plausibel wird, musst Du Zweiteres darlegen.
Wenn es genau so kommt, dann kommt ja auch die Entscheidung von P genau so und dann kommt auch die Handlung H1 von P genau so.
Richtig.
ganimed hat geschrieben:Ich verstehe also noch nicht ganz den Unterschied, den du zwischen "es hätte auch anders kommen können" und "P hätte auch anders handeln können" machst. Kannst du ein Beispiel angeben, wo es genau so kommt, aber P dennoch anders hätte handeln können?
Klar, da gibt es unendlich viele Beispiele. Ich verstehe ja unter "P hätte in S auch anders handeln können" dieses: "P hatte die Fähigkeit dazu, in S anders zu handeln, als er es letztlich tat, es lag hauptsächlich an ihm, unter seiner Kontrolle, dass er diejenige Handlung ausführte, die er ausführte".
Fragt sich immer noch, was Du darunter verstehst. Ein "es hätte [indeterminiert/zufällig]auch anders kommen können" kann nicht hinreichende Bedingung für P's Freiheit sein.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:P hat im Determinismus den Freiraum zu einer informierten und reflektierten Entscheidung, daran ändert Determinismus nichts.
Wohlgemerkt: ein Freiraum in dem nur eine einzige Möglichkeit Platz hat, wird gemeinhin eben nicht als Freiraum bezeichnet.
Was wie bezeichnet wird, ist hier jedoch ziemlich egal, (wiewohl ich das anders sehe). Die Frage wäre vielmehr, wieso Du einen solchen Freiraum in Deinem Sinne erstens darlegen kannst und zweitens plausibel machen kannst, dass ein solcher Freiraum in Deinem Sinn notwendige Voraussetzung für Freiheit wäre.
ganimed hat geschrieben:Ein Freiraum meint einen Raum, der genug Freiheit für mindestens eine Alternativen bietet. Laut Determinismus gibt es aber keine Alternativen. Also kann von Freiraum, von Spielraum, von Unabhängigkeit und von Freiheit keine Rede sein. Egal wie informiert und reflektiert man bei der einzigen Möglichkeit war. Es geht ja darum, dass es nur eine Möglichkeit gab und nicht darum, welche Eigenschaft diese einzige Möglichkeit sonst noch hat.
Was aber dann unweigerlich darauf hinausläuft, dass a) jemand die Entscheidung/Alternative wählen soll, für die er sich nicht entscheidet, die nicht als die beste ansieht, um als frei in Deinem Sinne gelten zu können. Oder aber es liefe b) auf diese Behauptung hinaus: in einer determinierten Welt kann niemand die Fähigkeit dazu haben, zu erkennen, zu reflektieren, zu überlegen und gute von schlechten Optionen zu diskriminieren und sich für die von ihm als beste angesehene Option zu entscheiden. Eine dritte Möglichkeit gibt es mE dabei nicht.
a) wäre nun prima facie ein sehr unplausibles Kriterium für "echte" Freiheit, insbesondere jedoch für "echte" Verantwortung, daher näher zu begründen. Und b) wäre ebenfalls zu begründen, denn das ist mitnichten selbstevident.
Nehmen wir ein Beispiel für a). Peter lebte in einer indeterminierten Welt. Peter habe zwar die Fähigkeit dazu, die meisten Situationen gut einschätzen zu können, Lösungsmöglichkeiten generieren und jeweils die ihm am Besten erscheinende davon auswählen zu können, aber jedesmal, wenn er seine Entscheidung in die Tat umsetzen wollen würde, geschähe etwas Indeterminiertes, was Peter daran hindern würde, das zu tun, für was er sich entschieden hätte. Nun spulten wir die Welt bei einer bestimmten Handlung von Peter zig-tausend-Mal zurück und würden beobachten, dass Peter jedes Mal etwas anderes täte. Wäre Peter in dem Falle frei? Nun, vielleicht, falls man einen mE sehr schrägen Begriff von Freiheit hätte, ("Freiheit = Unabhängigkeit von allem").
Aber: wäre Peter dann echt verantwortlich für seine Handlungen? Ich denke nicht. Peter könnte in dem Beispiel ja nichts dafür, was er jeweils täte, sein Verhalten lag dann wohl nicht an ihm, seinen Einstellungen, Überlegungen und Handlungen, sondern an dem für ihn unkontrollierbar auftretenden indeterminierten Zufall. Es ergäbe keinen Sinn, Peter zu loben oder zu tadeln, denn der Lob bzw. der Tadel hätte keinerlei Auswirkungen auf Peters zukünftiges Verhalten, (und auch nicht auf das Dritter, denen das ebenso zustöße wie Peter). Ebenso ergäbe es keinen Sinn, Peter schuldig zu sprechen, denn Peter könnte dann nichts für sein Verhalten, das wäre ihm lediglich zugestoßen, unabhängig davon, was Peter wollte oder nicht wollte, für was er sich entschieden hätte.
Wo hakt mein Beispiel nun? Hast Du ein besseres Beispiel anzubieten, in dem erstens klar wird, was "P kann in S auch anders handeln" Deiner Ansicht nach bedeuten soll und zweitens, das plausibel macht, wieso diese (für mich bisher unverständliche, mE nicht erklärbare, da inkohärente) Fähigkeit notwendige Voraussetzung für echte Freiheit/Verantwortung sei, eine Freiheit/Verantwortlichkeit, die der kompatibilistischen Freiheit/Verantwortlichkeit evidenterweise überlegen ist?
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Jemand, der die Fähigkeit dazu hat, Situationen komplett durchschauen zu könnnen, und die Fähigkeit hat, alle geeignete Optionen generieren zu können, die Fähigkeit hat, die ihm am besten erscheinende Option wählen und umsetzen zu können, wäre mE komplett frei (und komplett verantwortlich). All das wäre nun in einer determinierten Welt problemlos möglich, d.h. spulten wir das Tape immer wieder zurück, würde dieser (mE freie) Jemand immer wieder ebenso entscheiden - es sei denn, es gäbe einige Optionen, die er gleich gewichten würde. Jedoch auch in diesem Falle würde es mE seiner Freiheit keinerlei Abbruch tun, wenn er sich jedes Mal für dieselbe Handlung entscheiden würde.
So eine Freiheit gibt es zwar mE in unserer Welt nicht, wir sind nicht vollständig informiert, kennen nicht alle Umstände in einer Situation, irren uns oft.
Jedoch: der Inkompatibilist scheint nun zu behaupten, dass selbst dies keine Freiheit sei. Aber wieso? Was müsste hinzukommen, um eine echte Freiheit im inkompatibilistischen Sinne zu sein? Welche notwendige Bedingung fehlte dabei? Die kann ja nun nicht sein, dass man sinnloser- und idiotischerweise immer (oder zumindest manchmal) das täte, was man selber als blödsinnig ansieht.