El Schwalmo hat geschrieben: Eigentlich wollte ich zu dieser Diskussion nichts mehr beitragen, (…) und mir daher eigentlich klar sein musste, dass Mersch zu dem, was mich an Evolution interessiert, wenig sagt, und das auch klar ausdrückt.
Andere können keine Rücksicht darauf nehmen, dass du Evolution nicht verstanden hast.
El Schwalmo hat geschrieben: Was ich unter der Evolution verstehe, habe ich
hier etwas näher ausgeführt. Daher kann mir eigentlich das, was Mersch vertritt, eher egal sein.
Und diesbezüglich bin ich der Ansicht: Du hast Evolution nicht verstanden, und drückst dies in dem Artikel weitschweifig aus.
El Schwalmo hat geschrieben: Es macht auch wenig Sinn, mir gegenüber Dawkins zu kritisieren, denn der verfolgt schon mit seinen innerbiologischen Auffassungen eine Agenda, die ich (url) etwas näher ausgeführt habe, und weder von egoistischen Genen noch von Soziobiologie, die als 'Evolutionäre Psychologie' auf Menschen angewendet wird, halte ich irgendetwas.
O.k., du bist der Gott der Evolutionsbiologie. Du hältst weder von Dawkins, noch von Soziobiologie noch von Evolutionärer Psychologie noch von Mersch etwas. Aber ausgerechnet dein kleines bescheidenes Artikelchen soll ich ernst nehmen? Lachhaft.
El Schwalmo hat geschrieben: Mustergültig hat die Kritik an diesem Ansatz (Buch) formuliert, dem möchte ich nichts hinzufügen.
Aha. Wie interessant!?
El Schwalmo hat geschrieben: Auch zu Bauers Buch, das in der Diskussion immer wieder auftaucht, habe ich mich schon das eine oder andere Mal geäußert,
Na, wie wunderbar, dass du dich schon ein paar Mal dazu geäußert hast. Das war vermutlich abschließend und für alle Wissenschaften verbindlich. Ich verbeuge mich vor dem großen Meister der Evolutionsbiologie.
El Schwalmo hat geschrieben: Inzwischen habe ich das Buch mehrfach und sehr genau gelesen, den Ansatz von Bauer finde ich durchaus einer näheren Überprüfung wert, sobald er diesen gelegentlich konkret durchformuliert. Seine Polemik an Dawkins und anderen Autoren ist wenig berechtigt.
Aha. Gott Schwalmo hat gesprochen.
El Schwalmo hat geschrieben: Dawkins und Mersch machen in meinen Augen genau denselben Fehler, allerdings 'von unten' und 'von oben': sie übertragen Betrachtungen aus dem Bereich der Natur auf menschliche Gemeinschaften. Dawkins erfreulicherweise unter dem Gesichtspunkt, dass wir nicht so leben müssen oder gar sollen, während ich bei Mersch eher eine Agenda sehe (dazu weiter unten mehr).
Mersch überträgt nichts. Er hat eine Theorie aufgestellt, so wie Darwin.
El Schwalmo hat geschrieben: An Mersch habe ich im Bereich der Naturwissenschaften nichts auszusetzen, außer dass sein Ansatz bei weitem nicht die Bedeutung hat, die ihm einige Menschen unter Berufung auf Mersch zuschreiben. Er dreht ein ganz kleines Rädchen im HighEnd-Bereich, in dem er möglicherweise einen Beitrag leisten kann
Nun, immerhin hat er ein neues Weltbild geschaffen. Zum ersten Mal hat einer die Grundprinzipien beschrieben, wie die gesamte uns umgebende biologische Vielfalt (inkl. menschliche Gesellschaften) entstehen konnte.
El Schwalmo hat geschrieben: (einen Artikel bei Philosophia Naturalis einzureichen war durchaus sinnvoll, denn mit Naturwissenschaften hat er ja nichts zu tun, wäre vermutlich noch besser gewesen, eine Veröffentlichung in einer soziologischen Zeitschrift zu versuchen, denn da passt das, was er schreibt, vermutlich am besten hin).
Die Biologie ist keine Naturwissenschaft mehr? Die Melodienevolution bei den neuseeländischen Lappenstaren beschreibt er schlüssiger als Dawkins. Die menschliche Evolution natürlich auch.
El Schwalmo hat geschrieben: 'Nicht allein' ist ein hübscher Euphemismus. Im Gegenteil, er bekämpft sogar derartige Fragen als Holzweg in Richtung Kreationismus. Er argumentiert auf einer höheren Ebene und interessiert sich nicht für die tieferen, kann sein, dass er sie gar nicht für lösbar hält. Das hat aber Konsequenzen.
Er geht davon aus, dass dies die jeweiligen Fachdisziplinen tun. Auch Darwin ist doch damit gut gefahren. Er hat seine Selektionstheorie sogar schon ohne Kenntnisse der Gene formuliert. Man muss bei Evolution nicht in diese Klein-Klein-Ebene gehen, sondern kann sich auf die logischen Grundprinzipien beschränken, wie das Darwin gleichfalls getan hat.
El Schwalmo hat geschrieben: Wenn man unter 'Wissenschaft' die Soziobiologie versteht, könnte er Recht haben. Seine Idee, dass es möglich ist, dass 'Fitness' mehrere Komponenten hat, die dann dazu führen können, dass 'Fitness' im einen Bereich sich negativ auf 'fitness' in einem anderen auswirkt, könnte Sinn machen.
Reproduktionsinteresse ist nicht fitness. Fitness bezieht sich auf den Lebensraum.
El Schwalmo hat geschrieben: Letztendlich ist das natürlich die Frage nach dem Tautologie-Vorwurf, der Darwins 'survival of the fittest' gemacht wird. Wenn Du evolutionstheoretische Arbeiten vergleichst, wirst Du merken, dass es mindestens zwei Richtungen gibt. Eine Richtung räumt diesen Vorwurf ein, erklärt ihn aber für unbedeutend. Andere suchen eine Lösung. Einer der ersten war meines Wissens Stegmüller
Stegmüller, W. (1978) 'Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Band 1. 6. Auflage' Stuttgart, Kröner
(ich kann Dir die Belegstelle heraussuchen, falls es Dich interessiert), der darauf hinwies, dass 'Fitness' zwar als Fortpflanzungserfolg gemessen wird, aber etwas anderes bedeutet (meine Formulierung).
Damit kann auch Mersch leben, schreibt er in seinem Buch auch. Fitness kann man schlecht messen, also versucht man es indirekt über den Fortpflanzungserfolg. Das setzt aber zwingend voraus (ich wiederhole es jetzt leider zum zehnten Mal, und irgendwann bin ich es leid), dass man ein mehr oder weniger fitnessneutrales Reproduktionsinteresse innerhalb der Population annimmt. Beim Menschen ist das definitiv nicht der Fall. Dort kann man deshalb auch Fitness nicht über den Fortpflanzungserfolg messen.
El Schwalmo hat geschrieben: Es ist kein Zufall, dass Evolutionsbiologen von 'Darwin-Fitness' reden und das genau präzisieren.
Nö, sie präzisieren gar nichts. Sie schaffen dadurch eine Tautologie.
El Schwalmo hat geschrieben: Wenn man das genauer überlegt, merkt man, dass das in Richtung 'book-keeping' geht, …
Nein. Darwin-Fitness wird als relativer Fortpflanzungserfolg definiert. Kutschera macht dies in seinem Buch sogar am Beispiel der Kinderzahl von Darwin und Haeckel deutlich. Dies ist aber eindeutig unsinnig.
El Schwalmo hat geschrieben: Was interessiert sind aber die Mechanismen, und genau das ist die Ebene, die Mersch gar nicht interessiert, wohl aber beispielsweise Bauer und natürlich auch die Evolutionsbiologen.
Die Gen-Mechanismen interessieren Mersch genauso wenig wie Darwin sie interessiert haben. Mersch geht es um Evolutionstheorie (wie Darwin) und nicht um die untersten Ebenen der Genmanipulation und Variationserzeugung. Das ist ein kleiner, wichtiger Aspekt der Evolution, hat aber mit der uns umgebenden Welt schon fast nichts mehr zu tun. Dies kommt selbst bei Dawkins klar zum Ausdruck, weshalb dieser die Memetik entwickelte.
El Schwalmo hat geschrieben: Das läuft dann auf die alte Kritik an Darwin hinaus, der den 'survival of the fittest' untersuchte, aber den entscheidenden Punkt, eben den 'arrival of the fittest' nie klären konnte. Die STE war konsequenterweise eine reine Transmissionsgenetik, und man kann zeigen, dass in diesem Weltbild die Entstehung von Neuheiten ein 'Non-Problem' war, denn diese entstehen sozusagen als 'Nebenläufigkeiten'. Kann sein, dass Mersch das genauso sieht, weil ihn diese Frage gar nicht interessiert. Aber schon Goldschmidt plädierte für eine 'physiologische Genetik', die heute im Gewand von EvoDevo durchaus wieder in den Vordergrund rücken könnte.
Das sind sicherlich interessante Spezialaspekte der Evolutionsbiologie. Mit Evolutionstheorie hat das nichts zu tun.
El Schwalmo hat geschrieben: Lange Rede, kurzer Sinn: Mersch kann von seinem Ansatz zu den meiner Meinung nach entscheidenden Fragen der Evolution gar nichts beitragen, und er will es auch nicht. Aber das bedeutet auch, dass sich wohl kaum jemand aus diesem Bereich mit Gewinn mit seinem Ansatz befassen wird.
Mersch beschäftigt sich mit Evolutionstheorie. Hast du das noch immer nicht verstanden. Auch bei den Darwinschen Prinzipien Variation, Selektion, Reproduktion muss ich von EvoDevo, Hox-Genen, springenden Genen etc. nichts verstehen.
El Schwalmo hat geschrieben: Noch ein Beispiel: Mersch schreibt was zur Bedeutung der 'Sexualität' (genauer: Fortpflanzungssystemen). Zur Entstehung der Sexualität kann er so nichts beitragen.
Muss er das? Wäre das nicht die Aufgabe der Evolutionsbiologen? Müsste Mersch auch zur Entstehung des Aktienrechts etwas sagen, wenn er sich zur Evolution der Technik äußert? Oder wäre das nicht eine Frage der Fachdisziplinen?
El Schwalmo hat geschrieben: Gerade ist ein Beitrag zu diesem Thema erschienen
Zimmer, C. (2009) 'On the Origin of Sexual Reproduction' Science 324:1254-1256
Zimmer ist Wissenschaftsjournalist, aber er hat einen sehr guten Ruf, und Science ist kein Provinzblättchen. Schau mal, was Zimmer dort diskutiert, und was in der Evolutionsbiologie zur Entstehung der Sexualitiät diskutiert wird und schau, ob der Ansatz von Mersch (platt formuliert'männliches Geschlecht für die Evolution, weibliches für das Überleben') zu dieser Frage beitragen kann, wenn Du davon ausgehst, dass die ersten sexuellen Formen wohl Isogameten waren, bei denen irgendwelche Partnerwahlen kein Thema waren.
Wird das von irgendjemand bestritten? Es ist und bleibt nur leider eine Tatsache, dass die sexuelle Selektion ein Prinzip ist, was schon Darwin als wesentlich erkannte, und es praktisch gleichbedeutend neben die natürliche Selektion stellte, in einigen Texten sogar darüber. Und da spielt die Partnerwahl keine Rolle???
El Schwalmo hat geschrieben: Eben, und man muss sich fragen, ob das, was Mersch als 'Evolutionstheorie' bezeichnet, irgendwas mit dem zu tun haben könnte, was Menschen wie ich unter 'Evolution' verstehen. 'Veränderung eines Systems im Lauf der Zeit, okay, aber dann evolviert mein Gartenzaun auch, wenn er rostet.
Es interessiert nicht die Bohne, was du unter Evolution verstehst, da du die nicht verstanden hast.
El Schwalmo hat geschrieben: Nun nur noch kurz ein paar Details aus der letzen Mail:
(…)
Man kann durchaus eine Sonderstellung innerhalb der Natur einnehmen, wenn man eine Marginalie der Evolution ist. Anbetrachts der Dauer der Evolution auf diesem Planeten sind die paar Jährchen, die der Mensch seine Sonderstellung auskostet, eher vernachlässigbar.
Nur muss diese Sonderstellung dann ggf. auch in der Evolutionstheorie seinen Ausdruck finden. Die Kin Selection war ja scheinbar auch notwendig, um Insektensozialstaaten erklären zu können, was mit Darwin so einfach nicht ging. Nun gibt es den Menschen, und da müssen wir nun wieder die Evolutionstheorie erweitern.
El Schwalmo hat geschrieben: An seiner Theorie nichts. Aber wenn man aus einer Evolutionstheorie (Sein) ein Sollen (man muss eine Gesellschaft so organisieren, dass die 'fitness' die 'Darwin-Fitness' nicht beeinträchtigt), läuft das auf einen Schluss vom Sein auf das Sollen hinaus.
Das ist in den Naturwissenschaften üblich. Wer ein Raumschiff zum Mars schicken möchte, muss bei den physikalischen Gesetzen vom Sein auf das Sollen schließen. Wer möchte, dass unsere Gesellschaft nicht vollständig geistig degeneriert (wie man das überall feststellen kann), dann muss man die Evolutionsprinzipien ernst nehmen. Falsch war der Sozialdarwinismus, der vom Kampf ums Dasein ausging. Aber auch das hat Mersch klären können.
El Schwalmo hat geschrieben: Diskutiert wird die Frage, ob man mit der Mikroevolution die Makroevolution erklären kann. In der Wissenschaftsgeschichte gibt es eine ganz Reihe derartiger Begriffspaare, die alle dasselbe besagen, zum ersten Mal übrigens bei Lamarck, der schon vor Darwin die erste Evolutionstheorie aufstellte, die diesen Namen verdiente. Die Selektionstheorie, ob Du nun 'Darwinismus' oder 'STE' dazu sagst, ist zwingend auf eine bestimmte Art der Generation der Variation angewiesen, sonst funktioniert sie nicht. Die Frage ist, ob die Variation diese Anforderungen erfüllt.
Ja, ist ein wunderbares Spezialthema der Evolutionsbiologie. Ist wichtig, sollte gelöst werden. Spielt aber keine Rolle auf dem Abstraktionsniveau, auf dem sich Mersch befindet oder Darwin befand. Oder meinetwegen auch selfish gene.
Diskutiert Mersch die Frage, wie es zu einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis kommt, zu einem Geistesblitz? Nein, er geht davon aus, dass es diese Variationsprozesse irgendwie gibt und dass die Mechanismen möglicherweise nie alle beschreibbar sind. Spielt für seine Theorie aber eine untergeordnete Rolle.
Du machst hier den großen Fehler, dass du Evolution ganz limitiert aus deiner engen Fachbrille aus betrachtest und alle Fragestellungen auf die Fragestellungen deines Fachgebiets reduzierst. Selbst die Soziobiologie, die sich mit Kommunikationen zwischen Lebewesen beschäftigt, ist für dich irrelevant. Damit schließt du dich automatisch als kompetenter Diskussionspartner aus, weil das eine Extremposition ist, die wohl von niemandem sonst geteilt wird, und zudem auch extrem egoistisch ist, weil sie alles, was den Rand deines Suppentellers verlässt, als unwichtig erachtet. Ich halte dies für einen extremen Dogmatismus und somit für unwissenschaftlich.El Schwalmo hat geschrieben: Man bezeichnet schon den Cro Magnon-Menschen als 'anatomisch modernen Menschen'. Wenn Du von einer Generationsdauer von 20 Jahren ausgehst, siehst Du auf den ersten Blick, dass eine Evolution via Rekombination von Genen wohl kaum das erklären kann, was in den letzten 200 Jahren ablief.
Das wäre dann schon fast wieder Orginaltext Mersch. Nur liegt das ja außerhalb deines Suppentellers, bei dem es um variationserzeugende Genveränderungen geht.