Leib-Seele-Problem

Leib-Seele-Problem

Beitragvon Max » Do 4. Jan 2007, 10:52

Welcher philosophischen Richtung würdet ihr euch zuordnen, um das Leib-Seele-Problem zu lösen?
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Beitragvon HF******* » Do 4. Jan 2007, 13:09

Was genau ist das Leib-Seele-Problem?

Handelt es sich um die Fragestellung, weshalb Materie Bewusstsein erlangen kann? Oder handelt es sich um die Frage nach dem Leben ansich? Ist „Seele“ in diesem Zusammenhang religös gemeint?

Gruß
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Beitragvon Buddha666 » Do 4. Jan 2007, 22:30

Zur allgemeinen Information: http://de.wikipedia.org/wiki/Leib-Seele-Problem

Einige Philosophen erklären aufgrund dieser Probleme, dass wir aufhören sollten von einem Selbst zu sprechen. Dies ist allerdings eine Minderheitenposition, verbreiteter ist die folgende Meinung: Man sollte unter dem „Selbst“ keinen unveränderlichen Wesenskern verstehen, sondern etwas, das sich in permanenter Veränderung befindet. Ein bekannter Fürsprecher einer solchen Position ist Daniel Dennett. Es ist zudem erstaunlich, wie sich einige Überlegungen der modernen Philosophie des Geistes auf diesem Gebiet mit traditionellen Ansichten außereuropäischer Kulturen, etwa dem Buddhismus, überschneiden.


Um nicht religiös abzudriften, würde ich in der Terminologie lieber Körper und Geist verwenden. Ich bin ja buddhistisch belesen und interessiert und da wird z.B. im Zen nicht einmal zwischen Subjekt und Umwelt unterschieden. Alles sei eins und über unzählige Beziehungen miteinander verbunden, da alles, was "da" ist, sich aus der gleichen Quelle speise. Weiterhin befinde sich alles im Fluß und in stetiger Veränderung, so dass es eher schwierig ist, von einem konstanten "Selbst" oder einem konstanten "Geist" zu sprechen. Auch unser Körper befindet sich durch Zellteilung immer in einem Zustand der Veränderung, Zellen sterben, neue kommen durch die Zellteilung hinzu usw. Es gibt Studien, die besagen, dass Kinder sich gar nicht als von ihrer Umwelt getrennt wahrnehmen, sondern diese Subjekt-Objekt-Spaltung anerzogen ist und durch die Begrifflichkeit der Sprache weiter vertieft wird. So ist beispielsweise der wichtigste Aspekt beim Zazen, also der Sitzmeditation, die Erkenntnis des Ichs. Dazu gibt es zahlreiche kurze Fabeln, so genannte Koans, die den Verstand an seine Grenzen führen sollen, damit das Geplapper der Gedanken aufhört und man alles so wahrnimmt wie es ist und nicht so, wie es uns unsere Gedanken vorgaukeln. Koans ergeben meist wenig Sinn, z.B. der berümteste Koan "Mu", in dem ein Schüler einen Meister fragt, ob auch ein Hund Buddha-Natur habe. Dieser antwortet darauf lediglich mit "Mu!". Aufgabe des Meditierenden ist es dann, herauszufinden, was Mu ist. Im Rahmen von Sesshin oder auch beim Dokusan generell geben Meister oft Ratschläge in die Richtung, dass man sich fragen soll, wer da denkt, wenn man denkt und wer da isst, der da isst usw.

Allerdings will ich niemandem hier mehr mit Buddhismus und daraus abgeleiteten Theorien und Positionen belästigen als nötig. Zur Not gibt es ja Wikipedia oder andere (Fach-)Lexika :wink: Mich würden da auch die Positionen und Meinugen anderer noch interessieren. Ich habe bislang in der asiatischen Philosophie Antworten auf die Fragen gefunden, die im westlichen Kulturkreis ohne Religion unbeantwortet blieben oder mit kaum mehr als Nihilismus beantwortet würden. Interessant ist dabei auch, dass diese Philosophien schon vor Jahrhunderten Theorien aufgestellt haben, die heute von der (Astro-)Physik weitgehend verifiziert wurden oder noch werden.

LG

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Beitragvon HF******* » Fr 5. Jan 2007, 11:24

Wikipedia schreibt:
Es entsteht durch die Frage, wie sich die mentalen Zustände (oder der Geist, das Bewusstsein, das Psychische, die Seele) zu den physischen Zuständen (oder dem Körper, dem Gehirn, dem Materiellen, dem Leib) verhalten. Handelt es sich hier um zwei verschiedene Substanzen? Oder sind das Mentale und das Physische letztlich eins?

Das Mentale ist physisch, also mit dem Physischen eins.

Wenn ich die Theorien richtig verstehe, dann bin ich Physikalist.

Wikipedia schreibt dazu:
Unter Physikalismus versteht man in der Philosophie die These, dass alles, was existiert, physisch sei.


Das Mentale ist physisch, also mit dem Physischen eins, unabhängig vom Begriff der Materie. Unzweifelhaft gibt es Gehirnströme, d. h. elektrische Ströme, die zwangsläufig mit elektromagnetischen Feldern einhergehen, so dass sich insofern Materie von sonstigen physischen Umständen nicht klar trennen lässt. Der Begriff „Materialismus“ ist in diesem Zusammenhang missverständlich.

Gruß
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Beitragvon Klaus » Fr 5. Jan 2007, 11:43

Das Mentale ist physisch, also mit dem Physischen eins.


Setzt aber Bewußtsein voraus. Wir haben zum Beispiel Empfindungen aus dem vegetativen Nervensystem heraus, die wir nicht beeinflussen können, das Hungergefühl ist eines davon.
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Beitragvon [C]Arrowman » Fr 5. Jan 2007, 12:28

Ich halte es da lieber mit Freud, Es Ich und Über-Ich

Die Thematik wir auch in dem Büchern Der Goldene Kompass, Das Magische Messer und Das Bernsteinteleskop von Philip Pullman behandelt. Auch die Kirche kommt nicht gut weg.
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Beitragvon HF******* » Fr 5. Jan 2007, 12:30

@Klaus:
Ich sehe da keinen Widerspruch. Der Körper gibt dem Gehirn ein Signal, das widerum die Gedanken an Nahrung und Nahrungssuche auslöst.

Warum es überhaupt Bewusstsein gibt, kann ich nicht beantworten. Wie aber an Bewusstsein nichtphysische Umstände mitwirken sollen, kann ich nicht erkennen - überhaupt warum es nichtphysische Umstände geben sollte.

Genaugenommen tendiere ich auch dazu, die Frage als ein Scheinproblem durch missverständliche Verwendung der Begriffe zu bezeichnen.

Gruß
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Beitragvon Klaus » Fr 5. Jan 2007, 12:34

Ich wollte das auch auch nicht als Widerspruch oder konträre Auffassung verstanden wissen.
Ich denke das da genügend Diskussionen und Literatur vorhanden sind, die, da gehe ich mit dir konform, eigentlich am Problem vorbei gehen.
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Beitragvon ostfriese » Fr 5. Jan 2007, 22:29

Für einen Naturalisten ist das Leib-Seele-Problem eigentlich ein Scheinproblem. Es gibt keine Seele. Es gibt Hirnvorgänge, die uns Bilder der Umgebung konstruieren, und es gibt Hirnvorgänge, die uns ein "Ich", ein Selbstbewusstsein konstruieren.

Auch, warum das Bewusstsein solcher Art evolutionär persistent ist, kann man plausibel erklären. Die Individualperspektive erlaubt es uns, das Verhalten von Artgenossen viel genauer einzuschätzen und zu prognostizieren. Menschen schlagen sich nur noch dann gegenseitig die Köpfe ein, wenn das Hineindenken des Täters in sein Opfer ausbleibt.

Die Vorgänge, die sich im Gehirn abspielen, wenn das Bewusstsein aktiv ist, werden wir mit wachsender Präzision eingrenzen und studieren können. Aber warum bei diesen Vorgängen Bewusstsein entsteht, werden wir ebenso wenig je wissen können, wie wir ergründen werden, warum Licht bestimmter Wellenlänge uns "rot" erscheint (das Qualia-Problem). Man müsste sich keinen Turing-Test ausdenken, wenn es Hoffnung gäbe, schon bei der Konstruktion einer Maschine ansagen zu können, dass sie die erste selbstbewusste künstliche Intelligenz sein wird. Es sind die soziale Interaktion und andere Lernprozesse, welche -- phylogenetisch wie ontogenetisch -- die Herausbildung eines Selbstbewusstseins in informationsverarbeitenden Systemen ermöglichen.
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Beitragvon Buddha666 » Sa 6. Jan 2007, 06:34

ostfriese hat geschrieben:Die Individualperspektive erlaubt es uns, das Verhalten von Artgenossen viel genauer einzuschätzen und zu prognostizieren. Menschen schlagen sich nur noch dann gegenseitig die Köpfe ein, wenn das Hineindenken des Täters in sein Opfer ausbleibt.


So so. Du weißt, was laut Gesetz "niedere Beweggründe" sind? Was zum Beispiel, wenn der Täter das Opfer hasst, sich zwar in das Opfer hineindenken kann, aber gerade deshalb trotzdem das Opfer umbringt? Der Mensch ist doch ein wenig komplexer als Reiz-Reaktions-Schema plus Empathie. Alles andere ist Dummschwätzerei.

LG

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Beitragvon ostfriese » Sa 6. Jan 2007, 10:05

Liebe verstärkt Empathie, Hass unterbindet sie mehr oder minder vollständig. Im übrigen diskutiere ich ungern mit Leuten, die gegenteilige Meinungen a priori als Dummschwätzerei abtun. Gut gemeinter Rat: Man sollte sich nicht derart disqualifizieren!
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Beitragvon Joe » Sa 6. Jan 2007, 11:51

Außerdem stellt sich dann die Frage, warum der Täter das Opfer eigentlich hasst. Wahrscheinlich deshalb, weil es ihm eben nicht gelungen ist, sich in das Opfer hineinzudenken. Das schließt nicht aus, dass der Täter es sich evtl. einbildet, er könnte sich in das Opfer hineindenken.
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Beitragvon molosovsky » Sa 6. Jan 2007, 14:23

Schließe mich der Tendenz hier an, die das Leib-Seele-Problem eher für ein Scheinproblem hält. Als (selbsternannter) Phantast kann ich sehr gut verstehen, dass Vorstellungen über unsere Innenwelten notwendig sind; aber ich bin doch sehr skeptisch, was die menschliche Sehnsucht nach einfachen Modellen betrifft.

Ich unterstelle jetzt mal, daß wir hier wie die meisten eben Laien sind. Andererseits ist ›Bewußtsein‹ ein Phänomen, daß wir alle jederzeit beobachten können, bei uns und anderen. Ich denke nicht, daß nur die Vertreter der harten Naturwissenschaften das Mandat haben, das Seele-Leib-Problem zu lösen: auch ohne Instrumente liefren auch andere Professionen als die wissenschaftlichen ganz erstaunliche Einsichten zu dieser Frage. Ich persönlich finde aber, daß für einen Laien wie mich aber Schriftsteller und Künster noch die ergiebigsten Annäherunen zum Urphänomen Seele liefern. Das soll nicht heißen, daß ich die ein oder andere Sachbuchlektüre zum Thema verschmähe

Dennoch: Allen hochtrabenderen und wilderen Vorstellungen von ganzen (jenseitigen) Weltenbau-Hintzerzimmern, in denen Seelen vor der Geburt reifen, oder in denen Seelen nach dem Tode geklärt und wiederverwendet oder endgültig katalogisiert werden erscheinen mir aber im herkömmlich (leicht abfälligen) Sinne als schlicht ›phantastisch‹.

Das Jenseits ist vielleicht die umfassendste ›morgen morgen, nur nicht heute…‹-Konstruktion. Da winkt die Aussicht, daß sich in besagten Hinterzimmern nach dem Leben eben noch Kontostände ausgleichen lassen. Ziemlich fatal wie ich finde, denn erstmal Tod, kann man eben gar nichts mehr ausgleichen oder bewerkstelligen. Hart skeptisch gesagt, sind wohl viele Vorstellungen von der Seele eben noch arge Selbstüberhöhungen (und Verantwortungs-Entlastungshilfen) vom Menschen für Menschen.

Grüße
Alex / molosovsky
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Beitragvon Joe » So 7. Jan 2007, 17:58

Ich betrachte mich als Empiriker.
Ich denke, der wissenschaftliche Ansatz dürfte am erfolgversprechensten sein. Daher zitiere ich kurz den Nobelpreisträger Eric Kandel, der, so finde ich, eine gute Zusammenfassung des wissenschaftlichen Standpunktes geschrieben hat:

"Die Wissenschaft des Geistes beruht auf fünf Prinzipien. Erstens: Gehirn und Geist sind eins. Das Gehirn ist ein komplexes biologisches Organ mit großer Rechenkapazität, das unsere Sinneserfahrung konstruiert, unsere Gedanken und Emotionen reguliert und unsere Handlungen steuert. Das Gehirn ist nicht nur für relativ einfache Verhaltensweisen wie Laufen und Essen verantwortlich, sondern auch für komplexe Handlungen, die wir für spezifisch menschlich halten - unter anderem Denken, Sprechen und künstlerisches Schaffen. So gesehen, setzt sich der Geist aus Operationen zusammen, die das Gehirn ausführt, so wie das Gehen sich aus Operationen zusammensetzt, die von den Beinen ausgeführt werden - nur dass die geistigen Operationen unendlich viel komplexer sind.
Zweitens: Jede geistige Funktion im Gehirn - von den einfachsten Reflexen bis zu den kreativsten Akten in Sprache, Musik und bildender Kunst - wird von spezialisierten neuronalen Schaltkreisen in verschiedenen Hirnregionen durchgeführt. Daher sollten wir eigentlich von einer Biologie der geistigen Prozesse sprechen, also jener geistigen Operationen, die von diesen spezialisierten neuronalen Schaltkreisen durchgeführt werden...
Drittens: Alle diese Schaltkreise bestehen aus den gleichen elementaren Signaleinheiten, den Nervenzellen. Viertens: Die neuronalen Schaltkreise verwenden spezifische Moleküle, um Signale in und zwischen Nervenzellen zu erzeugen. Fünftens: Diese spezifischen Signalmoleküle sind über Millionen Jahre Evolution erhalten geblieben, gewissermaßen beibehalten worden. Einige von ihnen waren in den Zellen unserer frühesten Vorfahren zugegen und sind heute in unseren fernsten und primitivsten evolutionären Verwandten anzutreffen: einzellige Organismen wie Bakterien und Hefe und einfachen Mehrzellern wie Würmern, Fliegen und Schnecken. "

An anderer Stelle schreibt er: "Ferner wird in der neuen Biologie die Ansicht vertreten, dass Bewusstsein ein biologischer Prozess ist, den wir irgendwann durch molekulare Signalbahnen erklären können, die von interagierenden Nervenzellpopulationen benutzt werden."

Auch ich denke, dass das "harte Problem" der Bewusstseinsforschung, also wie das subjektive Empfinden - Qualia - ensteht, eigentlich gar kein Problem ist. Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Teile. Das Ganze benötigt aber auch nicht mehr als die Summe seiner Teile.

Das hört sich einfach an. Das ist es auch. Aber ich denke, genau da liegt der Lösungsansatz.

So haben die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff ihre spezifischen Eigenschaften, aber wenn sie sich verbinden, entsteht Wasser daraus, das wiederum seine eigenen Eigenschaften hat - und zwar völlig unterschiedliche wie Wasserstoff und Sauerstoff.
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Beitragvon Buddha666 » So 7. Jan 2007, 23:11

ostfriese hat geschrieben:Liebe verstärkt Empathie, Hass unterbindet sie mehr oder minder vollständig. Im übrigen diskutiere ich ungern mit Leuten, die gegenteilige Meinungen a priori als Dummschwätzerei abtun. Gut gemeinter Rat: Man sollte sich nicht derart disqualifizieren!


Das Unterbinden von Empathie als Folge von Hass zu sehen, ist nur ein Aspekt. Wie kommt es zu diesem Hass, wie manifestiert er sich und verstärkt sich selbst bis hin zu geradezu apokalyptischen Zerstörungswünschen für andere? Ich glaube nicht, dass die nur durch fehlende / unterbundene Empathie bedingt wird. Man sollte aufpassen, dass man ein naturalistisches Weltbild nicht mit einem mechanistischen Weltbild verwechselt. Würde der Mensch nicht mehr als eine Maschine / Mechanik, wäre es schon längst gelungen, ihn inklusive aller Facetten nachzubauen.

LG

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Beitragvon Max » Mo 8. Jan 2007, 14:30

Für einen Naturalisten ist das Leib-Seele-Problem eigentlich ein Scheinproblem.

D´Accord.

Es gibt keine Seele.

Das ist meiner Erachtens für den Naturalisten eine Begriffsfrage. Daniel Dennett sagte einmal: "Do we humans have a soul? Yes, but it´s made of tiny little robots." Es ist dabei fragwürdig, ob dies rein sprachlich korrekt ist. Dan Dennett kann natürlich unter dem Wort "Seele" alles verstehen, was er will, aber mit seiner Definition weicht er von der intersubjektiven Bedeutung des Wortes stark ab. Das heißt natürlich keineswegs, dass die Definition oder die Verwendung falsch wären. Man muss sich lediglich der unterschiedlichen Bedeutung bei Dennett bewusst sein.



Aber warum bei diesen Vorgängen Bewusstsein entsteht, werden wir ebenso wenig je wissen können, wie wir ergründen werden, warum Licht bestimmter Wellenlänge uns "rot" erscheint (das Qualia-Problem).

Das würde ich nicht sagen. Wir können es momentan noch nicht beantworten und vielleicht werden wir es auch niemals beantworten können. Und es ist aufgrund unseres beschränkten Bewusstseins auch sicherlich schwer für uns, es zu verstehen und zu ergründen; aber als unvoreingenommener Wissenschaftler oder Philosoph sollte man davon ausgehen, dass man irgendwann einmal zu einer Antwort gelangen wird.
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Beitragvon Max » Mo 8. Jan 2007, 14:32

Buddha666 hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Liebe verstärkt Empathie, Hass unterbindet sie mehr oder minder vollständig. Im übrigen diskutiere ich ungern mit Leuten, die gegenteilige Meinungen a priori als Dummschwätzerei abtun. Gut gemeinter Rat: Man sollte sich nicht derart disqualifizieren!


Das Unterbinden von Empathie als Folge von Hass zu sehen, ist nur ein Aspekt. Wie kommt es zu diesem Hass, wie manifestiert er sich und verstärkt sich selbst bis hin zu geradezu apokalyptischen Zerstörungswünschen für andere? Ich glaube nicht, dass die nur durch fehlende / unterbundene Empathie bedingt wird. Man sollte aufpassen, dass man ein naturalistisches Weltbild nicht mit einem mechanistischen Weltbild verwechselt. Würde der Mensch nicht mehr als eine Maschine / Mechanik, wäre es schon längst gelungen, ihn inklusive aller Facetten nachzubauen.

Das menschliche - und auch das anderer höher entwickelter Lebewesen - ist schwer zu verstehen und daher auch schwer nachzubilden. Daher hat ostfriese den Prozess vereinfacht und veranschaulicht. Er führte ihn auf die grundlegenden Zusammenhänge zurück.
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Beitragvon ostfriese » Fr 12. Jan 2007, 16:14

Zum Begriff "Seele": Natürlich kann man sich auch im Bereich der Naturwissenschaften eine Seele zurechtdefinieren, z.B. als die Summe aller neuronalen Prozesse und Zustände des Gehirns. Aber ob wir dann wirklich wissen, was wir meinen, und ob eine solche Definition noch zu irgendeiner Wahrheitsfindung oder -vermittlung taugt, wäre eine andere Frage.

Zum Begriff "Maschine": Worin besteht der Unterschied zwischen Lebewesen und Maschinen? Erstere sind selbstorganisierende (meist eigennützige) stoffwechselnde Systeme, deren Programm in der Regel zu komplex ist, als dass wir sie nachbauen könnten (es sei denn aus "Fertigteilen" :wink: ). Letztere sind ebenfalls Energiewandler, für die wir aber Hardware und Software genau kennen. Dennoch stellen sich zwei Fragen: 1.) Ist ein perfekter Zombie konstruierbar, also eine Maschine, die man so programmiert, dass sie menschliches Verhalten exakt simuliert? 2.) Kann eine Maschine unter gewissen Voraussetzungen so viel mehr sein als die Summe ihrer Teile, dass sie gemäß obiger Definition zu einem Lebewesen wird? Als Naturalist kann ich wohl keine von beiden Möglichkeiten prinzipiell ausschließen. Praktisch schützt uns aber wohl die enorme Komplexität des menschlichen Gehirns davor...

Zu den "Qualia": Der Reduktionismus hat Grenzen. Nicht nur beim berühmten Beispiel Mathematik <-- Logik, wo uns Gödel der letzten Illusionen beraubt hat, sondern auch in den Naturwissenschaften. Eben deshalb, weil das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Psychologie ist nicht auf Physik rückführbar, in ihr werden Begriffe sinnvoll (Seele, Gefühl, Farbe, Klang usw.), die in der exakten physikalischen (also letztlich mathematischen) Beschreibung elektrochemischer Prozesse und Zustände des Gehirns keinen Platz haben. Mehr als "Korrelate" für psychische Phänomene bekommt man als Physiker nicht. Korrelationen sind aber etwas anderes als Ursache-Wirkungszusammenhänge. Deshalb ist auch bei der Deutung neurowissenschaftlicher Befunde in der Sprache der Psychologie Vorsicht angebracht...
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Re: Leib-Seele-Problem

Beitragvon Myron » Fr 21. Sep 2007, 17:04

Ich befürworte die "dual-aspect theory" ("double-aspect theory"), die ich im Deutschen die "Januskopf-Theorie" nenne.

"Any given process of the mind is actually one and the same process as some particular electro-chemical process of the brain, so that what appears to be two distinct processes are actually just two aspects of one and the same brain process, i.e. they are actually just one and the same brain process viewed from two different cognitive perspectives."

(Bissell, Roger E. "A Dual-Aspect Approach to the Mind-Body Problem." Reason Papers 1 (Fall 1974): 18-39. http://www.mises.org/reasonpapers/pdf/01/rp_1_2.pdf.)

Dieser Ansatz hat seine philosophischen Wurzeln bei Spinoza und wird im 19. Jahrhundert von Leuten wie Fechner auf das psychologische Leib-Seele-Problem übertragen:

"Die Naturwissenschaft stellt sich konsequent auf den äußeren Standpunkt der Betrachtung der Dinge, die Wissenschaft vom Geiste auf den inneren; die Ansichten des Lebens fußen auf dem Wechsel der Standpunkte, die Naturphilosophie auf der Identität dessen, was doppelt auf doppeltem Standpunkte erscheint; eine Lehre von den Beziehungen zwischen Geist und Körper wird die Beziehungen beider Erscheinungsweisen des Einen zu verfolgen haben."

(Gustav Th. Fechner: "Elemente der Psychophysik" [1889], Erster Teil, Einleitendes, I. Allgemeinere Betrachtung über die Beziehung von Leib und Seele, http://gutenberg.spiegel.de/fechner/epsypht1/epsyph01/epsyph01.htm)

"Das Materielle, Körperliche, Leibliche und durch ein Verhältnis unmittelbarer Bedingtheit daran geknüpfte Psychische, Geistige sind zwei Erscheinungsweisen desselben Wesens, ersteres die äußere für andre Wesen, letztere die innere Erscheinungsweise des eignen Wesens, beide deshalb verschieden, weil überhaupt ein und dasselbe verschieden erscheint, je nachdem es von verschiedenen aus verschiedenem Standpunkt aufgefaßt wird. Also erscheint auch der materielle Gehirnprozeß verschieden von den daran geknüpften Empfindungen und Gedanken, weil dasselbe Wesen, was beiden gemeinsam unterliegt, als Gehirnprozeß äußerlich, als geistiger Prozeß innerlich aufgefaßt wird."

(Gustav Th. Fechner: "Die Tagesansicht gegenüber der Nachtansicht", XXI. Grundverhältnis zwischen materiellen und geistigem Prinzip: Dualismus und Monismus.)

Obgleich die Januskopf-Theorie des Geistes den ontologisch unbedenklichen Prädikatsdualismus voraussetzt, ist sie monistisch.
Von daher ist die Alternativbezeichnung "psychophysischer Identismus" (irreführenderweise oft auch "psychophysischer Parallelismus" genannt) eigentlich passender, wobei allerdings die Gefahr einer Verwechslung mit der reduktionistisch-eliminativistischen Identitätstheorie besteht.

Siehe dazu auch: http://www.textlog.de/7579.html

EBBINGHAUS betont: »Seele und Nervensystem sind nichts real Getrenntes und einander Gegenüberstehendes, sondern sie sind ein und derselbe reale Verband, nur dieser in verschiedenen und auseinander fallenden Manifestationsweisen. Seele ist dieser reichhaltige Verband, so wie er sich gibt und sich darstellt für seine eigenen Glieder, für die ihm angehörigen Teilrealitäten. Gehirn ist derselbe Verband, so wie er sich anderen analog gebauten Verbänden darstellt, wenn er von diesen - menschlich ausgedrückt - gesehen und getastet wird« (Gr. d. Psychol. I, 42). Beide Manifestationsweisen des Realen sind gleich echt und wahr (l.c. S. 43). Die eine Reihe ist identisch mit der anderen (ib.). RIEHL erklärt: »Der Gegensatz von Körper und Geist hat für uns nur noch die Bedeutung entgegengesetzter Richtungen der Betrachtung« (Philos. Krit. Il 1, 63). »Dasselbe, was vom Standpunkte des Ich ein Empfindungsprozess ist, ist von dem des Nicht-Ich ein zerebraler Vorgang« (l.c. S. 270).

Das heißt, dass die psychophysischen Prozesse in einem Organismus in zwei Erscheinungsformen auftreten: (a) in einer objektiven, d.h. in einer aus der Perspektive der 3. Person wahrnehmbaren, und (b) in einer subjektiven, d.h. in einer nur aus der Perspektive der 1. Person wahrnehmbaren.
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Re: Leib-Seele-Problem

Beitragvon Underachiever » Mo 24. Sep 2007, 11:12

Welcher philosophischen Richtung würdet ihr euch zuordnen, um das Leib-Seele-Problem zu lösen?
Das Leib-Seele Problem setzt als Selbstverständlichkeit voraus, dass es so etwas wie eine Seele gibt. Nach der Lektüre von Susan Blackmores "Macht der Meme" erscheint mir(?) das nicht mehr selbstverständlich ("Selbstplex").

Keine Seele - kein Leib-Seele Problem. So "einfach" ist das.

Ist zwar nur eine Theorie, aber memtechnisch gesehen alles andere als unplausibel.
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