Argumente für den Naturalismus

Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Mi 26. Jan 2011, 23:07

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Grotemson hat geschrieben:Wenn: Naturalismus =df. ont. Grundatz der Nonexistenz übernat. Wesen.= Es gibt keine Götter(Gott)


Der Naturalismus impliziert den Atheismus/Antitheismus, aber er ist viel umfassender als dieser. Er bezieht sich nicht nur auf göttliche Wesen, sondern ganz allgemein auf alle Arten von Dingen, Lebewesen, Ereignissen, Eigenschaften und Fähigkeiten. Kurzum: Es gibt keine übernatürlichen Entitäten (welcher ontologischen Kategorie auch immer).

Grotemson hat geschrieben:Ergo: Logischer Zirkel.
Das lässt sich auch weniger formal sagen: Jedes Argument, das naturalistische Prämissen enthält und bei der Konklusion endet, dass es keine Götter gibt, setzt seine Konklusion voraus und ist damit invalid, wenn man Naturalismus als: Es gibt keine Götter definiert.


Das ist aber nicht die Definition des Naturalismus!
Dass es keine Götter, d.i. keine göttlichen Geister gibt, folgt freilich unmittelbar aus der Falschheit des Substanzdualismus, die der Naturalismus behauptet.

Man muss übrigens kein Naturalist sein, um gegen den Theismus argumentieren zu können, da der Atheismus nicht den Naturalismus impliziert.

Grotemson hat geschrieben:Was du sagst stimmt zwar, aber es verhärtet ja nur die Problematik, weil damit die Wahrheit eines jeden Argumentes, in dm nat. Prämissen vorkommen, an der Wahrheit dieser Prämissen hinge. Bzw. man müsste überhaupt keine Argumente bauen. Man bräuchte die ganze Zeit nur noch, um Theismus anzugreifen, Naturalismus bejahen. Damit wäre aber nichts gezeigt, weil sich die Widerlegung dann analytisch aus der Definition des Naturalismus ergäbe.
Und damit wiederum, ist gar nichts gesagt.


Wenn man naturalistische Prämissen in ein atheologisches Argument einbaut, dann hängt dessen Beweiskräftigkeit selbstverständlich von der Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit jener Prämissen ab, was aber allgemein für jedes Argument gilt.

Grotemson hat geschrieben:Natürlich müsste man einfach zeigen, dass der Naturalismus wahr ist, aber die zentrale Frage ist, ob man das kann, ohne Naturalismus vorher schon anzunehmen. Dann ist auch dein Modus Ponens völlig berechtigt. Und wenn man es kann, wie?
(Viel einfacher wäre es meiner Meinung nach, die Definition einfach umzuformulieren)
Die Frage lautet also: Wie kann die Wahrheit von Prämisse II festgestellt werden, ohne den Naturalismus vorauszusetzen.


Okay, du willst also wissen, was für die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit des Naturalismus spricht.
Ausnahmsweise gibt es dazu einen recht guten Wikipedia-Artikel:

http://en.wikipedia.org/wiki/Metaphysic ... naturalism

Mit meinen Worten zusammengefasst:

ARGUMENTE FÜR DEN METAPHYSISCHEN NATURALISMUS:

1. Erklärungserfolg naturwissenschaftlicher Theorien und deren Anwendungserfolg in der Praxis (Technologie).

2. Der Naturalismus bietet im Vergleich mit seiner ideologischen Konkurrenz die beste, stimmigste ("unverrückteste"), einheitlichste und einfachste allgemeine Gesamtauffassung und -erklärung der Welt.

3. Nichtvorhandensein empirischer Beweise und stichhaltiger oder glaubwürdiger logisch-rationaler Argumente für die Existenz übernatürlicher Phänomene.
(Keine seriöse, streng wissenschaftlich durchgeführte parapsychologische Untersuchung hat jemals ein positives Ergebnis erbracht!)

4. Vorhandensein empirischer Beweise für die totale Abhängigkeit des Psychischen vom Physischen hinsichtlich seines Entstehens, Seins, und Werdens.

5. Ontologisch-semantische Ungereimtheit oder Widersprüchlichkeit der supernaturalistischen Begriffe, insbesondere des Begriffs <hyperphysische psychische Entität>.
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Re: Fragen zum Selbstverständnis der Brights

Beitragvon mat-in » Do 27. Jan 2011, 11:01

Der Vollständigkeit und der guten Diskussionskultur zu Gute sollten wir auch die Gegenargumente aus dem Wikipedia Artikel beleuchten und wiederlegen und die "unanswered objections" zu den gebrachten Argumenten.

1. Erklärungserfolg naturwissenschaftlicher Theorien und deren Anwendungserfolg in der Praxis (Technologie). (gegenargument und argument dagegen)
wird entgegengestellt, daß kein Maß an empirischen Daten je belegen kann, daß ein wissenschaftliches Gesetz immer und überall gilt. (auch wenn der Wikiartikel da 2+2=4 anbringt als Beispiel, was etwas traurig ist, da es sich dabei um mathematisch beweisbares handelt und nicht um empirisches Wissen.
Dem ganzen muß man statt geben, zu mindest in manchen Wissenschaftstheoretischen Konstrukten. Wir können nie 100% sagen das etwas zutrifft. Aber zu sagen das es in 99,9999999999999999% der Fälle zutrifft und wir noch eine 9 dran hängen können mit mehr Experimenten ist eben das beste erzielbare Ergebnis. Man kann dem entgegenstellen das 0,000000000001 Restwahrscheinlichkeit verdammt gering sind um sich daran als einzigen Notnagel aufzuhängen. Außerdem gibt es erweiterte Wissenschaftstheorien, in denen das Problem nicht auftritt.

2. Der Naturalismus bietet im Vergleich mit seiner ideologischen Konkurrenz die beste, stimmigste ("unverrückteste"), einheitlichste und einfachste allgemeine Gesamtauffassung und -erklärung der Welt. (gegenargument und argument dagegen)
Hier wird entgegnet, wie auch gegen 3., daß a priori das übernatürliche als erklärung ausgeschlossen und methodologischer und ontologischer naturalismus vermischt werden. Es wird angeführt, daß: Eine ganze Reihe empirischer Daten und Alltagserlebnisse von der Wissenschaft als "anomalien" abgetan und ignoriert werden. Hiergegen kann man sagen: Zeig mir ein Beispiel! Es wird kein eines der alltagsbeispiele angeführt.

3. Nichtvorhandensein empirischer Beweise und stichhaltiger oder glaubwürdiger logisch-rationaler Argumente für die Existenz übernatürlicher Phänomene. (gegenargument und argument dagegen)
Es wird angeführt, daß Gott als die gesamte Welt zu sehen sei und sich immer und überall zeige. Dam kann man entgegenen, daß dies 1. weder die einfachste, noch eine sinnvolle erklärung ist und 2. das dies einem naturalistischen Weltbild durchaus entsprechen kann (herzlich willkommen im club).

4. Vorhandensein empirischer Beweise für die totale Abhängigkeit des Psychischen vom Physischen hinsichtlich seines Entstehens, Seins, und Werdens. (gegenargument und argument dagegen)
Hier wird entgegnet, daß postuliert würde, alle denkvorgänge wären nur "data processing" wie in einem computer. Es wird in den Raum gestellt, daß das meiste an datenverarbeitung ohne bewußtsein stattfindet, und daher bewußtsein kein nebeneffekt von datenverarbeitung sein könnte. Es wird postuliert, der hauptzweck des geistes sei es, zu wissen und wissen wiederum erfordere bewußtsein... ziemlich langer Rattenschwanz dem man entgegnen kann, daß kein neurowissenschaftler die Auffassung vertritt, das Gehirn funktioniere wie ein Computer. Ein gehirn macht viel mehr als nur daten verarbeiten. Das es weitere Funktionen hat, stützt jedoch in keinster Weise einen Dualismus. Es ist etabliertes Wissen, daß keine Denkprozesse ohne Gehirn stattfinden. Es ist also mindestens so, daß unser Gehrin (und was noch dazu gehört an hormonsystem und so weiter) die physikalische und reale grundlage allen Bewußtseins bilden. Ohne diese Grundlage findet kein Bewußtsein statt, zu mindest nicht in unserer Realität. Dinge "außerhalb von zeit und raum" zu postulieren bringt da auch keine Schritt weiter.

5. Ontologisch-semantische Ungereimtheit oder Widersprüchlichkeit der supernaturalistischen Begriffe, insbesondere des Begriffs <hyperphysische psychische Entität>. (gegenargument und argument dagegen)
Hier wird kein klares Gegenargument angeführt

Kritikpunkte in dem Artikel:
Evolutives Gegenargument (und wiederlegung)
Man könne nicht an Evolution und naturalismus gleichzeitig glauben, da eine ungerichtete Evolution nicht die entwicklung von wahrnehmungsystemen hervorufen könne: Wenn ein frühes Lebewesen wollte das es gefressen wird, aber vor einem Raubtier flüchtet, um ein noch besseres, größeres Raubtier zu finden, dem es zum Opfer fallen kann, so würde evolution stattfinden, ganz unabhängig von "wahrem glauben" und "wahrheit". Wer also an beides glaube negiere sein gesamtes System. Dem kann man entgegnen, daß keine biologische Evolution der Wahrheitsfindung stattgefunden hat. Die Zeit die von den frühen Griechen bis heute vergangen ist, ist viel zu klein um eine Evolution im Körper zu bewirken, die heute körperlich sichtbar das Gehirn zu anderer erkentniss formt. Erketnisse und "wahrheit" sind keine biologischen vorgänge. Wer sie evolutiv betrachten möchte, muß wie folgt vorgehen: Entwicklung einer bewertungs und Entscheidungsgrundlage. Dann psychologisch: Beschäftigen dieser Grundlage im Gehirn mit anderen Themen als "wie entkomme ich dme Raubtier" und Erkentnistheoretisch: verfeinerung einer Erkentniss und der Theorien aus dene sie hervorgeht. Ab dem psychologischen Schritt ist das frei von Evolution im biologischen Sinne.

Designargument (und wiederlegung)
Es wird das Designargument angeführt, das argument nicht reduzierbare komplexität würde einen Schöpfer erfordern. Dem kann ich nur entgegnen, daß solche Auffassungen nur vertreten kann, wer keine Ahnung von Biologie hat und auch keine Absicht hegt sich damit mehr zu beschäftigen als seinen Argumenten zuträgich ist. Jeder der im Grundstudium Biologie nicht geschlafen hat kann diese Argumente wiederlegen: http://talkorigins .org/indexcc/CB/CB200.html (llerzeichen entfernen, aktive links unerwünscht)

Bewußseinsargument (und wiederlegung)
Es wird angeführt, das die neurowissenschaften noch nicht vollständig geklärt haben, wie bewußtsein entsteht und was es ist. Der mensch habe ein göttliches bewußtsein, daß auch in der Zukunft nicht erklärt werden könne, da man es nicht erklären kann. Dem sei zum einen gesagt, daß nicht nur menschen bewußtsein besitzen und es viele abstufungen von bewußtsein gibt. Die neurowissenschaften haben in den letzten jahren enorme erfolge erzielt und können im großen und ganzen lokalisieren, vorhersagen, manipulieren, messen. Bewußtsein wird von diesen leuten permanent mit der Entdeckung neuer Erkentnisse umgedeutet, es ist davon auszugehen das man sich auch hier bald auf die oben erwähnten, aus wissenschaftstheoretischen gründen nicht 100% beweisbaren 0,000000001% zurückziehen wird.


Fällt euch mehr dafür ein? Kann jemand meine Gedanken ... besser formulieren? Das war anstrengend, ich habe nicht auch noch die muse es dialektisch zu optimieren.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » Fr 28. Jan 2011, 19:53

Myron hat geschrieben:Das ist aber nicht die Definition des Naturalismus!


Ja, sehr gut! Also bist du ja mit mir einer Meinung, dass man den Naturalismus ANDERS definieren muss, als durch eine negative ontologische Verpfichtung. Damit sind die Zirkelprobleme sofort gelöst.
Wie könnte nun aber eine solche Definition lauten?(Ich bitte um eine, ich laufe sonst immer Gefahr, Strohmänner anzugreifen.)

Myron hat geschrieben:1. Erklärungserfolg naturwissenschaftlicher Theorien und deren Anwendungserfolg in der Praxis (Technologie).

Das ist im Prinzip eine modifizierte Version des "No-miracles"-Argumentes, was vor allem gegen meine Art der Position(obwohl ich zugebe, dass meine Position nicht voll bestimmt ist) extrem schwach ist. Ich sage, das Argument verfehlt mindestens zweifach sein Ziel:

1. Es geht hier um die tatsächliche Wahrheit des Naturalismus, nicht um seine Funktionalität. Das Argument basiert auf der Prämisse, dass aus empirischem Erfolg der Theorie deren Wahrheit folgt. Als wissenschaftlicher Anti-realist leugne ich diesen Zusammenhang, und ich werde dabei durch Fakten der Wissenschaftsgeschichte gestützt. Tatsächlich gibt es unzählige Fäle von Theorien, die später falsifiziert wurden, aber empirisch sehr erfolgreich waren und sogar zu Anwendung führten. Man beachte außerdem die Unterbestimmtheit in Bezug auf die Beschreibung empirischer Daten: Zwei Theorien A und B können eine Menge von Daten mit selber explanatorischer Kraft erklären, obwohl sie kontrdiktorische Sätze enthalten.

2. Muss für viele der Theorien überhaupt kein Naturalismus angenommen werden. Das Argument verteidigt eher wissenschaftlichen Realismus, der etwas über die Wahrheit von Theorien in Bezug auf die Wirklichkeit aussagt, als Naturalismus, denn eine ontologische Position entscheidet zunächst noch nichts darüber, ob ich eine Wissenschaftliche Methode adaptiere. Ich könnte also sehr wohl auf den Erfolg der Wissenschaften deuten, trotzdem aber glauben, dass es andere als natürliche Entitäten gibt. In short: Naturalismus hat gar nichts damit zu tun, ob die METHODE der Wissenschaft funktioniet oder nicht.

Myron hat geschrieben:2. Der Naturalismus bietet im Vergleich mit seiner ideologischen Konkurrenz die beste, stimmigste ("unverrückteste"), einheitlichste und einfachste allgemeine Gesamtauffassung und -erklärung der Welt.


Hier setze den in der Entgegnung gegen das erste Argument angefangenen Gedankengang fort: Die Tatsache, dass Theorien eine Unterbestimmtheit in Bezug auf empirische Beschreibungsfähigkeit aufweisen, macht metatheoretische Kriterien nötig. Diese machen aber bereits keine Aussage über die Wahrheit der Theorie mehr, sondern über deren PRAGMATISCHE Werte, zb. wie einfach man mit ihr rechnen kann, wieviele ont. Verpflichtungen sie enthält etc. Einfachheit hat aber nichts mit Wahrheit zu tun. Eine derartige Verbindung kann schlichtweg nicht gerechtferigt werden, ohne ein einfaches Universum vorauszusetzen, was uns allerdings erst durch Theorien zugänglich gemacht werden müsste, welche unterbestimmt sind und wiederum mittels Einfachheitskriterium gewählt werden müssten. Der Versuch der Rechtferzigung des Einfachheitskriteriums als Wahrheitskrietium MUSS also in Zirkularität enden.
Weiterhin werden als Kriterien genannt: Die "beste", "stimmigste" Erklärung der "Welt". Ich könnte aus jedem Term einzeln eine Pressuposition ziehen, ziehe die Fäden aber hier zusammen: Die "beste" Erklärung der "Welt" ist der Naturalismus selbstverständlich nur, wenn man bereits Naturalist ist, denn nur dann vermag der Naturalismus alle Entitäten der Welt zu erklären. Jemand, für den weitere Entitäten existieren, wird den Naturalismus natürlich für völlig unfähig halten, die "Welt" zu erklären, da in der Welt je nach ontologischer Perspektive verschiedene Entitäten befindlich sind. Der Ausdruck "Welt" setzt also bereits die ontologische Position desjenigen voraus, der ihn benutzt und der Satz: "Der Naturalismus erklärt die Welt am besten" ist daher trivial. Nur mit einem Weltbegiff, der keine ontologischen Annahmen enthält, ließe sich dieses Argument vielleicht durchziehen(auch dann bliebe das Mysterium des "besten" Erklärung bestehen), aber ein Weltbegriff ohne Ontologie ist absurd, bzw. einen solchen Begriff kann es per definitionem nicht geben, da "Welt" ja gerade die Dinge beschreibt, die es gibt.

Myron hat geschrieben:3. Nichtvorhandensein empirischer Beweise und stichhaltiger oder glaubwürdiger logisch-rationaler Argumente für die Existenz übernatürlicher Phänomene.
(Keine seriöse, streng wissenschaftlich durchgeführte parapsychologische Untersuchung hat jemals ein positives Ergebnis erbracht!)


Dieses Argument setzt eine falsche Relation voraus: Beweisbarkeit wird hier als Ontologiekriterium angewandt. Beweisbarkeit ist allerdings ein epistemisches, kein ontologisches Kriterium, welches höchstens zeigt, dass wir keinen Zugang zu den postulierten Entitäten haben und sie deshalb in einem Arbeitskontext keinen Sinn machen. Ob es sie gibt oder nicht, ist eine andere Frage. Das bedeutet, dass die Wahrheit nicht gezeigt ist, vielleicht aber die Funktionalität.
Das Argument vereinfacht zudem die Gegenpositionen zum Naturalismus. Hierbei handelt es sich nicht nur um Theisten und Animisten, sondern auch um Dualisten, die ganz einfach ein irreduzibles Bewusstsein postulieren. Dass es dieses als empirisches Faktum GIBT, leugnet niemand, nur WIE es das Bewusstsein gibt, ist die Frage. In gewisser Weise verschweigt das Argument also auf tendenziöse Weise, welches der eigentliche Knackpunkt ist: Nämlich die Frage nach der Irreduzibilität von Ich, Bewusstsein und Gedanken. Und diese ist noch lange keine geklärte Sache.(Ich werde in einem anderen Beitrag John Searle erwähnen, der darauf aufmerksam macht, dass Bewusstsein zwar kausal, nicht aber ontologisch reduzibel ist, was es zu einem natürlichen Bestandteil der Welt macht. Diese Sicht wäre also Naturalismus kompatibel.)


Myron hat geschrieben:4. Vorhandensein empirischer Beweise für die totale Abhängigkeit des Psychischen vom Physischen hinsichtlich seines Entstehens, Seins, und Werdens.

Das ist mir schlichtweg zu unklar formuliert, was das Argument einfach zu einem falschen Satz macht. Das Bewusstsein ist offensichtlich nicht "total abhängig" von Physischem, da es die Komponente der ontologischen Subjektivität besitzt, welche wiederum zur oben erwähnten ont. Irreduzibilität führt. Wie ebenfalls erwähnt ist das eigentlich gar kein Argument für den Naturalismus, sondern für den Materialismus! Und der ist offensichtlich falsch. Ein Naturalist muss gar nicht so weit gehen(siehe Searle-Erwähnung)

Myron hat geschrieben:5. Ontologisch-semantische Ungereimtheit oder Widersprüchlichkeit der supernaturalistischen Begriffe, insbesondere des Begriffs <hyperphysische psychische Entität>.

Ich bitte um Erläuterung der Ungereimtheit und mache darauf aufmerksam, dass die Erläuterung wie: "Sie macht keinen Sinn, weil es nur materielle Entitäten gibt" oder Ähnliches, zirkulär wäre!!
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Fr 28. Jan 2011, 21:41

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:1. Erklärungserfolg naturwissenschaftlicher Theorien und deren Anwendungserfolg in der Praxis (Technologie).

Das ist im Prinzip eine modifizierte Version des "No-miracles"-Argumentes, was vor allem gegen meine Art der Position(obwohl ich zugebe, dass meine Position nicht voll bestimmt ist) extrem schwach ist. Ich sage, das Argument verfehlt mindestens zweifach sein Ziel:
1. Es geht hier um die tatsächliche Wahrheit des Naturalismus, nicht um seine Funktionalität. Das Argument basiert auf der Prämisse, dass aus empirischem Erfolg der Theorie deren Wahrheit folgt.

Es hilft, sich die Wikipediaseite anzuschaun / auch zu lesen was ich geschrieben habe. Es geht nicht darum, das aus Anwendbarkeit wahrheit folgt.

...
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 05:25

Grotemson hat geschrieben:Also bist du ja mit mir einer Meinung, dass man den Naturalismus ANDERS definieren muss, als durch eine negative ontologische Verpfichtung. Damit sind die Zirkelprobleme sofort gelöst.
Wie könnte nun aber eine solche Definition lauten?


Die einfachste Definition ist die folgende:

Naturalismus =def die Ansicht, dass alles (Seiende, Wirkliche) natürlich ist.

Logischerweise ist der Satz "Alles ist natürlich" äquivalent zu "Nichts ist nichtnatürlich/übernatürlich".

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:1. Erklärungserfolg naturwissenschaftlicher Theorien und deren Anwendungserfolg in der Praxis (Technologie).


Ich sage, das Argument verfehlt mindestens zweifach sein Ziel:

1. Es geht hier um die tatsächliche Wahrheit des Naturalismus, nicht um seine Funktionalität. Das Argument basiert auf der Prämisse, dass aus empirischem Erfolg der Theorie deren Wahrheit folgt.
Als wissenschaftlicher Anti-realist leugne ich diesen Zusammenhang, und ich werde dabei durch Fakten der Wissenschaftsgeschichte gestützt. Tatsächlich gibt es unzählige Fälle von Theorien, die später falsifiziert wurden, aber empirisch sehr erfolgreich waren und sogar zu Anwendung führten. Man beachte außerdem die Unterbestimmtheit in Bezug auf die Beschreibung empirischer Daten: Zwei Theorien A und B können eine Menge von Daten mit selber explanatorischer Kraft erklären, obwohl sie kontrdiktorische Sätze enthalten.


Ich denke nicht, dass das Argument den Naturalismus nur unter der Voraussetzung untermauert, dass der wissenschaftliche Realismus wahr ist. Es setzt nämlich nur voraus, dass es ungeachtet ihrer Fehlbarkeit theoretisch (erklärungs- und vorhersagemäßig) und praktisch (anwendungsmäßig) höchst erfolgreiche naturwissenschaftliche Theorien gibt, was auch ein Antirealist nicht bestreitet, oder? Oder leugnen Antirealisten jeglichen Wissenschaftserfolg und -fortschritt?
Wie dieser Erfolg zu erklären ist, ist eine andere Frage. Ist er auf die Wahrheit, die Wahrscheinlichkeit oder die Wahrheitsnähe der betreffenden Theorien zurückzuführen? Die Antwort "weder noch" wäre absurd, denn wenn erfolgreiche Theorien nicht einmal falsch-aber-wahrheitsnah, sondern falsch-und-wahrheitsfern wären, dann wäre deren Erfolg ein absolutes Mysterium. Irgendeinen unzufälligen Zusammenhang zwischen dem empirischen Angemessenheits- oder Bestätigungsgrad einer Theorie und dem Grad ihrer Wirklichkeitstreue muss es geben. Mit falschen-und-wahrheitsfernen aerodynamischen Gesetzen bringt man Flugzeuge jedenfalls nicht erfolgreich zum Fliegen.

Was das Unterbestimmtheitsproblem betrifft, so spricht die Koexistenz empirisch äquivalenter, aber empirisch unterbestimmter naturwissenschaftlicher Theorien ja nicht gegen deren Erklärungs- oder Vorhersagestärke.

Grotemson hat geschrieben:2. Muss für viele der Theorien überhaupt kein Naturalismus angenommen werden. Das Argument verteidigt eher wissenschaftlichen Realismus, der etwas über die Wahrheit von Theorien in Bezug auf die Wirklichkeit aussagt, als Naturalismus, denn eine ontologische Position entscheidet zunächst noch nichts darüber, ob ich eine Wissenschaftliche Methode adaptiere. Ich könnte also sehr wohl auf den Erfolg der Wissenschaften deuten, trotzdem aber glauben, dass es andere als natürliche Entitäten gibt. In short: Naturalismus hat gar nichts damit zu tun, ob die METHODE der Wissenschaft funktioniet oder nicht.


Der theoretische und praktische Erfolg der Naturwissenschaft untermauert den Naturalismus im folgenden Sinne:
Sämtliche erfolgreichen naturwissenschaftlichen Theorien kommen bestens ohne supernaturalistische Hypothesen aus, was die Annahme nahelegt, dass es in der Natur stets natürlich zugeht, d.h. dass darin keine übernatürlichen Aktivitäten vorkommen, d.h. dass sie in sich kausal geschlossen ist. Und die naheliegendste Erklärung für die Abwesenheit derartiger Vorkommnisse ist, dass es keine übernatürlichen Akteure gibt, sprich dass der Naturalismus wahr ist.
(Du könntest freilich erwidern, dass es absolut passive übernatürliche Akteure geben könnte, die das Naturgeschehen in keiner Weise beeinflussen. Aber es gibt ja weitere Argumente, die gegen die Existenz übernatürlicher Akteure, d.i. von bewussten körperlosen Lebewesen, sprechen.)

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:2. Der Naturalismus bietet im Vergleich mit seiner ideologischen Konkurrenz die beste, stimmigste ("unverrückteste"), einheitlichste und einfachste allgemeine Gesamtauffassung und -erklärung der Welt.

Hier setze den in der Entgegnung gegen das erste Argument angefangenen Gedankengang fort: Die Tatsache, dass Theorien eine Unterbestimmtheit in Bezug auf empirische Beschreibungsfähigkeit aufweisen, macht metatheoretische Kriterien nötig.


Ja, wenn keine Möglichkeit mehr besteht, zwischen zwei direkt miteinander konkurrierenden erfahrungswissenschaftlichen Theorien allein anhand von Beobachtungsdaten eine objektive Entscheidung zu treffen, dann kommen transempirische, d.i. logisch-rationale und auch gewisse normative Aspekte und Kriterien zum Tragen.

Der Naturalismus ist ja selbst keine wissenschaftliche Theorie, sondern sozusagen eine verallgemeinernde philosophische Interpretation der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Weltbeschaffenheit, die von diesen nahegelegt und gestützt wird.

Grotemson hat geschrieben:Diese machen aber bereits keine Aussage über die Wahrheit der Theorie mehr, sondern über deren PRAGMATISCHE Werte, zb. wie einfach man mit ihr rechnen kann, wieviele ont. Verpflichtungen sie enthält etc. Einfachheit hat aber nichts mit Wahrheit zu tun. Eine derartige Verbindung kann schlichtweg nicht gerechtferigt werden, ohne ein einfaches Universum vorauszusetzen, was uns allerdings erst durch Theorien zugänglich gemacht werden müsste, welche unterbestimmt sind und wiederum mittels Einfachheitskriterium gewählt werden müssten. Der Versuch der Rechtferzigung des Einfachheitskriteriums als Wahrheitskrietium MUSS also in Zirkularität enden.


Es ist in der Tat nicht der Fall, dass die einfachste unter einer Reihe konkurrierender Theorien per se die wahre ist. Und in der Tat kommen hier metatheoretische Präferenzkriterien ins Spiel.
Ich gebe zu, dass Einfachheit allein kein entscheidender Bewertungsmaßstab sein kann.

Grotemson hat geschrieben:Weiterhin werden als Kriterien genannt: Die "beste", "stimmigste" Erklärung der "Welt". Ich könnte aus jedem Term einzeln eine Pressuposition ziehen, ziehe die Fäden aber hier zusammen: Die "beste" Erklärung der "Welt" ist der Naturalismus selbstverständlich nur, wenn man bereits Naturalist ist, denn nur dann vermag der Naturalismus alle Entitäten der Welt zu erklären.


Nein, man kann das naturalistische und das supernaturalistische Weltbild bzw. die naturalistischen und die supernaturalistischen Weltbilder unvoreingenommen unter die kritische Lupe nehmen und erst danach entscheiden, ob der Naturalismus die bessere, stimmigere Realitätsinterpretation bietet oder nicht.

Grotemson hat geschrieben:Jemand, für den weitere Entitäten existieren, wird den Naturalismus natürlich für völlig unfähig halten, die "Welt" zu erklären, da in der Welt je nach ontologischer Perspektive verschiedene Entitäten befindlich sind.


Klar, wer bereits Supernaturalist ist, wird den Naturalismus nicht als beste Welterklärung oder -auffassung akzeptieren.

Grotemson hat geschrieben:Der Ausdruck "Welt" setzt also bereits die ontologische Position desjenigen voraus, der ihn benutzt und der Satz: "Der Naturalismus erklärt die Welt am besten" ist daher trivial.


Nein, denn der Ausgangspunkt sind die uns allen zugänglichen Erscheinungen in der Welt – "das Gegebene" (die bekannten Tatsachen); und die Frage ist, ob wir uns darauf – insgesamt betrachtet, alles in allem – im Lichte des Naturalismus einen besseren (einfacheren, einheitlicheren, stimmigeren) Reim machen können als im Lichte des Supernaturalismus. Wenn ja, dann ist das ein guter Grund, den Naturalismus vorzuziehen.

Was ein Weltbild zum wahren macht, ist der Umstand, dass es all und nur diejenigen Arten von Dingen und Eigenschaften setzt, die tatsächlich Teil der wirklichen Welt sind.
Und die Gretchenfrage ist freilich, was Teil der Wirklichkeit ist und was nicht.
Dass natürliche Dinge und Eigenschaften Teil der Wirklichkeit sind, d.h. dass die natürliche, konkret-materielle Welt zumindest eine Teilwelt der Gesamtwelt ist, ist offensichtlich und wird ja auch von den Supernaturalisten nicht bestritten, da diese nicht behaupten, dass alles nichtnatürlich ist, sondern dass nicht alles natürlich ist.
Es geht also um die Frage, ob sich der Glaube an eine zweite, konkret-immaterielle Teilwelt oder/und an eine dritte, abstrakt-immaterielle Teilwelt gut begründen oder rechtfertigen lässt. Und damit landen wir bei Punkt 3:

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:3. Nichtvorhandensein empirischer Beweise und stichhaltiger oder glaubwürdiger logisch-rationaler Argumente für die Existenz übernatürlicher Phänomene.
(Keine seriöse, streng wissenschaftlich durchgeführte parapsychologische Untersuchung hat jemals ein positives Ergebnis erbracht!)

Dieses Argument setzt eine falsche Relation voraus: Beweisbarkeit wird hier als Ontologiekriterium angewandt. Beweisbarkeit ist allerdings ein epistemisches, kein ontologisches Kriterium, welches höchstens zeigt, dass wir keinen Zugang zu den postulierten Entitäten haben und sie deshalb in einem Arbeitskontext keinen Sinn machen. Ob es sie gibt oder nicht, ist eine andere Frage. Das bedeutet, dass die Wahrheit nicht gezeigt ist, vielleicht aber die Funktionalität.


Falls du damit sagen willst, dass das Fehlen empirischer Beweise oder Bestätigungen für die Existenz von etwas niemals am plausibelsten dadurch zu erklären sei, dass das betreffende Etwas nicht existiere, dann widerspreche ich dir. Aus "x ist nicht wahrnehmbar" folgt zwar nicht logisch "x existiert nicht", aber die rein logische Möglichkeit der Existenz von Sachen, die keinerlei wahrnehmbare Spuren in der Raumzeit hinterlassen, rechtfertigt allein mitnichten den Glauben an deren Existenz.

Du könntest beispielsweise zwei zusätzliche, übernatürliche Welten postulieren, die mit der natürlich-physischen Raumzeitwelt weder raumzeitlich noch ursächlich verbunden sind: In der einen existieren ausschließlich konkret-immaterielle Entitäten, d.i. reine Geister oder Seelen, und in der anderen existieren ausschließlich abstrakt-immaterielle Entitäten wie Zahlen oder platonische "Ideen". Der Glaube an diese beiden übernatürlichen Welten wäre in der Tat prinzipiell weder empirisch verifizierbar noch empirisch falsifizierbar, und eine reine Glaubenssache, wie man so schön sagt. Wie vernünftig dieser Glaube wäre, sei hier dahingestellt.

Im Übrigen ist oben nicht nur vom Fehlen stichhaltiger empiriegestützter Argumente zugunsten des Supernaturalismus die Rede, sondern auch vom Fehlen stichhaltiger logisch-rationaler Argumente.

Grotemson hat geschrieben:Das Argument vereinfacht zudem die Gegenpositionen zum Naturalismus. Hierbei handelt es sich nicht nur um Theisten und Animisten, sondern auch um Dualisten, die ganz einfach ein irreduzibles Bewusstsein postulieren. Dass es dieses als empirisches Faktum GIBT, leugnet niemand, nur WIE es das Bewusstsein gibt, ist die Frage. In gewisser Weise verschweigt das Argument also auf tendenziöse Weise, welches der eigentliche Knackpunkt ist: Nämlich die Frage nach der Irreduzibilität von Ich, Bewusstsein und Gedanken. Und diese ist noch lange keine geklärte Sache.


Das behauptet ich nicht, aber es deutet aus philosophischer und wissenschaftlicher Sicht nichts darauf hin, dass zur vollständigen Erklärung des Bewusstseins und seiner Entstehung irgendwelche supernaturalistischen Hypothesen herangezogen werden müssen.

Reduzierbarkeit ist übrigens nicht dasselbe wie Eliminierbarkeit, d.h. aus der Nichteliminierbarkeit psychischer, subjektiver Phänomene aus dem Inventar der Realität folgt nicht deren Nichtreduzierbarkeit auf physische Phänomene. (Das ist der Unterschied zwischen einer konservativen und einer eliminativen Reduktion.)

In Bezug auf psychische Substanzen (körperlos-stofflose Geistwesen) sind die Naturalisten allerdings Eliminativisten, d.h. sie verneinen deren Existenz. Die Verwerfung des Substanzdualismus muss aber nicht mit der Ablehnung des Attributsdualismus einhergehen, dem zufolge es sowohl physische als auch physisch irreduzible psychische Attribute (Eigenschaften) gibt.
Sowohl der naturalistische Attributsdualismus à la David Chalmers als auch der materialistische Attributsmonismus sind mit dem derzeitigen psychologisch-neurologischen Wissensstand vereinbar.

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:4. Vorhandensein empirischer Beweise für die totale Abhängigkeit des Psychischen vom Physischen hinsichtlich seines Entstehens, Seins, und Werdens.

Das ist mir schlichtweg zu unklar formuliert, was das Argument einfach zu einem falschen Satz macht. Das Bewusstsein ist offensichtlich nicht "total abhängig" von Physischem, da es die Komponente der ontologischen Subjektivität besitzt, welche wiederum zur oben erwähnten ont. Irreduzibilität führt. Wie ebenfalls erwähnt ist das eigentlich gar kein Argument für den Naturalismus, sondern für den Materialismus! Und der ist offensichtlich falsch. Ein Naturalist muss gar nicht so weit gehen.


Dass – vom eliminativen Materialimus abgesehen – der Materialismus falsch ist, ist nicht offensichtlich!
Und aus "ist ontisch subjektiv" folgt nicht "ist nicht physischer Natur".
Eine Definition, die "psychisch" und "physisch" zu sich grundsätzlich gegenseitig ausschließenden Prädikaten macht, ist abzulehnen.

Wie gesagt, ein Naturalist muss kein Attributsmaterialist sein, d.h. er darf glauben, dass psychische Eigenschaften nichtphysische, physisch irreduzible Eigenschaften physischer Dinge sind.
Was den naturalistischen Attributsdualismus auszeichnet, ist aber nicht nur die Annahme, dass alle psychischen Eigenschaften notwendigerweise Eigenschaften physischer Dinge sind, sondern auch die Annahme, dass die psychischen Eigenschaften von bestimmten physischen Eigenschaften existenziell abhängig sind und, wie es im Fachjargon heißt, über diesen zumindest nomologisch "supervenieren".
(Für den Supervenienz-Materialismus ist bloße nomologische Supervenienz unzureichend; zu seiner Wahrheit ist die ontologische Supervenienz des Psychischen über dem Physischen erforderlich.)

Der Glaube an psychische Eigenschaften oder Vorgänge, die von physischen Eigenschaften oder Vorgängen unabhängig sind, ist jedenfalls kein naturalistischer Glaube.
Dass eine solche durchgängige Abhängigkeit tatsächlich besteht, können die Psychologen und Neurologen anhand unzähliger empirischer Fakten belegen.

Grotemson hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:5. Ontologisch-semantische Ungereimtheit oder Widersprüchlichkeit der supernaturalistischen Begriffe, insbesondere des Begriffs <hyperphysische psychische Entität>.

Ich bitte um Erläuterung der Ungereimtheit und mache darauf aufmerksam, dass die Erläuterung wie: "Sie macht keinen Sinn, weil es nur materielle Entitäten gibt" oder Ähnliches, zirkulär wäre!!


Zum Begriff <immaterielle/spirituelle Substanz> habe ich mich bereits ausführlich geäußert; und was supernaturalische Begriffe im Allgemeinen betrifft, so verweise ich auf einen meiner Beiträge im amerikanischen Brights-Forum:

http://www.the-brights.net/forums/forum ... ntry201639

Es ist also so, dass bei den intuitiven supernaturalistischen Begriffsbildungen ontologische Kategorienfehler oder -verletzungen begangen werden, was zu ontologisch unmöglichen Phantasiewelten führt.

Ich muss allerdings abschließend anmerken, dass im Obigen nur von solchen supernaturalistischen Begriffen die Rede ist, die sich auf konkrete, d.i. physische oder psychische, aktiv-effektive (wirkungsfähige) Objekte beziehen. Begriffe, die sich auf abstrakte Objekte beziehen, stehen auf einem anderen Blatt.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 05:26

Noch ein Zitat des Religionsanthropologen Scott Atran zur "kontraintuitiven" supernaturalistischen Ontologie:

"In fact, there is now a substantial body of empirical research indicating that core religious beliefs are literally senseless and lacking in truth conditions. For example, in my own studies with Ara Norenzayan, Ian Hansen, Mark Schaller and others (first reported in the Behavioral and Brain Sciences article that Dennett recommends in his most recent book as a good summary evolutionary account of religion) we find that what allows religious beliefs to win out in the competition over other ideas in human memory is that they are counterintuitive. What does "counterintuitive" mean? To answer this requires a short digression into the cognitive theory of religion.
Empirical research on the cognitive basis of religion over the last two decades has focused on a growing number of converging cross-cultural experiments on "domain-specific cognition" emanating from developmental psychology, cognitive psychology and anthropology. Such experiments indicate that virtually all (non brain-damaged) human minds are endowed by evolution with core cognitive faculties for understanding the everyday world of readily perceptible substances and events. The core faculties are activated by stimuli that fall into a few intuitive knowledge domains, including: folkmechanics (object boundaries and movements), folkbiology (biological species configurations and relationships), and folkpsychology (interactive agents and goal-directed behavior). Sometimes operation of the structural principles that govern the ordinary and "automatic" cognitive construction of these core domains are pointedly interrupted or violated, as in poetry and religion. In these instances, counterintuitions result that form the basis for construction of special sorts of counterfactual worlds, including the supernatural, for example, a world that includes self-propelled, perceiving or thinking mineral substances (e.g., Maya sastun, crystal ball, Arab tilsam [talisman]) or beings that can pass through solid objects (angels, ghosts, ancestral spirits).
Religious beliefs are counterintuitive, then, because they violate innate and universal expectations about the world's everyday structure, including such basic categories of "intuitive ontology" (i.e., the ordinary ontology of the everyday world that is built into any language learner's semantic system) as person, animal, plant and substance. They are generally inconsistent with fact-based knowledge, though not randomly. As Dan Sperber and I pointed out a quarter of a century ago, beliefs about invisible creatures who transform themselves at will or who perceive events that are distant in time or space flatly contradict factual assumptions about physical, biological and psychological phenomena. Consequently, these beliefs more likely will be retained and transmitted in a population than random departures from common sense, and thus become part of the group's culture. Insofar as category violations shake basic notions of ontology they are attention-arresting, hence memorable. 
But only if the resultant impossible worlds remain bridged to the everyday world can information be readily stored, evoked and transmitted. For example, you don't have to learn in bible class that God could pick up a basket ball if you've already been taught that He can topple a chariot. And you don't have to be told that God can become angry if you worship other Gods or do things He doesn't like once you've already learned that He's a jealous God. This is because such further pieces of knowledge are "automatically" inferable from our everyday commonsense understanding of folkphysics and folkbiology (e.g., relative effort and strength required to displace different sized objects) and folkpsychology (e.g., how emotions are related to one another and to beliefs). Miracles usually involve a single ontological violation, like a talking bush or horse riding into the sky, but leave the rest of the everyday commonsense world entirely intact. Experiments show that if ideas are too bizarre, like a talking tea kettle that has leaves and roots like a tree, then they are not likely to be retained in memory over the long run. 

Religious worlds with supernaturals who manage our existential anxieties — such as sudden catastrophe, loneliness, injustice and misery – are minimally counterintuitive worlds. An experimental setup for this idea is to consider a 3 x 4 matrix of core domains (folkphysics, folkbiology, folkpsychology) by ontological categories (person, animal, plant, substance). By changing one and only one intuitive relationship among the 12 cells you then generate what Pascal Boyer calls a "minimal counterintuition." For example, switching the cell ( − folkpsychology, substance) to ( + folkpsychology, substance) yields a thinking talisman, whereas switching ( + folkpsychology, person) to (− folkpsychology, person) yields an unthinking zombie. But changing two or more cells simultaneously usually leads only to confusion. Our experiments show that minimally counterintuitive beliefs are optimal for retaining stories in human memory (mains results have been replicated by teams of independent researchers, see for example articles in the most recent issue of the Journal of Cognition and Culture).
In sum, the conceptual foundations of religion are intuitively given by task-specific panhuman cognitive domains, including folkmechanics, folkbiology, folkpsychology. Core religious beliefs minimally violate ordinary ontological intuitions about how the world is, with its inescapable problems. This enables people to imagine minimally impossible supernatural worlds that solve existential problems that have no rational solution, including avoiding death or deception. Because religious beliefs cannot be deductively or inductively validated, validation occurs only by ritually addressing the very emotions motivating religion, usually through chant and music, dance and sway, prostration and prayer − all somewhat derivate of primate expressions of social bonding and submission. Cross-cultural experimental evidence encourages these claims."


(http://www.edge.org/discourse/bb.html#atran2)

Atran erwähnt eine 3x4-Matrix, die du dir im folgenden Text anschauen kannst (Table 1, S. 21):

http://www2.psych.ubc.ca/~henrich/pdfs/BIOT_a_00018.pdf
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 06:50

Myron hat geschrieben:Ich denke nicht, dass das Argument den Naturalismus nur unter der Voraussetzung untermauert, dass der wissenschaftliche Realismus wahr ist.


Selbst wenn die keine supernaturalistischen Hypothesen enthaltenden erfahrungswissenschaftlichen Theorien nur "empirisch adäquat" sind, sind erfolgreiche Theorien dieser Art am ehesten zu erwarten, wenn der Naturalismus wahr ist. Denn der Grund ihrer Erfahrungsangemessenheit muss in der außertheoretischen Realität selbst liegen.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 07:52

Myron hat geschrieben:Ich muss allerdings abschließend anmerken, dass im Obigen nur von solchen supernaturalistischen Begriffen die Rede ist, die sich auf konkrete, d.i. physische oder psychische, aktiv-effektive (wirkungsfähige) Objekte beziehen. Begriffe, die sich auf abstrakte Objekte beziehen, stehen auf einem anderen Blatt.


Abstrakte Objekte sind im Gegensatz zu konkreten natürlichen oder nichtnatürlichen Objekten keine (potenziellen) Akteure oder Agenzien.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 08:49

Myron hat geschrieben:Ich denke nicht, dass das Argument den Naturalismus nur unter der Voraussetzung untermauert, dass der wissenschaftliche Realismus wahr ist.


Ich denke aber, dass der Idealismus, dem nach das Physische vom Psychischen seinsabhängig oder gar in sich psychischer Natur ist, kein naturalistischer Standpunkt ist. Will sagen, der natürliche Verbündete des Naturalismus ist der physikalische Realismus. Nun stellt sich die Frage, ob dieser den wissenschaftlichen Realismus einschließt. Das scheint mir nicht der Fall zu sein, denn die Annahme, dass es eine geistunabhängige physische Realität gibt, ist mit der Annahme vereinbar, dass die Erfahrungswissenschaftler epistemisch und methodisch außerstande sind, uns einen über instrumentell nutzbare "empirische Adäquatheit" hinausgehenden objektiven ontologischen Einblick in die Natur der Natur zu gewähren. Selbst wenn zwischen der Natur und der Naturwissenschaft ein undurchsichtiger Erkenntnisvorhang hängt, dann bedeutet das nicht, dass die Natur von naturwissenschaftlichen Theorien abhängig ist oder davon "konstruiert" wird. Denn die Konstruktion von Realitätsrepräsentationen ist keine Realitätskonstruktion. Und aus der antirealistischen Annahme, dass es keine als wahr erkennbaren wissenschaftlichen Theorien (über Unbeobachtbares) gibt, folgt nicht, dass es keine wahren Theorien gibt.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 10:37

Grotemson hat geschrieben:1. Es geht hier um die tatsächliche Wahrheit des Naturalismus, nicht um seine Funktionalität. Das Argument basiert auf der Prämisse, dass aus empirischem Erfolg der Theorie deren Wahrheit folgt. Als wissenschaftlicher Anti-realist leugne ich diesen Zusammenhang, und ich werde dabei durch Fakten der Wissenschaftsgeschichte gestützt.


Okay, ich rieche den Braten:

"Whenever philosophers bother to offer a defense for philosophical naturalism, they typically appeal to the authority of natural science. Science is supposed to provide us with a picture of the world so much more reliable and well-supported than that provided by any non-scientific source of information that we are entitled, perhaps even obliged, to withhold belief in anything that is not an intrinsic part of our best scientific picture of the world. This scientism is taken to support philosophical naturalism, since, at present, our best scientific picture of the world is an essentially materialistic one, with no reference to causal agencies other than those that can be located within space and time.
This defense of naturalism presupposes a version of scientific realism: unless science provides us with objective truth about reality, it has no authority to dictate to us the form which our philosophical ontology and metaphysics must take. Science construed as a mere instrument for manipulating experience, or merely as an autonomous construction of our society, without reference to our reality, tells us nothing about what kinds of things really exist and act."


(Koons, Robert C. "The Incompatibility of Naturalism and Scientific Realism." In Naturalism: A Critical Analysis, edited by William Lane Craig and J. P. Moreland, 49-64. London: Routledge, 2000. p. 49)

(Online-Version: http://www.leaderu.com/offices/koons/docs/natreal.html)

Die Berufung auf den wissenschaftlichen Antirealismus dient also im Grunde dazu, der Berufung der Naturalisten auf die Erfahrungswissenschaft zur Stützung des ontologischen Naturalismus das Wasser abzugraben, indem man selbst den wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorien die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit und damit die ontologische Relevanz abspricht, die sich daraus ergäbe. Das heißt, dem wissenschaftlichen Antirealismus zufolge besitzt keine noch so gut bestätigte erfahrungswissenschaftliche Theorie die epistemologische Autorität, einen zu bestimmten ontologischen Annahmen zu verpflichten. Kurzum: Die Erfahrungswissenschaft hat den Philosophen in ontologischer Hinsicht nichts zu sagen, und wenn sie etwas dazu zu sagen hat, dann hat ihr Wort kein größeres Gewicht als das der Philosophen! Das führt aber letzten Endes zu der absurden Behauptung: Physik ist auch nichts weiter als Metaphysik!
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Sa 29. Jan 2011, 12:40

Der gute Mann da in Texas baut seine ganze Argumentation (wenn auch 8 Seiten länger) darauf auf, daß einfachheit als einziges kriterium um zwischen tehorien in der Wissenschaftlichen praxis zu unterscheide nicht hinreichend ist, und damit die Wissenschaftliche Praxis die reine Wahrheit nicht findet, damit die Naturalisten sich nicht auf Wissenschaft "stützten" können bei der Wahrheitsfindung, sondern es sogar inkompatibel ist? Dann muß der Mann sich mal über wissenschaftliche Praxis informieren, das ist - je nach dem welche wissenschaftstheorie man anlegt nur eines (und sicher nicht das wichtigste) Kriterium. Zirkelfreiheit, Konsistenz, Falsifizierbarkeit, Wiederholbarkeit, Anwendbarkeit, (Nützlichkeit,), dann seine erwähnte Sparsamkeit, Korrigierbarkeit, ... man hat da mehr als nur dieses einzige Kriterium, auf das er abhebt...
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 29. Jan 2011, 21:58

Koons Argument ist, dass die Einfachheit einer naturwissenschaftlichen Theorie nur dann ein verlässlicher Hinweis auf ihre Wahrheit ist, wenn es einen unzufälligen ursächlichen Zusammenhang zwischen einfachen Naturgesetzen und einfachen naturwissenschaftlichen Theorien gibt. Dieser Zusammenhang kann laut Koons aber nur auf übernatürliche Weise von einem übernatürlichen Wesen hergestellt werden. Das heißt, ohne eine solche, von Gott eingerichtete "prästabilierte Harmonie" wäre die Einfachheit einer Theorie kein verlässlicher Hinweis auf ihre Wahrheit. Gott hat für die Einfachheit der Naturgesetze und somit dafür gesorgt, dass die einfachen bzw. einfachsten Theorien auch die wahren sind.
Dabei geht Koons offenkundig von der Annahme aus, dass wissenschaftsrealistische Naturalisten nicht umhinkommen, Einfachheit als Wahrheitskriterium zu akzeptieren. Und wenn dem so ist, dann widerlegen sie sich selbst, weil diese Akzeptanz nur durch Annahme der Existenz Gottes zu rechtfertigen ist. Und wenn sich die Naturalisten dieser Konsequenz entziehen wollen, dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den wissenschaftlichen Realismus zu verwerfen und den wissenschaftlichen Antirealismus zu akzeptieren, welcher wiederum dazu führt, dass die Naturwissenschaft die naturalistische Ontologie in keiner Weise unterstützen kann. Die Berufung der Naturalisten auf die Naturwissenschaft ist folglich ungerechtfertigt:

"Philosophical naturalism, then, can draw no legitimate support from the deliverances of natural science, realistically construed, since scientific realism entails the falsity of naturalism. If scientific theories are construed non-realistically, it seems that the status of ontology cannot be affected by the successes of natural science, nor by the form that successful theories in the natural sciences happen to take. If scientific anti-realism is correct, then the 'manifest image' of the scientific worldview must not be taken as authoritative. Instead, that image is merely a useful fiction, and metaphysics is left exactly as it was before the advent of science."

(http://www.leaderu.com/offices/koons/docs/natreal.html)

Koons behauptet also letzlich also, dass "empirisch adäquate", "instrumentell wertvolle" naturwissenschaftliche Theorien in metaphysisch-ontologischer Hinsicht ohne Aussagekraft und Bedeutung sind. Das heißt, wenn Naturwissenschaftler sich anmaßen, metaphysisch-ontologische Urteile zu fällen oder gar den Philosophen aufzuoktroyieren, dann begehen sie eine "Kompetenzüberschreitung". Das ist ein oft gehörter theistischer Standardvorwurf. (Auch der Papst argumentiert so.)
Dieser positivistisch-instrumentalistischen Auffassung der Wissenschaft zufolge können metaphysisch-ontologische Fragen nicht empirisch, sondern (bestenfalls) nur rational beantwortet werden; und, so meinen die Theisten/Supernaturalisten, auf dem Spielfeld der reinen Vernunft haben sie mindestens ebenso gute argumentative Karten wie die Naturalisten, sodass sich der Theismus/Supernaturalismus vernünftig vertreten und verteidigen lässt.

Die theistische/supernaturalistische Argumentationsstrategie besteht also darin, die Erfahrungswissenschaft strikt positivistisch-instrumentalistisch zu interpretieren und ihr ausgehend von dieser Interpretation jegliche "Weltbildrelevanz" abzusprechen, damit sich die Naturalisten darauf nicht mehr zur Unterstützung ihrer Position berufen können.
(Wenn es aber z.B. um die Urknalltheorie geht, dann berufen sich die Theisten darauf liebend gerne zur Unterstützung ihres Weltbildes. Es stört sie halt nur, wenn eine wissenschaftliche Theorie nicht für, sondern gegen ihr Weltbild spricht.)

P.S.:
Frage 1: Ist der ontologische Naturalismus zwangsläufig mit einer kausalistisch-reliabilistischen Erkenntnistheorie verbunden?
Frage 2: Ist der wissenschaftliche Realismus zwangsläufig mit der Annahme verbunden, dass Einfachheit ein zuverlässiges Wahrheitsanzeichen ist?
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » So 30. Jan 2011, 01:17

Zu Frage 2: Die Einfachheit eines kritischen Realismus / Rationalismus ist in den Fällen ein wichtiges Kriterium, in denen man zwei Erklärungen an nichts anderem Unterscheiden könnte und trägt dazu bei, die Theorie elegant und straff zu halten, ohne überflüssigen Ballast. In sofern ist es schon ein wichtiger Bestandteil, aber nicht so wichtig wie er dargestellt ist. Ich würde da gern die Gegenfrage stellen: Setzt ein elegantes, einfaches Universum den daraus abgeleiteten Schöpfer voraus? Wenn unser Universum wirklich so elegant ist, wäre es doch noch einen Schritt einfacher und eleganter ohne Schöpfer.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Grotemson » So 30. Jan 2011, 23:12

Myron hat geschrieben:Naturalismus =def die Ansicht, dass alles (Seiende, Wirkliche) natürlich ist.

Tut mir Leid, aber damit kann ich einfach nichts anfangen. Dass es um das Wort "natürlich geht", kommt ja bereits im Definiendum zur Sprache, aber ich möchte wissen, was "natürlich" bitteschön sein soll? Ich habe da wirklich nur eine vage Vorstellung.

Myron hat geschrieben:Ich denke nicht, dass das Argument den Naturalismus nur unter der Voraussetzung untermauert, dass der wissenschaftliche Realismus wahr ist. Es setzt nämlich nur voraus, dass es ungeachtet ihrer Fehlbarkeit theoretisch (erklärungs- und vorhersagemäßig) und praktisch (anwendungsmäßig) höchst erfolgreiche naturwissenschaftliche Theorien gibt, was auch ein Antirealist nicht bestreitet, oder? Oder leugnen Antirealisten jeglichen Wissenschaftserfolg und -fortschritt?
Wie dieser Erfolg zu erklären ist, ist eine andere Frage. Ist er auf die Wahrheit, die Wahrscheinlichkeit oder die Wahrheitsnähe der betreffenden Theorien zurückzuführen? Die Antwort "weder noch" wäre absurd, denn wenn erfolgreiche Theorien nicht einmal falsch-aber-wahrheitsnah, sondern falsch-und-wahrheitsfern wären, dann wäre deren Erfolg ein absolutes Mysterium. Irgendeinen unzufälligen Zusammenhang zwischen dem empirischen Angemessenheits- oder Bestätigungsgrad einer Theorie und dem Grad ihrer Wirklichkeitstreue muss es geben. Mit falschen-und-wahrheitsfernen aerodynamischen Gesetzen bringt man Flugzeuge jedenfalls nicht erfolgreich zum Fliegen.

Was das Unterbestimmtheitsproblem betrifft, so spricht die Koexistenz empirisch äquivalenter, aber empirisch unterbestimmter naturwissenschaftlicher Theorien ja nicht gegen deren Erklärungs- oder Vorhersagestärke.

Du hast recht, dass weder ein Antirealist den Erfolg wissenschaftlicher Theorien leugnen, noch das Unterestimmtheitsproblem ihre Erklärungskraft mindern würde. Der Antirealist würde hingegen sehr wohl die Relation zwischen Anwendbarkeit und Wahrheit leugnen, die du mit deinem Flugzeugbeispiel zu stärken versuchst. Der Grund ist einfach: Sie kann nicht gerechtfertigt, nur spekulativ angenommen werden. Außerdem gibt es, wie bereits gesagt, in der Wissenschaftsgeschichte dutzende Theorien, die später falsifiziert wurden und trotzdem Anwendung fanden. Der Erfolg bestimmter Theorien ist aber deswegen kein Mysterium. Sie beschreiben eben die Wirklichkeit, wie sie sich uns darbietet, sehr gut bis gut.
Was du in deiner Entgegnung jetzt schuldig bleibst, ist der Bezug auf den Naturalismus. Inwiefern spricht, dass wissenschaftliche Theorien ein Set von empirischen Daten gut beschreiben und sich daher gut anwenden lassen, für die Wahrheit des Naturalismus? Eben nur wenn man annimmt, dass Naturalismus mit wissenschaftlicher Methode irgendwie zusammenhängt und dass empirischer Erfolg Wahrheit impliziert. Leugnet man das, geht das Argument nur soweit zu sagen, dass sich Nat. gut mit einer Methode vereinbaren lässt, die gut die empirische Wirklichkeit beschreiben kann(bzw. die sprachlichen Konstrukte, die mithilfe der Methode konstruiert werden, können das). Ich wiederhole also meine Frage: Wie passt der Naturalismus, sollte sich klären, was er eigentlich genau ist, hier hinein?
Wie ich es verstehe, gibst du diese Antwort:
Myron hat geschrieben:Sämtliche erfolgreichen naturwissenschaftlichen Theorien kommen bestens ohne supernaturalistische Hypothesen aus, was die Annahme nahelegt, dass es in der Natur stets natürlich zugeht, d.h. dass darin keine übernatürlichen Aktivitäten vorkommen, d.h. dass sie in sich kausal geschlossen ist. Und die naheliegendste Erklärung für die Abwesenheit derartiger Vorkommnisse ist, dass es keine übernatürlichen Akteure gibt, sprich dass der Naturalismus wahr ist.
(Du könntest freilich erwidern, dass es absolut passive übernatürliche Akteure geben könnte, die das Naturgeschehen in keiner Weise beeinflussen. Aber es gibt ja weitere Argumente, die gegen die Existenz übernatürlicher Akteure, d.i. von bewussten körperlosen Lebewesen, sprechen.)

Ja, Moment. Gut: Sämtliche naturwiss. Theorien kommen ohne übernatürliche Entitäten aus. Soweit bin ich dabei. Aber das legt streng genommen nicht die Annahme nahe, dass es in der Natur natürlich zugeht. Dazu müsste man eben wiederum annehmen, dass adequate Beschreibung in direkter Relation zu Wahrheit steht, also wissenschaftlichen Realismus. Es gibt aber keine conclusive(gibts da eine deutsche Entsprechung?) Gründe dafür, eine solche Relation anzunehmen, bzw. ich meine sogar zeigen zu können, dass der Versuch eines Beweises zwangsläufig in Zirkularität(zumindest epistemischer Zirkularität) endet. IIch denke also, damit das Argument klappt, musst du eben doch wissenschaftlichen Realismus annehmen, sonst gibt es nämlich keinen Zusammenhang von adequater Beschreibung und der Annahme, dass es in der Natur natürlich zugeht. Eventuell ist ja eine andere Beschreibung, eine, wo es nicht "natürlich"(Ich bitte zu bemerken, dass ich dieses Wort mindestens genauso vage finde! ich übernehme es nur, damit wir hier diskutieren können) zugeht, wahr. Ich als Antirealist, der Wahrheit und adequate Beschreibung trennt, kann das durchaus behaupten.
Was übrigens diese weiteren Argumente angeht, werde ich beizeiten mal einen Thread öffnen. Ich glaube z.B mit deinem Argument, dass eine außerzeitliche und personelle und oder denkende Entität unmöglich ist, machst du es dir ein wenig einfach. Das liegt aber auf meiner Seite der Beweislast(eigentlich nicht, weil ich neutraler Atheist bin, aber da muss ich wohl wie immer Advocatos diaboli spielen) und ich werde dazu einen Thread eröffnen.



Myron hat geschrieben:Es ist in der Tat nicht der Fall, dass die einfachste unter einer Reihe konkurrierender Theorien per se die wahre ist. Und in der Tat kommen hier metatheoretische Präferenzkriterien ins Spiel.
Ich gebe zu, dass Einfachheit allein kein entscheidender Bewertungsmaßstab sein kann.

Ja, das gebe ich auch zu. Dazu kommen z.B. Kohärenz(in sich und mit anderen Theorien), Konsistenz etc. Mein zentraler Punkt war aber, dass diese Kriterien ja eben keine Indikatoren für die Wahrheit der Theorie sind, sondern nur dabei helfen sollen, eine Theorie zu finden, mit der man möglichst gut arbeiten kann. Um den Gedanken von oben zu präzisieren: Dein Argument basiert auf der Annahme, dass, weil naturwissenschaftliche Theorien erfolgreich sind, sie wahr sind(diese Relation leugne ich). Und weil du Naturalismus als ontologische Deutung dieser Theorien siehst, kannst du schließen, dass er wahr ist, bzw., dass alles von der Wissenschaft adequat beschriebene, alles Seiende ist. Ergo der Nat. ist wahr. Man bemerke, dass dies (a) im Prinzip zum Scientismus führt, weil man annehmen muss, dass es nichts gibt, was die Wissenschaft nicht beschreiben kann und (b) wie bereits erwähnt zur Prämisse hat, dass der Erfolg empirischer Theorien ihre Wahrheit impliziert. Du bist also auch dazu verpflichtet irgendwie anzunehmen, dass metatheoretische Kriterien etwas mit der Wahrheit der Theorie zu tun haben, denn deine Gleichsetzung von adequater Beschreibung und Wahrheit lässt eine Unterbestimmtheit auf der Ebene adequater Beschreibung sofort auch zur Unterbestimmtheit auf der Wahrheitsebene werden. Da dies bedeuten würde, dass es Theorien gibt, die, obwohl sie kontradiktorische Sätze enthalten, gleich wahr sind, musst du annehmen, dass alle metatheoretischen Kriterien direkte Wahrheitskriterien sind. Aber das wird schwer zu erklären sein. Wie zb. spricht Kohärenz für Wahrheit? Wie spricht Konsistenz direkt für Wahrheit? Führt das nicht paradoxerweise(vielleicht gar nicht so paradox) in einen arg epistemischen Wahrheitsbegriff

Myron hat geschrieben:Nein, denn der Ausgangspunkt sind die uns allen zugänglichen Erscheinungen in der Welt – "das Gegebene" (die bekannten Tatsachen); und die Frage ist, ob wir uns darauf – insgesamt betrachtet, alles in allem – im Lichte des Naturalismus einen besseren (einfacheren, einheitlicheren, stimmigeren) Reim machen können als im Lichte des Supernaturalismus. Wenn ja, dann ist das ein guter Grund, den Naturalismus vorzuziehen.

Aber was gegeben ist, und was nicht, ist deutungsvariant. Auch die bekannten Tatsachen sind(oder setzen voraus) eine entsprechende Ontologie. Natürlich gibt es sicherlich einige wenige Entitäten, auf die man sich einigen kann, und die die Teilmenge wird größer, je kompatibler zwei Positionen sind, aber zwei maximal voneinander entfernte Positionen werden entscheidende „Tatsachen“ des Anderen leugnen. Wieder ist hier Supernaturalismus nicht der einzige Gegner.
Ich bin mir darüber hinaus nicht sicher, ob nicht, selbst wenn man ein Set von Entitäten- nennen wir sie Basisentitäten- zum Ausgangspunkt beider Ontologien machte, mein Einwand bestehen bliebe: Immer noch besteht ja Streit bezüglich immens relevanter Zusatzentitäten, im Falle des Theismus Gott. Ganz gleich wie kohärent der Nat. die Basisentitäten deutete, der Theismus würde immer behaupten, dass er insuffizient sei, weil er mindestens einen Bestandteil der Welt nicht richtig erklären kann: Gott. Natürlich setzt dieser Einwand des Theismus den Theismus voraus. Aber der Einwand des Naturalismus, er beschreibe die Welt besser, weil sich sein Entitätenset mit dem Basisset deckt, setzt ja wiederum voraus, dass diese Deckung für die Richtigkeit des Nat. spricht. Wie kann sie für den Nat. sprechen? Doch nur, wenn man wiederum meint, außer dem Basisset gebe es nichts. Das leugnet z.B der Theismus.
Analog dazu lässt sich das Problem bezüglich der Deutung konstruieren: Für einen Theisten macht eine nat. Deutung des Basissets genauso wenig Sinn, wie für den Naturalisten eine theistische Deutung. Ich fürchte, objektive, d.h. absolute, nicht relative Kriterien gibt es für die Entscheidung von so grundlegenden ont. Fragen nicht.
Ich bemerke jetzt mal, dass du den Naturalismus bisher schon sehr von der Richtigkeit wissenschaftlicher Theorien abhängig gemacht hast, und von ihrer Fähigkeit der Erklärung von Phänomenen und Rechtfertigung von Sätzen. Beides ist fraglich.
Myron hat geschrieben:Was ein Weltbild zum wahren macht, ist der Umstand, dass es all und nur diejenigen Arten von Dingen und Eigenschaften setzt, die tatsächlich Teil der wirklichen Welt sind.
Und die Gretchenfrage ist freilich, was Teil der Wirklichkeit ist und was nicht.
Dass natürliche Dinge und Eigenschaften Teil der Wirklichkeit sind, d.h. dass die natürliche, konkret-materielle Welt zumindest eine Teilwelt der Gesamtwelt ist, ist offensichtlich und wird ja auch von den Supernaturalisten nicht bestritten, da diese nicht behaupten, dass alles nichtnatürlich ist, sondern dass nicht alles natürlich ist.
Es geht also um die Frage, ob sich der Glaube an eine zweite, konkret-immaterielle Teilwelt oder/und an eine dritte, abstrakt-immaterielle Teilwelt gut begründen oder rechtfertigen lässt.

Bis ich nicht genau weiß, was "natürliche" Dinge sind(hier scheinen sie gefährlich nahe an materielle, ram-zeitlich lokalisierte Dinge heranzurücken), muss ich leugnen, dass ihre Existenz offensichtlich ist. Ich muss also auch bestreiten, dass es nur darum geht, ontologische Entitäten, die der Naturalismus leugnet, gut zu begründen. Bisher befinden wir uns noch dabei, den Nat. selbst zu begründen und das kann nicht mit der Widerlegung Der Gegenposition gegessen sein. Außerdem haut mich keines der positiven Argumente bisher auch nur ansatzweise vom Hocker.

Myron hat geschrieben:Falls du damit sagen willst, dass das Fehlen empirischer Beweise oder Bestätigungen für die Existenz von etwas niemals am plausibelsten dadurch zu erklären sei, dass das betreffende Etwas nicht existiere, dann widerspreche ich dir. Aus "x ist nicht wahrnehmbar" folgt zwar nicht logisch "x existiert nicht", aber die rein logische Möglichkeit der Existenz von Sachen, die keinerlei wahrnehmbare Spuren in der Raumzeit hinterlassen, rechtfertigt allein mitnichten den Glauben an deren Existenz.

Das will ich natürlich nicht behaupten. Leider rechtfertigt das Fehlen von empirischen Beweisen auch nicht die Überzeugung der Nichtexistenz.

Myron hat geschrieben:Im Übrigen ist oben nicht nur vom Fehlen stichhaltiger empiriegestützter Argumente zugunsten des Supernaturalismus die Rede, sondern auch vom Fehlen stichhaltiger logisch-rationaler Argumente.

Für nichts gibt es absolut stichhaltige Argumente, wenn du damit meinst unüberwindbare Argumente. Logisch-rationale Argumente für den Theismus gibt es schon. Viele Gottesbeweise sind in der Tat deduktiv gültig und nicht mit einem Handwisch zu entkräften. Außerdem ist dieses Argument hier irrelevant: Damit es funktioniert muss ein kontradiktorisches Verhältnis zwischen Naturalismus und Theismus angenommen werden. Dies kann nur geschehen, wenn der Naturalismus negativ bestimmt wird und dies wiederum führt zu den von mir aufgezeigten Zirkelproblemen. Den Theismus zu entrkräften reicht einfach nicht aus. Darüber hinaus ist der Theismus nicht der einzige Gegner des Nat.


Myron hat geschrieben:Du könntest beispielsweise zwei zusätzliche, übernatürliche Welten postulieren, die mit der natürlich-physischen Raumzeitwelt weder raumzeitlich noch ursächlich verbunden sind: In der einen existieren ausschließlich konkret-immaterielle Entitäten, d.i. reine Geister oder Seelen, und in der anderen existieren ausschließlich abstrakt-immaterielle Entitäten wie Zahlen oder platonische "Ideen". Der Glaube an diese beiden übernatürlichen Welten wäre in der Tat prinzipiell weder empirisch verifizierbar noch empirisch falsifizierbar, und eine reine Glaubenssache, wie man so schön sagt. Wie vernünftig dieser Glaube wäre, sei hier dahingestellt.

Das finde ich interessant. Drückst du damit aus, dass ein Naturalist die Existenz möglicher Welten leugnen muss. Bzw: Ist ein naturalist nur Naturalist in Bezug auf DIESEs Universum, oder auch in Bezug auf andere mögliche Universen, die allerdings zb. ganz andere Naturgesetzmäßigkeiten besitzen könnten.
Wie handhabt ein Naturalist Modalität?

Myron hat geschrieben:Reduzierbarkeit ist übrigens nicht dasselbe wie Eliminierbarkeit, d.h. aus der Nichteliminierbarkeit psychischer, subjektiver Phänomene aus dem Inventar der Realität folgt nicht deren Nichtreduzierbarkeit auf physische Phänomene. (Das ist der Unterschied zwischen einer konservativen und einer eliminativen Reduktion.)

Nein, ist es nicht, aber was du hier schreibst, klingt mir sehr nach: To have a cake and eat it too. Aus Nichteliminierbarkeit folgt zumindest ontologische Nichtreduzierbarkeit, wenn auch nicht kausale. Damit ist man dann eben doch wieder auf die Existenz der entsprechenden Entitäten verpflichtet.

Myron hat geschrieben:Was den naturalistischen Attributsdualismus auszeichnet, ist aber nicht nur die Annahme, dass alle psychischen Eigenschaften notwendigerweise Eigenschaften physischer Dinge sind, sondern auch die Annahme, dass die psychischen Eigenschaften von bestimmten physischen Eigenschaften existenziell abhängig sind und, wie es im Fachjargon heißt, über diesen zumindest nomologisch "supervenieren".

Eigenschaften einerseits zu benutzen, weil sie nützlich sind, andererseits mithilfe von Supervenienz ihre "ontologische Abhänigkeit" zu postulieren, halte ich für begrifflich völlig leer. Entweder es gibt etwas, oder es gibt es nicht. Dazwischen gibt es nichts. Es gibt kein merkwürdiges meinongisches Stadium der Subsistenz, das man benutzen kann, um Zahlen, Eigenschaften etc. zwar benutzen zu dürfen, sich dann aber um ontologische Verpflichtungen zu drücken. Wieder sage ich: To have a cake and eat it too. Man kann sich nicht aus ontologischen Entscheidungen rausreden. Entweder es gibt Zahlen, oder es gibt sie nicht. Entweder es gibt Eigenschaften oder es gibt sie nicht. Da hilft kein Fiktionalismus und da hilft keine Supervenienz(und auch keine Emergenz for that matter). Das grundsätzliche Argument dafür ist, dass eine entweder/oder Unterscheidung zulässt. Wer das leugnet, begeht einen noch schwereren Fehler: Er behaupten, es gäbe verschiedene Arten, zu sein. Das ist falsch. Auf welche Art und Weise "ist" also etwas, was auf(du sagst über, ich hab immer "auf" benutzt) physischen Gegebenheiten superveniert? Man muss sofort verschiedene Modi des Seins anwenden, wenn man erklären möchte, wie Supervenienz die Anwendung von Entitäten rechtfertigt, von denen man behauptet, sie existieren ja "eigentlich" nicht. Und Modi des Seins sind schlicht absurd!
Ich fordere den Naturalisten auf, mir zu sagen, ob das Bewusstsein nun existiert oder nicht. Wenn er sagt: Nein. Vertritt er einen eliminativen oder ontologisch reduktivistischen Standpunkt. Wenn er sagt ja: Dann hat er sich auf die Existenz des Bewusstseins festgelegt. Die Behauptung, das Bewusstsein sei etwas Materielles ist in diesem Fall völlig leer. Offensichtlich handelt es sich um etwas Geistiges! Das sagt aber nichts über dessen kausale Einbindung in die Welt. Kausal kann es also meinetwegen auch reduzibel sein. Die ont. Verpflichtung bleibt.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon ujmp » Mo 31. Jan 2011, 09:06

Myron hat geschrieben:Frage 2: Ist der wissenschaftliche Realismus zwangsläufig mit der Annahme verbunden, dass Einfachheit ein zuverlässiges Wahrheitsanzeichen ist?


Nein. Abgesehen davon, dass es überhaupt kein Wahrheitskriterium gibt, ist die Forderung nach Einfachheit (oder Eleganz) ein Bekenntnis zur Modellhafitgkeit einer Theorie. Man darf zwei Dinge nicht verwechseln: Das eine ist, ob die Welt aus einfachen Elementen besteht und das andere ist, ob man sie mit einfachen Modellen erklärt. Die Frage, ob diese Welt real ist bleibt davon aber unberührt. Der wissenschaftliche Realismus oder methodische Materialismus ist eine Beschränkung auf weniger und einfachere Modelle, als es sie supernaturalistische Vorstellungen beinhalten. Dabei muss wieder berücksichtigt werden, dass es auf die Prognosefähigkeit der Modelle ankommt. Denn erzählen kann die Theologie viel, nur wenn man ihre Theorien mit der täglichen Erfahrung in Einklang bringen will, dass sich aus ihnen überhaupt keine Prognose ableiten lässt, wird es kompliziert, um nicht zu sagen unseriös - oder belanglos.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon mat-in » Mo 31. Jan 2011, 13:21

Ich denke, ich muß meinen, also diesen Text auch mit unnötigen, sich wiederholenden Füllwörtern - weit ausholen - aufblasen, oder?
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 06:16

Grotemson hat geschrieben:…ich möchte wissen, was "natürlich" bitteschön sein soll?


Natürlich ist, was Teil der Natur ist; und die Natur ist das Materie-Energie-Raum-Zeit-System (MERZ) mit all seinen autonom produzierten Phänomenen.

Das heißt, was weder physisch noch von physischen Entitäten ontisch und genetisch abhängig ist, ist nicht natürlich.

Grotemson hat geschrieben:Der Antirealist würde hingegen sehr wohl die Relation zwischen Anwendbarkeit und Wahrheit leugnen, die du mit deinem Flugzeugbeispiel zu stärken versuchst. Der Grund ist einfach: Sie kann nicht gerechtfertigt, nur spekulativ angenommen werden.


Wenn ich es richtig sehe, dann leugnet der Antirealist aber nicht, dass erfolgreiche technische Anwendbarkeit zumindest empirische Angemessenheit voraussetzt; und wenn es um die beobachteten bzw. beobachtbaren Erscheinungen geht, decken sich Angemessenheit und Wahrheit:

"The distinction between truth and empirical adequacy, and hence between realism and constructive empiricism, is a subtle one. For theories about the observable, truth and empirical adequacy coincide. For theories about the unobservable, truth entails empirical adequacy but not vice versa: such a theory may be empirically adequate yet false."

(Musgrave, Alan. Essays on Realism and Rationalism. Amsterdam: Rodopi, 1999. p. 107)

"Empirical adequacy: Property of theories in virtue of which they save the phenomena. A theory is empirically adequate if and only if all of its observational consequences are true."

(Psillos, Stathis. Philosophy of Science A–Z. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2007. p. 76)

Wenn ich es richtig sehe, dann verpflichtet einen eine angemessene = wahre Theorie über Beobachtbares durchaus zum Glauben an die Wirklichkeit ihrer Setzungen. Das heißt, wenn z.B. eine beobachtungsangemessene biologische Theorie die Existenz einer bestimmten (beobachtbaren) Tierart impliziert, dann darf und soll man daran glauben, dass es diese wirklich gibt.

Grotemson hat geschrieben:Außerdem gibt es, wie bereits gesagt, in der Wissenschaftsgeschichte dutzende Theorien, die später falsifiziert wurden und trotzdem Anwendung fanden.


Ich bin kein Wissenschaftshistoriker oder -theoretiker, aber jene strenggenommen falschen Theorien müsste man sich im Einzelnen ansehen, um beurteilen zu können, ob es nicht doch ihre Wahrheitsnähe oder -ähnlichkeit ist, die ihre technologische Nützlichkeit erklärt. Zwar ist knapp vorbei auch daneben, aber falsche Theorien unterscheiden sich schon darin, wie weit sie von der Wirklichkeit entfernt sind.

Fast alle Wissenschaftsrealisten sind Fallibilisten, und sie differenzieren sehr wohl zwischen wahren, wahrscheinlichen und wahrheitsnahen (annäherungsweise wahren) Theorien; und wenn die Beweislage allzu schwach und uneindeutig ist, dann bleiben sie (vorübergehend) neutral. Aber sie sind insofern Optimisten, als sie aus der Tatsache, dass selbst die bestbestätigten Theorien fehlbar sind und sich bereits eine Reihe von Theorien im Nachhinein als falsch erwiesen haben, nicht folgern, dass von der tatsächlichen Falschheit aller gegenwärtigen Theorien auszugehen ist.

Grotemson hat geschrieben:Der Erfolg bestimmter Theorien ist aber deswegen kein Mysterium. Sie beschreiben eben die Wirklichkeit, wie sie sich uns darbietet, sehr gut bis gut.


Eine Wirklichkeitsbeschreibung ist aber nur dann gut, wenn sie die Wirklichkeit zutreffend oder zumindest annäherungsweise zutreffend beschreibt.

Grotemson hat geschrieben:
Gut: Sämtliche naturwiss. Theorien kommen ohne übernatürliche Entitäten aus. Soweit bin ich dabei. Aber das legt streng genommen nicht die Annahme nahe, dass es in der Natur natürlich zugeht. Dazu müsste man eben wiederum annehmen, dass adequate Beschreibung in direkter Relation zu Wahrheit steht, also wissenschaftlichen Realismus.


Die Tatsache, dass der theoretische und praktische Erfolg keiner einzigen erfolgreichen wissenschaftlichen Theorie – egal ob man sie nur als angemessen oder auch als wahr bezeichnet – von der Setzung irgendwelcher übernatürlicher Akteure abhängt, die das Naturgeschehen als verborgene, unbeobachtbare Ursachen beeinflussen, spricht zwar zunächst nur für die Annahme, dass es keine innerhalb der beobachtbaren Natur aktiven übernatürlichen Wesen gibt, aber sie erhöht auch die Glaubwürdigkeit der weiteren Annahme, dass der Grund ihrer Inaktivität ihre Inexistenz ist.

Grotemson hat geschrieben:
Eventuell ist ja eine andere Beschreibung, eine, wo es nicht "natürlich"(Ich bitte zu bemerken, dass ich dieses Wort mindestens genauso vage finde! ich übernehme es nur, damit wir hier diskutieren können) zugeht, wahr. Ich als Antirealist, der Wahrheit und adequate Beschreibung trennt, kann das durchaus behaupten.


Gut, zu jeder beobachtungsangemessenen Theorie lassen sich x-beliebige übernatürliche Faktoren hinzudichten. Ich könnte z.B. zu einer physikalischen Theorie der Stabilität von Atomen die supernaturalistische Annahme hinzufügen, dass die natürlichen Bindungskräfte nicht ausreichen, um Atome zusammenzuhalten, und es deshalb zusätzlich erforderlich ist, dass es zu jedem Atom einen Engel gibt, der rund um die Uhr an es denkt, weil Atome sofort auseinandergerissen werden, wenn kein Engel an sie denkt.
Es wäre aber absurd, dieses Szenario allein deshalb ernsthaft in Betracht zu ziehen, weil es nicht rein logisch ausgeschlossen werden kann.

Aber, wie oben schon gesagt bzw. zitiert, in Bezug auf die Welt der beobachtbaren Erscheinungen decken sich Angemessenheit und Wahrheit. Innerhalb dieser ist es niemals wissenschaftlich gelungen, irgendwelche übernatürlichen Akteure direkt oder indirekt zu identifizieren. Nun kannst du freilich einwenden: "Kein Wunder, denn es ist ja möglich, dass solche Wesen und ihre Handlungen grundsätzlich unbeobachtbar sind! Und als strikt positivistischer Antirealist verhalte ich mich gegenüber Unbeobachtbares, Unwahrnehmbares betreffenden Aussagen und deren ontologischen Implikationen grundsätzlich neutral."
Wenn ich dich richtig verstehe, dann argumentierst du nicht als Supernaturalist, sondern als Neutralist/Agnostiker, der die Meinung vertritt, dass keine erfahrungswissenschaftliche Erkenntnis das Wahrscheinlichkeitsverhältnis zwischen Naturalismus und Supernaturalismus zugunsten des Ersteren verschieben könne, und dass die Berufung der Naturalisten auf die Naturwissenschaft zur Untermauerung ihrer Ansicht somit ungerechtfertigt sei.

Grotemson hat geschrieben:
Dazu kommen z.B. Kohärenz(in sich und mit anderen Theorien), Konsistenz etc. Mein zentraler Punkt war aber, dass diese Kriterien ja eben keine Indikatoren für die Wahrheit der Theorie sind, sondern nur dabei helfen sollen, eine Theorie zu finden, mit der man möglichst gut arbeiten kann.


Fehlende Konsistenz ist auf jeden Fall ein zwingendes Falschheitskriterium.

Grotemson hat geschrieben:
Um den Gedanken von oben zu präzisieren: Dein Argument basiert auf der Annahme, dass, weil naturwissenschaftliche Theorien erfolgreich sind, sie wahr sind(diese Relation leugne ich). Und weil du Naturalismus als ontologische Deutung dieser Theorien siehst, kannst du schließen, dass er wahr ist, bzw., dass alles von der Wissenschaft adequat beschriebene, alles Seiende ist. Ergo der Nat. ist wahr.


Mein Argument ist, dass die totale Unabhängigkeit des Erfolgs der angemessenen, bestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorien von der Setzung übernatürlicher Faktoren die Wahrscheinlichkeit der kausalen Geschlossenheit der Natur erhöht und indirekt in geringerem Maße die Wahrscheinlichkeit, dass es keine übernatürlichen Akteure oder Agenzien gibt.

Grotemson hat geschrieben:Man bemerke, dass dies (a) im Prinzip zum Scientismus führt, weil man annehmen muss, dass es nichts gibt, was die Wissenschaft nicht beschreiben kann und (b) wie bereits erwähnt zur Prämisse hat, dass der Erfolg empirischer Theorien ihre Wahrheit impliziert.


Nein, ich vertrete keinen monopolistischen ontologischen Szientismus, sondern nur die Auffassung, dass die Erfahrungswissenschaften und ihre Erkenntnisse durchaus ontologisch relevant sind, wenn es um die Frage geht, was in der konkreten Realität existiert und was nicht.

Grotemson hat geschrieben:Du bist also auch dazu verpflichtet irgendwie anzunehmen, dass metatheoretische Kriterien etwas mit der Wahrheit der Theorie zu tun haben, denn deine Gleichsetzung von adequater Beschreibung und Wahrheit lässt eine Unterbestimmtheit auf der Ebene adequater Beschreibung sofort auch zur Unterbestimmtheit auf der Wahrheitsebene werden. Da dies bedeuten würde, dass es Theorien gibt, die, obwohl sie kontradiktorische Sätze enthalten, gleich wahr sind, musst du annehmen, dass alle metatheoretischen Kriterien direkte Wahrheitskriterien sind.


Ich will nicht ausweichen, aber das ist eine sehr komplexe und komplizierte Thematik. Wir müssten uns jetzt eigentlich alle in Frage kommenden metatheoretischen Kriterium einzeln ansehen und fragen, ob sie als Wahrheits-, Wahrscheinlichkeits- oder Wahrheitsähnlichkeitskriterium gelten dürfen oder nicht.
Ich fürchte nur, das kriegen wir in diesem Thread nicht hin, zumal ich, was ich gerne zugebe, kein Experte in Sachen Wissenschaftstheorie bin. Die Behauptung, es könne überhaupt keine transempirischen, rationalen Kriterien geben, die eine Wahl zwischen zwei gleichermaßen unterbestimmten Theorien rechtfertigen, weise ich nichtsdestoweniger zurück. Aber ich muss mich mit der Materie noch eingehender beschäftigen.

"Perception does not exhaust our contact with reality; we can think too."

(Williamson, Timothy. "Necessary Existents." In Logic, Thought and Language, edited by Anthony O'Hear, 233-251. Cambridge: Cambridge University Press, 2002. p. 247)

Natürlich können zwei empirisch äquivalente Theorien, die beide empirisch adäquat, aber zusammen genommen inkonsistent sind, nicht beide wahr sein. In einem solchen Fall kann es unter Umständen am vernünftigsten sein, sich eines Urteils zu enthalten und weder an die Wahrheit der einen noch an die Wahrheit der anderen zu glauben – ich betone kann!

Das Unterbestimmtheitsargument als Argument für den Agnostizismus oder Skeptizismus kann aber auch ad absurdum geführt werden:

"Underdetermination of theories by evidence: Evidence is said to underdetermine theory. This may mean two things. First, the evidence cannot prove the theory. Second, the evidence cannot render the theory probable. Both kinds of claim are supposed to have a certain epistemic implication, namely, that belief in theory is never warranted by the evidence. Deductive underdetermination rests on the claim that the link between evidence and (interesting) theory is not deductive. But this does not create a genuine epistemic problem. There are enough reasons available for the claim that belief in theory can be justified even if the theory is not proven by the evidence: warrant-conferring methods need not be deductive. Inductive underdetermination rests on two major arguments that question the confirmatory role of the evidence vis-à-vis the theory. The first capitalises on the fact that no evidence can affect the probability of the theory unless the theory is assigned some non-zero prior probability. The second rests on the claim that theories that purport to refer to unobservable entities are, somehow, unconfirmable. It is sometimes argued that for any theory we can think of there will be totally empirically equivalent rivals, that is, theories that entail exactly the same observational consequences under any circumstances. This empirical equivalence thesis is an entry point for the epistemic thesis of total underdetermination, namely, that there can be no evidential reason to believe in the truth of any theory. But there is no proof of the empirical equivalence thesis, though a number of cases have been suggested ranging from Descartes's 'evil demon' hypothesis to the hypothesis that for every theory T there is an empirically equivalent rival asserting that T is empirically adequate-yet-false, or that the world is as if T were true. One can argue that these rival hypotheses have only philosophical value and drive only an abstract philosophical scepticism."

(Psillos, Stathis. Philosophy of Science A–Z. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2007. p. 252-53)

Grotemson hat geschrieben:Aber was gegeben ist, und was nicht, ist deutungsvariant.
Auch die bekannten Tatsachen sind(oder setzen voraus) eine entsprechende Ontologie. Natürlich gibt es sicherlich einige wenige Entitäten, auf die man sich einigen kann, und die die Teilmenge wird größer, je kompatibler zwei Positionen sind, aber zwei maximal voneinander entfernte Positionen werden entscheidende „Tatsachen“ des Anderen leugnen. Wieder ist hier Supernaturalismus nicht der einzige Gegner.


Was die ontologische Debatte zwischen dem Naturalismus und dem Supernaturalismus betrifft, so dreht sie sich im Wesentlichen um drei Kategorien:

1. <immaterielles konkretes Objekt> / <immaterielle/spirituelle Substanz>

2. <immaterieller spiritueller Prozess>

3. <(immaterielles) abstraktes Objekt>

Es geht also letztlich um die Frage, ob die Kategorie <hyperphysische Entität>, d.i. <Entität, die keine physische Entität ist und von physischen Entitäten ontisch und genetisch unabhängig ist> leer ist oder nicht.

Grotemson hat geschrieben:Ganz gleich wie kohärent der Nat. die Basisentitäten deutete, der Theismus würde immer behaupten, dass er insuffizient sei, weil er mindestens einen Bestandteil der Welt nicht richtig erklären kann: Gott.


Der Theismus kann höchstens die Welt, aber nicht Gott erklären, da dieser ja ewig und damit unerschaffen ist.

Grotemson hat geschrieben:Ich bemerke jetzt mal, dass du den Naturalismus bisher schon sehr von der Richtigkeit wissenschaftlicher Theorien abhängig gemacht hast, und von ihrer Fähigkeit der Erklärung von Phänomenen und Rechtfertigung von Sätzen. Beides ist fraglich.


Na ja, so gesehen sind auch dein Agnostizismus und dein Antirealismus "fraglich" – wie generell alles Philosophische.
Ich glaube, dass der Naturalismus und der wissenschaftliche Realismus wahr sind, aber ich behaupte nicht zu wissen, dass sie wahr sind.

Grotemson hat geschrieben:Bis ich nicht genau weiß, was "natürliche" Dinge sind(hier scheinen sie gefährlich nahe an materielle, ram-zeitlich lokalisierte Dinge heranzurücken), muss ich leugnen, dass ihre Existenz offensichtlich ist.


Alle materiellen Dinge, die du aus deiner Lebenswelt kennst, sind natürliche Dinge.

Grotemson hat geschrieben:Leider rechtfertigt das Fehlen von empirischen Beweisen auch nicht die Überzeugung der Nichtexistenz.


Manchmal ja, manchmal nein.
Es ist jedenfalls nicht so, dass die Abwesenheit von Beweisen für die Existenz von X niemals den Glauben an dessen Nichtexistenz rechtfertigt.
Aber natürlich ist es besser, wenn weitere Argumente zur Verfügung stehen, die in die Schlussfolgerung münden, dass X (wahrscheinlich) nicht existiert.

Grotemson hat geschrieben:Logisch-rationale Argumente für den Theismus gibt es schon. Viele Gottesbeweise sind in der Tat deduktiv gültig und nicht mit einem Handwisch zu entkräften.


Dass es ausgeklügelte und folgerichtige theistische Argumente gibt, bestreite ich nicht.

Grotemson hat geschrieben:Den Theismus zu entrkräften reicht einfach nicht aus. Darüber hinaus ist der Theismus nicht der einzige Gegner des Nat.


Der Gegner des Naturalismus ist freilich nicht nur der Theismus, sondern der Supernaturalismus im Allgemeinen.

Grotemson hat geschrieben:Das finde ich interessant. Drückst du damit aus, dass ein Naturalist die Existenz möglicher Welten leugnen muss. Bzw: Ist ein naturalist nur Naturalist in Bezug auf DIESEs Universum, oder auch in Bezug auf andere mögliche Universen, die allerdings zb. ganz andere Naturgesetzmäßigkeiten besitzen könnten.
Wie handhabt ein Naturalist Modalität?


Das ist ein Sonderthema, zu dem wir einen neuen Thread eröffnen müssten.
Ein Naturalist darf zumindest an unendlich viele wirkliche Raumzeitwelten glauben, in denen nichts Übernatürliches vorkommt. Die Naturgesetze können aber von Welt zu Welt verschieden sein.
Problematisch wird es im Fall von David Lewis' modalem Realismus.
Seine unendlich vielen möglichen Welten sind ungeachtet dessen, dass "actuality" für ihn ein weltrelativer Begriff ist, gleichermaßen real, sodass C. B. Martin recht hat mit seiner Meinung, dass die Lewis'schen Welten eigentlich keine möglichen Welten, sondern alternative wirkliche Welten sind. Lewis glaubt, dass der Naturalismus in unserer wirklichen Welt wahr, aber in vielen alternativen wirklichen Welten falsch und der Supernaturalismus darin somit wahr ist. Er ist also strenggenommen kein absoluter, sondern nur ein relativer Naturalist.

Grotemson hat geschrieben:Aus Nichteliminierbarkeit folgt zumindest ontologische Nichtreduzierbarkeit, wenn auch nicht kausale.


Nein, die ontologische Reduktion von Wasser auf H2O hat Wasser nicht eliminiert.
Daraus, dass etwas ein (unleugbarer) Teil der Wirklichkeit ist, folgt nicht, dass es auf keinen anderen Teil der Wirklichkeit ontologisch reduziert werden kann.

Grotemson hat geschrieben:Eigenschaften einerseits zu benutzen, weil sie nützlich sind, andererseits mithilfe von Supervenienz ihre "ontologische Abhänigkeit" zu postulieren, halte ich für begrifflich völlig leer. Entweder es gibt etwas, oder es gibt es nicht. Dazwischen gibt es nichts. Es gibt kein merkwürdiges meinongisches Stadium der Subsistenz, das man benutzen kann, um Zahlen, Eigenschaften etc. zwar benutzen zu dürfen, sich dann aber um ontologische Verpflichtungen zu drücken. Wieder sage ich: To have a cake and eat it too. Man kann sich nicht aus ontologischen Entscheidungen rausreden.


Kein Einwand meinerseits!
Aber man muss zwischen zwei Fragen unterscheiden:

1. Welche Arten von Dingen oder Eigenschaften gibt es?

2. Welche Beziehungen bestehen zwischen den existenten Arten von Dingen oder Eigenschaften?

Grotemson hat geschrieben:Wer das leugnet, begeht einen noch schwereren Fehler: Er behaupten, es gäbe verschiedene Arten, zu sein. Das ist falsch.


Ja, es gibt viele Arten von Seiendem, aber nur eine Art zu sein: was ist, existiert; und was existiert, ist.

Grotemson hat geschrieben:Ich fordere den Naturalisten auf, mir zu sagen, ob das Bewusstsein nun existiert oder nicht. Wenn er sagt: Nein. Vertritt er einen eliminativen oder ontologisch reduktivistischen Standpunkt. Wenn er sagt ja: Dann hat er sich auf die Existenz des Bewusstseins festgelegt.


Ich sage: Ja, Bewusstsein ist ein existenter, realer Zustand (bestimmter Tiere)!

Grotemson hat geschrieben:Die Behauptung, das Bewusstsein sei etwas Materielles ist in diesem Fall völlig leer. Offensichtlich handelt es sich um etwas Geistiges! Das sagt aber nichts über dessen kausale Einbindung in die Welt. Kausal kann es also meinetwegen auch reduzibel sein. Die ont. Verpflichtung bleibt.


Ja, aber der Satz "Es gibt psychische Phänomene und sie sind physische Phänomene" ist keineswegs inkonsistent.

P.S.:
Alles, was ich hier zum Thema Naturalismus äußere, ist meine persönliche Meinung, da ich nicht der offizielle Chefideologe der Brights-Bewegung bin (welcher eh nicht existiert).
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 07:23

Myron hat geschrieben:Ich denke nicht, dass das Argument den Naturalismus nur unter der Voraussetzung untermauert, dass der wissenschaftliche Realismus wahr ist.


Hm…, gerade entdeckt:

"[P]hysicalism is a form of naturalism, and a rather stringent one at that. And…physicalism is not compatible with scientific anti-realism in any of its forms (for example, verificationism, instrumentalism)."
(p. 348)

"[P]hysicalism does imply a form of scientific realism. An instrumentalist or fictionalist account of scientific theories in general and of physics in particular does not square with the physicalist's concerns about ontological matters (i.e. dependence, supervenience, and realization), since such concerns require the existence of elements in both the physical domain and in the ontologically dependent domains studied by higher-level scientific activity. The basis for all objective fact and truth and of all entities and influences must be real, not just a convenient fiction and not something about whose existence we need have no beliefs. Similarly, if the physical domain is to play any role at all in the explanation of the realization of all other phenomena, the entities in that domain must exist."
(p. 355)

(Poland, Jeffrey. Physicalism: The Philosophical Foundations. Oxford: Oxford University Press, 1994.)

Zwischen dem Physikalismus und dem Naturalismus wird zwar oft unterschieden, aber das ist hier nicht so wichtig.
Ich muss mittlerweile einräumen, dass an deinem Einwand, dass der Naturalismus mit dem wissenschaftlichen Realismus verbündet sei, etwas dran ist.
Es liegt in der Tat nahe, dass Naturalisten als Antiidealisten, d.h. als physikalische Realisten, auch den wissenschaftlichen Realismus befürworten.
Und wenn sie das tun und sich zur Rechtfertigung ihrer Ansicht auf die Naturwissenschaft berufen, dann können die Antinaturalisten versuchen, diesem Argument für den Naturalismus mit antirealistischen Gegenargumenten das Wasser abzugraben, sodass dann wiederum die Naturalisten genötigt sind, jene Gegenargumente mit realistischen Gegen-Gegenargumenten zu entkräften.
Wenn sie von der antirealistischen Argumentationsstragie Gebrauch machen, dann muss den Antinaturalisten aber klar sein, dass sie sich selbst genauso wenig zur Unterstützung ihrer Ansicht auf die Erfahrungswissenschaft berufen dürfen. Dann zieht beispielsweise das beliebte theistische Argument, die Urknalltheorie belege die Annahme eines Schöpfergottes, auch nicht mehr.
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 07:33

@Grotemson:
Was für eine Art von Wissenschafts-Antirealist bist du eigentlich?
Da gibt es ja mehrere Varianten: Phänomenalismus, Positivismus, Instrumentalismus, Konstruktivismus, Konventionalismus, Fiktionalismus…
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Re: Argumente für den Naturalismus

Beitragvon Myron » Di 1. Feb 2011, 08:21

Ein Naturalist und ein Theist debattieren miteinander (leider nur auf Englisch):

Naturalism vs. Theism:
The Carrier-Wanchick Debate (2006)


http://www.infidels.org/library/modern/ ... index.html
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