folgsam hat geschrieben:Andreas Müller hat geschrieben:So lange es die Religion überhaupt gibt, so lange wird sie unsere Freiheit bedrohen. Das liegt in ihrem intoleranten und dogmatischen Wesen begründet.
Prinzipiell sehe ich das auch so, doch muss man denke ich in der Wahl seiner Mittel differenzieren: Der geifernde Islamist der sich und andere wegen seiner irren Paradiesvorstellungen (auch wenn die Sache hier nicht monokausal ist) in den Tod reisst und der fundamentalistische katholik / evangelikale der gegen Schwule hetzt, Abtreibungsärzte am liebsten brennen und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wieder installiert sehen möchte etc. stehen auf der einen Seite. Diese Vorstellungen müssen mit aller Schärfe angegriffen werden.
Auf der anderen Seite steht der natürliche Theologe und kritische Papstlieder singende Priester, der zwar einigen irrationalen und von mir nicht nachvollziehbaren Ideen anhängt, aber ansonsten absolut harmlos und umgänglich und auch voll und ganz in der moderne angekommen zu sein scheint. Diese 'weichgespülte' Form der Religiösität ist absolut tolerabel und wird sich vielleicht eher früher als später selber in wohlgefallen auflösen (naive Hoffnung). Warum gegen diese Menschen und Ideen die gleichen Mittel in gleicher Schärfe einsetzen wie gegen die weitaus gefährlicheren Vertreter theistischen Wahns?
Gegen die 'Weichspül-Religiösen' muß man wohl nicht mit der Schärfe vorgehen, wie gegen geifernde Fundamentalisten. Aufklärung und kritischer Diskurs sollten hier ausreichen. Aber man sollte auch nie vergessen, das 'normal' Religion, also die liberale oder Volksreligiösität der Nährboden ist, auf dem die fundamentalistischen Irren erst gedeihen können.
Stell Dir vor, Du hast 100 liberale, moderate, nette Gläubige (so ungefähr stines Format
):
1. Phase: Alle haben sich lieb.
2. Phase: Dann fängt einer von ihnen plötzlich an, seine Religion immer ernster zu nehmen und sein heiliges Buch immer wörtlicher. Die anderen bewundern ihn dann für seine Glaubensfestigkeit und würden ihn ohne weiteres einen guten oder gar vorbildlichen Gläubigen nennen.
3. Phase: Sechs oder sieben andere fangen an, dem ersten Fundi nachzueifern. Der fühlt sich dadurch noch bestätigt und steigert sich immer weiter in seinen Glauben hinein. Und missioniert. Die Netten finden das OK, weil Religion ja positiv belegt ist und die besonders Religiösen müssen daher auch besonders gute Menschen sein.
(<- Hier liegt der Hase im Pfeffer!)4. Phase: Der Großteil der 100 ist immernoch nett und tolerant, aber ein nicht zu verachtender Teil hat sich radikalisiert und vertritt verschieden extreme Ansichten von "Unser Glaube ist der einzig wahre!" bis "Alle Ungläubigen müssen sterben!".
5. Phase: Der erste Fundi schnallt sich einen Bombengürtel um und besucht ein Straßencafé.
6. Phase: Die Gesellschaft ist gespalten. Ein Teil distanziert sich von der Tat. Einige (auch einige von den Netten) können sich aber nicht so richtig distanzieren, weil die Strenggläubigen ja doch irgendwie recht haben und die 'echten', ernsthaften Gläubigen sind. Einige befürworten die Tat sogar. Manche predigen den heiligen Krieg und verdammen die verbliebenen Netten, da sie vom wahren Glauben abgefallen sein. Und ein paar wenige hocken in irgendeinem Keller und mischen Sprengstoff zusammen.
7. Phase: Die Netten schweigen aus Angst oder werden nicht mehr wahrgenommen. Die Fundis zetteln einen Bürgerkrieg/Kreuzzug/Inquisition an.
8. Phase: Krieg, Gewalt, Mord und Totschlag.
Das muß nicht in jeder Religion und auch nicht zwangsläufig passieren. Momentan ist der Islam in einer solchen Entwicklung. Aber jede Religion (und jede andere absolutheitsbeanspruchende Ideologie) hat das Potentiel zu dieser Entwicklung. Jederzeit.
Deshalb sollte man immer (gegen Religionen) aufklären oder sie zumindest genau im Auge behalten. Auch in ihrer moderaten oder liberalen Form. Keinesfalls sollte ein Staat sie fördern. Und wir als Naturalisten sollten sie auf jeden Fall kritisieren.