stine hat geschrieben:Wie kannst du überhaupt "den Asiaten" in China oder "den Negern" mit Tieren vergleichen?
Ich finde jemanden, der in jedem Satz das Wort Tier mit einer beliebigen Menschengruppe vertauscht, schon sehr merkwürdig!
Ich finde übrigens, es hätte gereicht, meine Meinung merkwürdig zu finden, und nicht gleich mich als ganzen Menschen. Aber gut, dann darf ich auch zurückschießen:
Ich finde es, nicht nur bei dir, sondern generell, sehr merkwürdig, wenn Menschen sich zuerst mal kräftig entrüsten, wenn ihnen irgendeine Aussage unmoralisch erscheint, anstatt in aller Ruhe die Fakten zu überprüfen und dann ihre Worte abwägen.
Habe ich tatsächlich Menschen 1:1 mit Tieren verglichen? Habe ich gesagt, dass ein Chinese nicht besser ist als ein Hund? Nein, das habe ich nicht. Ich habe (mit anderen Worten) gesagt, dass die Abgrenzung der eigenen Gruppe als einer anderen überlegenen einen faschistischen Einschlag hat und habe dies anhand eines ganz offensichtlich übertreibenden Beispiels verdeutlicht. Dass die Erwähnung des Nationalsozialismus bei mindestens 50% der Diskutanten einer Diskussion sofort einen starken Reflex auslöst, habe ich erwartet und deshalb gleich darauf hingewiesen, dass ich mir des problematischen Charakters der Argumentation bewusst bin.
stine hat geschrieben:Klar muss unverhältnismäßiges Leiden verhindert werden, aber das Tier dem Menschen gleich setzen sehe ich ohne "Werteliste der Arten" nicht.
Und bei dieser kann man sich trefflich streiten, oder nicht?
Wenn ein krankmachendes Bakterium oder ein Moskito meine Gesundheit bedroht, darf ich beide töten, darin sehe ich kein Problem. Ich würde ganz einfach folgendes Vorgehen favorisieren: Jede Bedrohung, egal ob durch Mensch oder Tier, darf mit einer angemessenen (!) Wahl der Waffe zurückgedrängt oder eliminiert werden. Im Fall einer Hungersnot darf gegessen werden, was vor die Flinte läuft (klammern wir den Spezialfall Kannibalismus bitte in eine eigene Diskussion aus). In Zeiten ohne Mangel ist das Leiden, d.h. auch das Töten, von Tieren tendentiell unmoralischer, je besser die Nahrungsversorgung der Bevölkerung durch Pflanzen bewerkstelligt werden kann und je mehr das betroffene Tier leidet (Schmerzempfinden, Bewusstsein des Getötetwerdens (schonmal bei ner Schlachtung zugesehen? Zumindest vielen Säugetieren ist, soweit ich das beurteilen kann, absolut klar, dass sie sterben werden), Zerreißen eines Sozialverbandes bei sozialen Arten). Kurz gesagt: Je mehr wir technisch können, desto ethischer sollten wir uns auch verhalten. Wir stellen ja auch den Anspruch, irgendwie zivilisierter werden zu wollen. Mit steigendem technischen Know-How werden wir nicht nur von tierischer Nahrung unabhängiger, sondern auch in der Bewertung tierischen Bewusstseins sicherer werden. Sollte sich, entgegen aller Anzeichen, herausstellen, dass Tiere wirklich nur insinktgesteuerte Roboter ohne den kleinsten Fetzen Verstand und Gefühl sind, dann lasse ich mich auch sofort wieder umüberzeugen.
Julia hat geschrieben:Und überhaupt es gibt so viele Weiße, die in Armut leben, müssen wir uns nicht erst um die armen Weißen kümmern bevor wir uns auch noch um die Schwarzen kümmern? Gut, ich bin auch für loose packing, das ist etwas humaner, ich will ja kein Unmensch sein und meine Frau hat ja Mitgefühl für die süßen, schwarzen Babys. *seufz*
Und genau hier ist der springende Punkt: Gruppen von Menschen, Nationen, Ethnien, Kulturen, sind ein Konstrukt des menschlichen Geistes. Ein Schwarzafrikaner kann mit mir insgesamt mehr genetische Übereinstimmungen haben als mein Nachbar nebenan. Unsere Abgrenzungen beruhen auf einer Vorstellung von Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden, sind aber in vielen Fällen mehr das Produkt einer subjektiven Bewertung als real existierender Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Man spricht gerne von den Menschenrechten als einem "universellen Wert", aber wie ich an anderer Stelle schon ausgeführt habe, ist weder das Konzept des moralischen Wertes in sich stimmig, noch können normative Überlegungen jemals Letztgültigkeit beanspruchen (es sei denn, jemand führt den Gottesbeweise für einen exakt definierten Gott mit exakt definierten Moralvorstellungen). Es liegt also an uns, wie wir Moral und sich daraus ableitende Rechte definieren und da können wir durchaus auch wieder mehr oder weniger willkürliche Abgrenzungen gegenüber Gruppen vornehmen, die uns nicht passen oder keine Relevanz für uns haben. Das geht auch mit Menschen ganz leicht. Genau an dieser Stelle schlägt die Argumentation von stine und Mark böse zurück: Je mehr man Spalterei und Gruppenabgrenzung rechtfertigt, desto mehr läuft man Gefahr, dass Menschen mit nicht so lauteren Absichten sich das zum Vorbild nehmen und sich einer ähnlichen Argumentation bedienen. Nur die vergleichen Chinesen und Hunde dann wirklich!
Mark hat geschrieben:Im Humanismus ist nunmal nur Platz für menschliche Bedürfnisse
Dieses Zitat möchte ich kurz aufgreifen, auch wenn ich nicht sicher weiß, ob Julia es aus dem Zusammenhang gerissen hat (klingt aber nicht besonders danach): Wir reden hier im Forum oft über Dogmatismus. Irgendwie klingt der zitierte Satz für mich schon nach einem Glaubenspostulat. Vielleicht könntest du, Mark, diesen Satz nochmals stringent erklären, denn mir ist absolut nicht klar, warum ich als advocatus diaboli nicht mit demselben Recht wie du "Im Faschismus ist nunmal nur Platz für die Bedürfnisse der Weißen" sagen und, wenn ich daran glauben würde, auch entsprechend leben sollte. Dazu gleich noch etwas:
stine hat geschrieben:Was den Satz von Mark angeht:ist klar, dass Humanismus pro Human ist, dieses Wort beinhaltet eben nur die Art Mensch, aber nicht jede Tierart.Mark hat geschrieben:Im Humanismus ist nunmal nur Platz für menschliche Bedürfnisse
Das begründet eine Zirkelargumentation: Mensch für Humanismus, Humanismus für Mensch, Mensch für...
Mark hat geschrieben:Bleibt von dem dünnen Eis runter, bitte !
Tiere sind nur Tiere. Nur Menschen sind von Bedeutung. Was ist daran so kompliziert ? Macht in eurem Privatleben was ihr wollt, aber versucht nicht anderen Menschen aufzuzwingen Tiere wie Menschen zu behandeln. Ihr fühlt Euch doch nur beleidigt, weil ich Euer Mitgefühl für Tiere als einfachen Instinkt ohne echte rationale Grundlage verurteile.
Schwarze sind nur Schwarze. Nur Menschen sind von Bedeutung. Was ist daran so kompliziert? Macht in eurem Privatleben, was ihr wollt, aber versucht nicht anderen Menschen aufzuzwingen, Schwarze wie Menschen zu behandeln. Ihr fühlt euch doch nur beleidigt, weil ich euer Mitgefühl für Schwarte als einfachen Instinkt ohne rationale Grundlage verurteile.
Und bitte, komm jetzt gar nicht auf die Idee, dich dieser Immunisierungstaktik "Der vergleicht ja Schwarze mit Tieren!!!" zu bedienen. Ich vergleiche keine Schwarzen mit Tieren. Ich kenne Menschen aus aller Herren Länder, habe keine Berührungsängste, bin überzeugtes Mitglied von amnesty und beileibe kein militanter Tierschützer, der die Bedenkenlosigkeit der Menschen beim Thema Massentierhaltung mit dem Holocaust vergleicht. Im Gegenteil, ich versuche dir klarzumachen, wie nichtssagend und gefährlich deine Argumentationsweise ist, auf wie dünnem Eis DU dich da bewegst. Es ist so einfach, dir die Worte im Mund herumzudrehen und es gibt verdammt wenig schlagende Einwände, es nicht zu tun. Würdest du die karnivore Lebensweise verteidigen, indem du sagst "Wir nehmen nur, was wir wirklich brauchen und das nehmen wir schmerzlos für die Gebenden" hätte ich geringere Probleme mit dieser Haltung, weil es dann nur noch um die Eingangsfrage ginge, nämlich ob das Töten am Ende eines erfüllten Tierlebens immer noch unmoralisch sei (worüber man auch trefflich streiten kann, aber das zentrale Problem des Leidens immerhin stark minimiert hat). So, wie du aber argumentierst, sagst du "Wir Menschen haben das Recht des Stärkeren und als solcher können wir uns nehmen was uns gefällt". Ich habe kein militantes Problem mit Fleischverzehr, ich esse selber ab und an welches, auch wenn ich es mir abgewöhnen will, sondern ich habe ein Problem mit deiner Begründung. Diese baut nämlich rein auf dem Recht des Stärkeren auf und das lässt sich ohne Not in eine sozialdarwinistische faschistische Argumentationsweise umbauen.
Mark hat geschrieben:Dabei habe ich nie behauptet daß es beim Mitgefühl für Menschen nicht auch genau der gleiche Mechanismus ist.. nur müssen wir eben reflektiert handeln, weil das zu unserem Erfolgsrezept gehört. Die Menschenrechte sind viele tausende Jahre lang durch das reine Gefühl nicht einen deut gefördert worden. Erst seit der wissenschaftlichen Methode gehts auch mit den Menschenrechten aufwärts.
Reflektiert handeln, was soll das sein? Ist das ein Aufruf an mich, doch bitte endlich vernünftig zu werden? Sorry, aber das haben schon zu viele Leute zu mir gesagt, denen nichts anderes mehr eingefallen ist; zumal man in reflektiert auch reinkonstruieren kann, was man will. Ich finde meine Position eigentlich recht reflektiert.
Wissenschaftliche Methode und Ausbau der Menschenrechte sind zusammengefallen, ja, aber ich behaupte, dass du da einen falschen Zusammenhang unterstellst bzw. einen bestimmten Aspekt zu stark betonst.
Für mich klingt es, als wolltest du sagen, die Menschenrechte seien im wesentlichen durch ein Fördern des philosophischen Rationalismus gegenüber dem (religiösen?) Gefühl aufgekommen. Ich halte es da aber doch lieber ein wenig mehr mit Marx, der den dialektischen Zusammenhang zwischen Sein und Bewusstsein aufgedeckt hat. Will sagen: Technischer und ökonomischer Fortschritt haben eine Gesellschaft geschaffen, in der eine aufsteigende Klasse, das Bürgertum, zusehends mehr Rechte einforderte. Durch die Notwendigkeit, immer mehr Fachkräfte auszubilden, zerbrach die Aura der intellektuellen Überlegenheit von Klerus und Adel. Die einsetzende Industrialisierung schuf außerdem ein städtisches Proletariat, das mit modernen philosophischen Ideen in Berührung kam und im Kommunismus, der ultimativen Gleichstellung aller Menschen, einen Ausweg aus der offensichtlichen Ungleichbehandlung durch die neue herrschende bürgerliche Klasse sah. Selbstverständlich war die Wissenschaft mit der Bereitstellung der nötigen Techniken einer der Motoren dieser Entwicklung, aber sicherlich waren die modernen Philosophien Antworten auf die äußeren Umstände. Man darf auch nicht vergessen, dass es erst den Umweg über zwei brutale Vernichtungskriege brauchte, bis die Wissenschaft mit ihren "Segnungen" die Menschheit weich genug geklopft hatte, dass sie bereit war, die Menschenrechte als verbindlich für alle Menschen zu verkünden. Man kann dieses ganze Verhalten "reflektiert" nennen, ich würde "vom technischen Fortschritt getrieben und dabei im letzten Moment die Reißleine gezogen" bevorzugen; und man will sich dabei ja noch gar nicht ausmalen, wie es mit den Menschenrechten weitergegangen wäre, wenn 40 Jahre Kalter Krieg der Welt nicht eine Denkpause verschafft hätten. Insofern finde ich deine These, so wie ich sie verstehe, dass die Menschheit sich von sich heraus aus rationalen Gründen ganz reflektiert für die Menschenrechte entschieden hat, doch äußerst zweifelhaft.
Mark hat geschrieben:Widersprecht dem doch lieber mit Argumenten anstatt Eistanzen im September zu üben !
- Ich habe bereits einen Ansatz vorgestellt, der über spieltheoretische Überlegungen versucht, zu erklären, dass eine Aufwertung der Tiere einen Vertrauensvorschuss der Menschen untereinander bedingen kann und daher die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen des Einzelnen senken kann. Sinn macht dies selbstverständlich nur, wenn man damit verbunden ein Ranking erstellt, in dem Menschen immer vor den Tieren kommen, was ich aber weder als unmoralisch noch als problematisch sehe. Kodifizierung von Rechten ist meist ein Fortschritt, weil er Verlässlichkeit und Planung ermöglicht.
- Ich habe weiterhin die Ineffizienz der Viehzucht angesprochen, die de facto eine Nahrungsmittel- und Wasserverschwendung darstellt und für die durch Brandrodung kurzlebige Weiden geschaffen werden müssen, wobei tausendmal wertvollere Ökosysteme zerstört werden. Es stellt sich die Frage, ob die Viehzucht als solche daher nicht schon in vielen Regionen eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
- Ich habe weiterhin argumentiert, dass der technische Fortschritt wohl eines nicht so extrem fernen Tages die künstliche Fleischerzeugung möglich machen wird und dass ich den technischen Fortschritt als eigentlichen Motor der Abschaffung des Speziezismus ansehe, nicht moralphilosophische Überlegungen (weshalb ich mich auch nicht unnötig in eine Missionierung von Fleischessern hineinsteigere).
- Ich habe die Frage gestellt, warum man bestimmten menschlichen Gruppen (oder, da ich doch ein kleiner Konstruktivist bin, deren Imagination) überhaupt Menschenrechte zugesteht. Wir sind alle an diese Vorstellung gewöhnt, aber wie Mark selbst gesagt hat, ist das gar nicht so selbstverständlich. Deshalb solltet ihr hier vielleicht noch einmal nacharbeiten und nicht die religiöse Art wählen, anderen das eigene moralische Ideal um die Ohren zu hauen und sich dann demonstrativ zu entrüsten, wenn das Gegenüber das nicht für selbstverständlich nimmt. Ich habe das gute Recht, hier den advocatus diaboli zu spielen, bis ihr eine gute Argumentation aufgebaut habt, das ist letztlich sogar in eurem Interesse. Man schärft seinen Standpunkt nicht, indem man sich andauernd gegenseitig derselben Meinung versichert, auch und gerade nicht bei einem so wichtigen Thema wie den Menschenrechten. Insofern komme ich von dem dünnen Eis erst runter, wenn ihr den Bunsenbrenner wegnehmt (und nebenbei, ich bin ein ganz passabler Ex-Eistänzer, verzichte auch gerne mal auf ein Septembertraining und bin auf dem Eis ganz in meinem Element

So, und zum Schluss an stine und ihr Insel-Gedankenexperiment:
Stell dir vor, du wärst mit einem fahrenden Händler und einem Kamel in der Wüste oder einem Inuit und seinem Husky mitten im Schnee. Plötzlich haben die Tiere, ganz ohne westlich-zivilisierte Moralüberlegungen, einen viel höheren Gebrauchswert als einer von euch Menschen. Erklär mir mal, warum der Händler oder der Inuit ihre Tiere schlachten sollten, wenn dich umlegen die günstigere oder vielleicht sogar einzig möglich erscheinende Alternative wären. Es kommt halt nur drauf an, wie man bei solchen Gedankenspielchen seine Prämissen wählt. Auf der Insel würd' ich auch das Schwein essen...
Weil ich es eben noch gelesen habe, zu den Interessen der Tieren:
Die Interessen von jemandem in China sind vielleicht dank Globalisierung mittlerweile wichtig geworden (wieder nur der technische Fortschritt), aber komm, mal im Ernst, eigentlich ist den meisten Leuten verdammt egal, wieviele Menschen in irgendeiner Hungergegend gerade krepieren. Man spendet ein paar Euro, beruhigt sein Gewissen, aber wenn man 10% des BIPs in Entwicklungshilfe stecken würde, wäre die Hölle auf den Straßen los.
Die Interessen anderer zählen für uns nur aus einem Grund: Weil WIR selber gemäß unseren Interessen behandelt werden wollen. Und da ist MEIN zentrales Argument, dass ein Besserbehandeln der Tiere möglich und daher geboten ist, weil wir uns damit gegenseitig unserer eigenen Gewaltlosigkeit und Zivilisiertheit versichern - und übrigens auch weniger mitleiden mit den leidenden Tieren. Und wie gesagt, für den Augenblick bin ich mit einer Verbesserung der Haltungsbedingungen zufrieden, mehr gibt unsere historische Zeit wohl (noch) nicht her.