@ Jounk33:
Die Strategie Statistiken kategorisch zurückzuweisen, weil sie fehlerhaft sein könnten, zugunsten von Einzelmeinungen, die bei den von Dir angesprochenen Sachverhalten mit Sicherheit fehlerhafter sind, erschließt sich mir nicht.
Wenn es darum geht, nicht Aussagen über das was wahr ist zu finden, sondern über das was Menschen motiviert, ist das was anderes, aber dann finde ich die Beispiele unpassend. Auch dass Statistiken immer manipuliert seien ist ein pauschaler Vorwurf, der so als Generalverdacht natürlich nicht entkräftet werden kann.
Er unterstellt, das Statistiken immer interessengeleitet sind, Einzelpersonen aber nicht. Das ist fragwürdig.
Die These Geschlechtsverkehr sei als solcher schon Gewalt, ist mindestens unglücklich formuliert, wenn nicht falsch.
Wenn Du aufgrund der misslungenen Begrifflichkeit dann einvernehmliche Kuschelsex und eine Schlägerei gleichsetzt, begehst Du einen Fehler. Das wird auch nicht nur als gefährlich eingestuft, sondern eine Hirnblutung ist gefährlich, kann man dran sterben.
Wem wäre denn geholfen, wenn ein Vergewaltiger noch selbst bestimmen könnte – statt Statistik oder Gesellschaft – ob sein Verhalten normal ist?
Oder soll jemand im akuten Wahn bestimmen, ob er als normal gilt?
Gegen alberne Biologismen habe ich einen eigenen Thread aufgemacht, aber was hat das damit zu tun – mehr als die Assoziation, dass dort wo irgendwer bestimmt immer auch Willkür walten könnte –, dass man sich gegen Serienvergewaltiger als Gesellschaft schützen können sollte?
Die These scheint zu sein: Um eine falsche Entscheidung zu vermeiden, lieber keine Entscheidung.
Dass es Massenphänomene gibt, unter denen das Individuum in einen Strudel der Gewalt gerät, würde ich nicht bestreiten, aber damit kann man nicht rumspielen, da niemand weiß, wie sich so eine Situation entwickelt. Da kann also wenig staatlich gelenkt werden, selbst wenn man wollte.
Jounk33 hat geschrieben:Dass z.B. viele (68er Schule) Soziologen behaupten, Gewaltüberspitzungen seien wohl ein Problem der Erziehung und des sozialen Umfeldsi, sehe ich als eine Art Ausrede dafür, dass man eben diese spontane Ausbrüche von Gewalt auf z.B. Minderheiten und Wehrlose nicht in den Griff bekommt, auch nicht mit den fortschrittlichsten Untesuchungen und Studien, sondern eher verheimlichen will, dass gerade diese Art von Gewaltunterdrückung der freien und individuellen Gewalt zu diesen unkontrollierten Gewaltausbrüchen führt.
Das müsstest Du belegen, ansonsten ist das eben einfach Deine Meinung, die Du ja haben und äußern darfst, aber ich kann mich dieser unbelegten These nicht anschließen.
Jounk33 hat geschrieben:Es ist gerade der, der seine Aggressivität "kontrolliert" (in Sinne des gesetzlich erlaubten) einsetzt jemand der anfällig ist für Gewaltkanalisierung, während der der seiner unkontrollierten Gewalt freien Lauf gegen Wehrlose lässt das eigentliche Opfer dieser Gewaltunterdrückung, weil er damit nicht zurecht kommt, dass bei ihm irgendwas nicht erwünscht ist.
Das klingt nun für mich wieder wie ein Versuch, aus Tätern Opfer zu machen.
Man darf von seinen Mitmenschen erwarten, dass sie ihre Affekte kontrollieren können, so funktioniert nun mal jede Form der Gesellschaft.
Selbst in Terrorregimen und der organisierten Kriminalität, wo offene Gewalt Teil des Systems ist, geht es nicht jeder gegen jeden vor sich.
Jounk33 hat geschrieben:So nach dem Motto, lass Deine Fäuste solange in der Tasche bis wir Dir es sagen Du sollst sie raus holen....das klappt eben nicht bei jedem, ich würde sogar sagen eher bei den Weingsten. Es ist dann eher umgekehrt. Wer gesellschaftlich anerkannt ist, der hat wahrscheinlich auch weniger Probleme damit wenn seine Gewalt eingegrenzt wird, solange er weiss, dass er irgendwo einen Auslass dafür legitimiert bekommt. Aber wie gesagt, hier sehe ich die Ursache für Faschismus.
Ich persönlich halte z.B. einen Scharfrichter für unheimlicher der seines Amtes überzeugt waltet aber zuhause dann der liebste und tollste Daddy ist den man sich vorstellen kann. Woher kommt eine solche Kaltblütigkeit eventuell Unschuldige hinzurichten ? Wer oder was legt dann da bei dem den Schlater um ?
Rein psychologisch ist das einfach eine Abspaltung. Man kennt den Mechanismus und kann ihn recht detailliert erklären. Natürlich drückt das Wort nicht die Verwunderung bis zum Entsetzen darüber aus, die/das man haben kann, wenn man mit der Banalität des Bösen konfrontiert ist. Himmlers schnulzige Briefe an seine Ehefrau und zugleich die Verantwortung für millionenfachen Mord, wo der Mensch als Mensch nicht mehr vorkommt, sondern nur noch ein Stückgut, ein logistisches Problem ist.
Wir können schlecht damit umgehen, dass Menschen wie Himmler oder Hitler in anderen Kontexten ganz normale Reaktionen zeigten und jemand wie Du oder sein könnten.
Für uns ist es einfach das Bild der abscheulichen Bestie zu zeichnen, die auch privat bellend auf allen Vieren geht und rohes Fleisch frisst. Aber so ist es nicht und der „Schalter“ ist die Abspaltung, vor allem eine spezielle Art der Spaltung, in der kognitive Inhalte bewusst sind, d.h. diese Menschen sind nicht wahnsinnig, sie wissen, was sie tun, andererseits wird die emotionale Bedeutung dessen, was sie machen nicht erfasst, geleugnet, abgespalten, so dass das, was sie tun als nicht weiter schlimm von ihnen selbst erlebt werden kann.
Da kann es zu Einstellungen kommen, wie: „Ich tu das auch nicht gerne, aber es muss halt getan werden.“ Und psychologische Experimente erweisen in (un)schöner Regelmäßigkeit, dass anständige Menschen unter dem Einfluss minimaler scheinbarer Legitimierung bereit sind (viele, nicht alle) Ähnliches zu tun, konträr zu den Einstellungen, die sie eigentlich haben.