Qubit hat geschrieben:Nun, wir hatten uns darauf "geeinigt", dass "Gott" als "Transzendentes" eine Vorstellung im Gehirn ist.. deines, meines, welches auch immer.
Nein, hatten wir nicht. Wir waren uns vielleicht einig darüber, dass es Gottesvorstellungen gibt. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, ob diese Gottesvorstellungen Facetten
einer Gottesidee sind - was ich stark bezweifle, wenn ich hier so lese, was da alles geäußert wird über den Gott des Alten Testaments, o.ä. Und wir waren uns anscheinend auch nicht einig darüber, dass eine transzendente Wesenheit, die jeden Verstand übersteigt, unmöglich mit der Vorstellung von ihr in eins fallen kann, weil sie sich logischerweise nicht vorstellen, sondern allenfalls symbolhaft repräsentieren lässt.
Das wird weiter unten wichtig.
Qubit hat geschrieben:Ich _glaube_ (im Sinne meines Verständnis von "Transzendentem"), mehr ist da nicht als diese Vorstellung, du _glaubst_ da wäre mehr (im ontischen Sinne). Wieso du dies _glaubst_ ist für mich ein wissenschaftliches Phänomen, kein religiöses. Aus naturalistischer Sicht bist du das Phänomen, nicht "Gott".
Dieses Problem sollte Dir weniger Sorge bereiten, denn der einzige Grund, warum meine Gottesannahme phänomenal ist, besteht darin, dass Naturalisten
per apriorischer, dh vor aller Erfahrung liegender, willkürlicher Entscheidung Gott nur für eine Vorstellung halten.
Man kann diese Entscheidung ja treffen, nur stellen diejenigen, die das nicht tun, deshalb noch kein wissenschaftliches Phänomen dar.
Viel phänomenaler ist vielmehr die entgegenlaufende Überlegung: Wieso Menschen überhaupt begannen, die Existenz von Mächten anzunehmen, die sie sich gar nicht vorstellen konnten, obwohl es angeblich doch überhaupt keinen Grund dafür gab.
Schon allein dieser Nachsatz: Dass es für die Existenz solcher Wesen überhaupt keinen Grund gäbe, sollte Anlass geben, die eigenen Festlegungen des Naturalismus zu hinterfragen, weil er nach Beweisen schreit und nicht nach Axiomen, oder wie Du es bezeichnest: als Deinen Glauben.
Im Klartext: Das atheistische Apriori des Naturalismus versetzt ihn selbst in ein erkenntnistheoretisches Vakuum. Ab einer bestimmten Begründungsstufe kommt nichts mehr. Dort, wo in operativer Hinsicht "Gott" anzusiedeln wäre, herrscht einfach, wie Schelling es ausdrückte, Stillstand im Denken.
Und das unterläuft einem Erkenntnissystem, das sich ganz und gar dem vernünftigen Denken ergeben hat und das religiösen Glauben für ein seltsames Phänomen hält!
Qubit hat geschrieben:Wobei es freilich auch Religiösität geben kann, die man nicht auf transzendente Ideen zurückführt und die im naturalistischem Sinne als "Naturreligionen" bezeichnet werden können (Beispiele wären vielleicht Spinoza oder in etwa östliche Religionen). Enthalten diese keine transzendenten Ideen, dann ist aber einfach Gott=Natur. In diesem Falle ist die "Gottesidee" aber einfach identisch mit den naturwissenschaftlichen Ideen, die sich ontisch durchaus falsifizieren lassen
Ontisch lässt sich Spinozas "Substanz" nicht falsifizieren, aber metatheoretisch ist sie schon falsifiziert worden, zB von Schelling, der herausfand, dass Gott kein Objekt sein kann.
Grüßle,
FF