El Schwalmo hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Zugegeben, es mag wohl sein, dass das menschliche Vorstellungsvermögen begrenzt und die Menge des Seinsmöglichen umfassender ist als die Menge des Denkmöglichen. In diesem Fall wäre die Undenkbarkeit oder Unvorstellbarkeit einer Sachlage kein zwingender Beweis der Unmöglichkeit derselben.
Schön, dass wir uns hier einig sind.
Allerdings lehne ich die skeptische Auffassung ab, dass zwischen Denkbarkeit/Vorstellbarkeit und Möglichkeit überhaupt kein modallogischer Zusammenhang bestehe und es somit grundsätzlich unzulässig sei, von Denkbarkeit/Vorstellbarkeit auf Möglichkeit bzw. von Undenkbarkeit/Unvorstellbarkeit auf Unmöglichkeit zu schließen.
"Looking at the history of the epistemology of modality it is clear that many philosophers have found conceivability and inconceivability to either be the foundational source of our beliefs about modality or to be one of the central sources of our epistemic justification and knowledge of modality. In addition, if one looks at how we actually go about thinking about common modalities, such as technological possibility or economic possibility, it is clear that we often use conceivability as a basis for our modal judgements. Often when we are asked whether P is possible our natural inclination is to answer the question by attempting to conceive of P. If we are successful in conceiving P or we think we have conceived that P, we judge that P is possible; if we are unsuccessful in conceiving P, we judge that P is impossible. Conceivability-based accounts of the epistemology of modality hold that conceivability is either the fundamental source of our modal knowledge or that it is of central importance in our modalizing behavior.
In contemporary post-Kripkean analytic philosophy there has been a resurgence of interest in the relation between conceivability and modality. The resurgence is based around a unified rejection of skepticism about conceivability. Skepticism about conceivability maintains that conceivability and inconceivability bear no relation to any kind of modality. Against the skeptical position many different accounts of the relation between conceivability and modality have been formulated. In general, there are three important dimensions of conceivability-based accounts. The first dimension is over whether conceivability merely provides evidence of possibility or whether it entails possibility. The second dimension is over whether an account endorses both the relation between conceivability and possibility, and the relation between inconceivability and impossibility, or just one relation. The third dimension, not represented below, concerns what kind of modality is held to be either entailed by conceivability or evidentially supported by conceivability."
(http://plato.stanford.edu/entries/modal ... #ConBasAcc)
El Schwalmo hat geschrieben:Irgendwo habe ich mal gelesen, dass 'wahr' im Sinne von 'wird sich nie mehr ändern' verstanden werden kann. Die Winkelsumme im ebenen Dreieck wird wohl ewig 180 Grad bleiben, wenn man die üblichen Begriffe verwendet. Aber im Bereich der Naturwissenschaften kann sich viel ändern, wenn man nur lange genug wartet. Selbst Sachverhalte, die man als geklärt ansah.
Du kennst doch sicher den Unterschied zwischen notwendigen Wahrheiten, die wahr sind und nicht falsch hätten sein können, und unnotwendigen (kontingenten) Wahrheiten, die wahr sind und falsch hätten sein können, oder nicht?
Es kommt allerdings auch auf die Formulierung an: Der Satz "Es schneit jetzt in München" kann jetzt wahr und in der nächsten Minute schon wieder falsch sein, wohingegen der Satz "Es schneit am 23.12.2010 um 00:00 Uhr in München" immer wahr bleiben wird, wenn er am 23.12.2010 um 00:00 Uhr wahr ist. Eine solche "ewige Wahrheit" ist aber nicht unbedingt eine notwendige Wahrheit, weil es ja hätte sein können, dass es zur selben Zeit am selben Ort nicht schneit, sondern regnet.
(Dagegen hätte es nicht sein können, dass die Dreiecks-Winkelsumme nicht 180° beträgt. Diese Wahrheit ist notwendigerweise wahr.)
El Schwalmo hat geschrieben:Hmmm, wie willst Du mit einem Gehirn, das mit Ionenströmen über Neuronenmembranen funktioniert, die Wirklichkeit wahrnehmen? Kommt ein Gegenstand in Dein Gehirn?
Der Wahrnehmungsvorgang besteht natürlich nicht darin, dass der wahrgenommene Gegenstand irgendwie in mein Gehirn befördert wird.
Der direkte Wahrnehmungsrealismus (DWR) wird nicht durch das Argument widerlegt, dass Wahrnehmungen aufgrund der komplexen physischen und neurophysiologischen Vorgänge zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmer kausal indirekt seien; denn das kann der DWR gerne zugestehen. Er behauptet nämlich nur die kognitive Direktheit des Wahrnehmens, d.h. dass beispielsweise das Sehen eines Baumes nicht im Sehen eines Baumbildes, sondern im Sehen des Baumes selbst besteht.
El Schwalmo hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Dann sind Tatsachen aber nichts weiter als wahre Aussagesätze.
Könnte man so sehen, wenn man wüsste, dass sie wahr sind.
Nach meiner Auffassung besteht eine Tatsache als wirklicher Sachverhalt im Besessenwerden einer Eigenschaft von einem Ding oder im Zueinander-in-Beziehung-Stehen mehrerer Dinge.
El Schwalmo hat geschrieben:
Oben schriebst Du, dass knapp vorbei auch daneben ist. Mein Punkt ist, dass es Denken über Dinge und Dinge gibt. Das Verhältnis zwischen beiden scheint mir recht unbestimmt zu sein. Im Mesokosmos sieht es vielleicht besser aus, eben weil unser Gehirn in Jahrmillionen Selektion bestimmte 'Einsichten' erworben hat. Die mögen 'passen', aber ob sie 'stimmen'?
Es ist die Hauptaufgabe der Wissenschaft, unsere Wirklichkeitsvorstellungen der Wirklichkeit anzupassen, d.h. dafür zu sorgen, dass jene diese treffen und nicht verfehlen. Vorstellungen (Gedanken, Aussagen), die die Wirklichkeit treffen, nennen wir wahr, und solche, die sie verfehlen, nennen wir falsch. Wir unterscheiden also zutreffende Darstellungen der Wirklichkeit von unzutreffenden Darstellungen (Fehldarstellungen) der Wirklichkeit.
"Not all the ways the world can be represented are ways the world is, so a particular species of creature found it necessary to employ the following convention to distinguish representations from misrepresentations. Representations that indicate the way the world actually is they called 'true', and representations that failed to do so they called 'false'.
Truth is a relation between two things—a representation (the truth bearer) and the world or some part of it (the truthmaker)."
(Martin, C. B. The Mind in Nature. Oxford: Oxford University Press, 2007. p. 24)