Pablo hat geschrieben:Im großen Newtonschen Rahmen mag dies stimmen, aber die Hinfälligkeit des Objekt-Subjekt-Betrachtungsweise im subatomaren Bereich, ...
Dass es im Quantenbereich die Messergebnisse beeinflussende Wechselwirkungen zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten gibt, mag ja sein; doch das bedeutet nicht, dass die physische Realität in irgendeiner Weise subjektabhängig ist.
Pablo hat geschrieben:... dass es keine kleinsten (materiellen) Teilchen im Sinne des alten mechanistischen Weltbildes gibt, hat nun einmal das “materielle” Weltbild gewaltig erschüttert. Wenn ich mir die Aussagen von bekannten Physikern ansehen, dann hat bisher von keiner der Feststellung des Physikers JAMES JEANS widersprochen:
"Heute besteht ein großes Maß an Übereinstimmung, ... dass der Strom unserer Erkenntnisse sich in Richtung einer nicht-mechanischen Wirklichkeit bewegt; das Universum beginnt mehr wie ein großer Gedanke denn wie eine große Maschine auszusehen."
Vom alten mechanistischen Weltbild, dem zufolge die Atome im Grunde so etwas Handfestes wie winzigste Steinchen sind, die sich einfach anziehen oder abstoßen, haben sich die zeitgenössischen Materialisten doch längst verabschiedet. Der heutige Materialismus ist als Physikalismus postmechanistisch (allerdings nach wie vor antisupernaturalistisch sowie antipanpsychistisch, wobei anzumerken ist, dass der Panpsychismus mit dem Materialismus zumindest logisch vereinbar ist, solange keine psychischen Substanzen postuliert werden).
(Viele Gegenwartsdenker bevorzugen die Bezeichnung "Physikalismus" genau aus dem Grunde, weil die postmechanistische Physik zu einer weitgehenden "Entmaterialisierung" der Materie geführt hätte. Ich bleibe aus Traditionsgründen bei der guten alten Bezeichnung "Materialismus", was aber nicht heißt, dass mein Weltbild von gestern ist. Ich orientiere mich als Materialist durchaus am aktuellen Wissensstand der physikalischen Forschung—soweit ich da als Laie durchblicke.)
Schon 1927 schrieb Bertrand Russell:
"Now, owing chiefly to two German physicists, Heisenberg and Schrödinger, the last vestiges of the old solid atom have melted away, and matter has become as ghostly as anything in a spiritualist séance."
"Jetzt sind, hauptsächlich dank zweier deutscher Physiker, Heisenberg und Schrödinger, die letzten Überreste des alten soliden Atoms dahingeschwunden, und die Materie ist so gespenstisch geworden wie etwas in einer spiritistischen Séance."(Russell, Bertrand.
An Outline of Philosophy. 1927. Reprint, London: Routledge, 1995. p. 78)
Vielleicht sind die kleinsten Bausteine der Materie in Wirklichkeit nicht gewissermaßen billardkugelartig, sondern "undingliche" Energiekonzentrate in Feldern. Wenn dem so ist, dann wird der Boden meines materialistisches Weltbild dadurch in keiner Weise erschüttert.
Wie ich Jeans' Äußerung, das Universum sähe mehr aus wie ein "großer Gedanke", zu verstehen habe, ist mir allerdings nicht klar.
Wie sieht denn ein Gedanke aus?
Egal, wie "gespenstisch" die Materie aus Sicht der heutigen Physik erscheinen mag, eines ist sie jedenfalls nicht: ein mentaler und damit subjektiver Inhalt.
Pablo hat geschrieben:Die Naturgesetze weisen eine mathematische Symmetrie auf, die mit der Formelsprache der Physiker/Mathematiker beschrieben werden kann. Hinter jeder entdeckten Formel steht der Geist von Physikern, die mit diesen Formeln dann das Universum bisher sehr erfolgreich beschreiben konnten. Wenn aber hinter den Formeln ein geistiger Inhalt gesetzt werden kann, dann kann gemäß HEISENBERG dieser geistige Inhalt auch gleich an den Beginn des Universums gesetzt werden. Geist ist Geist und mathematische Symmetrie ist mathematische Symmetrie Zumindest ist kein logischer Wiederspruch vorhanden.
Selbstverständlich sind alle mathematisch-physikalischen Formeln und Theorien als Repräsentationen natürlicher Zusammenhänge von den Geistern der Physiker abhängig. Das bedeutet aber mitnichten, dass die mathematisch-physikalisch repräsentierten Naturtatsachen selbst geistabhängig sind.
Das Physische ist unabhängig von der Physik!
Pablo hat geschrieben:Genau das sagt von Ditfurth doch! Der Zufall kann die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen, d.h. er ist ein in das Universum integriertes Ereignis.
Demnach ist es absoluter Quatsch, wenn zum Beispiel Wissenschaftler wie DAWKINS den Zufall an den Beginn des Universums setzen! Ein solches Ereignis in Form von „Zufall = Ursache“ kennen wir genauso wenig wie einen Gott.
Wenn es jedoch absoluten Zufall gibt, d.h. absolut ursachenlose Ereignisse, die weder eine deterministische noch eine indeterministische Ursache haben, dann unterliegen jene doch keinem Naturgesetz, oder?
Und ein ursachenloses Ereignis könnte doch selbst eine Ursache anderer Ereignisse sein—aber wohl nur infolge von Naturgesetzen, wenn man davon ausgeht, dass Verursachungen erst durch vorgegebene gesetzliche Zusammenhänge ermöglicht werden.
Pablo hat geschrieben:Mit der gleichen Begründung könnte auch behauptet werden, dass ein in einem PC integrierter Zufallsgenerator den PC selbst mit seinem Betriebssystem erschaffen hat. In meinen Augen eine absolut dümmliche Argumentation, die komischerweise auch noch geglaubt wird.
Selbsterschaffung ist in der Tat ein Ding der Unmöglichkeit. Nichts kann Ursache seiner selbst sein.
Pablo hat geschrieben:Absolut richtig, nur dass in diesem Fall die Bedingungen von Anfang an definiert gewesen sein mussten. Wenn du nur mit dem Zufall alleine operierst, landest du bei Wahrscheinlichkeiten, wie sie SHPAPIRO berechnet hat und die mit einem Wunder gleichgesetzt werden können.
Die philosophisch-wissenschaftliche Gretchenfrage ist freilich, warum in unserer Welt diese und jene Bedingungen herrschen und keine anderen, und wer oder was diese aus der Menge aller möglichen Bedingungen ausgewählt und verwirklicht hat.
(Siehe: Robert L. Kuhn:
"Why This Universe: A Taxonomy of Possible Explanations" (PDF))
Pablo hat geschrieben:Außer Tipler versucht meines Wissens kein Physiker einen Gott beweisen zu wollen. Sie sehen ihn eher als eine mögliche Grundlage für die Fähigkeit zur Selbstorganisation an, wie es zum Beispiel der Physiker Erich Jantsch formuliert hat:
"JANTSCH sagt: »Gott ist nicht der Schöpfer, sondern der Geist des Universums.« An dieser Stelle ist die Gottheit natürlich weder männlich noch weiblich noch in irgendeiner persönlichen Form manifestiert, sondern stellt nichts weniger als die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos dar." FRITJOF CAPRA, Physiker
Inwiefern könnte man sagen, dass "die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos" etwas Geistiges, d.i. etwas Psychisches und damit etwas Subjektives, an sich hat?
Ich kann diese Idee nämlich überhaupt nicht nachvollziehen.
Die Dynamik rein objektiv-physischer Prozesse scheint für die automatische Selbstorganisation der Materie völlig ausreichend zu sein.
Pablo hat geschrieben:Dann frage einmal einen Physiker, wo er Materie sehen und anfassen kann, wenn er durch Mikroskop blickt. Er kann dir bestenfalls von statistische Wahrscheinlichkeiten von irgendwelchen subatomaren Erscheinungsformen erzählen, die nichts mehr mit Materie zu tun haben, sondern vielmehr mit Feldern vergleichbar sind, die alles durchdringen. Und materiell sind diese Felder ganz sicherlich nicht, da sie gem. DÜRR und vielen anderern Physikern hinsichtlich ihrer Struktur mehr mit dem Geistigen als mit dem Materiellen vergleichbar sind.
Selbst wenn sich irgendwelche Analogien zwischen physischen und psychischen Strukturen finden lassen, bedeutet dies nicht, dass physikalische Felder mentale, ontisch subjektive Entitäten wie Empfindungen und Gedanken sind.
Und davon, dass physikalische Felder auch nur irgendeine noch so primitive Art von Bewusstsein, Seele oder Geist besitzen, kann erst recht keine Rede sein.
Obgleich der Begriff des Feldes ein zentraler Begriff der Physik geworden ist, scheint mir die Ontologie der Felder noch unterentwickelt.–Was ist denn ein Feld eigentlich?
Aus physikalischer Sicht sind Felder, allgemein gesprochen, räumliche und zeitlich veränderliche Verteilungen von Energie. Energie ist aber selbst nichts Dingliches, sondern, wie gesagt, eine Eigenschaft von Dingen.
Es stellt sich also die Frage nach dem Träger der Energie bzw. Energiezustände.
Die einen sagen, es seien eben die raumerfüllenden Felder, die die Energie besitzen.
Gemäß dieser Auffassung sind Felder Substanzen (im metaphysischen Sinne), d.h. selbstständige, eigenschaftstragende Wesenheiten—Dinge im weitesten Sinne des Wortes.
Die anderen betrachten die Felder nicht als Substanzen, sondern wiederum nur als Eigenschaften anderer Substanzen, genauer gesagt einer einzigen Substanz: des Raumes bzw. der Raumzeit.
Ich bin zwar kein Physiker, aber als philosophierender Mensch neige ich zu letzterer Auffassung, d.h. zu der Annahme, dass Felder keine vom Raum bzw. der Raumzeit ontologisch getrennten Wesenheiten, sondern zeitlich veränderliche Zustände des Raumes bzw. der Raumzeit selbst sind.
Zugegeben, die Frage nach der Materialität von allem verschiebt sich damit nur eine Ebene nach unten, d.h. von den Feldern zum Raum, zur Raumzeit.
Ist der Raum ein materielles/physisches Objekt?
Die Antwort hängt natürlich von der Definition von "materielles/physisches Objekt" ab, und erstaunlicherweise sucht man vergebens nach einer von allen Physikern und Philosophen akzeptierten Definition.
Ich befürworte die folgende Definition (in meiner eigenen Formulierung):
"x ist ein materielles/physisches Objekt"
=def
"x besetzt einen oder ist ein Teil eines Raumes mit nicht weniger als drei Dimensionen"(0-, 1- oder 2-dimensionale Sachen sind demgemäß keine konkreten, physischen Objekte, sondern als geometrische Grenzpunkte, -linien oder -flächen bestenfalls mathematische Abstrakta. Zum Beispiel ist ein Eisenquader ein materielles Objekt, aber nicht seine Oberfläche, seine Kanten oder seine Eckpunkte.)
Da der Raum selbst ein (unechter) Teil eines Raumes mit nicht weniger als drei Dimensionen ist (*, ist er somit per definitionem ein materielles/physisches Objekt—und womöglich die fundamentale Substanz des Universums.
(* In der Mereologie, d.i. die Logik der Teil-Ganzes-Beziehungen, ist die Beziehung "x ist (ein) Teil von y" reflexiv, d.h. alles ist ein (unechter) Teil seiner selbst.)
(Ach ja, vielleicht wirst du einwenden, dass der Raum insofern immateriell sei, als er nicht atomistisch strukturiert, sondern kontinuierlich sei. Doch interessanterweise behauptet die Theorie der "loop quantum gravity" die Existenz sowohl von Raum- als auch von Zeitatomen, aus denen sich die Raumzeit diskret zusammensetzt.)