Buchtitel - Was ist noch erträglich?

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Buchtitel - Was ist noch erträglich?

Beitragvon Ari » Mi 21. Nov 2007, 16:37

Hallo,

immer wieder sehe ich Bücher deren Titel mir aufgrund von Verdrehungen, Überzogenheit oder Verstellung den Magen umdrehen. Daher wollte ich einmal im Forum anfragen was ihr den noch für erträglich haltet. Wo sind die Grenzen zwischen "reißerischen" Titeln und Beleidigungen bei euch?

Vieleicht bin ich einfach auch nur zartbeseitet, aber ich wollt einmal ausloten wie ihr das seht.

Ich fang einmal mit einem Buch an das ich heute gesehen hab:

Heinen: Gottlos, schamlos, gewissenlos - Zum Osteinsatz der Ordensburg-Mannschaften

-> Ein ganz neues Buch das sich mit den NS-Ordensburgen zur Ausbildung einer nationalsozalistischen Führungselite beschäftigt. Wie der Untertitel schon sagt geht es um den Osteinsatz dieser fanatischen Absolventen/Teilnehmer der Ordensburgen, speziell der Ordensbrug Vogelsang.
Der Titel stammt aus einem Zitat aus dem sechsten Flugblatt der Widerstandsgruppe Weiße Rose aus dem Februar 1943. Ganzer Text: "Eine Führerauslese, wie sie teuflischer und zugleich bornierter nicht gedacht werden kann, zieht ihre Parteibonzen auf Ordensburgen zu gottlosen, schamlosen und gewisssenlosen Ausbeutern und Mordbuben heran, zur blinden, studiden Führergefolgsschaft".
Das Buch gefällt mir soweit eigentlich gut, die Aufarbeitung der Ordensburgen wird langsam Zeit. Aber dieser aus dem Zusammenhang gerissene Titel stört mich sehr. Sicher haben diese Eigenschaften auf den NS-Führungsnachwuchs zugetroffen, aber kann man sie so zusamenhanglos als Buchtitel verwenden? Ich finde nicht! Impliziert er auf den ersten Blick doch nicht nur das sie gottlos, schamlos und gewissenlos waren sondern auch das diese Eigenschaften eine die Person abwertende moralische Gleichwertigkeit haben! Und da protestiere ich entscheiden dagegen!
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Re: Buchtitel - Was ist noch erträglich?

Beitragvon Max » Mi 21. Nov 2007, 17:58

Mit der Suggestion, die der Autor mit diesem Titel bewirken will, befindet er sich einfach im Unrecht. Erstens ist es einfach nicht wahr, dass Gottlosigkeit mit mangelnder Moral einher geht. Studien haben gezeigt, dass unter den Mitgliedern der Royal Society, also den führenden Wissenschaftlern des Commonwealth, über 90 Prozent an keinen Gott glauben, selbiges bei den Mitgliedern der National Academy of Sciences in den USA. Wenn es tatsächlich so wäre, dass der Unglaube an einen Schöpfer etwas mit Verbrechen und destruktivem Verhalten zu schaffen hat, müsste man von der intellektuellen Elite dieses Planeten erwarten, dass sie mordet, raubt und vergewaltigt.

Ebenfalls ist es einfach falsch zu sagen, die Nazis wären Agnostiker oder Atheisten gewesen. Hitler schildert in Mein Kampf, wie er nach seinem ersten großen politischen Erfolg auf die Knie fiel und den "Schöpfer des Universums" anbetete. Außerdem schildert er seine Person, als von Gott beauftragt. Führende Nazis wie Himmler haben Hitler auch immer wieder als einen gläubigen Katholiken beschrieben. Von den bedeutendsten Nazi-Verbrechern, KZ-Aufsehern und Generälen waren fast alle Christen. Während des Zweiten Weltkrieges und der Nazi-Herrschaft exkommunizierte die Katholische Kirche zahlreiche ihrer Mitglieder, weil sie die Kirche kritisiert hatten, wie auch in den Jahrhunderten davor schon, jedoch exkommunizierte sie nur einen einzigen Nazi-Verbrecher: Joseph Goebbels. Dies tat sie nicht wegen seiner abscheulichen Verbrechen, sondern weil er eine Protestantin geheiratet hatte -- die Katholische Kirche hat eben ihre Standards.

Die Unterstellung von Heinen ist jedoch noch in einer weiteren Hinsicht falsch. Das Nazi-Regime, ja totalitäre Regime allgemein sind in ihrer Struktur, ihrem Aufbau und ihrer Denkweise mit der Katholischen Kirche identisch. Die Katholische Kirche, wie auch die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts verfügen über einen Führer, dessen Machtanspruch und Autorität unfehlbar sind. Dies bestätigte Hitler sogar. Er meinte, dass er in politischen Angelegenheiten genauso Unfehlbarkeit besäße wie der Paps in Glaubensfragen. Weiterhin weisen beide die Immunisierung gegen jegliche Kritik auf. Kritiker der offiziellen Lehre werden entweder ausgeschaltet oder mundtot gemacht. Verbrechen gegen das Regime werden von der bloßen Tatenebene erweitert, nicht nur auf die Meinungsebene, sondern sogar auf die Ebene der Gedanken: Man verurteitl und tötet Menschn für Gedankenverbrechen (George Orwell).
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Re: Buchtitel - Was ist noch erträglich?

Beitragvon ostfriese » Mi 21. Nov 2007, 18:24

Das wäre so, als hätte Deschner seine "Kriminalgeschichte des Christentums" mit dem Co-Titel versehen: "Missionieren, Missbrauchen, Massakrieren".

Hm, vielleicht sollte er das zur Auflagensteigerung versuchen... :veg:
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