smalonius hat geschrieben:Offene Fragen der Evolutionstheorie
Der Thread ist auf Seite 9, aber, so weit ich mich erinnere, wurden die aktuell offenen Fragen in der ET bisher noch nicht ernsthaft angesprochen. Gleich mal nachholen.
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Eins kann man an diesen Beispielen sehen: Eine Religion ist die Evolutionstheorie nicht. Neue Erkenntnisse werden rege diskutiert und schaffen es in pointierter Formulierung sogar auf die Titelseiten anerkannter Wissenschaftsmagazine.
Nur sind das ja leider alles nur Themen, die sich rein mit der genetischen Evolution beschäftigen, also der alleruntersten Evolutionschicht. Im Grunde geht es dabei um die Frage, wie neue Variation entsteht. Auch Bauer hat bekanntlich sein Buch „Das kooperative Gen“ ganz diesem Thema gewidmet und behauptet nun ein Ende des Darwinismus. Dies sind letztlich alles Themen für Gen-Chauvinisten, also Leuten, die z. B. meinen, man bekäme Kinder nur, weil man Sex haben wollte (wie von dir gepostet).
Unabhängig davon bestehen Grundsatzfragen, z. B.:
- die fehlende Übertragbarkeit auf den Menschen
- die ausstehende Erklärung anderer Evolutionen (für die Dawkins, in Anlehnung an die Situation bei den Genen, die Memetik vorschlug)
- das Verhältnis von natürlicher und sexueller Selektion
- die Lösung des Queen of Problems in Evolutionary Biology
Mersch greift nun direkt in die Top-Struktur der ET ein, die gemeinhin mit dem Namen Darwin in Verbindung gebracht wird: Variation, Selektion, Reproduktion (Vererbung). Er behauptet, allein schon diese Struktur bedürfe einer gravierenden Überarbeitung. Er stellt überhaupt nicht die Frage, wie neue Variation entstehen kann. Er geht davon aus, dass man bei den Genen ständig neue variationserzeugende Verfahren entdecken wird, und dass die Frage bei den nichtbiologischen Evolutionen vermutlich gar nicht beantwortbar ist (wie entstehen z. B. technische Innovationen?). Weitere Neuerungen bei ihm sind: Systemtheoretische Herangehensweise, Gefallen-wollen vs. Dominante Kommunikation und der Akteursansatz mit der Möglichkeit der Bildung neuer Akteursebenen. Dahinter steckt im Grunde ein neues Evolutionsmodell, also ein Modell, wie Evolution überhaupt funktioniert, und zwar für jegliche eigendynamische Evolution.
Und hier drängt sich nun der Verdacht auf, dass es da doch einige Schranken gibt, die dafür sorgen, dass solche Auffassungen nicht an die Öffentlichkeit dringen können. Das zeigt sich auch am Verhalten hier im Forum, deren Teilnehmer nicht fragen (d. h. wissen wollen), sondern die ganze Zeit nur mit Abgrenzung beschäftigt sind.
Ich möchte noch einmal an den bereits beschriebenen Vorgang erinnern:
- dieses Forum betreibt ein Subforum mit dem Namen Philosophie. Darüber steht ein Motto von Gerard Vollmer.
- Mersch hat einen Artikel Systemische ET bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift eingereicht, die die Arbeit mit der Behauptung zurückwies, die beiden Gutachter hätten eine Veröffentlichung abgelehnt. Man wollte ihm aber die Gutachten nicht zur Verfügung stellen. Netterweise schrieb man noch (lässt sich alles bei Amazon nachlesen), eine Veröffentlichung könne weder in seinem noch im Interesse der Zeitschrift sein (mit anderen Worten: ist totaler Schrott).
- Tatsächlich war einer der beiden Gutachter eben jener Vollmer, der bekanntlich Experte in Evolutionstheorie ist, und von dem das Philosophie-Motto hier stammt. Jener Vollmer empfahl ausdrücklich die Veröffentlichung der Arbeit.
So, und wenn dann noch immer behauptet wird, dieses Gesamtverhalten (und das mehrheitliche Verhalten hier im Forum) sei mit irgendeiner humanistischen Ethik vereinbar, dann kann ich leider nur sagen: Ohne Religion scheint es nicht zu gehen. Man braucht möglicherweise keine Religion, um die Biologie erklären zu können, aber scheinbar doch, um halbwegs ethische Verhaltensweisen unter die Menschen zu bekommen. Denn das, was da abgelaufen ist (und auch die schnöde Art hier im Forum: Beleidigungen, Books on Demand, Geschwafel etc.), könnten sich heute nicht einmal unsere Global Player leisten. Die sind vergleichsweise wie die Caritas.