Körper & Leben & Geist/Seele

Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon mat-in » So 23. Jan 2011, 22:45

Ohne jetzt alles gelesen zu haben was 3x meinen 24" Monitor (hochkant!) füllt...

Shine hat geschrieben:21.1.2011
Shine hat geschrieben:Nein, Geist hat absolut keine Substanz! […]

Myron hat geschrieben:In der Phrase "immaterielle Substanz" ist mit "Substanz" natürlich nicht "Materie" gemeint, denn der Begriff <immaterielle Materie> ist ja ein Widerspruch in sich […]
Deine Ausssage "Geist ist Wesen" ist mehrdeutig.[…]
"Gott" einfach als "unvorstellbares, nichtraumzeitlich-nichtstoffliches Etwas" zu beschreiben, ist es jedenfalls nicht getan.
Eine solche Beschreibung ist nämlich nichtssagend!

Die Schwierigkeit im Sprachgebrauch liegt darin, dass in einer materialistischen Welt jeder Begriff die Vorstellung von etwas Materialistischem hervorruft. Wir können nicht anderst: Um uns etwas „vorzustellen“ (wörtlich: vor uns hinzustellen) - müssen wir es „begreifen“ (wörtlich: anfassen). Die Ausdrücke „Wesen“, „Substanz“, „Essenz“ sind immer mit Materialistischem verbunden.: Wir müssen immer „Etwas“ denken. Sogar aus „Geist“ wird, mit dem Indefinitpronomen „ein“, ein begrenztes „Ding“: „Gott ist ein Geist“ könnte bedeuten, dass Gott ein Geist unter vielen ist. Daraus ergibt sich für viele die Vorstellung einer Art von Gespenst, das herumgeistert. Ich halte diesen Ausdruck daher für falsch. Gott ist „reiner Geist“. Dies bedeutet reines, weder zeit- noch raumbedingtes, also nicht von der Materie abhängiges Bewusstsein, das über Intelligenz verfügt und Willen hat und in diesem Sinne Person ist.....

Nicht von Materie abhängig, das man auch nicht in Worte kleiden, beschreiben, sehen, erfahren oder sonst wie beeinflussen oder davon beeinflußt werden kann? Dafür hätt ich ja eine andere Vokabel: NICHTS.
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Re: Warum gibt es Religionen?

Beitragvon Myron » Mo 24. Jan 2011, 06:10

Shine hat geschrieben:Die Schwierigkeit im Sprachgebrauch liegt darin, dass in einer materialistischen Welt jeder Begriff die Vorstellung von etwas Materialistischem hervorruft.
Wir können nicht anderst: Um uns etwas „vorzustellen“ (wörtlich: vor uns hinzustellen) - müssen wir es „begreifen“ (wörtlich: anfassen). Die Ausdrücke „Wesen“, „Substanz“, „Essenz“ sind immer mit Materialistischem verbunden.: Wir müssen immer „Etwas“ denken.


Die Substanzdualisten sind keine Materialisten und sie verwenden den Begriff <immaterielle Substanz>, welche Tatsache allein freilich nicht bedeutet, dass er sinnvoll und verständlich ist. Genau das bestreite ich ja. Es ist dennoch nicht der Fall, dass grundsätzlich nur Materielles Gegenstand unseres Denkens sein kann, oder dass wir uns nur von Materiellem einen sinnvollen und verständlichen Begriff machen können. (Wenn dem so wäre, dann gäbe es keine höhere Mathematik.)

Shine hat geschrieben:Sogar aus „Geist“ wird, mit dem Indefinitpronomen „ein“, ein begrenztes „Ding“: „Gott ist ein Geist“ könnte bedeuten, dass Gott ein Geist unter vielen ist.


Könnte sein, denn <Geist> ist ein Art- oder Gattungsbegriff. Auch <unendliche Raumzeit> ist ein Artbegriff, und wenn es eine unendliche Raumzeit gibt, dann ist sie nicht begrenzt und womöglich einzigartig.

Shine hat geschrieben:Daraus ergibt sich für viele die Vorstellung einer Art von Gespenst, das herumgeistert.


Ein "Herumgeistern" außerhalb der Raumzeit ist unmöglich, da es außerhalb deren keine Bewegung geben kann. Etwas Außerraumzeitliches ist notwendigerweise unbeweglich und unveränderlich. Das bedeutet übrigens, wie gesagt, auch, dass es keinen außerraumzeitlichen Geist geben kann, da der Bewusstseinsfluss wesensmäßig in innerer Bewegung und Veränderung begriffen ist.

Shine hat geschrieben:Ich halte diesen Ausdruck daher für falsch. Gott ist „reiner Geist“.


Dieser Satz ist aber streng genommen grammatikalisch unkorrekt, weil "Geist" kein Stoffbegriff, sondern ein Artbegriff ist. "Diese Flüssigkeit ist reines Wasser" ist hingegen korrekt. Aber "Gott" ist nicht der Name irgendeines Stoffes, oder?

Shine hat geschrieben:Dies bedeutet reines, weder zeit- noch raumbedingtes, also nicht von der Materie abhängiges Bewusstsein, das über Intelligenz verfügt und Willen hat und in diesem Sinne Person ist.


Indem du deinem göttlichen Bewusstsein Intelligenz, Willen und Personalität zusprichst, machst du es zu einem Objekt, zu einer Substanz, d.h. zu einem einheitlichen Gebilde, das der Träger, die Grundlage jener zugesprochenen Eigenschaften ist.

Mein bekannter Vorwurf besteht nun darin, dass der Begriff eines raum-, zeit- und stoffunabhängigen Bewusstseins überhaupt keinen logisch-rationalen Sinn ergibt, und dass es sich dabei vielmehr um einen absurden Unbegriff handelt, unter den nichts Wirkliches fallen kann.

Shine hat geschrieben:Davon kann man sich aber kein „fassbares Bild“ machen und deshalb kann man Gott auch nicht „beschreiben“.


Wir verfügen nicht nur über ein bildliches, sondern auch über ein begriffliches Vorstellungsvermögen, das nicht auf sinnlich anschaubare Sachen beschränkt ist.

Der entscheidende Punkt ist und bleibt, dass ein begrifflich unbestimmter Gott ein Nichts, d.h. überhaupt kein Gegenstand unseres Denkens oder Vorstellens ist. Entsprechend ist "Gott" dann nichts weiter als ein leeres, bedeutungsloses Wort.

Aber oben hast du deinem Gott ja bereits einige Merkmale zugesprochen. Dumm nur, dass sich diese nicht zu einem in sich stimmigen Begriff zusammenfassen lassen.
Und dieses begriffliche Grundproblem lässt sich auch nicht einfach mit dem irrationalen Argument beiseiteschieben, dass die Verwendung deines Gottesbegriffs auch dann gerechtfertigt sei, wenn dieser ein ungereimter Unbegriff ist, weil Gott sowieso unbegreiflich sei.

Shine hat geschrieben:Ich würde auch nicht sagen, dass dieser „reine Geist“, der allgemein Gott genannt wird, „existiert“, obwohl dies dem üblichen Sprachgebrauch entspricht, denn mit „existieren“ ist bereits die Vorstellung von Körperlichkeit und Räumlichkeit verbunden, die allein als real-existent empfunden und von vielen auch nur als real-existent akzeptiert werden.


Ich kann dir sagen, dass der Existenzbegriff im philosophischen Sprachgebrauch nicht auf konkrete oder materielle Existenzen beschränkt ist: Was auch immer (da) ist, existiert!

Shine hat geschrieben:Ich möchte daher sagen, dass Gott „IST“, sich aber nicht „befindet“. Er lässt sich also auch nicht raumzeitlich verorten. Gott IST: unmittelbar, also nicht von „Mitteln/Dingen“ oder Systemen und schon gar nicht von unserem Vorstellungsvermögen, unserem Verstand und unseren Erkenntnismöglichkeiten abhängig. Gott IST „allgegenwärtig“ und „immerzeitlich“, auch wenn man sich das im wahrsten Sinne des Wortes nicht „vorstellen“ kann, weil es nicht zu „begreifen“ ist, den es übersteigt einfach unser „Begriffs“-Vermögen. Man kann natürlich auch ganz einfach sagen: Gott ist transzendent. Aber auch dieser Begriff ist nicht sehr klar.


Ich betone es zum x-ten Mal: Geistigkeit setzt Zeitlichkeit voraus, sodass die Rede von einem außer- oder unzeitlichen Geist (oder Bewusstsein) in sich widersprüchlich ist! Denn Empfinden, Fühlen, Denken und Vorstellen sind allesamt keine starren Dinge, sondern Vorgänge, und der Begriff eines zeitlosen Vorganges ist unsinnig.
Du kannst also bestenfalls die Außer- oder Unräumlichkeit deines göttlichen Geistes behaupten, wodurch du allerdings unangenehmerweise genötigt bist, am physikalisch überholten Glauben an eine raumunabhängige Zeit festzuhalten.

Im Übrigen widersprichst du dir selbst, wenn du Gott einerseits die Innerräumlichkeit und Innerzeitlichkeit absprichst und andererseits die Allgegenwärtigkeit und Immerwährendheit zusprichst. Du musst dich schon entscheiden!

"Transzendent" bedeutet "jenseits von Raum und Zeit", "jenseits unseres Erfahrungs-/Wahrnehmungshorizonts" oder "jenseits unseres Vorstellungshorizonts".
Wenn du "Gott" einfach rein negativ als "das Unwahrnehmbar-Unvorstellbare" definierst, dann lässt sich darauf keinerlei gehaltvoller Gottesglaube aufbauen.

Shine hat geschrieben:
Also Mutter Natur und Gott Vater geben zusammen doch ein nettes Pärchen ab, oder nicht?


Um im Bild zu bleiben: Die Natur kommt als alleinerziehende Mutter bestens zurecht!

Shine hat geschrieben:
Auch ich glaube nicht, dass das Universum aus dem nichts erschaffen wurde. Ich bin davon überzeugt, dass nebst dem „reinen Geist“ außerdem noch „etwas“ bereits da war (oder besser gesagt, ebenso wie das „reine Bewusstsein“ raum- und zeitlos - also ewig - IST): eine Art „reine Materie“ oder vielleicht „reine Energie“(???), aus der die Materie entstand und mit ihr Zeit und Raum. Aber alleine, von sich heraus, schafft sie das nicht. Dafür fehlen ihr einfach die nötigen geistigen Voraussetzungen.


Vergiss die uralte und falsche Vorstellung von der Materie als einem an sich "toten", "trägen" Körper, dem erst ein Geist oder eine Seele Leben einhauchen muss, damit sich darin etwas regt und bewegt! Eine selbstbewegte Materie benötigt keinen von ihr unabhängigen immateriellen Beweger oder Antreiber, um schöpferisch tätig werden zu können, weil sie schon immer in sich aktiv gewesen ist.
Die Materie ist in sich dynamisch und birgt das Potenzial zur Produktion aller Naturphänomene, einschließlich des menschlichen Bewusstseins, schon immer in sich.

Shine hat geschrieben:
Meiner Ansicht nach sind Intuition und Inspiration sind keinesfalls reine Fantasien, auch wenn du das so sehen willst.


Wenn etwas Sinnvolles dabei rauskommt, habe ich nichts dagegen einzuwenden.

Shine hat geschrieben:
Die Menschen haben meiner Ansicht nach eine angeborene Ahnung von Gott, weshalb sie ihn auch suchen, stülpen ihm aber gewöhnlich ihre eigene Vorstellungen von ihm über.


Fragt sich halt nur, was mit "Gott" gemeint ist!

Shine hat geschrieben:
Sagen wir also, die „Zeit-Raum-Blase“ existiert innerhalb eines transzendenten = immateriellen/zeitlosen Seins. Das ist nicht „irgendwas“, sondern – materiell gesprochen – nichts. Aber da wo "etwas Immaterielles" ist, kann sehr wohl "etwas Materielles" sein.


Selbst wenn man von der Koexistenz einer raumzeitlichen Natur und einer außerraumzeitlichen Übernatur ausgeht, kann sich erstere nicht innerhalb der letzteren befinden oder davon umgeben werden, da diese ja raumzeitlich ausdehnungslos ist.

Shine hat geschrieben:
In was befinden sich denn Quantenfelder? Haben diese „Felder“ keine Zeit-Raum beanspruchende Ausdehnung?


Doch, natürlich. Physikalische Felder sind per definitionem drei- bzw. vierdimensional.
Wenn Felder von der Raumzeit selbst verschieden sind, dann kommen sie innerhalb der Raumzeit vor und besetzen sie.

Shine hat geschrieben:
Ich bin nun mal kein Wissenschaftler.


Ich auch nicht.

Shine hat geschrieben:
Trotzdem löst für mich das Wissen um das „Wie“ eben nicht die Frage nach Gott, es sei denn, es ließe sich beweisen, dass die Materie selbst Intellekt und Bewusstsein hat.


Das Potenzial zur Bewusstseinserzeugung trägt sie schon immer in sich, womit ich aber nicht sagen will, dass der atomistische oder holistische Panpsychismus (* wahr ist; denn ich spreche hier nicht von Aktualität, sondern lediglich von Potenzialität. Wirkliches Bewusstsein findet sich erst bei bestimmten Tierarten als Ergebnis eines komplexen, Milliarden Jahre andauernden Evolutionsprozesses.

(* Dem atomistischen Panpsychismus nach hat jeder einzelne körperlich-stoffliche Teil der Raumzeitwelt ein eigenes, wenn auch nur äußerst einfaches Bewusstsein – einschließlich der Atome und subatomaren Elementarteilchen –, aber nicht die Raumzeitwelt als Ganzes. Dem holistischen Panpsychismus nach, den man auch als "Holopsychismus" bezeichnen könnte, hat die Raumzeitwelt als Ganzes ein eigenes Bewusstsein, sodass man von einem "Weltbewusstsein" odr "Weltgeist" sprechen kann.)

Shine hat geschrieben:
Das angeführte Beispiel ist typisch für die Naturwissenschaft allgemein: sie kann nur den „Schein“ sehen. Das bedeutet aber nicht, dass dahinter nichts existiert.


Nichts und niemand kommt dem Sein der konkreten Wirklichkeit näher als die Naturwissenschaft bzw. die Erfahrungswissenschaft allgemein!

Shine hat geschrieben:
Ich denke, die meisten Wissenschaftler sind einfach nur um die Wahrheit bemüht. Nicht alle versuchen Gott a priori als menschliche Fantasie abzutun. Es gibt nicht wenige Wissenschaftler auch unter den Theologen, und keine geringe. Die Theorie vom Urknall z.B. stammt von einem Theologen.


Dass es auch unter den Naturwissenschaftlern überzeugte Theisten gibt, ist eine von mir nicht geleugnete Tatsache. Daraus allein folgt jedoch nicht, dass die Dogmen der theistisch-supernaturalistischen Religionen mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen im Einklang stehen.

Shine hat geschrieben:
Ich war bei einer Operation durchaus ganz bei Bewusstsein. Eine Periduralanästhesie machte es möglich.


Okay, ich hätte mich klarer ausdrücken sollen: Ich habe mich auf solche Operationen bezogen, die nur unter Vollnarkose schmerzfrei durchführbar sind.

Shine hat geschrieben:
Was da im Hirn aber alles „flackert“ und sich abspielt, weiß man so genau nun aber doch nicht, denn man kann es ja nur von außen anhand des „Flackerns“ beobachten.


Ja klar, die bewussten Gehirnvorgänge erscheinen in der Außenbetrachtung anders als in der Innenbetrachtung. Daraus folgt aber nicht, dass es sich um verschiedene Vorgänge handelt.

"Was dir auf innerem Standpunkte als dein Geist erscheint, der du selbst dieser Geist bist, erscheint auf äußerem Standpunkte dagegen als dieses Geistes körperliche Unterlage. Es ist ein Unterschied, ob man mit dem Gehirne denkt, oder in das Gehirn des Denkenden hineinsieht. Da erscheint ganz Verschiedenes; aber der Standpunkt ist auch ganz verschieden, dort ein innerer, hier ein äußerer. ...
Die Naturwissenschaft stellt sich konsequent auf den äußeren Standpunkt der Betrachtung der Dinge, die Wissenschaft vom Geiste auf den inneren; die Ansichten des Lebens fußen auf dem Wechsel der Standpunkte, die Naturphilosophie auf der Identität dessen, was doppelt auf doppeltem Standpunkte erscheint; eine Lehre von den Beziehungen zwischen Geist und Körper wird die Beziehungen beider Erscheinungsweisen des Einen zu verfolgen haben."


(Fechner, Gustav Th. Elemente der Psychophysik [1889], Erster Teil, Einleitendes, I. "Allgemeinere Betrachtung über die Beziehung von Leib und Seele.")

"Psychologisch, d.h. für mich als Vorstellenden, Denkenden ist an und für sich das Vorstellen, das Denken kein Hirnakt; ich kann denken, ohne nur zu wissen, dass ich ein Hirn habe; in der Psychologie fliegen uns die Tauben gebraten ins Maul; in unser Bewusstsein und Gefühl fallen nur die Schlusssätze, aber nicht die Prämissen, nur die Resultate, aber nicht die Prozesse des Organismus; es ist daher ganz natürlich, dass ich das Denken vom Hirnakt unterscheide und für sich selbst denke. Aber daraus, dass das Denken für mich kein Hirnakt, sondern ein vom Hirn unterschiedener und unabhängiger Akt ist, folgt nicht, dass es an sich auch kein Hirnakt ist. Nein! Im Gegenteil: was für mich oder subjektiv ein rein geistiger, immaterieller, unsinnlicher Akt, ist an sich oder objektiv ein materieller, sinnlicher. Der Hirnakt ist der höchste, der unser Selbst begründende und bedingende Akt – ein Akt, der daher nicht mehr als ein von uns unterschiedener wahrgenommen werden kann."

(Feuerbach, Ludwig. "Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist." 1846)

Shine hat geschrieben:
Ich behaupte ja nicht, dass es diese genetischen Programme nicht gibt und dass die Dinge nicht „von selbst“ laufen, sich nicht selbst regulieren usw. Ich sage nur, dass sie sich nicht selbst erfunden oder entwickelt haben können, selbst dann nicht, wenn man 100ig genau sagen kann, was da abläuft und wie sie zustande gekommen sind!!! An Magie glaube ich schon seit meiner Kindheit nicht mehr!


Die evolutionsbiologischen Erkenntnisse sprechen eindeutig für die Annahme, dass die produktiven Naturprozesses nicht von irgendwelchen "immateriellen Personen" abhängen, die als Planer und Designer dahinterstehen. Wenn es "Magie" ist, dann ist es ganz und gar natürliche "Magie"!

Shine hat geschrieben:
An eine Befruchtung ohne Befruchter glaubst du doch auch nicht! Warum soll bei der „Geburt“ der Welt plötzlich alles möglich sein, was du sonst als absolut unmöglich erklären würdest? Ich vermisse bei deiner Geschichte den „Vater“/die Ursache, ohne die es keine „Baby“ gibt.


Wenn die natürliche Welt ewig ist, dann ist sie von niemandem geboren worden.
Und alle nichtewigen innerraumzeitlichen Phänomene sind sozusagen auf dem unerschöpflichen Nährboden der ewigen Natur gewachsen.

Shine hat geschrieben:
In anderen Worten: Gott „Vater“ , der Person ist, d.h. über alle geistigen Fähigkeiten einer Person verfugt, hat „Mutter Natur“ mit seinem Geist „befruchtet“.


Eine beabsichtigte Hervorzauberung der physischen Raumzeit aus nichts durch eine außerraumzeitliche unkörperliche Person erscheint keinen Deut glaubwürdiger als eine ursachenlose Entstehung aus nichts. Im Gegenteil, denn der Begriff einer solchen Person ist, wie schon mehrmals gesagt, widersinnig und widervernünftig!

Shine hat geschrieben:
Ein „Ding“ (und dazu zählt auch ein energetisch autarkes, in sich kausal geschlossenes Weltsystem das nur aus Materie besteht) das sich unbewusst generiert, willenlos und zufällig organisiert, programmiert, zielrichtet, und schließlich sogar Leben und Bewusstsein hervorbringt, ist und bleibt schlicht ein absolutes Unding.


Die Materie steckt nach wie vor voller Geheimnisse, die schwer zu enträtseln sind. Es ist aber witzlos, etwas Schwerverständliches durch etwas Unverständliches (= dein Gott) erklären zu wollen.

Ich muss noch einmal unterstreichen, dass das Naturgeschehen mitnichten ein totales anarchisches Chaos ist, dem nur rein zufällig komplexe Systeme (Organismen) entspringen, sondern dass es von Naturgesetzen geleitet wird, die in den unzufälligen Beziehungen und Wechselwirkungen der fundamentalen Natureigenschaften gründen und eine dynamische Grundordnung herstellen.

Shine hat geschrieben:
Dass komplexe Organismen äußerst hochkomplizierte, sich selbst organisierende Programme und Abläufe haben, die diejenigen einer Waschmaschine, eines Automobils oder eines Computerprogrammes weit übersteigen, deutet nur auf die Größe seines Schöpfers hin. Dass dieser nicht erkannt wird, liegt nicht daran, dass es diesen Schöpfer nicht gibt, sondern an der unzulänglichen Möglichkeit ihn zu erkennen.


Tja, ich weise das auf technische Beispiele zurückgreifende Analogie-Argument zugunsten des Theismus zurück, weil zwischen künstlichen und natürlichen Dingen ein wesentlicher Unterschied besteht. Und wenn auf natürliche Beispiele zurückgegriffen wird, dann spricht spätestens seit Darwin nichts mehr für die Annahme, dass natürliche Entwicklungs- und Gestaltungsvorgänge ohne Mitwirkung eines immateriellen intelligenten Designers unmöglich sind.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon ganimed » Mo 24. Jan 2011, 09:19

Position 1 : Shine proklamiert einen Geist, der alles andere gemacht hat.
Position 2 : Der Naturalist proklamiert, dass alles einfach so entstanden sind, ohne Geist.

Beide Positionen werfen eine Frage auf:

Frage zu Position 1: Wer hat den Geist gemacht? Ist dieser nicht ebenfalls aus Nichts entstanden?
Antwort von Shine: nein, der Geist ist ewig und ist deshalb nicht entstanden, sondern war schon immer da.

Frage zu Position 2: Wie kann Materie (Raum und Zeit etc.) einfach aus dem Nichts entstehen?
Antwort der Wissenschaft: keine Ahnung

Ich finde, die Antwort von Shine ist keine wirkliche Antwort. Die Folgefrage wäre sofort: wie kann etwas ewig sein? (Oder: was ist Ewigkeit?)

Keine der beiden Positionen kann alle Fragen klären.

Position 1 hat zur (Nicht)-Beantwortung der Frage ein neues, aber völlig unerklärliches Konzept der Ewigkeit eingeführt. Das sieht mir sehr bemüht aus. Der Vorteil ist aber, dass die Welt und unsere Existenz mit diesem proklamierten Geist möglicherweise einen Sinn erhält. Und das sieht mir sehr verdächtig aus. Ich finde es daher sehr logisch, Position 1 als Wunschdenken abzutun. Occams Rasiermesser würde dasselbe tun.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Grotemson » Mo 24. Jan 2011, 20:53

Vorsicht! Der Autor dieses Beitrags ist sich nicht der gesamten Diskussion bewusst. Er hat nur die letzten drei ausführlichen Einwände un Gegeneinwände gelesen. Wenn er also schon Gesagtes wiederholt: Einfach ignorieren.

Nach dem Lesen von Myrons ausführlicher Antwort, habe ich das Gefühl shine wenigstens in einem Punkt unterstützen zu müssen.

1. Myron schreibt:
Ein "Herumgeistern" außerhalb der Raumzeit ist unmöglich, da es außerhalb deren keine Bewegung geben kann. Etwas Außerraumzeitliches ist notwendigerweise unbeweglich und unveränderlich. Das bedeutet übrigens, wie gesagt, auch, dass es keinen außerraumzeitlichen Geist geben kann, da der Bewusstseinsfluss wesensmäßig in innerer Bewegung und Veränderung begriffen ist.

sowie
Ich betone es zum x-ten Mal: Geistigkeit setzt Zeitlichkeit voraus, sodass die Rede von einem außer- oder unzeitlichen Geist (oder Bewusstsein) in sich widersprüchlich ist! Denn Empfinden, Fühlen, Denken und Vorstellen sind allesamt keine starren Dinge, sondern Vorgänge, und der Begriff eines zeitlosen Vorganges ist unsinnig.


Vorsicht. Man lasse sich in diesem Fall nicht von der Sprache verwirren. Wir sprechen zwar von einem Stream of Bewusstsein(ich will mich nicht blamieren, deswegen schreibe ich das englische Wort nicht), aber daraus ein Argument zu zimmer, setzt die Gleichsetzung von materieller Bewegung(zb. die eines Pfeils) mit geistiger Bewegung gleich. In Wahrheit sprechen wir von letzterer nur in Ermangelung besserer Ausdrücke und meinen damit auf keinen Fall, dass sich unser "Geist" von Punkt A zu Punkt B bewegt.
Aber natürlich setzt unser tagtägliches empirisches Bewusstsein eine gewisse Suksession mentaler Zustände voraus. Hunger, Durst, Gedanken, Gefühle. Die Gerichtetheit dieser Zustände und Dynamik ihrer Genese setzt Zeitlichkeit voraus. Wir wissen aber seit Kant, dass unser empirisches Bewusstsein erst durch eine transzendentale Instanz ermöglicht wird. Diese ist nicht gebunden an unsere kontigenten tagtäglichen Zustände.
Es gilt auch zu bemerken, dass ein nicht-raumzeitlicher Geist nunmehr nur widersprüchlich ist, wenn er als empirisches Bewusstsein, das assoziiert und mittels Suksession Weltbezug herstellt, konstruiert wird. Gott allerdings kann nicht diese Art von Bewusstsein/Geist sein, denn er benötigt keine Assoziation oder Inferenz, um Erkenntnis zu gewinnen. Tatsächlich benötigt er auch keinen Erkenntnisgewinn. Da er ja üblicherweise als allwissend konstruiert wird, besitzt er bereits alle wahren Sätze, und muss diese nicht mehr mittels Inferenzpraktiken wie Assoziation, Introspektion, Induktion oder Deduktion gewinnen.
Es ist also sehr wohl "möglich", dass ein Geist außerhalb der Raumzeit existiert. Bzw. dieses konkrete Argument gegen seine Existenz hinkt.

Ich erinnere ebenfalls an eine weitere Gefahr des Einwandes: In jedem Universum, das mittels des einsteinschen Instrumentariums beschrieben werden kann, gibt es de facto keine Zeit. Kurt Gödel hatte das festgestellt. Man müsste jetzt also übelegen, wieso wir, die wir uns doch in einem einsteinschen Universum befinden, trotzdem denken, uns bewegen usw. können.


ps. Vor allem Myrons soft-verfikationistisch-semantischen Argument schließe ich mich jedoch an.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Myron » Mo 24. Jan 2011, 23:25

Grotemson hat geschrieben:Vorsicht. Man lasse sich in diesem Fall nicht von der Sprache verwirren. Wir sprechen zwar von einem Stream of Bewusstsein(ich will mich nicht blamieren, deswegen schreibe ich das englische Wort nicht), aber daraus ein Argument zu zimmer, setzt die Gleichsetzung von materieller Bewegung(zb. die eines Pfeils) mit geistiger Bewegung gleich. In Wahrheit sprechen wir von letzterer nur in Ermangelung besserer Ausdrücke und meinen damit auf keinen Fall, dass sich unser "Geist" von Punkt A zu Punkt B bewegt.


Auch wenn geistige Ereignisse oder Vorgänge keine Bewegungen im Raum sind wie der Flug eines Pfeils, so sind sie doch Bewegungen in der Zeit, da Ereignisse und Vorgänge allgemein einen bestimmten Zeitraum >0s in Anspruch nehmen. Es kann kein unzeitliches Empfinden, Fühlen, oder Denken mit einer Zeitdauer von 0s geben. Die Theisten können sich drehen und winden, wie sie wollen, aber es wird ihnen nicht gelingen, dem Begriff eines außerzeitlichen Dinges mit geistig-seelischen Eigenschaften einen vernünftigen Sinn zu geben.

Grotemson hat geschrieben:Wir wissen aber seit Kant, dass unser empirisches Bewusstsein erst durch eine transzendentale Instanz ermöglicht wird. Diese ist nicht gebunden an unsere kontigenten tagtäglichen Zustände.


Was genau soll das bedeuten?

Grotemson hat geschrieben:Es gilt auch zu bemerken, dass ein nicht-raumzeitlicher Geist nunmehr nur widersprüchlich ist, wenn er als empirisches Bewusstsein, das assoziiert und mittels Suksession Weltbezug herstellt, konstruiert wird. Gott allerdings kann nicht diese Art von Bewusstsein/Geist sein, denn er benötigt keine Assoziation oder Inferenz, um Erkenntnis zu gewinnen. Tatsächlich benötigt er auch keinen Erkenntnisgewinn. Da er ja üblicherweise als allwissend konstruiert wird, besitzt er bereits alle wahren Sätze, und muss diese nicht mehr mittels Inferenzpraktiken wie Assoziation, Introspektion, Induktion oder Deduktion gewinnen.
Es ist also sehr wohl "möglich", dass ein Geist außerhalb der Raumzeit existiert. Bzw. dieses konkrete Argument gegen seine Existenz hinkt.


Nein, es hinkt nicht; denn das Haben von Bewusstsein/Geist besteht grundsätzlich im Haben von Erlebnissen; und der Begriff eines zeitlosen Erlebnisses ist schlicht und ergreifend unsinnig, und zwar unabhängig davon, ob von einem göttlichen oder einem nichtgöttlichen Wesen die Rede ist.
Das Geistesleben besteht nicht in einem starren Sein, in statischen Zuständen, sondern in einer dynamischen Abfolge von Ereignissen oder Vorgängen.

"[N]onsense remains nonsense even when we talk it about God."

(Lewis, C. S. The Problem of Pain, 1940. p. 18)

Und was das angebliche göttliche Allwissen anbelangt, so habe ich ja bereits die Frage aufgeworfen, wie ein reiner Geist überhaupt etwas wissen kann, wo er doch über kein objektives Gedächtnis, d.h. über keine "Hardware" verfügt, worin alle wahren Sätze gespeichert werden könnten.
Die einzige Möglichkeit wäre, ständig alle wahren Sätze – deren Anzahl unendlich ist – gleichzeitig im Bewusstsein zu behalten, d.h. gleichzeitig zu denken.
Es ist aber, gelinde gesagt, höchst zweifelhaft, ob das parallel-synchrone Denken unendlicher vieler Sätze realiter möglich ist.
Mit der billigen Ausflucht, dass Gott alles könne, auch wenn kein Mensch verstehen könne, wie das machbar ist, lässt sich dieses Problem jedenfalls nicht abtun.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Myron » Mo 24. Jan 2011, 23:52

Grotemson hat geschrieben:Gott allerdings kann nicht diese Art von Bewusstsein/Geist sein, denn er benötigt keine Assoziation oder Inferenz, um Erkenntnis zu gewinnen. Tatsächlich benötigt er auch keinen Erkenntnisgewinn.


Auf die Frage, wie ein außerraumzeitlicher Geist ohne Sinnesorgane vollständiges Tatsachenwissen über die raumzeitliche Wirklichkeit besitzen kann, ohne dieses überhaupt in irgendeiner Weise erworben zu haben, haben die Theisten nur die übliche Antwort parat: "Gott ist ein Mysterium!"
Sie könnten höchstens behaupten, dass Gott über ein unbegreiflich-unerklärliches übersinnliches Wahrnehmungsvermögen verfügt.
Aber auch dieses Ad-hoc-Argument ist doch Quatsch!
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Myron » Di 25. Jan 2011, 00:00

Theologische Mathematik:

1. <raumzeitliches körperliches Lebewesen mit Selbstbewusstsein>
– <Körperlichkeit> =
2. <raumzeitliches nichtkörperliches Lebewesen mit Selbstbewusstsein>
– <Raumzeitlichkeit> =
3. <nichtraumzeitliches nichtkörperliches Lebewesen mit Selbstbewusstsein>

Ich kann nicht nachvollziehen, wie man ernsthaft glauben kann, dass 3 ein sinnvoller, in sich stimmiger Begriff ist, unter den wirkliche Gegenstände fallen können.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon mat-in » Di 25. Jan 2011, 09:37

Ich finde das immer noch seltsam, das davon ausgegangen wird, das Bewußtsein ohne Materie und ohne Energie existiert... was soll den der Träger sein? Kramen wir jetzt wieder Äther, Orgon und ähnliches aus?

Ich finde schon, das 3. eine sehr treffende Beschreibung für etwas ist (hab ich oben schon geschrieben) =)
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Arathas » Di 25. Jan 2011, 11:06

mat-in hat geschrieben:Ich finde das immer noch seltsam, das davon ausgegangen wird, das Bewußtsein ohne Materie und ohne Energie existiert... was soll den der Träger sein? Kramen wir jetzt wieder Äther, Orgon und ähnliches aus?


Wir haben da wohl eine gewisse Patt-Situation: Gläubige können es nicht erklären. Und wir können es nicht verstehen.

Es werden also von beiden Seiten "Fehler" gemacht. Passt doch perfekt zusammen. :mg:
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon mat-in » Di 25. Jan 2011, 12:01

Das ist eben das Problem mit "Glauben". Man muß einen Schritt zur Seite machen, raus aus den Bereichen wo Logik, Kausalität und eine überprüfbare Realität eine Rolle spielen. Nachvollziehen kann ich den Gedankengang schon, ich glaube (*grins*) zu wissen was in den Leuten vorgeht, aber verstehen kann ich es nicht. Das ist wohl, warum ich hier gestrandet bin: Ich brauche solche Konstrukte nicht, um mir zu erklären was um mich herum vorgeht und wie die Welt funktioniert. Für mich funktioniert es sehr schön Bewußtsein als emergente Eigenschaft eines komplizierten Nervensystems zu sehen.

Im Gegenteil, regt es mich sogar ziemlich auf, wenn mir der ein oder andere im vorletzten Jahrhundert stecken gebliebene Hobbyphilosoph immer noch erklären möchte, das Denkprozesse ganz unabhängig vom Gehirn sind und was "wunder"volles sind, das wir nie verstehen können... Ich würde ja verstehen, das man sich solcher Konstrukte bedient, wenn sie wirklich nötig wären, aber es erscheint mir immer mehr eine Flucht vor der Realität zu sein, "nicht sein kann, was nicht sein darf" und so...
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Arathas » Di 25. Jan 2011, 12:22

Ich denk die meisten Leute, die etwas behaupten wie "Gott existiert, aber außerhalb von Raum und Zeit", denken ganz einfach nicht groß über diese Begrifflichkeiten nach. Sie denken nicht weiter, in vielen Fällen wohl auch, weil sie sich nicht sooo sehr für Naturwissenschaften interessieren wie andere Leute, und dann natürlich auch offensichtliche Denkfehler in ihrer Argumentation nicht entdecken können. Es ist nur betrüblich, dass viele dieser Personen dann aber dennoch darauf beharren, dass ihr Gedankengang in sich schlüssig sei und "die anderen" einen einfach nicht verstehen, weil die das nicht überreißen, was man sich da Tolles ausmalt. Dass man selbst derjenige ist, der Begriffe durcheinanderwürfelt und sich daraus ein abstruses Weltbild bastelt, das keiner näheren logischen Betrachtung standhält, möchte man ungern wahr haben oder sich damit auseinandersetzen.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon ganimed » Di 25. Jan 2011, 13:28

Mir geht es fast wörtlich genau so wie mat-in. Auch ich glaube zu verstehen, wieso diese geisthaften, dualistischen Positionen so gerne vertreten werden. Und auch mich regt es dennoch in Einzelgesprächen immer ziemlich auf, wie immun gegen Vernunftargumente diese verrückten Positionen offenbar sind. Es ist zum aus der Haut fahren.

Aber wenn ich ehrlich meine Situation überdenke, so komme ich wieder auf das Geschmacksfragenargument. Wenn ich nicht zufällig Logik gut fände (deshalb auch Programmiere geworden bin, deshalb auch Bücher von Hoimar v. Ditfurth gelesen habe), dann würde ich vermutlich auch eine Position vorziehen, die andere Vorlieben besser bedient.

Ich mag Logik, also denke ich mir, dass es einen unstofflichen, ewigen Geist mit menschenähnlicher Denke und Gestaltungssuperkräften nicht gibt. Und dann freue ich mich.
Jemand anders, dessen Neigungen eher nach einem roten Faden im Universum verlangen, einen Sinn und eine über alles reichende Ästhetik, der entscheidet sich natürlich eher für diesen Geist, für die Ordnung und für die Sinnhaftigkeit des Großen Ganzen.
Mein Logikargument "aber die Story ohne Geist ist doch viel wahrscheinlicher" kann vermutlich mit allem Recht der Welt durch das Gegenargument "aber die Story mit dem Geist ist viel schöner" entkräftet werden. Es muss einem ja nicht unbedingt auf Wahrheit und Plausibilität ankommen. Man kann ja auch andere Prioritäten haben.

Es bleibt aber zum aus der Haut fahren.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Myron » Di 25. Jan 2011, 21:14

Arathas hat geschrieben:Ich denk die meisten Leute, die etwas behaupten wie "Gott existiert, aber außerhalb von Raum und Zeit", denken ganz einfach nicht groß über diese Begrifflichkeiten nach.


Ja, allerdings gibt es auch Berufsphilosophen, darunter Geistesgrößen wie Descartes oder Locke, die den Begriff <immaterielle/spirituelle Substanz> unproblematisch finden. Aber fast alle zeitgenössischen Philosophen, die noch den Substanzdualismus vertreten, sind Theisten – was gewiss kein Zufall ist.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon mat-in » Di 25. Jan 2011, 22:44

Das auch hoch angesehene Wissenschaftler Animisten waren, etc. steht außer Frage. Aber heute isnd wir da ein Stück weiter in der Erkenntniss.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Grotemson » Di 25. Jan 2011, 23:37

ganimed hat geschrieben:Mir geht es fast wörtlich genau so wie mat-in. Auch ich glaube zu verstehen, wieso diese geisthaften, dualistischen Positionen so gerne vertreten werden. Und auch mich regt es dennoch in Einzelgesprächen immer ziemlich auf, wie immun gegen Vernunftargumente diese verrückten Positionen offenbar sind. Es ist zum aus der Haut fahren.

Aber wenn ich ehrlich meine Situation überdenke, so komme ich wieder auf das Geschmacksfragenargument. Wenn ich nicht zufällig Logik gut fände (deshalb auch Programmiere geworden bin, deshalb auch Bücher von Hoimar v. Ditfurth gelesen habe), dann würde ich vermutlich auch eine Position vorziehen, die andere Vorlieben besser bedient.

Ich mag Logik, also denke ich mir, dass es einen unstofflichen, ewigen Geist mit menschenähnlicher Denke und Gestaltungssuperkräften nicht gibt. Und dann freue ich mich.
Jemand anders, dessen Neigungen eher nach einem roten Faden im Universum verlangen, einen Sinn und eine über alles reichende Ästhetik, der entscheidet sich natürlich eher für diesen Geist, für die Ordnung und für die Sinnhaftigkeit des Großen Ganzen.
Mein Logikargument "aber die Story ohne Geist ist doch viel wahrscheinlicher" kann vermutlich mit allem Recht der Welt durch das Gegenargument "aber die Story mit dem Geist ist viel schöner" entkräftet werden. Es muss einem ja nicht unbedingt auf Wahrheit und Plausibilität ankommen. Man kann ja auch andere Prioritäten haben.

Es bleibt aber zum aus der Haut fahren.


Ich finde, das macht es sich einfach zu einfach. Ob man nun Logik mag oder nicht: Atheismus ist keine in irgendeinerweise überlegene Position. Er kann nicht Erkenntnisprirorität für sich beanspruchen. Das zeigt sich schon allein daran, dass es sehr wohl deduktiv gültige Gottesbeweise(erschütternstes Beispiel: Gödel) gibt, die man bei den Prämissen packen muss. Logik hat also nichts dezisives über die Existenz Gottes zu sagen, und sie ist auch keine Keule, die man jedem über die Rübe ziehen kann. Auch ihre Fundamente sind nicht auf Beton gebaut.
Natürlich gibt es Menschen, die offensichtlich Widersprüchliches glauben und resistent gegen Gegenargumente sind, aber einfach alle Gläubigen als dumme Halbaffen hinzustellen, die ja soo irrational sind, ist eine ausgesprochen stumpfsinnige und ignorante Haltung, die ihrerseits an Irrationalität grenzt. Es gibt genügend kluge, hochrangige Köpfe, die an Gott glauben und von seiner Existenz rational überzeugt sind, als Beispiel seien nur die beiden bahnbrechenden Erkenntistheoretiker William Alston und Alvin Plantinga(ein weiteres Mal) genannt, genügend Atheisten, die aufgrund von Argumenten "konvertiert" sind. Und auf der anderen Seite gibt es genügend Menschen, die irrationale und gegen Argumente resistente Überzeugungen in Bezug auf die Wissenschaft, den Materialismus, die Logik und den Naturalismus halten und Atheisten sind, von der Wahrheit und epistemischen Überlegenheit dieser Meinungen aber vollständig überzeugt sind. Der skeptische Rückschluss auf die eigene Position drängt sich angesichts dieser Verhältnisse fast schon penetrant auf.
Im Übrigen ist ein Wahrscheinlichkeitsargument kein "Logikargument" im strengen Sinne, sondern lediglich und höchstens ein fragwürdiges Plausibilitätsargument.
Ein Atheist hat nicht "mehr" erkannt, oder ist "weiter" entwickelt. Atheismus ist keine Position, von der aus man seine eigene Überlegenheit feiern kann. Viel eher ist Atheismus eine Position der Demut, verbunden mit dem skeptischen Zugeständnis, sich irren zu können.
Deswegen gehen mir ehrlich gesagt auch Aussagen wie diese gehörig auf die Nerven:
mat-in hat geschrieben:Das auch hoch angesehene Wissenschaftler Animisten waren, etc. steht außer Frage. Aber heute isnd wir da ein Stück weiter in der Erkenntniss

Nein, sind wir nicht. Dass Gott existiert, ist immer noch eine rationale Haltung, wenn sie richtig vertreten wird. Dass es Gott nicht gibt, ist wieder und allzuoft, eine irrationale Haltung, wenn man sie falsch vertritt. Es gilt sich hier einfach zwischen zwei gleichermaßen angreifbaren und gleichermaßen verteidigungsfähigen Systemen zu entscheiden, die unterschiedliche Ontologien besitzen. Was aber die Wahrheit betrifft, ist es absurd und arrogant zu behaupten, man habe sie gepachtet, vor allem wenn man dabei die Unentscheidbarkeit der Frage(deretwegen ich eine neutrale Position vorziehe) völlig übersieht.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Arathas » Mi 26. Jan 2011, 09:34

Grotemson hat geschrieben:dass es sehr wohl deduktiv gültige Gottesbeweise(erschütternstes Beispiel: Gödel) gibt


Ja ja, der schöne ontologische Gottesbeweis. Solche Überlegungen und "Beweise" sind halt einfach nur völlig nichtssagend, solange es keine Definition gibt, was Gott überhaupt ist. Es ist irgendwie nicht sooo erschütternd, wenn jemand etwas beweist, von dem es nicht einmal eine Definition gibt und von dem dir zehn Menschen, die gerade versuchen, das zu beweisen, zehn Definitionen liefern.

Grotemson hat geschrieben:Dass Gott existiert, ist immer noch eine rationale Haltung


Nicht wirklich, oder? Wie kann man denn rationalerweise etwas über die Existenz von etwas behaupten, für das es keine Beschreibung gibt? Bzw: Was behauptet man denn dann eigentlich? Das weiß man ja schließlich selber nicht.

Grotemson hat geschrieben:Was aber die Wahrheit betrifft, ist es absurd und arrogant zu behaupten, man habe sie gepachtet, vor allem wenn man dabei die Unentscheidbarkeit der Frage(deretwegen ich eine neutrale Position vorziehe) völlig übersieht.


Eine Wahrheit für sich gepachtet zu haben, behaupte weder ich noch mat-in (denke ich). Aber ich jedenfalls weiß nicht genau, was "Gott" überhaupt sein soll.

Wenn du also findest, Grotemson, dass die Haltung, es gebe Gott, eine rational vertretbare sei, dann erkläre mir doch vorher, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Solange Gott lediglich als Wort im Raum steht und es keine Definition gibt, unter der man sich vorstellen kann, was diese Personen zu beweisen versuchen, ist es völlig belanglos, wenn so ein "Beweis" funktioniert.

Ein erbrachter Gottesbeweis ist nichts anderes als eine Verschleierung: Es wird etwas bewiesen, das nicht definiert ist. Was ist also bewiesen? Nichts. Außer, dass man mit Worten andere Menschen leicht an der Nase herumführen kann.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Myron » Mi 26. Jan 2011, 10:48

Grotemson hat geschrieben:Es gibt genügend kluge, hochrangige Köpfe, die an Gott glauben und von seiner Existenz rational überzeugt sind, als Beispiel seien nur die beiden bahnbrechenden Erkenntistheoretiker William Alston und Alvin Plantinga(ein weiteres Mal) genannt, …


Diese beiden in der Tat nicht dummen Herren haben alles dafür getan, um den Eindruck zu erwecken, dass der theistische und speziell christliche Glaube auch dann in sich vollkommen vernünftig ist, wenn er sich nicht beweisen oder rechtfertigen lässt.

http://plato.stanford.edu/entries/relig ... ology/#Ref

http://www.iep.utm.edu/relig-ep/#SH3d
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon mat-in » Mi 26. Jan 2011, 17:27

Grotemson hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Das auch hoch angesehene Wissenschaftler Animisten waren, etc. steht außer Frage. Aber heute isnd wir da ein Stück weiter in der Erkenntniss

Nein, sind wir nicht. Dass Gott existiert, ist immer noch eine rationale Haltung, wenn sie richtig vertreten wird. Dass es Gott nicht gibt, ist wieder und allzuoft, eine irrationale Haltung, wenn man sie falsch vertritt. Es gilt sich hier einfach zwischen zwei gleichermaßen angreifbaren und gleichermaßen verteidigungsfähigen Systemen zu entscheiden, die unterschiedliche Ontologien besitzen.

Habe gerade wieder eine Debatte um determinusmus vs. freiheit gehört, in der sich die Teilnehmer nicht auf allgemeine Definitionen einigen konnten - noch bevor es eigentlich um Argumente ging - nur, um der eigenen Position einen Startvorteil zu verschaffen. Ich persönlich bin ja der Meinung, das wer sich hinter Semantik verstecken muß von vorne herein die schwächere Position hat.
Einen Gott zu postulieren, den wir weder wahrnehmen noch beeinflussen können und der auch auf uns keinen Einfluß nimmt, und der deswegen nicht nachweisbar ist, ist eine erheblich schlechtere Ausgangsbasis, als die Annahme, das es keinen Gott gibt und von dort den Versuch zu unternehmen, doch einen zu finden. Schlicht weil letzteres einfacher, einleuchtender, logischer, ... ist.
Der Verweis das es keinen Beweis gibt, das es Gott nicht gibt ist - vor allem in einem aufgeklärten wissenschaftlichen Weltbild (kritischer Rationalismus? z.B.) - nicht valide. Mit der gleichen Logik ließe sich sonstwas postulieren, solange man mitpostuliert, das es nicht entdeckt werden kann...
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Grotemson » Mi 26. Jan 2011, 21:11

Arathas hat geschrieben:
Grotemson hat geschrieben:dass es sehr wohl deduktiv gültige Gottesbeweise(erschütternstes Beispiel: Gödel) gibt


Ja ja, der schöne ontologische Gottesbeweis. Solche Überlegungen und "Beweise" sind halt einfach nur völlig nichtssagend, solange es keine Definition gibt, was Gott überhaupt ist. Es ist irgendwie nicht sooo erschütternd, wenn jemand etwas beweist, von dem es nicht einmal eine Definition gibt und von dem dir zehn Menschen, die gerade versuchen, das zu beweisen, zehn Definitionen liefern.

Grotemson hat geschrieben:Dass Gott existiert, ist immer noch eine rationale Haltung


Nicht wirklich, oder? Wie kann man denn rationalerweise etwas über die Existenz von etwas behaupten, für das es keine Beschreibung gibt? Bzw: Was behauptet man denn dann eigentlich? Das weiß man ja schließlich selber nicht.

Grotemson hat geschrieben:Was aber die Wahrheit betrifft, ist es absurd und arrogant zu behaupten, man habe sie gepachtet, vor allem wenn man dabei die Unentscheidbarkeit der Frage(deretwegen ich eine neutrale Position vorziehe) völlig übersieht.


Eine Wahrheit für sich gepachtet zu haben, behaupte weder ich noch mat-in (denke ich). Aber ich jedenfalls weiß nicht genau, was "Gott" überhaupt sein soll.

Wenn du also findest, Grotemson, dass die Haltung, es gebe Gott, eine rational vertretbare sei, dann erkläre mir doch vorher, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Solange Gott lediglich als Wort im Raum steht und es keine Definition gibt, unter der man sich vorstellen kann, was diese Personen zu beweisen versuchen, ist es völlig belanglos, wenn so ein "Beweis" funktioniert.

Ein erbrachter Gottesbeweis ist nichts anderes als eine Verschleierung: Es wird etwas bewiesen, das nicht definiert ist. Was ist also bewiesen? Nichts. Außer, dass man mit Worten andere Menschen leicht an der Nase herumführen kann.


Ich verstehe deine Position nicht: Erst beklagst du dich, dass es keine Definition für Gott gibt. Im nächsten Satz lamentierst du, dass es zu viele gibt. Dann sagst du wieder, es gebe keine Beschreibung. Ist das dann dasselbe wie Definition?
Anyway, ist es schlichtweg falsch, dass es keine Definitionen oder Beschreibungen für Gott gibt. Diese Behauptung tut wiederum so, als habe es hunderte von Jahre philosophischer und theologischer Forschung nicht gegeben, als gäbe es nicht auch heute sehr anspruchvolle Bearbeitungen dieses zugegeben komplexen Themas.
Die Beweislast stimmt auch nicht. Ja, ich muss zeigen, dass es konsistente Definitionen von Gott gibt. Das kann ich auch.(Natürlich wird ein Naturalist all diese Definitionen ablehnen). Aber wenn man behaupten möchte, dass die Haltung, es gebe Gott, irrational ist, dann reicht es eben nicht, einfach mal pauschal zu behaupten, es gebe keine Definition und/oder Beschreibung und alle Beweise schlügen deshalb fehl. Dann muss man sich schon lange und intensiv mit Theologie und Gottesbeweisen beschäftigen und mir ein Knock-down Argument für alle aufzählen. Solange das nicht geschehen ist, ist meine neutrale Position, von der aus ich epistemischen Chauvinismus beider Seiten abrügen kann, völlig gerechtfertigt.

mat-in hat geschrieben:
Grotemson hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Das auch hoch angesehene Wissenschaftler Animisten waren, etc. steht außer Frage. Aber heute isnd wir da ein Stück weiter in der Erkenntniss

Nein, sind wir nicht. Dass Gott existiert, ist immer noch eine rationale Haltung, wenn sie richtig vertreten wird. Dass es Gott nicht gibt, ist wieder und allzuoft, eine irrationale Haltung, wenn man sie falsch vertritt. Es gilt sich hier einfach zwischen zwei gleichermaßen angreifbaren und gleichermaßen verteidigungsfähigen Systemen zu entscheiden, die unterschiedliche Ontologien besitzen.

Habe gerade wieder eine Debatte um determinusmus vs. freiheit gehört, in der sich die Teilnehmer nicht auf allgemeine Definitionen einigen konnten - noch bevor es eigentlich um Argumente ging - nur, um der eigenen Position einen Startvorteil zu verschaffen. Ich persönlich bin ja der Meinung, das wer sich hinter Semantik verstecken muß von vorne herein die schwächere Position hat.
Einen Gott zu postulieren, den wir weder wahrnehmen noch beeinflussen können und der auch auf uns keinen Einfluß nimmt, und der deswegen nicht nachweisbar ist, ist eine erheblich schlechtere Ausgangsbasis, als die Annahme, das es keinen Gott gibt und von dort den Versuch zu unternehmen, doch einen zu finden. Schlicht weil letzteres einfacher, einleuchtender, logischer, ... ist.
Der Verweis das es keinen Beweis gibt, das es Gott nicht gibt ist - vor allem in einem aufgeklärten wissenschaftlichen Weltbild (kritischer Rationalismus? z.B.) - nicht valide. Mit der gleichen Logik ließe sich sonstwas postulieren, solange man mitpostuliert, das es nicht entdeckt werden kann...


Wer sagt denn, dass man Gott nicht entdecken kann? Außerdem gibt es sehr wohl auch in anderen Weltanschauungen derlei Postulate.

Myron hat geschrieben:
Grotemson hat geschrieben:Es gibt genügend kluge, hochrangige Köpfe, die an Gott glauben und von seiner Existenz rational überzeugt sind, als Beispiel seien nur die beiden bahnbrechenden Erkenntistheoretiker William Alston und Alvin Plantinga(ein weiteres Mal) genannt, …


Diese beiden in der Tat nicht dummen Herren haben alles dafür getan, um den Eindruck zu erwecken, dass der theistische und speziell christliche Glaube auch dann in sich vollkommen vernünftig ist, wenn er sich nicht beweisen oder rechtfertigen lässt.

http://plato.stanford.edu/entries/relig ... ology/#Ref

http://www.iep.utm.edu/relig-ep/#SH3d


Das ist eine ziemlich tendenziöse, eindimensionale und vorurteilsbeladene Darstellung ihrer Arbeit. Vor allem, weil beide nicht nur in religiöser Epistemologie gearbeitet haben. Ich frage mich, was du damit sagen willst.
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Re: Körper & Leben & Geist/Seele

Beitragvon Myron » Do 27. Jan 2011, 00:15

Grotemson hat geschrieben:Solange das nicht geschehen ist, ist meine neutrale Position, von der aus ich epistemischen Chauvinismus beider Seiten abrügen kann, völlig gerechtfertigt.


Was für eine Art von Agnostiker/Neutralist bist du denn?

Siehe:

viewtopic.php?p=74104#p74104

viewtopic.php?p=43052#p43052

Grotemson hat geschrieben:Das ist eine ziemlich tendenziöse, eindimensionale und vorurteilsbeladene Darstellung ihrer Arbeit.


Das ist kein Vorurteil, sondern ein Urteil meinerseits.

Grotemson hat geschrieben:Vor allem, weil beide nicht nur in religiöser Epistemologie gearbeitet haben. Ich frage mich, was du damit sagen willst.


Ich habe mich nur auf die religiöse "reformierte" Epistemologie bezogen, deren Hauptzweck ein rein apologetischer ist: Es geht darum, den axiomatisch akzeptierten theistischen, christlichen Glauben als in sich vernünftigen Grundglauben darzustellen und dadurch von außen unangreifbar und unwiderlegbar zu machen, dass man keine religionsexternen, "evidenzialistischen" Kriterien zu seiner Beurteilung gelten lässt.
Das ideologische Ziel ist also die epistemologische Hermetisierung und Immunisierung des theistisch-christlichen Glaubens gegen externe und vor allem naturalistisch-wissenschaftliche Kritik.

"This potent combination of fundamentalism and presuppositionalism describes the Christian as a person whose knowledge about god is so certain, basic, and foundational that there simply is no point in demanding any further justification from this person. The tradition of Reformed epistemology is a prominent example of this combination, and its modern form takes the Christian's personal faith that god has been revealed or that scripture is infallible to be the ultimate foundation for everything else this Christian can know. Prominent varieties of this presuppositionalism include the religious epistemologies of Cornelius Van Til (1969) and William Alston (1191)."

(Shook, John R. The God Debates: A 21st Century Guide for Atheists and Believers (and Everyone in Between). Malden, MA: Wiley-Blackwell, 2010. p. 169)

Der theologische Präsuppositionalismus geht von folgenden Annahmen aus:

"PC1. Unless god exists, the universe could not exist.
PC2. Unless god exists, the universe could not possess any order or regularity.
PC3. Unless god exists, the universe could not be intelligible to anyone.
PC4. Unless god exists, the universe could not be scientifically investigated.
PC5. Unless god exists, scientific knowledge of the universe could not be gained.
PC6. There is no feature of nature that could possibly be incompatible with god's existence.

Furthermore, as the entire naturalistic worldview is based on the intelligibility of nature and scientific knowledge, the creationist theologian can easily draw another conclusion directly from PC1-PC6:

PC7. Naturalism's foundations all necessarily require that god exists."


(Shook, John R. The God Debates: A 21st Century Guide for Atheists and Believers (and Everyone in Between). Malden, MA: Wiley-Blackwell, 2010. p. 164)

Die Präsuppositionalisten meinen, den Naturalismus auf diese Weise erfolgreich untergraben und entkräften zu können.
Die Naturalisten dürfte diese argumentative Taktik aber kalt lassen, da sie einfach die alles entscheidende Voraussetzung des Präsuppositionalismus anzweifeln und zurückweisen können, nämlich dass Gott existiert. Wir haben es hier also mit einem Fall von question-begging10 zu tun!

Plantinga wendet in seinem "Evolutionsargument gegen den Naturalismus" eine präsuppositionalistische Taktik an: Er bestreitet, dass ein zuverlässiges menschliches Erkenntnisvermögen auf ganz natürlich-evolutionäre Weise, d.h. ohne göttliche Hilfe, hätte entstehen können. Seine Schlussfolgerung ist, dass sich die tatsächliche Zuverlässigkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens nur durch die Annahme erklären lässt, dass es einen Gott gibt, der uns mit diesem Vermögen ausgestattet und für dessen Zuverlässigkeit gesorgt hat.
Plantinga behauptet also im Grunde, dass wenn der Naturalismus wahr ist, die Naturalisten gar nicht wissen können, dass er wahr ist, weil Wissen nicht ohne göttliches Zutun gewonnen werden kann.

Ein solches Argument ist im Kant'schen Sinne transzendental, weil die Existenz eines persönlichen Schöpfergottes als notwendige Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis und Wissen erachtet wird.
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