Menschenaffe schlägt Mensch

Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon pinkwoolf » Di 4. Dez 2007, 15:02

:ka:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 72,00.html

Der Spiegel-Bericht über eine japanische Untersuchung der Merkfähigkeit von Zahlenreihen wirft für mich eine interessante Frage auf: Was hat ein Schimpanse für einen evolutionären Vorteil davon, wenn er sich Zahlenreihen merken kann? Vermutlich denke ich hier als Nicht-Biologe viel zu naiv, aber es interessiert mich.
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon El Schwalmo » Di 4. Dez 2007, 15:28

pinkwoolf hat geschrieben::ka:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 72,00.html

Der Spiegel-Bericht über eine japanische Untersuchung der Merkfähigkeit von Zahlenreihen wirft für mich eine interessante Frage auf: Was hat ein Schimpanse für einen evolutionären Vorteil davon, wenn er sich Zahlenreihen merken kann? Vermutlich denke ich hier als Nicht-Biologe viel zu naiv, aber es interessiert mich.

vermutlich liegt eine Art 'photographisches Gedächtnis' vor. Angeblich gibt es so etwas beim Menschen in früher Kindheit auch, aber es wird im Lauf des Heranwachsens nicht belohnt oder gefördert und verkümmert daher bei den meisten Erwachsenen. Dasselbe gilt für das absolute Gehör, das kleine Kinder auch noch haben.

Wäre natürlich interessant, darüber zu spekulieren, ob es nicht gerade der Verlust bestimmter Leistungen ist, der die Ausbildung anderer ermöglicht.
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon stine » Di 4. Dez 2007, 16:05

Da es in der Tierwelt immer ums Futter und ums nackte Überleben geht, stehen diese Fähigkeiten sicherlich in unmittelbaren Zusammenhang damit. Vielleicht: Unter welches Blatt ist der Käfer gekrabbelt? Wo hat der Oberaffe sein Leckerli versteckt? Wo ist die Spinne hin? usw.

LG stine
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 4. Dez 2007, 16:15

Guter Gedanke ...
nur warum kann es nur das Affenkind? (und nicht die Mama?)

Des kleinen Affenkindes Nahrungsquelle versteckt sich nicht unter einem Stein, vielleicht geht es nur um "wo ist die Mama hin"?
Oder sollte das große Affenkind was können, was es quasi nie wirklich braucht (Mama hilft schon beim Käfer suchen), als kleines Kind nicht gekonnt hat und nachher wieder verliert?
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon ostfriese » Di 4. Dez 2007, 17:50

Der Schluss, Schimpansen seien intelligenter als Menschen, ist natürlich mehr als gewagt.

Während meines Zivildienstes "musste" ich im Kindergarten desöfteren beim "Memory" gegen Kinder antreten, die überhaupt nichts davon hielten, die Karten in Reih und Glied anzuordnen. Es war für sie völlig unwichtig, während ich ohne Verknüpfung der Bilder mit abstrakten Inhalten (Rand, Mitte, Spalte, Zeile, Nummer) hoffnungslos ins Trudeln geriet.

Offenbar reservieren wir unser Bewusstsein mit wachsendem Alter für abstrakte Operationen. Piaget hat ja die kognitiven Entwicklungsstufen des Menschen beschrieben, ich entsinne mich aber nicht, ob er bereits den damit einhergehenden Verlust von Fähigkeiten gesehen hat.

Interessant wäre auch die Frage, ob man durch alternative Lernzugänge etwa Legasthenie mildern könnte (indem man z.B. mit Buchstaben im Anschauungsraum hantiert).

Unser Gehirn jedenfalls ist als Gedächtniskapazität praktisch unerschöpflich, verfügt über ein atemberaubend schnelles limbisches System und kann bei entsprechendem Training viel mehr, als wir ihm zutrauen.
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 4. Dez 2007, 19:40

An Memory habe ich auch denken müssen. Und ich schätze anders haben es die Äffchen auch nicht gesehen, während die Studenten abstrahierend eben dies gesehen haben, von dem der Artikel spricht: Zahlen. Kleine Kinder (und wohl auch die Affen) sehen da nur Symbole, Bildchen. Die haben keinen Wert, keine Bedeutung, keine Assoziation, nichts.
Kleine Kinder - um Ostfrieses Memory-Beispiel aufzugreifen - haben wohl (eigene Beobachtung und der imaginäre? Versuch der Erinnerung) Gesamtbilder ("Photos") ohne weiteren Wert im Kurzzeitgedächtnis, für "Erwachsene" liegt die Orange in der dritten Reihe als fünftes Bild von rechts, oder war es das sechste Bild? Oder war es die Zitrone?
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon El Schwalmo » Di 4. Dez 2007, 20:01

zu meiner Spekulation (muss etwas verschwinden, damit etwas anderes auftreten kann) fällt mir noch was ein: Krabbeln. Ganz kleine Kinder krabbeln sehr geschickt mit hervorragender Koordination. Wenn sie laufen können, sieht das Krabbeln nie mehr so elegant aus.
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon ostfriese » Di 4. Dez 2007, 20:02

1von6,5Milliarden hat geschrieben:für "Erwachsene" liegt die Orange in der dritten Reihe als fünftes Bild von rechts, oder war es das sechste Bild? Oder war es die Zitrone?

Es war der Pfirsich, den man zuerst aufdeckt, weil man sich dieser "Orange" nicht ganz sicher war. Und wenn man dann den Pfirsich-Partner sucht, erinnert man sich, eine rotgelbe Rundfrucht doch schon gesehen zu haben. Auf diese Weise findet man dann einen der beiden Äpfel. Und zwar den, der noch nicht aufgedeckt wurde... ;D
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon pinkwoolf » Di 4. Dez 2007, 20:30

Ob der Test wohl anders ausgesehen hätte, wenn man statt Zahlen verschiedene Früchte benutzt hätte? Hätten sich da die Studenten noch mehr blamiert?
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon stine » Mi 5. Dez 2007, 08:52

Bei Memory gewinnt immer der, der die beste "Intuition" hat. Wenn man erstmal anfängt zu überlegen, in welcher Reihe, die wievielte Karte, und sich das bei drei oder vier Paaren merken soll.... oh, oh!

Ist also Intuition das Zauberwort?
Geht sie durch Wissen verloren?
Wie Krabbeln durch Gehen?

LG stine
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon ostfriese » Mi 5. Dez 2007, 15:39

Die Geschwindigkeit, mit der wir die Daten verarbeiten, geht verloren, sobald wir in starkem Maße das Bewusstsein beanspruchen.

Allein die Tatsache, dass wir für die Zahlen Wöter kennen und diese unweigerlich "mitdenken", benachteiligt uns gegenüber den Affen. Desweiteren dringt uns bei der Beschäftigung mit Zahlen mehr als nur die "Kleiner-als"-Relation ins Bewusstsein. Wir können "ist Teiler von", "ist Vielfaches von" oder "ist Potenz von" nie ganz absschalten, wenn wir erst einmal davon Kenntnis haben. Im Vergleich zu den Schimpansen denken wir also zu viel.

Dabei wären wir am schnellsten, wenn wir nur unser limbisches System arbeiten ließen. Wenn die Hand automatisch in 1-2-3-4-5-6-7-8-9-Reihenfolge über den Bildschirm raste, erledigten wir die Aufgabe buchstäblich "im Schlaf", unser Bewusstsein wäre nicht mehr erforderlich.

Auch bei der Auffassung der Symbolverteilung auf dem Schirm stören uns gleich mehrere Probleme. Zum einen, dass die bildliche Detail-Wahrnehmung aus unserem Bewusstsein so gut wie verbannt wurde; wir filtern praktisch nur Muster und Gestalten heraus und vernachlässigen Einzelheiten. (Randbemerkung: Aus diesem Grunde haben Test-Items, bei welchen der Proband unerwartet nach Einzelheiten eines Bildes oder einer Bildfolge gefragt wird, in Intelligenztests nichts zu suchen.)

Zum anderen, dass wir die soeben gesehene Anordnung nicht schnell genug überschreiben. Das letzte Bild bewirkt eine Voreinstellung unseres Bewusstseins, eine Erwartungshaltung, deren Löschung Zeit kostet und uns sogar unter Stress setzt. Der weniger intelligente, nicht so stark auf Mustersuche fixierte Schimpanse dagegen dürfte erst dann ein Problem bekommen, wenn fünf- sechsmal dieselbe Verteilung auf dem Schirm erschiene und danach plötzlich wieder eine andere aufleuchtete.

Alle Spekulationen ohne Gewähr.
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon jan » Mi 5. Dez 2007, 15:52

Eine Analyse der jeweils beteiligten Hirnteile bei dem Experiment wäre für eine genauere Analyse der Experimente sicher sehr interessant.
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Re: Menschenaffe schlägt Mensch

Beitragvon [C]Arrowman » Do 6. Dez 2007, 14:28

Vllt. ermöglich ein gewisser Geisteszustand einen schnelleren Zugriff auf das Kurzzeitgedächtnis.

Wie der Dichter Keats es ausdrückte: "... dazu imstand, in Ungewissen Zweifeln und Rätseln auszuharren, ohne ungeduldig nach Tat- und Ursache zufragen." (Hab ich aus Das Magische Messer von Philip Pullman)

Leute mit Inselbegabungen habe eine solche Fähigkeit. Wenn die große Zahlen ausrechnen steckt da meist kein logisches Denken dahinter, sondern eher es ist eher so das die Antwort einfach auf sie zukommt.
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