Andreas Müller hat geschrieben:@Sisyphos "Epikurs Garten ist sehr schön. Gratulation dazu!"
Liebe Spiegel-Redaktion,
zunächst einmal bedanke ich mich für Ihren Leitartikel über die Neuen Atheisten. Ich freue mich, dass Sie das Thema aufgegriffen haben und bin überzeugt, dass es viele Interessenten finden wird.
Leider kann ich Ihnen, wie das so ist mit Skeptikern, auch ein wenig Kritik nicht ersparen. Was, von dem was wir tun, ist zum Beispiel ein "Kreuzzug"? Unsere Waffe ist unser Verstand, wir brauchen und wollen keine Soldaten, um den Leuten den Atheismus aufzuzwingen, dieser Vergleich ist nun wirklich unfair. Die Artikel zum Thema haben des Weiteren eine Neigung, verschiedene Begriffe durcheinander zu mischen. Zunächst einmal sind die "Neuen Atheisten" nicht das Selbe wie die Brights. Was die Neuen Atheisten sind, versuche ich in einer Artikelreihe des Humanistischen Pressedienst über das Thema zu definieren:
"Neu am Atheismus ist die offene und direkte Art und Weise, mit der er propagiert wird, wie man es von den Religionskritikern der Aufklärung kennt, deren Nachfolger aber lange Zeit kein großes Medieninteresse mehr erzeugen konnten. Neu ist auch, dass sich nun explizit Naturwissenschaftler äußern und nicht mehr in erster Linie Philosophen."
Ihr Bericht über den "Kreuzzug der Gottlosen" beginnt mit den Worten "Der Papst der 'Neuen Atheisten' [...]. Es wird Sie nicht weiter verwundern, dass ich Ihnen hier widerspreche: Die neuen Ungläubigen haben keinen Anführer, keinen Vordenker, keinen Guru und mit Sicherheit keinen Papst. Man kann allerdings wohl mit Recht behaupten, dass Richard Dawkins Initiator der Bewegung war, zumindest was das mediale Interesse betrifft, das der Biologe erwecken konnte.
Schön dagegen, dass mein Spruch, der Gotteswahn sei "größer als so manche Bibel" bei Ihnen Anklang gefunden hat und dass Sie auf den Humanistischen Pressedienst verweisen. Weniger schön finde ich Ihre Behauptung, die Definition der Brights, die Sie auf S. 58 geben, stünde in einem Manifest. Tatsächlich haben die Brights kein Manifest. Sie meinen vermutlich das "Manifest des evolutionären Humanismus" von Michael Schmidt-Salomon. Dieses könnte man vielleicht als Arbeitsgrundlage der Giordano Bruno Stiftung bezeichnen, aber nicht der Brights, die einige Jahre vor der GBS gegründet wurden, und zwar in den USA von Paul Geisert und Mynga Futrell. Die Treffen unserer Ortsgruppen sind gewiss auch keine "Selbsterfahrungsgruppen anonymer Atheisten" - ganz im Gegenteil! Die Brights sind eine Bewegung, unsere Website dient der Koordination von Aktionen und nicht der Planung von Häkelstunden und Kaffeefahrten. Sie fahren fort, Prinzipien aufzulisten, die angeblich unsere sind: "ER ist nicht. ER ist unlogisch. ER ist überflüssig. Und schlimmer noch: ER ist gefährlich." Da wissen Sie offenbar mehr als ich, denn die Prinzipien der Brights, sehr leicht zu finden auf unserer Website (http://www.brights-deutschland.de), lauten gänzlich anders. Sie finden diese auch, nebst weiteren Informationen über die Bewegung, in einer Infomappe, welche diesem Brief beiliegt.
Weiter behaupten Sie, Richard Dawkins sehe "den Gottesglauben hinter allem Übel", dabei betonte er nun schon in unzähligen Interviews und Artikeln, dass er keineswegs ALLES Übel in der Religion begründet sieht. Religion ist vielmehr die Legitimation von vielem Übel und die Ursache von so manchem. Sie schreiben: "Es ist, als würde nun auch die Aufklärung ihre Fundamentalisten hervorbringen". Wenn ich das nicht schon so oft gelesen hätte, es würde mich vielleicht aufregen. Sie werden in der Mappe auch einen Artikel des kanadischen Journalisten Dan Gardner finden, "Diese fanatischen Atheisten", in der er sich mit dieser Frage auseinandersetzt. Kurz gesagt: Warum nennen Sie uns Fundamentalisten, obwohl wir nichts weiter tun, als auf intellektueller Ebene Kritik zu üben? Wir fliegen keine Flugzeuge in Türme, wir steinigen keine Frauen, wir sprengen keine Zivilisten in kleine Stücke und wir essen auch nicht unseren eigenen Heiland auf. Sie zitieren später Terry Eagleton, einen britischen Literaturwissenschaftler, den ich, nebenbei erwähnt, für einen der besten halte, auch wenn er unseren "Vordenker" Richard Dawkins nicht leiden kann. Er gibt in seinem Buch "Holy Terror" eine Definition von Fundamentalismus, sinngemäß: Fundamentalismus meint den Glauben, dass die wörtliche Lesart eines heiligen Buches dem vollkommenen, unfehlbaren Wort Gottes entspricht. Man liest die Bibel oder den Koran und erfährt unmittelbar, was Gott befiehlt. Was könnten Sie nun damit meinen, wenn Sie uns als Fundamentalisten bezeichnen? Welches "heilige" Buch sollten wir denn in einer wörtlichen Lesart für das Wort welches Gottes halten? Es gibt keine heiligen Bücher, es gibt keinen Gott und wörtlich verstehen wir nach Möglichkeit nur, was auch wörtlich gemeint ist. Was ist so fundamentalistisch daran, nach Belegen zu fragen, wenn jemand behauptet, dass Gott ein Drittel von sich als Mensch auf die Erde gesandt hat, um ihn von einer antiken Besatzungsmacht hinrichten zu lassen, um uns unsere Sünden zu vergeben? Welche Sünden habe ich denn überhaupt vor über 2000 Jahren begangen, für die man mich erlösen müsste? Wenn damit die Ursünde gemeint ist, dann frage ich mich, wie diese ohne Adam und Eva jemals stattgefunden haben soll. Und so weiter. Ein kleiner Funke Skeptizismus lässt das gesamte Glaubensgebäude in sich zusammenbrechen.
Sie schreiben, Hitchens sei kein "fucking liberal". Es interessiert Sie gewiss, dass er
ehrenwertes Mitglied der National Secular Society ist und mit Sicherheit kein Falke, Neokonservativer oder sonstwas in dieser Richtung. Er fühlt sich keiner politischen Linie zugehörig und nur seiner Vernunft verpflichtet. Ob diese bei seiner Befürwortung des Irak-Kriegs einen Aussetzer hatte, darüber kann man sicherlich streiten. Ich habe mich außerdem etwas gewundert über Ihre Hervorhebung von Piergiogio Odifreddi, denn für die Bewegung der Neuen Atheisten hat er außerhalb Italiens keine Bedeutung, aber das ist Ihre Entscheidung. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Spiegel-Redaktion sich die zehn Gebote der Neuen Atheisten selbst ausgedacht hat, obgleich ich sie nicht so schlecht finde. "Kein ungeschützter Verkehr mit Gläubigen" hinterlässt dabei einen fahlen Beigeschmack, denn es klingt fast so, als würden Atheisten nicht mit Gläubigen verkehren, dabei redet Onfray im Interview von seinen "katholische[n] Freunde[n]". Außerdem halten wir den Menschen nicht für einen Gott, insofern ergibt "Du sollst keine Götter neben dir dulden" nicht viel Sinn. Wenn sich der Mensch für Gott halten würde, dann wäre das eine Selbstüberschätzung. Wir brauchen einfach gar keinen Gott. Mensch ist Mensch und das ist gut so.
Trotzdem: Bis zu der Stelle "Der Totalangriff der Aufklärer" gefällt mir der Artikel recht gut. Doch plötzlich dichten Sie uns ein "Reich des Bösen" an. Im Brights-Shop (http://www.cafepress.com/brightsshop) gibt es ein T-Shirt mit der Aufschrift: "Supers. Brights. One Humanity. One World." ("Supers" ist das Brights-Wort für Leute, die an Übernatürliches glauben). Die Ziele der französischen Revolution waren: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das hätten auch die Neuen Atheisten gerne, nur ist es eben nicht sehr brüderlich, Frauen zu steinigen, Homosexuelle zu verdammen und Selbstmordattentate zu verüben, also kritisieren sie das.
Hierauf behaupten Sie, es entstehe durch den Glauben an Liebe kein Schaden für das Gemeinwohl. Schön und gut, aber das sagt auch niemand. Außerdem muss man nicht an Liebe "glauben", das halte ich sogar für einen Fehler, sonst glaubt man noch an die Liebe von jemanden, der diese Liebe nicht erwidert. Liebe existiert, die Belege sind offensichtlich: Nervöse Blicke der Geliebten, Liebesbriefe, Küsse, Sex. All dies sind gute Beweise für die Existenz der Liebe, dafür ist kein irrationaler Glaube nötig.
Sie schreiben weiter "die wenigsten Christen würden ernsthaft behaupten, Gott sei eine Art Telefonzentrale, die pausenlos Gebete entgegennimmt und abarbeitet." Warum sollten Christen beten, wenn sie nicht glaubten, dass Gott ihre Gebet auch vernimmt?
Dawkins ist sich über die Existenz von gläubigen Wissenschaftlern entgegen Ihrer Darstellung sehr wohl im Klaren, er wirft ihnen nur vor, dass sie mit zweierlei Maß messen und die Richtlinien ihrer Forschung nicht auf ihr persönliches Weltbild anwenden. Sie bezichtigen Dawkins und Harris, dass sie die Bibel genau so buchstabengläubig interpretieren wie die "vernagelsten Adventisten". Sein wir doch ehrlich: Theologie ist eine akademische Disziplin. Sie erkennen an Umfragen, dass die Amerikaner genau das glauben, was die Neuen Atheisten kritisieren. Außerdem: Wozu die unzähligen Verweise auf das Alte Testament im NT, wenn das doch alles nur metaphorische Märchen sind? In der Tat ergibt die wörtliche oder beinahe-wörtliche Auslegung der Bibel für das Glaubensverständnis sehr viel mehr Sinn als jede moderne theologische Verdrehung und die Gläubigen merken das, weshalb sich die Reihen der Evangelikalen füllen und die Kirchenbänke leeren.
Zu den Ausführungen des Vatikan-Gelehrten Brandmüller erspare ich mir höflicherweise ein Kommentar und was ich von der erhabenen Intellektualität des Papstes halte, können Sie sich gewiss denken. Nur so viel: Benedikt XVI glaubt an die Existenz einer "sehr realen" Hölle und bildet Exorzisten aus, um keineswegs metaphorische Dämonen auszutreiben.
Nun zu Ihrem Artikel "Beten verboten!": Die Giordano Bruno Stiftung ist ein Think-Tank der Aufklärung, wohl wahr. Aber sie ist nicht "der" Think Tank aller Atheisten. Atheisten "thinken" selbst, wenn es Recht ist. Nicht alle Anhänger der Brights-Bewegung haben außerdem mit der GBS zu tun, sondern die Wenigsten. Ich muss Ihnen aber auch einmal Recht geben: Die Aktiven unter den kritischen Geistern sind in der Tat nicht übermäßig zahlreich, obwohl die Ungläubigen an sich sehr zahlreich sind. Deshalb sind die Aktiven oft in mehreren Organisationen gleichzeitig am Werk, wofür ich selbst ein gutes Beispiel bin. Die Lage beginnt sich jedoch zu ändern. Die Zahl der Aktiven steigt täglich. Wie schon gesagt haben die Brights als basisdemokratische Bewegung und Aktionsplattform für Naturalisten natürlich keinen Chefdenker. Michael Schmidt-Salomon ist ein prominenter Bright, aber er übernimmt für uns nicht das Denken und ist auch kein Guru. Die Taz vermutete von Daniel Dennett, dass er unser Chefdenker sei und auch dies musste ich in einem Leserbrief richtigstellen. Wer weiß, eines Tages werden die Leute vielleicht aufhören, uns ständig Autoritäten voran zu stellen und ich kann aufhören, ständig Richtigstellungen zu schreiben. Wir brauchen weder Vordenker noch Chefdenker, was wir brauchen sind Mitdenker. Als solcher ist Herr Schmidt-Salomon in der Tat sehr willkommen.
"Der Herr segne dieses Haus", heißt es am Ende des Artikels. Ist natürlich nett, dass die Christen auch an uns denken. Oder? Vielleicht gibt es auch Leute, die gar nicht vom Herrn gesegnet werden wollen? Vielleicht kümmert das die christlichen Missionare nur nicht und sie schicken uns sogar Kinder vor die Tür, die noch gar nicht wissen, woran sie da glauben sollen und für wen sie da arbeiten? Ist Ihnen schon einmal ein atheistisches Sternsingerkind begegnet und hat Ihnen "Always Look On the Bright Side of Life" vorgesungen? Nein? Vermutlich darum nicht, weil wir Kinder selbst entscheiden lassen, was sie glauben oder nicht glauben, wenn sie alt genug dazu sind.
Am Ende des Leitartikels ruft Herr Smoltczyk dazu auf, die Aufklärung einfach bleiben zu lassen, weil der Glauben sowieso nicht ausstirbt und ohnehin Privatsache sei. Hierzu folgendes: Die Demokratie setzt ein aufgeklärtes Bürgertum voraus. Wie eine Theokratie aussieht, das erfahren Sie mit einem Blick auf Saudi-Arabien oder das europäische Mittelalter. Ist Glauben Privatsache? Schön wäre es. Gläubige jedoch werden nicht müde, gegen Abtreibung, Sterbehilfe, Stammzellenforschung, Homosexuelle, Frauenrechte, Selbstbestimmung, die Wissenschaft und so weiter vorzugehen. Nein, für sehr viele Gläubige ist ihre Religion keine Privatsache und so lange sie uns nicht in Ruhe lassen, werden wir sie auch nicht in Ruhe lassen. Ist das fair? Oder ist das "fundamentalistisch"?
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Müller
(Pressesprecher von Brights Deutschland,
HPD-Redakteur und
Fördermitglied der Giordano Bruno Stiftung)
Andreas Müller hat geschrieben:Ist der Brief so verschickbar?
Falk hat geschrieben:Ich bin auch schon am überlegen, ob man den Dawkins-Auftritt auf der Buchmesse nicht für eine konzertierte Ungläubigen-Aktion nutzen könnte und sollte. Bis dahin könnte unsere Mainzer Laizisten-HSG schon aufgestellt sein und die Sache auf dem Campus entsprechend begleiten. Auch als Brights könnten wir das für uns nutzen, auf uns ausmerksam machen.
dass wir z.B. Exemplare des "Manifest d.e.H." in Kommission übernehmen und dort anbieten
"Ich würde gerne mit euch absprechen, wie wir Dawkins Buch in
Deutschland noch bekannter machen (wir arbeiten da auch mit der
Ullstein-PR-Chefin zusammen) und wie wir dazu auch den Festakt zur
Verleihung des Deschner-Preises an Dawkins am 12.10. in Frankfurt nutzen
könnten. Wenn ihr wollt, könnten die deutschen Brights bei diesem Festakt
auch offiziell als Kooperationspartner der GBS auftreten..."
Zurück zu Aktionen und Veranstaltungen
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste