Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Mi 9. Jul 2008, 11:50

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Nicht der Mensch findet Gott, sondern Gott findet den Menschen: Die klassische Weise, dass Menschen zum Glauben kommen, besteht darin, dass sie eine sehr individuelle und berührende Erfahrung gesammelt haben, die sie als Handeln Gottes empfinden.


Nichts für ungut, aber das sind typisch theologische Sätze, angesichts deren vor meinem inneren Augen lauter Fragezeichen auftauchen.
Vielleicht liegt es an meinem beschränkten Vorstellungsvermögen, aber ich weiß nicht, was das für Erfahrungen sein sollen, die manche als "Handeln Gottes" an ihnen deuten.


Tja Myron,
wir, Naturalisten, sind eben nur Menschen 2. Klasse. "Gott" hat uns wohl nicht lieb ;-)
Die Ansicht
* Alle menschlichen Gedanken und Vorstellungen sind rein menschlich
* Der Mensch ist ein natürliches Wesen, ohne "ontischen" Bezug auf einen "irrationalen Seinsgrund"
ist da nun wirklich zu profan für die "Auserwählten" =)

"Always Look On The Bright Side Of Life" ;-)
Benutzeravatar
Qubit
 
Beiträge: 520
Registriert: Fr 29. Jun 2007, 15:44

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon emporda » Mi 9. Jul 2008, 12:16

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nunja - jede Erfahrung wird in unterschiedlichen Hirnarealen verarbeitet, und zwar individuell unterschiedlich. Je nachdem, welche Voraussetzungen bei einem Menschen vorhanden sind, werden von verschiedenen Individuen die gleichen Erfahrungen unterschiedlich verarbeitet.
Die 2 betroffenen Hirnareale sind bei allen Menschen gleich. Die mit Vertrautheit und Gefühl korrelierten frontparietale Region oberhalb der Stirn wird aktiviert, geht es um frei fabrizierte „Erinnerungen“ und erfundene „Fakten“. Die mit realem Erkennen korrelierten medialen Temporallappen (MTL) seitlich bei den Ohren werden aktiviert, geht es um wirkliche Erlebnisse und Bilder von außerhalb. Was die Menschen unterscheidet, das ist der vorher gespiecherte Inhalt und das was nach der Bearbeitung dabei raus kommt

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Darum ist es ein sehr schwieriges Unterfangen zu beurteilen, welcher Mensch in der "richtigen" Realität und welcher in einer Scheinrealität lebt. Das entscheidet sich doch am ehesten in den Auswirkungen seines Handelns. Und diesbezüglich spielt mE der tägliche, im Schnitt vierstündige Konsum der Verblödungsglotze eine erheblich größere Rolle als der wöchentliche Kirchgang.
Das sehe ich genau so und denke mit Schrecken an meine Schwiegermutter (87), die erlebt einen Weltuntergang wenn ihr täglicher seelischer Weichmacher als Schnulzenroman nicht in ausreichender Dosis eingeflößt wird.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:So schlimm kann es nicht sein, denn ich kenne einige Ex-ZJ's, und bei denen ist die geistige Beweglichkeit und Wachheit sowie eine sehr kritische bzw selbstkritische Haltung stark ausgeprägt. Mit anderen Worten: Was auch immer aufgrund von Zwang, Kontrolle, Manipulation und 'schleifenförmigen Realitäts-Immunisierungs-Mems' geistig wegtrat - es kehrte bereits wieder zurück, bevor die Trennung vom Wachtturmsverlag überhaupt vollzogen war. .
Da sieht die Realität anders aus:
http://http//forum.sektenausstieg.net/i ... board=18.0
Die vielen Mitglieder sind alle ausgetreten (worden), aber noch weit weg von der Normalität. Allein die Überschriften der Threads sprechen Bände, das ist reinste ZJ-Rethorik. In den Beiträgen wird endlos die "Neue-Welt-Bibel" zitiert, wie das liebe Jesulein uns durch Leben führt und in der Zeit der Drangsal beisteht usw. usw. Alles was sich bei diesen Menschen veränderte ist die Tatsache, daß sie den Königssaal nicht mehr betreten (dürfen), der Rest ist uneingeschränkter brain-wash im besten ZJ-Stil

Fisherman's Fellow hat geschrieben: Es hängt nicht an der Religion. Meiner Meinung nach entsteht die gedankliche Basis für das von Dir (imho zurecht) als schädlich dargestellte Phänomen immer, wenn man ein metaphysisches oder quasi-metaphysisches Feindbild entwickelt - ganz gleich, ob man diesen Feind nun Satan, Kapitalist, Bolschewik, Antichrist, Gott, oder auch 'böses Mem' nennt.
Man wittert den Feind überall; durch jede Ritze kann er schleichen, und eh man sichs versieht, hat er wieder ein Stück der Gehirne der gesamten Bekanntschaft verseucht. Also 'kämpft man mit Speeren und Schwertern gegen Geister', und im Bewußtsein des Ungenügens dieser Methode steigert sich die Paranoia weiter.
Was gibt da eine Fernsehdiskusion noch für einen Sinn, die überzeugten Verteter der verschiedenen Interessengruppen wie etwa Kirche, Politik, Gewerkschaft, freie Wirtschaft usw. haben gar keine eigene Meinung, sie wissen vielfach nicht einmal was das ist. Es wird nur leeres Stroh verschiedenster Herkunft gedroschen - nachzulesen in Parteiprogrammen, Enzyklien, Streikaufrufen usw. - und irgenwann muß der Moderator genervt aufgeben mit "Ich danke Ihnen für dieses Gespräch"
Benutzeravatar
emporda
 
Beiträge: 1123
Registriert: Di 7. Aug 2007, 17:56
Wohnort: Begur-Spanien

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mi 9. Jul 2008, 13:09

Qubit hat geschrieben:Die Ansicht
* Alle menschlichen Gedanken und Vorstellungen sind rein menschlich
* Der Mensch ist ein natürliches Wesen, ohne "ontischen" Bezug auf einen "irrationalen Seinsgrund"
ist da nun wirklich zu profan für die "Auserwählten" =)

"Always Look On The Bright Side Of Life" ;-)


Nunja, solange man mit der selbstwidersprüchlichen Scheuklappe, dass alles Sein restlos rational sein müsse, durchs Dasein trabt, entgeht einem natürlich the brightest side of life.

Grüßle,
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mi 9. Jul 2008, 15:35

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Kannst Du das denn von physikalischen "Sachverhalten", bzw Sätzen behaupten?


Ja, da gibt es auch nur zwei Möglichkeiten: Bestehen oder Nichtbestehen.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Jede Theorie hat hypothetischen Chrarakter.


Wenn du damit meinst, dass es in den Naturwissenschaften kein unrevidierbares Wissen gebe, hast du recht.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ähnliches gilt für theologische Aussagen auf der Basis eines mythisch-religiösen Erfahrungshintergrundes. Weil spirituelle Erfahrungen weit stärker individueller, da subjektbezogener Natur sind, ist die Bandbreite an Theorien viel größer, aber sie alle beziehen sich auf Tatsachen - nicht empirischer, sondern spiritueller Natur - und sie beanspruchen, Wirklichkeitsbeschreibungen zu sein.


Die Wahrheit ist aber nicht subjektrelativ.

"Kann man ärger den Sinn des Wortes 'wahr' fälschen, als wenn man eine Beziehung auf den Urteilenden einschließen will!"

[Gottlob Frege: "Grundgesetze der Arithmetik" (Bd. 1, Vorw. XV+XVI)]

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Aber wir erleben sie verschieden. Und filtern - je nach Erfahrungsgrundlage - unterschiedliche Dinge heraus - die wir als unwichtig, irrelevant, irrig oder nichtexistent halten.


Gut, aber die Frage nach der Existenz Gottes ist nichtsdestotrotz eine objektive.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Die Frage lautet also: "Ist Gott Teil der Wirklichkeit?"

Auf der Basis eines religiösen Erfahrungshorizontes lautet meine Überzeugung (die wohl ebenso fest ist wie die Deine, dass der Weltgrund physischer Natur ist): Ja - Gott ist wirklich (nicht 'Teil der Wirklichkeit', als wäre sie das Umgreifende; sondern die Wirklichkeit ist in Gott, so dass er sich in allem Wirklichen offenbart).


Gott ist insofern Teil der allumfassenden Wirklichkeit, als es außer ihm ja noch viele andere Dinge gibt, die auch Teil der Wirklichkeit sind.
Den Satz "Die Wirklichkeit ist in Gott" verstehe ich leider nicht.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Glossolalie, Gesangs-, Gebetscluster, Brucknersymphonien, all das können spirituelle Äußerungen sein.
Müssen aber nicht. Es hängt - wie bei physikalischen Messungen - von einer Reihe von Vorbedingungen ab. In jedem Fall hat sie eine mythisch-religiöse Erfahrungsbedingung zur Voraussetzung.


Geht es bei den "mystisch-religiösen Erfahrungsbedingungen" nicht einfach um bestimmte natürliche Stimmungen, die nicht in sich spezifisch religiös sind, sondern nur mit religiösem Vokabular ausgedeutet werden?

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Die beste Einführung, die ich gelesen habe, stammt von Adolf Holl und trägt den Titel: "Mystik für Anfänger". Aber es ist nicht jedermanns Sache. Gut zu lesen, aber eine echte Herausforderung für einen analytischen Philosophen.


Wenn es gut zu lesen ist, dann freut das den analytischen Philosophen schon mal.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:"Gott" - nicht "Geist". Es gibt kein Surrogat für 'Gott'. Unter "Geist" versteht man in der Theologie das, was auf die Welt wirkt, was sie gestaltet und überhaupt hervorbringt.


Mit "Gott ist ein Geist" ist gemeint, dass Gott eine immaterielle Seelensubstanz ist ("Substanz" im metaphysischen, nicht chemischen Sinn).

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wie 'Geist' und 'Gott' zueinander stehen, entzieht sich jeder Reflexion.


Von wegen, für die Theologen ist Gott ein Geist.
Wir haben es hier mit der logischen Beziehung des Fallens eines Gegenstandes (= Gott) unter einen Begriff (= "Geist") zu tun (= Subsumption).

Aber ich weiß, dass es viele Theologen lieben, wenn möglichst alles ein unerklärliches Mysterium bleibt. Ein Beispiel:

"Selbstverständlich ist der Satz 'Gott ist Person' nur dann von Gott aussagbar und wahr, wenn wir diesen Satz indem wir ihn sagen und verstehen, entlassen in das unsagbare Dunkel des heiligen Geheimnisses."
(Karl Rahner: "Grundkurs des Glaubens", S. 82)

Na dann gute Nacht, meine Herren Theologen ...!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Die "Spiritualität Gottes" ist ein mir neuer Begriff; ich halte ihn für nicht glücklich gewählt, weil er suggeriert, dass Gott ein immaterielles Geistwesen sei.


Ganz genau, denn nichts anderes ist er dem Theismus zufolge!
Wenn man von der reinen Geistlichkeit Gottes spricht, dann kommt darin zum Ausdruck, dass er ein absolut hyperphysisches, d.i. unräumlich-unstofflich-unkörperliches Wesen ist.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wenn das jemand für Kauderwelsch oder so hält, nebbich - sind halt theologische Aussagen auf der Basis einer ganz anderen Erfahrungsmöglichkeit: Faithtalk. Muss man als Naturalist nicht verstehen können.


Aha, "faith talk", den Ausdruck kannte ich noch gar nicht.
Ich könnte jetzt sarkastisch zurückfragen, ob es sich dabei um ein Synonym von "nonsens" handelt.
Ich fürchte nur, dass die meisten Gläubigen ihren eigenen abstrusen "faith talk" nicht verstehen.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wenn Gott - oder auch der Weltgrund - nicht wirklich alles übrige in sich schließt ("Jenseits" ist da auch falsch - es fehlen schlicht die Worte), alle Begriffe und auch die Regeln, sie anzuwenden - dann ist es kein "Grund", sondern nur ein Dummy, ein Götze, ein Strohmann.


Wie kann ein nulldimensionales, d.i. ausdehnungsloses, Wesen wie Gott irgendetwas in sich schließen? Er hat ja keinen Körper, der etwas in sich aufnehmen kann.
Auf diese Frage können auch die Panentheisten keine logische Antwort geben, für die die natürliche Welt ein Teil Gottes ist.
Wie kann eine ausgedehnte Welt in einem unausgedehnten Gott sein, von ihm umfasst werden?
(Ein Punkt kann keine Kugel umfassen, enthalten.)

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Die Erfahrungen sind total unterschiedlich. Zwei Beispiele: Ich habe aus einer Vielzahl von Einzelereignissen vermittelt bekommen, dass Gott amoralisch ist (dh keine bestimmten ethischen Regeln abfordert), sondern dass es in die Richtung geht von 'ama et fac quod vis', und diese Erfahrungen im Neuen Testament bestätigt gefunden.


Aber die Annahme der Allgütigkeit Gottes ist doch für den Theismus absolut wesentlich.
Die ganze theistische Theologie basiert auf dem Glauben, dass Gott vollkommen gut, d.h. in höchstem Maße moralisch ist.
Ein moralisch indifferenter Gott kann doch wohl kaum ein würdiger Gegenstand religiöser Verehrung und Anbetung sein, oder?

Allerdings ist in der Bibel zu lesen:

... der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der HERR, der dies alles tut."
(Jes. 45:7)

Gott scheint also doch für das Böse in der Welt persönlich verantwortlich zu sein, was der Annahme seiner Allgütigkeit widerspricht.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Ich würde es so formulieren: "Gott, der himmlische Vater hat die Welt erschaffen und alles, was darin ist. Er ist mir freundlich zugeneigt und achtet auf mich."
Reine Existenzaussagen (über Gott) sind unwichtig.


Der Satz "Gott, der himmlische Vater hat die Welt erschaffen und alles, was darin ist, und er ist mir freundlich zugeneigt und achtet auf mich" kann aber nur dann wahr sein, wenn Gott als ein himmlischer Vater, der die Welt erschaffen hat, dir freundlich zugeneigt ist und auf dich achtet, existiert.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
(...) All dies ist wiederum 'Faithtalk' - es ergibt sicher keinen Sinn, diese Sätze unter der Vorgabe einer rational-wissenschaftlichen Erfahrungsbasis zu deuten.


Kennzeichnend für den "faith talk" ist also, dass nicht gemeint ist, was gesagt wird, und es offen bleibt, was eigentlich gemeint ist?
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mi 9. Jul 2008, 15:38

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Mit "physisch" meine ich "sachlich-unseelisch".

Und die physikalische Naturordnung als Potential irgendwie in sich begreifend, nehme ich an.


Um es geschwollen auszudrücken, die Natur besitzt die Fähigkeit zur autonomen evolutionären Selbstorganisation.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Oder würdest Du solchen Wesen auch nach einem solchen Nachweis keine Realtiät zubilligen?


Wenn sich der Begriff "immaterielle Seelensubstanz" als logisch stimmig erweisen sollte und es gelänge, die Existenz von Dingen wissenschaftlich nachzuweisen, die darunter fallen, dann würde ich dem Naturalismus bzw. Materialismus abschwören und zum Supernaturalisten werden.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Was alles andere bestimmt, kann selbst nicht bestimmt werden.


"Faith talk", stimmt's? ;-)

Es gibt zwar einige Begriffe, die man als "semantisch primitiv" bezeichnen kann, weil sie sich praktisch durch keine anderen Begriffe sinnvoll definieren lassen. Dazu zählt beispielsweise der logische Begriff der Identität.

Aber zunächst einmal ist es so, dass im Deutschen "Gott" einmal als Begriff und einmal als Eigenname verwendet wird. (Im Englischen ist der Unterschied durch Großschreibung sofort erkennbar: "god" als Begriff und "God" als Eigenname.)
Es gibt keine semantisch primitiven Eigennamen, d.h. ein Gegenstand namens "Gott", der völlig uncharakterisiert, unbestimmt bleibt, ist, wie schon mehrmals gesagt, ein reines Nichts.
Und dass der Begriff "Gott" semantisch primitiv ist, wird kein Linguist bejahen.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ist das nicht eine zwingende Schlußfolgerung?
Darum sagt Schelling, dass dieser Seinsgrund überhaupt kein Objekt (der wissenschaftlichen Erkenntnis) sein kann.


Ob es der Physik tatsächlich jemals gelingen wird, endgültig herauszufinden, "was die Welt im Innersten zusammenhält", ist freilich eine offene Frage.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mi 9. Jul 2008, 15:44

emporda hat geschrieben:Die 2 betroffenen Hirnareale sind bei allen Menschen gleich. Die mit Vertrautheit und Gefühl korrelierten frontparietale Region oberhalb der Stirn wird aktiviert, geht es um frei fabrizierte „Erinnerungen“ und erfundene „Fakten“. Die mit realem Erkennen korrelierten medialen Temporallappen (MTL) seitlich bei den Ohren werden aktiviert, geht es um wirkliche Erlebnisse und Bilder von außerhalb. Was die Menschen unterscheidet, das ist der vorher gespiecherte Inhalt und das was nach der Bearbeitung dabei raus kommt

:kaffee2: Meines Wissens ist der MTL nur eine Art Schaltstelle, in der selbst aber nichts gespeichert wird, während die frontparietale Region das Belohnungssystem enthält, wo also Erinnerungen mit "Bedeutung" verknüpft, oder, wie manche Psychologen sagen würden: in Gestalten eingeschlossen werden. Die Erinnerungen an Ereignisse selbst scheinen ganz woanders (zB in den anterolateralen Temporallappen) zu sitzen.
Generell scheint es so zu sein, dass das menschliche Hirn gespeicherte Erinnerungen filtern muss, um eine irgendwie geartete Harmonie herzustellen, denn ein ungefiltertes Erinnerungsvermögen würde in den Wahnsinn treiben.

Mich würde mal interessieren, wie in Deinem Beispiel zwischen tatsächlichen und fabrizierten Erinnerungen unterschieden wurde. Mir ist ein Versuch bekannt, wo den Probanden von Verwandten Ereignisse eingeredet wurden, die gar nicht stattgefunden hatten, die dann halt mangels Erinnerungsdaten von den Hirnen der Probanden mit Details aus vermutlich ähnlichen Ereignissen "aufgefüllt" wurden.
Hast Du da genaue Referenzen über den Ablauf der Versuche, auf die Du Dich beziehst?

fragt
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon stine » Mi 9. Jul 2008, 16:02

Myron hat geschrieben:Wenn sich der Begriff "immaterielle Seelensubstanz" als logisch stimmig erweisen sollte ... dann würde ich dem Naturalismus bzw. Materialismus abschwören und zum Supernaturalisten werden.
Dann könnte es eventuell zu spät sein! :wink:

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Aeternitas » Mi 9. Jul 2008, 16:13

Wenn er sich als bewiesen und logisch stimmig erweisst dann ist er mit dem Naturalismus aber Vereinbar. Supernaturalismus wäre es ja nur wenn es nicht zu Verstehen bzw. logisch beweisbar ist.
Benutzeravatar
Aeternitas
 
Beiträge: 339
Registriert: Sa 16. Jun 2007, 22:49
Wohnort: Hamburg

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon emporda » Mi 9. Jul 2008, 17:14

Fisherman's Fellow hat geschrieben:[Hast Du da genaue Referenzen über den Ablauf der Versuche, auf die Du Dich beziehst?

Ich bin am suchen
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 29,00.html

Nebenbei ein Hinweis
http://www.newscientist.com/channel/bei ... moves.html
http://www.nature.com/neuro/journal/v11 ... EAC9AA5570
Im Artikel von Ewen Callaway geht es darum, dass unsere sogenannten bewußten Entscheidungen vorher unbewußt getroffen wurden. Also offensichtlich nix mit freiem Willen, so wie wir ihn bisher verstanden haben - ich fange an zu denken und entscheide dann. Es ist eher so, das Gehirn fängt etwa 10 Sekunden vorher an zu denken und teilt dem Bewußtsein das Resultat irgenwie mit

Was jetzt noch fehlt ist jemand, der feststellt Gott hat meinem Gehirn mitgeteilt es soll das und das denken und mich etwas verzögert mit dem Resultat überraschen - verdammt noch Mal wo steht das doch in der Bibel. Die sind doch so gut in der Wissenschaft. Wenn bei der Fortpflanzung gestreifte Stäbe in der Tränke, liegen, dann werden gestreifte Tiere gezeugt - sagt der Heilige Geist.
Zuletzt geändert von emporda am Mi 9. Jul 2008, 18:01, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
emporda
 
Beiträge: 1123
Registriert: Di 7. Aug 2007, 17:56
Wohnort: Begur-Spanien

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mi 9. Jul 2008, 17:48

stine hat geschrieben:Dann könnte es eventuell zu spät sein! :wink:


Du meinst, dann wird meine arme Seele längst im Höllenfeuer schmoren? :devil:
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mi 9. Jul 2008, 18:08

Myron hat geschrieben:Gut, aber die Frage nach der Existenz Gottes ist nichtsdestotrotz eine objektive.

Gewiss, aber genau darum muss man sie sehr ernsthaft und bis zum bitteren Ende durchdenken und darf sich nicht damit abfinden, dass jemand behauptet hat, er sei ein überdimensioniertes Schlossgespenst.
Auf die Weise hat man sie zwar schnell vom Tisch, aber gelöst ist sie 'objektiv' nicht.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Die Frage lautet also: "Ist Gott Teil der Wirklichkeit?"

Auf der Basis eines religiösen Erfahrungshorizontes lautet meine Überzeugung (die wohl ebenso fest ist wie die Deine, dass der Weltgrund physischer Natur ist): Ja - Gott ist wirklich (nicht 'Teil der Wirklichkeit', als wäre sie das Umgreifende; sondern die Wirklichkeit ist in Gott, so dass er sich in allem Wirklichen offenbart).


Gott ist insofern Teil der allumfassenden Wirklichkeit, als es außer ihm ja noch viele andere Dinge gibt, die auch Teil der Wirklichkeit sind.
Den Satz "Die Wirklichkeit ist in Gott" verstehe ich leider nicht.

Wundert mich nicht, denn das war, wie ich oben anzeigte, vor dem Hintergrund religiös-mythischer Erfahrungsvoraussetzungen gesprochen.
Ich werde dies in Zukunft unterlassen, da ich den Eindruck habe, dass dies nur zur Verwirrung beiträgt.

Myron hat geschrieben:Geht es bei den "mystisch-religiösen Erfahrungsbedingungen" nicht einfach um bestimmte natürliche Stimmungen, die nicht in sich spezifisch religiös sind, sondern nur mit religiösem Vokabular ausgedeutet werden?

Man kann von "Deutung" sprechen, auch wenn diese bei tiefreligiösen Menschen intuitiv geschieht. Und es geht nicht (nur) um Stimmungen, sondern auch um Ereignisse.
So ist es ja auch bei wissenschaflicher Erfahrung: Auch sie wird erst durch Deutung auf der Basis von bestimmten Erfahrungsvoraussetzungen zu dem, was sie ist: Man muss lange die Schulbank drücken, bis all diese Voraussetzungen gegeben bzw entwickelt sind.


Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:"Gott" - nicht "Geist". Es gibt kein Surrogat für 'Gott'. Unter "Geist" versteht man in der Theologie das, was auf die Welt wirkt, was sie gestaltet und überhaupt hervorbringt.


Mit "Gott ist ein Geist" ist gemeint, dass Gott eine immaterielle Seelensubstanz ist ("Substanz" im metaphysischen, nicht chemischen Sinn).

Schon klar. Geht aber nicht. Was wäre das für ein Gott, der doch die Grundlage von allem ist, wenn er auf der Grundlage einer bestimmten Form von Substanz existieren müsste? Das ist doch eine contradictio in adiecto.

Myron hat geschrieben:Von wegen, für die Theologen ist Gott ein Geist.

Langsam nervts echt. Du debattierst seit Tagen mit einem von denen, und dann schreibst Du solch einen Satz!
Es - stimmt - nicht - dass - Gott - 'ein' Geist - ist!
Wenn es Geister geben sollte und Gott der Ursprung von allem ist, wie kann er dann unter diese - bzw irgendeinen - Gattungsbegriff fallen? - Contradictio in adiecto!

Myron hat geschrieben:Wir haben es hier mit der logischen Beziehung des Fallens eines Gegenstandes (= Gott) unter einen Begriff (= "Geist") zu tun (= Subsumption).

Und ich versuchte im letzten Posting deutlich zu machen, dass dies nicht der Fall ist, sondern dies etwa so zu verstehen ist, wie wenn ich sage: "Gesprochene Worte sind Schallwellen."

Myron hat geschrieben:Ganz genau, denn nichts anderes ist er dem Theismus zufolge!

Bist Du der Christ oder ich?

Myron hat geschrieben:Aha, "faith talk", den Ausdruck kannte ich noch gar nicht.

Meine Wortschöpfung. Ist wesentlich einfacher zu formulieren als jedesmal "spirituelle Begrifflichkeit auf der Basis von religiös-mythischer Erfahrungsvoraussetzungen" zu schreiben.
Analog dafür gips auch den "reason talk". (Und noch andere 'talks', aber das gehört nicht hierher)

Myron hat geschrieben:Ich könnte jetzt sarkastisch zurückfragen, ob es sich dabei um ein Synonym von "nonsens" handelt.

Aus der Perspektive des "reason talk" bestimmt.
Stelle Dir vor, Du hast Dein Leben im Dschungel ohne jeden Kontakt zur Zivilisation verbracht, und dann kommst Du an eine überwucherte Dschungelstraße und siehst dieses Schild: Bild
"Traffic talk."

Myron hat geschrieben:Ich fürchte nur, dass die meisten Gläubigen ihren eigenen abstrusen "faith talk" nicht verstehen.

Es klappt ganz gut. :^^: Fachchinesisch gibts aber überall.

Myron hat geschrieben:Wie kann ein nulldimensionales, d.i. ausdehnungsloses, Wesen wie Gott irgendetwas in sich schließen? Er hat ja keinen Körper, der etwas in sich aufnehmen kann.

Eine solche Attributierung führt - genauso wie die Attributierung "physikalischer Weltgrund" zu einem Selbstwiderspruch. Denn ein Weltgrund begründet erst die Physik und kann nicht seinerseits physikalisch sein. Nur ein abgeleitetes, synthetisches x kann ein 'physisches' x sein.

Myron hat geschrieben:Aber die Annahme der Allgütigkeit Gottes ist doch für den Theismus absolut wesentlich.
Die ganze theistische Theologie basiert auf dem Glauben, dass Gott vollkommen gut, d.h. in höchstem Maße moralisch ist.

Was verstehst Du darunter?

Myron hat geschrieben:Ein moralisch indifferenter Gott kann doch wohl kaum ein würdiger Gegenstand religiöser Verehrung und Anbetung sein, oder?

Die Frage ist doch, was "moralisch" bedeutet. Dawkins weist zB in seinem Buch darauf hin, dass es verschiedene Arten von Moral gibt. Eine die mit absoluten Sätzen ("Du sollst...") arbeitet, und eine, die variablel ist (zB mit der Goldenen Regel als Grundsatz).
Im Buch Genesis spaziert Gott wie ein Gärtner durch seinen Garten Eden und freut sich, wie schön alles gewachsen ist (kurz bevor er sieht, was Adam und Eva angestellt haben). Er sieht dabei allerlei Blumen und Bäume, und wasweißich, und er freut sich darüber, dass diese Blume schön rot ist, aber er fordert nicht, dass alle Blumen rot sein müssen, sondern jede so einmalig, wie er sie schuf. Dies war meine Erfahrung: Jede und jeder so wachsen, wie er oder sie 'sind' - man sagt auch "Selbstverwirklichung" - ohne dabei zum Unkraut der anderen zu werden.

Grüßle,
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon stine » Mi 9. Jul 2008, 18:59

Myron hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Dann könnte es eventuell zu spät sein! :wink:


Du meinst, dann wird meine arme Seele längst im Höllenfeuer schmoren? :devil:

Nein, natürlich nicht, ich meinte, dann würde man es wissen und nicht mehr weitersagen können.
Da hülfe alle Erkenntnis nix mehr :mg: !
Wär für die Katz!

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mi 9. Jul 2008, 22:28

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Mit "Gott ist ein Geist" ist gemeint, dass Gott eine immaterielle Seelensubstanz ist ("Substanz" im metaphysischen, nicht chemischen Sinn).

Schon klar. Geht aber nicht. Was wäre das für ein Gott, der doch die Grundlage von allem ist, wenn er auf der Grundlage einer bestimmten Form von Substanz existieren müsste? Das ist doch eine contradictio in adiecto.


Wie angemerkt, mit "Substanz" ist in der Metaphysik ein selbstständiges Einzelwesen gemeint. Die Seelensubstanz Gott besteht natürlich nicht aus irgendeiner materiellen Substanz im chemischen Sinn.

"It appears that, broadly speaking, at least two kinds of substances are possible: (i) physical objects (typcially, bodies), and (ii) (nonphysical) souls. A physical object is a spatial substance: a substance that is located in space. A soul is a nonspatial substance that has mental properties; it is a substance which is not located in space and which is conscious, or at least capable of consciousness. Because God is a nonspatial conscious substance, God is a soul."

"Allgemein gesprochen, scheinen mindestens zwei Arten von Substanzen möglich: (i) physische Objekte (typischerweise Körper) und (ii) (nichtphysische) Seelen. Ein physisches Objekt ist eine räumliche Substanz: eine Substanz, die einen Ort im Raum hat. Eine Seele ist eine nichträumliche Substanz, die psychische Eigenschaften hat; sie ist eine Substanz, die keinen Ort im Raum hat und die bei Bewusstsein oder zumindest bewusstseinsfähig ist. Weil Gott eine nichträumliche bewusste Substanz ist, ist Gott eine Seele."
[meine Übers.]

(Hoffman, Joshua, and Gary S. Rosenkrantz. The Divine Attributes. Oxford: Blackwell, 2002. p. 39)

(Ob man Gott nun als eine Seele oder einen Geist bezeichnet, spielt praktisch keine Rolle.)

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Von wegen, für die Theologen ist Gott ein Geist.

Langsam nervts echt. Du debattierst seit Tagen mit einem von denen, und dann schreibst Du solch einen Satz!


Alle (mono-)theistischen Theologen, egal ob sie Juden, Christen oder Moslems sind, vertreten einhellig die Meinung, dass Gott ein nichtphysisches Wesen mit psychischen Eigenschaften ist; und so etwas nennt sich (reiner) Geist oder (reine) Seele!
Kennst du theistische Theologen, die behaupten, Gott wäre ein physisches/materielles Wesen mit psychischen Eigenschaften?!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Es - stimmt - nicht - dass - Gott - 'ein' Geist - ist!


O doch, das stimmt sehr wohl!
(Ich finde es witzig, dass ich als Atheist den Theisten ihre eigene Gottesvorstellung erklären muss.)

"Gott ist ein Geist." (Joh. 4:24) [Elberfelder 1905]

(Andere Übersetzungen lassen den unbestimmten Artikel weg, was aber nichts an der christlichen Betrachtung Gottes als eines reinen Geistes ändert. Übrigens, die lateinische Entsprechung von "Geist" ist "spiritus", und die griechische "pneuma".)

Wenn dein Gott kein Geist ist, was ist er dann?
Ein körperliches, in der Raumzeit lebendes, außerirdisches Lebewesen wohl kaum, oder?

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wenn es Geister geben sollte und Gott der Ursprung von allem ist, wie kann er dann unter diese - bzw irgendeinen - Gattungsbegriff fallen? - Contradictio in adiecto!


Da taucht keinerlei "contradictio in adiecto" auf!
Was willst du behaupten: dass Gott sich nicht begrifflich charakterisieren lässt?

Da fällt mir ein Spruch von Tersteegen ein:
"Ein begriffener Gott ist kein Gott."

Dumm nur, dass ein gänzlich unbegriffener Gott für uns ein absolutes Nichts ist—nicht einmal ein Gott!
(Bist du ein religiöser Nihilist, einer, der das Nichts vergöttlicht und anbetet...?)

Nun, du wirst mir doch sicher zustimmen, dass Gott zumindest unter den Begriff "Gott" fällt, da Gott ja ein Gott ist. Und nun geht es weiter mit der Frage, wie der Gott namens "Gott" beschaffen ist.
Außerdem, ein Gott, der sich nicht begrifflich charakterisieren ließe, fiele unter den Begriff "Gott, der sich nicht begrifflich charakterisieren lässt", und wäre damit kein Gott, der sich nicht begrifflich charakterisieren lässt. Folglich lässt sich jeder beliebige Gott irgendwie begrifflich charakterisieren!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Bist Du der Christ oder ich?


Als Christ solltest du wissen, was für ein Ding dein Gott ist!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Analog dafür gips auch den "reason talk".


Und der faith talk ist dann irrationaler Nonsens, oder wie?
(Das würde einiges erklären ...)

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Eine solche Attributierung führt - genauso wie die Attributierung "physikalischer Weltgrund" zu einem Selbstwiderspruch. Denn ein Weltgrund begründet erst die Physik und kann nicht seinerseits physikalisch sein. Nur ein abgeleitetes, synthetisches x kann ein 'physisches' x sein.


Häh, du siehst immer Widersprüche wo keine sind.
Zum Beispiel hat die Annahme eines ewigen, unverursachten physischen Energiefeldes, aus dem alle anderen physischen Phänomene hervorgehen, nichts Widersprüchliches an sich.
Die physische Realität ist sich selbst genug!
Wenn die Physik eines nicht nötig hat, dann ist es eine transzendentale, transphysische Weltursache.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Die ganze theistische Theologie basiert auf dem Glauben, dass Gott vollkommen gut, d.h. in höchstem Maße moralisch ist.

Was verstehst Du darunter?


Für die Theisten ist Gott als das vollkommene Wesen die Quelle aller Moral, der Garant ihrer objektiven Gültigkeit.
Er ist der oberste Richter, und er allein bestimmt, was gut und böse ist.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mi 9. Jul 2008, 22:38

Nachtrag...

Myron hat geschrieben:Allerdings ist in der Bibel zu lesen:

... der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der HERR, der dies alles tut."
(Jes. 45:7)

Das sollte man von einem Weltgrund wohl auch erwarten, oder?

Myron hat geschrieben:Gott scheint also doch für das Böse in der Welt persönlich verantwortlich zu sein, was der Annahme seiner Allgütigkeit widerspricht.

Von "Allgütigkeit" hast Du gesprochen. Das ist aber nur die übliche, aus dem Griechentum stammende Sitte, ein Attribut für göttlich zu halten, wenn man es nur ins Unendliche verlängert. Genauso, wie wenn Du dem "notwendigen Sein" eines Weltgrundes Ewigkeit zuschreibst, obwohl Du damit dem Weltgrund irgendwelche Begrifflichkeiten überordnest, was nicht zulässig ist, da es der Vorbedingung widerspricht, dass alles aus ihm abgeleitet zu sein hat.

Bezüglich der Güte Gottes gibt es eine klitzekleine Klausel:
ZB Ps 103,13
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.


Oder wie Jesus es ausdrückte: Lk 13,4f:
Meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle anderen Menschen, die in Jerusalem wohnen?
Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle auch so umkommen.


Myron hat geschrieben:Der Satz "Gott, der himmlische Vater hat die Welt erschaffen und alles, was darin ist, und er ist mir freundlich zugeneigt und achtet auf mich" kann aber nur dann wahr sein, wenn Gott als ein himmlischer Vater, der die Welt erschaffen hat, dir freundlich zugeneigt ist und auf dich achtet, existiert.

Als der, der sich denen offenbart, die sich an ihn halten, offenbart er sich als existent.

Aber da man dem Weltgrund/Gott nichts - rein gar nichts überordnen kann, kann ich ihm auch weder Existenz oder Nichtexistenz überordnen. Alles (!) ist dann aus ihm abgeleitet.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
(...) All dies ist wiederum 'Faithtalk' - es ergibt sicher keinen Sinn, diese Sätze unter der Vorgabe einer rational-wissenschaftlichen Erfahrungsbasis zu deuten.


Kennzeichnend für den "faith talk" ist also, dass nicht gemeint ist, was gesagt wird, und es offen bleibt, was eigentlich gemeint ist?

Genauso gemeint, wie es gesagt ist, aber unverständlich für Leute, denen die sprirituell-mythische Erfahrungsgrundlage fremd ist.

Grüßle,
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mi 9. Jul 2008, 23:12

Myron hat geschrieben:"Faith talk", stimmt's? ;-)

Nö. "Reason talk".

Myron hat geschrieben:Es gibt keine semantisch primitiven Eigennamen, d.h. ein Gegenstand namens "Gott", der völlig uncharakterisiert, unbestimmt bleibt, ist, wie schon mehrmals gesagt, ein reines Nichts.

Oh, ganz uncharakterisiert ist er ja - als Seinsgrund - nicht:
Rational gesprochen sieht es doch so aus: Meine Prämissen für zB die Physik (einheitlicher Weltzusammenhang, Gültigkeit von Logik, Kausalität usw sind vielleicht nützlich, aber empirisch nicht zu beweisen. Darum muss ich sie postulatorisch sozusagen in den leeren Raum hängen. Wie hängen sie aber - ontologisch - zusammen? Ich kann sie nicht empirisch (als Resultat der Evolution des Denkens) begründen, weil das eine petitio principii ergäbe. Darum brauche ich einen "Weltgrund" als Begründung meiner unbegündbaren Prämissen.
Nochmal: Der Zusammenhang der Einzeldinge der Welt lässt sich von meinen wissenschaftlichen Grundannahmen ableiten, und deren Zusammenhang vom Weltgrund, welcher alles, was sich überhaupt rational sagen lässt, in sich schließt.
Aber damit ist das Ende der Fahnenstange, der selbstevidente Ausgangspunkt allen rationalen Denkens erreicht.

Und er ist selbstevident, sobald ich versuche, eine Ontologie aufzustellen. Denn sobald ich einen solchen Grund leugne, weil ich ihn für überflüssig halte, zerfällt alles Weitere: Es ist nicht mehr möglich, nachzuweisen, dass meine ontologischen Prämissen einen Zusammenhang besitzten. Ich kann zwar auf den Alltag verweisen und sagen: "Guck doch, funktioniert doch alles bestens." Doch solch eine Begründung würde nur auf einem auf die conditio humana zugeschnittenen Utilitarismus beruhen - untauglich für eine Ontologie.

Myron hat geschrieben:Ob es der Physik tatsächlich jemals gelingen wird, endgültig herauszufinden, "was die Welt im Innersten zusammenhält", ist freilich eine offene Frage.

Nein, völlig ausgeschlossen. Denn - siehe oben -; die Prämissen der Physik stehen diesem Ziel im Wege. Ob sie dem entsprechen, was die Welt im Innersten zusammenhält, lässt sich aber nicht wissenschaftlich überprüfen.

Grüßle,
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Mi 9. Jul 2008, 23:27

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Die Ansicht
* Alle menschlichen Gedanken und Vorstellungen sind rein menschlich
* Der Mensch ist ein natürliches Wesen, ohne "ontischen" Bezug auf einen "irrationalen Seinsgrund"
ist da nun wirklich zu profan für die "Auserwählten" =)

"Always Look On The Bright Side Of Life" ;-)


Nunja, solange man mit der selbstwidersprüchlichen Scheuklappe, dass alles Sein restlos rational sein müsse, durchs Dasein trabt, entgeht einem natürlich the brightest side of life.

Nicht "Scheuklappen", sondern "Selbstkritik", die dir offensichtlich fehlt ;-)
Deine ganze Argumentation für "Gott" baut auf 2 wackligen Fundamenten auf:
* Du vermeinst "Gott" als "irrationalen Seinsgrund" rational begründen zu können. Das funktioniert nicht, da das "Irrationale" sich nicht rational begründen lässt!
* Du vermeinst "Gott" als "spirtualistische Erfahrung" unmittelbar erfahren zu können. Du verkennst, das es DEINE reine menschliche Erfahrung ist, die DU als natürliches Wesen hast. Aber dieses natürliche Wesen, der Mensch, neigt zu irrtümlichen Wahrnehmungen. Anstatt deine Erfahrung am Maßstab wissenschaftlicher Erkenntnisse selbstkritisch zu hinterfragen, überschätzt du dich selbst und erhebst diese deine "spiritualistische Erfahrung" zum Dogma der absoluten Wahrheit.

Für mich fällt dein ganzer göttlicher Spiritualismus zusammen wie ein Kartenhaus =)
Benutzeravatar
Qubit
 
Beiträge: 520
Registriert: Fr 29. Jun 2007, 15:44

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mi 9. Jul 2008, 23:48

Danke! :up:
emporda hat geschrieben:Ich bin am suchen
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 29,00.html

Ja, den habe ich auch mal gelesen.


So lange es ums Erkennen von Dingen geht, trägt das noch nicht so viel aus. Aber bald werden wohl Versuche folgen, die irgendwie echte Entscheidungen überprüfen, ob diese auch vorbewusst getroffen und hinterher erst "gedacht" werden. Ich denke da an Leute, die sich dreimal umentscheiden, bevor sie im Lokal etwas bestellt haben. Oder an solche, die dreimal lachen, nachdem ihnen ein Witz erzählt worden ist.

Grüßle,
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Do 10. Jul 2008, 00:27

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Es gibt keine semantisch primitiven Eigennamen, d.h. ein Gegenstand namens "Gott", der völlig uncharakterisiert, unbestimmt bleibt, ist, wie schon mehrmals gesagt, ein reines Nichts.

Oh, ganz uncharakterisiert ist er ja - als Seinsgrund - nicht.


Richtig.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nochmal: Der Zusammenhang der Einzeldinge der Welt lässt sich von meinen wissenschaftlichen Grundannahmen ableiten, und deren Zusammenhang vom Weltgrund, welcher alles, was sich überhaupt rational sagen lässt, in sich schließt.
Aber damit ist das Ende der Fahnenstange, der selbstevidente Ausgangspunkt allen rationalen Denkens erreicht.

Und er ist selbstevident, sobald ich versuche, eine Ontologie aufzustellen.


Dass es überhaupt einen Weltgrund gibt, ist nicht so selbstverständlich, weil es sein könnte, dass die Welt abgründig, bodenlos ist—sozusagen ins Nichts mündet. Und dass der Weltgrund, wenn es einen gibt (was wir beide ja annehmen), nur von einem einzigen Etwas und nicht von einer Menge von möglicherweise unendlichen vielen Etwassen gebildet wird, ist auch nicht so selbstverständlich. Noch viel weniger selbstverständlich ist, dass wenn der Weltgrund ein einziges zusammenhängendes Etwas ist, er ein bewusstes körperlos-stoffloses Geistwesen ist.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon stine » Do 10. Jul 2008, 06:35

Myron hat geschrieben:Noch viel weniger selbstverständlich ist, dass wenn der Weltgrund ein einziges zusammenhängendes Etwas ist, er ein bewusstes körperlos-stoffloses Geistwesen ist.

Das "kollektive Bewußtsein".
Das sich von Generation zu Generation mehr und mehr ausformt.
Intelligente Menschen glauben, weil sie zu der Erkenntnis gelangt sind, dass wir wären wie die Ameisen, wenn wir kein Bewußtsein hätten. Allein die Tatsache über einen Gott nachdenken zu können (müssen), macht ihn schon allgegenwärtig.
Irgendwie.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Do 10. Jul 2008, 09:43

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Von wegen, für die Theologen ist Gott ein Geist.

Langsam nervts echt. Du debattierst seit Tagen mit einem von denen, und dann schreibst Du solch einen Satz!


Alle (mono-)theistischen Theologen, egal ob sie Juden, Christen oder Moslems sind, vertreten einhellig die Meinung, dass Gott ein nichtphysisches Wesen mit psychischen Eigenschaften ist; und so etwas nennt sich (reiner) Geist oder (reine) Seele!

Alle?! Huhuuu.... :cooler: Du tauschst Dich seit Tagen mit so einem Theo aus, und Du kannst getrost davon ausgehen, dass ich kein besonders exotisches Exemplar bin.

Myron hat geschrieben:Kennst du theistische Theologen, die behaupten, Gott wäre ein physisches/materielles Wesen mit psychischen Eigenschaften?!

Nein. Denn das wäre kein Gott, sondern zB meine Katze.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Es - stimmt - nicht - dass - Gott - 'ein' Geist - ist!


O doch, das stimmt sehr wohl!
(Ich finde es witzig, dass ich als Atheist den Theisten ihre eigene Gottesvorstellung erklären muss.)

Ja, das ist echt grotesk, und der eindrucksvollste Beweis für eine Strohmann-Gottesvorstellung, den man sich nur vorstellen kann.

Myron hat geschrieben:"Gott ist ein Geist." (Joh. 4:24) [Elberfelder 1905]

(Andere Übersetzungen lassen den unbestimmten Artikel weg, was aber nichts an der christlichen Betrachtung Gottes als eines reinen Geistes ändert. Übrigens, die lateinische Entsprechung von "Geist" ist "spiritus", und die griechische "pneuma".)

Ok. Ich bin zwar schon kurz davor, das Handtuch zu werfen, weil Du Dich lieber auf Dein Bücherwissen stützt als auf die Statements real existierender Gesprächspartner, aber gut - hier eine Kurzauslegung der betreffenden Stellen:

Dies vorweg: Es hat keinen Sinn, aus dem Zusammenhang gerissene Bibelstellen als Beleg für irgendetwas zu nehmen. Damit kann man jeden Unfug begründen und wäre etwa so, wie wenn man behaupten würde, dass sich das Einsteinsche Gravitationsfeld durch die Formel "8piG" beschreiben ließe.

In Joh 4,24 steht: pneuma ho theos kai tous proskynuntas auton en pneumati kai aletheia dei proskynein. Geist ist der Gott, und die ihn anbeten sollen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Wenn man vorne 'Geist ist der Gott' als "Geist = Gott" versteht, gibt es hinten Probleme. Wenn man dort nämlich pneumati auch mit Gott gleichsetzt, muss man Gott in Gott und in der Wahrheit anbeten, was gaga wäre.
Das Johannesevangelium schreibt ganz am Anfang:
Im Anfang war das Wort (Logos) und der Logos war bei Gott und Gott war der Logos.
In dieser dreifachen Betonung müsste man Gott also viel eher für ein Wort halten als für einen Geist. Tatsächlich haben wir hier sozusagen die Keimzelle der Trinitätslehre: Vater/Gott - Sohn/Logos - Tröster/Pneuma.
Ok - die Kernfage lautet aber: Worauf will das Johannesevangelium hinaus?
Die Frontlinie, um die es geht, lautet Thora, Schriftgelehrtentum. Von denen setzt sich der johanneische Jesus dezidiert ab. Im Gegensatz zu den drei ersten Evangelien, bei denen sich die Thora in Jesus "erfüllt", distanziert sich der johanneische Jesus vom Gesetz. Wenn er auf die Thora verweist, dann so: "Steht nicht in eurem Gesetz geschrieben, dass..."(8,17; 10,34; 18,31 usw).
Denn (Joh 1,17):
das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
Und in dieser Gnade fallen alle 613 Ge- und Verbote der Thora flach, nur eins bleibt (15,12):
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.
Dies ist natürlich etwas dünn als ethische Grundlage, verglichen mit der umfangreichen, erfahrungserprobten Ordnung der Thora. Wer kann da wohl der verunsicherten Jüngerschar etwas unter die Arme greifen? - Der Geist (14,26):
Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Mit anderen Worten: Eine an Jesus ausgerichtete, spirituelle Liebesethik soll den kasuistischen Gesetzesgehorsam ersetzen.

Nahezu die gleiche Linie findet sich bei Paulus, wenn er mit Blick auf die Thora im Besonderen und Gesetze im Allgemeinen schreibt:
Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. (2. Kor 3,6)
Außerdem präzisiert er die Funktion des Geistes (1.Kor 2,10):
Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Und um die Verwirrung komplett zu machen, schreibt Paulus auch noch (2.Kor 3,17):
Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
wobei "der Herr" bei Paulus immer Jesus meint; nicht Gott.

Auf einer rein rationalen Ebene ist dies kaum mehr als ein Haufen esoterischer Widersprüche. Aber auf einer spirituellen Erfahrungsbasis ist es klar und schön wie ein Rutter-Choral.

Myron hat geschrieben:Wenn dein Gott kein Geist ist, was ist er dann?
Ein körperliches, in der Raumzeit lebendes, außerirdisches Lebewesen wohl kaum, oder?

Mit "mein" Gott meinst Du sicher Gott, so wie ich ihn spirituell erfahre?
Nun, in erster Linie erfahre ich ihn geistlich. :^^:

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wenn es Geister geben sollte und Gott der Ursprung von allem ist, wie kann er dann unter diese - bzw irgendeinen - Gattungsbegriff fallen? - Contradictio in adiecto!


Da taucht keinerlei "contradictio in adiecto" auf!
Was willst du behaupten: dass Gott sich nicht begrifflich charakterisieren lässt?

Dass ein Seinsgrund oder Weltgrund, der diesen Namen auch verdient, sich nicht begrifflich beschreiben lässt, ja.
Wie sollte er das? Alle Gattungen, alle Erkenntnis sind in ihm begründet.

Myron hat geschrieben:Da fällt mir ein Spruch von Tersteegen ein:
"Ein begriffener Gott ist kein Gott."

Gut gebrüllt, Löwe.

Myron hat geschrieben:Dumm nur, dass ein gänzlich unbegriffener Gott für uns ein absolutes Nichts ist—nicht einmal ein Gott!

Nö. "Nichts" ist ja auch ein solcher Begriff, der von irgendwas abgeleitet ist. Gäbe es nicht etwas, könnten wir von Nichts nicht sprechen.

Wir brauchen einen Weltengrund (oder "Gott" - aber in rational-ontologischer Hinsicht ist das dasselbe, denn es erfüllt dieselbe Funktion), um der Ontologie eine Gestalt zu geben, und weiter gibt es nichts, was sich rational darüber aussagen lässt.

Myron hat geschrieben:Nun, du wirst mir doch sicher zustimmen, dass Gott zumindest unter den Begriff "Gott" fällt, da Gott ja ein Gott ist. Und nun geht es weiter mit der Frage, wie der Gott namens "Gott" beschaffen ist.

Eine Seinsaussage ist nicht möglich, und die allerdings notwendige Funktionsaussage beruht auf einem Postulat, dem Aufstellen eines ontologisch notwendigen Axioms.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Bist Du der Christ oder ich?


Als Christ solltest du wissen, was für ein Ding dein Gott ist!

Als Christ halte ich mich an das, was Gott geistlich offenbart und respektiere die dringende Empfehlung (2. Gebot), sich von Gott kein Bild zu machen.

Myron hat geschrieben:Und der faith talk ist dann irrationaler Nonsens, oder wie?
(Das würde einiges erklären ...)

Das würde im Gegenteil nichts erklären.
Es ist eine logische Kommunikationsform auf einer anderen Erfahrungsgrundlage.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Eine solche Attributierung führt - genauso wie die Attributierung "physikalischer Weltgrund" zu einem Selbstwiderspruch. Denn ein Weltgrund begründet erst die Physik und kann nicht seinerseits physikalisch sein. Nur ein abgeleitetes, synthetisches x kann ein 'physisches' x sein.


Häh, du siehst immer Widersprüche wo keine sind.
Zum Beispiel hat die Annahme eines ewigen, unverursachten physischen Energiefeldes, aus dem alle anderen physischen Phänomene hervorgehen, nichts Widersprüchliches an sich.

Es hat etwas von einem Perpetuum Mobile an sich, weshalb es mir schwer glaubhaft erscheint. Aber das ist nicht der Punkt. Ich habe deine Argumentation nochmal in Ruhe Revue passieren lassen und bin zu dem Schluss gekommen, dass der von mir unterstellte Selbstwiderspruch insofern nicht berechtigt ist, als ich Elemente meiner Argumentation in die Deine hineingemischt hatte.

In Wirklichkeit kommst Du gar nicht an den Punkt, der zirkulär sein könnte, oder mit anderen Worten: Deine Ontologie hört dort auf, wo "eine richtige" Ontologie überhaupt erst anfängt.

Du führst alles auf ein ewiges Energiefeld zurück. Dieses kann man als naiver Betrachter einheitlich finden - man kann es als Physiker (aber nur in einem 'metaphysischen Moment', denn soche Betrachtungen gehören nicht in die Physik) als recht homogene Seinsgrundlage ansehen, aber ontologisch ist damit noch kein Butterbrötchen gewonnen.
Denn indem Du es als 'notwendig existierendes Energiefeld' ansiehst, machst Du nicht eine, sondern mehrere Aussagen, die dazu noch eine ganze Latte stiller Voraussetzungen beinhalten. Die kann man in vier Gruppen einteilen (auf die schnelle betrachtet; schon möglich, dass ich was vergessen habe):
    - Aussagen über die Materialität dieses Energiefeldes (das gehört in die Physik: Was bedeutet 'Energie' in solch einem archaischen Zustand? Setzt sie sich aus Wirkungsquanten zusammen? Wie siehts für den allerunmittelbarsten Zeitraum nach dem Urknall (< 10^(-34) Sekunden) aus, etc)
    - Aussagen über die naturgesetzlichen Eigenschaften dieses Energiefeldes: Sind sie fest oder variabel? Von was hängen sie ab? In welchem Verhältnis stehen sie überhaupt zum materialen Sein der Energie?
    - Aussagen über ontologische Entsprechungen hinsichtlich der Erkennbarkeit dieses Energiefeldes: Der Umstand, dass ich das Feld berechnen und mit ihm Experimente anstellen kann, erfordert, dass es nach gewissen Prinzipien geformt ist - es muss zB eine Art 'Logik in sich' enthalten, woraus sich wiederum eine Menge Detailfragen ergeben.
    - Aussagen über die ontologische Natur dieses Energiefeldes: Da hast Du eine getroffen, dass es notwendig existiert und daher ewig sein müsse. Nun verschleiert der Ausdruck 'notwendig' ein wenig, dass gar kein Zwang zu dieser Annahme besteht, außer vielleicht dem, dass wir morgen auch noch leben wollen. Es handelt sich also um eine axiomatische Setzung. Ferner ist zu klären, inwieweit die oberen drei Kategorien noch weitere axiomatische Aussagen erfordern.

Kurzum: Dieses Energiefeld ist, ontologisch betrachtet, ein äußerst komplexes Gebilde, das buchstäblich in seine Einzelteile zerfällt, wenn ich nicht voraussetze, dass ihm ein einheitliches Sein oder Wasauchimmer zugrunde liegt, aus dem sich die vielen Prämissen, Regeln, Gesetze ableiten lassen, welchee ich benötige, um dieses Energiefeld ontologisch zu beschreiben. Folglich ist dann nicht das Energiefeld selbst der ontologische "Weltgrund", sondern dieses zu postulierende Wasauchimmer: die Klammer, in der alle Fäden zusammenlaufen.

Myron hat geschrieben:Die physische Realität ist sich selbst genug!

Ja, das ist eine schöne, scheinbar selbstevidente Feststellung. Aber siehe oben.

Myron hat geschrieben:Wenn die Physik eines nicht nötig hat, dann ist es eine transzendentale, transphysische Weltursache.

Physik (braucht nicht, sondern) hat philosophische Grundlagen. Wenn man die ignoriert, kann man sich im utilitaristischen Sinn vielleicht nützlich machen, aber der Sprung von der Anwendbarkeit in die Welt der Seinsaussagen geht ins Leere.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Die ganze theistische Theologie basiert auf dem Glauben, dass Gott vollkommen gut, d.h. in höchstem Maße moralisch ist.

Was verstehst Du darunter?


Für die Theisten ist Gott als das vollkommene Wesen die Quelle aller Moral, der Garant ihrer objektiven Gültigkeit.
Er ist der oberste Richter, und er allein bestimmt, was gut und böse ist.

Und wie fasst Du den Begriff "Moral"?
Er ist nicht mal biblisch.

fragt
FF
Benutzeravatar
Fisherman's Fellow
 
Beiträge: 361
Registriert: Mi 30. Mai 2007, 17:19

VorherigeNächste

Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste

cron