Naturalistische Religion

Re: Naturalistische Religion

Beitragvon Mark » So 6. Mär 2011, 03:58

Auch die Brights sind eine Organisation..
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon mat-in » So 6. Mär 2011, 07:55

Ersteinma danke an fritz-ferdinand, die Organisation war mir vollkommen unbekannt!

Ich fürchte nur, das sie nicht das ist, was ich "hier suche", denn es klingt sehr nach einer ansprechenden Organisation für Leute die selbstständig denken und das in einer "Gruppe von Individuen" weiter betreiben möchten. So ähnlich sehe ich die Brights auch (auch wenn wohl keine in der Nähe wohnen, das man mal einen Kaffee trinken könnte). Was ich hier eigentlich suche ist etwas mit... strikteren Vorgaben. Ein rigideres System, in welchem die Leute, die sich eben keine solchen Gedanken machen können oder wollen gut aufgehoben sind.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon musicman » So 6. Mär 2011, 09:38

mat-in hat geschrieben:Ich glaube nicht, daß der Mensch Glauben per se braucht.


Da wär ich mir nicht so sicher, wenn man nicht glaubt, dass das Flugzeug höchstwahrscheinlich sicher landet, würde keiner mehr mitfliegen.
Man glaubt also dass die Technik funktioniert, der Pilot nicht besoffen ist, kein Bombenleger an Bord ist usw. Glauben ist nicht an Religion gebunden, die bedient sich seiner lediglich.

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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon platon » So 6. Mär 2011, 11:01

musicman hat geschrieben:wenn man nicht glaubt, dass das Flugzeug höchstwahrscheinlich sicher landet, würde keiner mehr mitfliegen.

Es geht schon wieder los und ich frage mich, warum Du bei diesem Unsinn mitmachst!
Ständig verschwurbeln die Religiösen zwei Begriffe, die im Deutschen dummerweise durch das gleiche Wort bezeichnet werden und nichts mit einander zu tun haben.
Man "glaubt" nicht, dass das Flugzeug höchstwahrscheinlich sicher landet, sondern man weiß es aus Erfahrung. Wenn man es "glauben" müsste, wie man die Existenz der ungezählten Geistwesen "glauben" muss, würden nur Verrückte ein Flugzeug besteigen.
Ich würde das Wort "glauben" in seiner ersten Bedeutung ersatzlos durch denken, aus Erfahrung annehmen oder vermuten ersetzen und das "glauben" in seiner metaphysischen Bedeutung den Geistgläubigen überlassen. Dann läuft sich das Argument "Ihr glaubt ja auch" endlich mal tot.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon fritz-ferdinand » So 6. Mär 2011, 14:38

@ mat-in Ähm, ich meine, dies hier IST in erster Linie ein Forum, um sich Gedanken zu machen, aber du hast recht, ein naturalistisches Weltbild haben bedeutet nicht unbedingt, diskussionsgierig oder wild auf Originalität zu sein.

Nun frage ich mich aber, aus welchem Gefühl oder Bedürfnis heraus du suchst. Gruppierungen mit strikten Vorgaben finden sich viele. Neonazis z.B. sind bekannt dafür, strikte Vorgaben und ein sehr naturalistisches Weltbild zu haben, und ihren Leuten das Gefühl zu geben, gut aufgehoben zu sein. Strikte Vorgaben haben auch Zeugen Jehovas, Fasnachtsvereine, Freimaurer, Fußball-Fanclubs, Mönchsorden, Parteien und die Mafia. Ich vermute mal stark, dass du dich in keiner dieser Gruppierungen wiederfindest, Fußball vielleicht mal ausgenommen.

Aber in welche Richtung geht das, was du dir vorstellst. Zusammenkommen, sich naturalistisch angrinsen und ein Bierchen kippen, oder ein Täßchen trinken? Oder tatsächlich eher wie ein Orden mit einem streng geregelten Tagesablauf? Gib doch vielleicht einfach mal ein ganz konkretes Beispiel, am besten eines, das in einem Terminkalender stehen könnte, welches mitten aus Deinem Bedürfnis herauskommt, damit man weiß, von was wir reden. Oder ist das nur ein unkonkretes Gefühl von etwas Fehlendem, das dich treibt?

@ stine. Bist du eigentlich christlich, wenn du in Sitzungen gehst, in denen man betet? Das ist dann aber nicht naturlistisch, oder? Aber was die Frage angeht, ob man zu Religion (in meinem Fall allerdings: Weltanschauung) eine Organisation braucht, da habe ich mich auch schon gefragt. Man kann doch auch einfach ein Weltbild haben, ein guter Mensch sein, und seine Freunde haben. Ganz persönlich habe ich aber gemerkt, dass mir das nicht langt. Man kocht im eigenen Saft, entwickelt ohne gegenseitigen Austausch manchmal recht verschrobene Vorstellungen, ohne das so zu merken, und am Ende verliert man sich doch im Alltag, wenn man nicht immer mal, am besten regelmäßig und unter Thema, zu einem Treffen unter gleichgesinnten zusammenkommt. Außerdem nervt's, immer nur unter Leuten zu sein, die einem ganz selbstverständlich diese unsägliche voraufklärerische jüdisch-christliche Leitkultur unterstellen, und meinen, ohne "Himmel" wäre das Leben hoffnungslos. Da tut es gut, einfach unter Leuten zu sein, die ähnlich ticken wie man selber.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon stine » So 6. Mär 2011, 15:39

fritz-ferdinand hat geschrieben:Bist du eigentlich christlich, wenn du in Sitzungen gehst, in denen man betet? Das ist dann aber nicht naturlistisch, oder?
Ja, ich bin getaufter Christ und meine Kindheit war durchaus religiös im Hinblick auf das NT geprägt. Aber ganz natürlich verändert sich im Laufe des Lebens die Denkart und vieles wird nicht mehr unhinterfragt einfach so weitergelebt - nur der diffuse Glaube bleibt und das empfinden, dass der Mensch einen Halt im Leben braucht. Derzeit bin ich noch aktiv mit administrativen Angelegenheiten meiner Heimatgemeinde beschäftigt.

Eure Vereinsregeln:
1. Sinngebende Instanz in einer Freien Religion ist der Mensch. Sie kennt keine außerweltliche Autorität.
2. In einer Freien Religion ist der Maßstab des Denkens und Glaubens die Vernunft.
3. Freie Religion ist bestimmt vom Streben nach Freiheit und Menschlichkeit. Freiheit können Menschen nur im Miteinander verwirklichen.
4. Freie Religion kennt keine absolute, jemals abgeschlossene Wahrheit. Im Streben nach immer neuen Einsichten bemüht sie sich um Toleranz.
5. Freie Religion macht sich dazu die Erkenntnisse der Wissenschaften zu eigen und sucht, ihren Wert für die menschliche Situation darzustellen.
6. Freie Religion ist eine Religion der Tat, nicht des Glaubens.
7. Für eine Freie Religion ist das Leben des Menschen einmalig und endet mit dem Tode. Was bleibt, ist zum einen Materie, nicht mehr gebunden an menschliche Existenz, zum anderen die Erinnerung an diesen Menschen, seine Werke, seine Taten.
8. Freie Religion verlangt die Entwicklung des Gewissens, das Streben nach innerer Wahrhaftigkeit, tätige Liebe und klügere Einsicht.
9. Freie Religion ist vom Wert der Gemeinschaft überzeugt, nicht jedoch von dem der Gleichförmigkeit. Aufrichtigkeit in der Gemeinschaft und gemeinsames Streben nach Gerechtigkeit ist ihr Ziel.
10. Freie Religion würdigt die religiösen und weltanschaulichen Traditionen der Menschheit als Suche nach Sinn. Sie anerkennt die positiven Werte darin und die kulturgeschichtliche Bedeutung und steht jeder Tradition, auch der eigenen, frei und kritisch gegenüber.
11. Freie Religion betrachtet den Menschen als Teil der Natur, eines allumfassenden letzthin unfassbaren Ganzen und ruft ihn auf, seine Mitnatur auf dieser Erde in ihrer Vielfältigkeit zu beschützen und zu bewahren.
12. Freie Religion ist verwurzelt in einem ethischen Humanismus.

Imgrunde ist das nichts weiter als Humanismus. Unter 1) wird der Mensch zum Mittelpunkt der Welt und auch noch zur sinngebenden Instanz und das will man religiös begleiten. Das ist mir, gelinde gesagt, zuviel Mensch. Religiös im naturalistischem Sinne hat für mich auch was demütiges, es stellt den Menschen eben nicht in die erste Reihe.
Ich bin auch der Meinung, wenn wir Menschen uns als die Regler und Richter über die Erde sehen, dann bürden wir uns ganz schön viel Verantwortung auf.
Nur unter 11 könnte ich mich durchaus wiederfinden.

Erzähl doch mal, was macht ihr denn so, wenn ihr euch trefft?
Feiert ihr "Messen" oder ist das eher wie ein Stammtisch?
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon mat-in » So 6. Mär 2011, 16:37

Neonazigruppierungen und Verbrecherisch-Gewaltätige Rockerclubs die ihren Mitgliedern strikte Vorgaben machen sind - genau wie Religionen die entsprechende Vorgaben machen und teils auch Fußballclubs - einer der Gründe, warum ich nach einer Alternative suche. All diese "Vereine" mißbrauchen das Bedürftniss (nach Zusammenhalt, den Bedarf an Regeln für Leute die nicht selbst auf welche kommen (oder kommen wollen) und geben (ihre) Antwort auf Fragen die man sich in manchen Lebenssituationen stellt,) für ihre eigenen Zwecke, politischen und finanziellen Ziele, etc.

Mir kommen die Kreise in denen man Atheisten, Naturalisten, "Freidenker" trifft immer so vor, als sei es einer reflektiert denkenden Elite vorbehalten, bei der jeder der Leute in diesem "Sack Flöhe" individuell auf diese Erkentnisse gekommen ist und dementsprechend sind Zusammenhalt lose und Ansprüche an "selber denken" hoch. Das schreckt eine große Masse Leute ab, die heute zum Beispiel als Mitläufer, "der Gemeinschaft wegen", etc. in einer Kirche stecken, mit deren metaphysischen und religiösen Lehren sie sich nicht identifizieren (welcher rk-christ ist wirklich, in seinem tiefsten inneren von solchen Glaubensgrundsteinen wie der jungfräulichen Geburt überzeugt?). Die Kirche gibt Regeln und Gemeinschaft, daher macht man den anderen Mumenschanz eben mit...

Daher hatte ich die Hoffnung, ein naturalistisches/atheistisches Weltbild ohne den Anspruch alleiniger Richtigkeit, ohne Missionierungszwang aber mit fertigen moralischen Regeln, Antworten auf die Fragen des Lebens und einem festen Gefühl von Zusammenhalt schaffen zu können oder schon fertig zu finden. Eben um diesen Leuten eine Alternative bieten zu können in der sie sich auch wohlfühlen. Ob man sich jetzt zu einem Wein am Sonntag trifft, gemeinsam ein Spaghettimonster kocht usw. wäre erst einmal egal, solange es eine feste gemeinschaft gibt, die Ziele hat, den Leuten Regeln, eine möglichkeit sich zu verwirklichen und zu helfen gibt - aber eben ohne politische Ausrichtung, Gewalt, Monotheistischen Gott, benachteligung andersdenkender, anders ausehender, ...

Ich habe das Gefühl mich zu wiederholen, aber vielleicht kann man es jetzt verstehen?
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon Mark » So 6. Mär 2011, 19:21

Kann es nicht sein, daß das Bedürfnis nach Geborgenheit in sinnstiftenden Gemeinschaften mit steigendem Selber-Denken-Grad immer weiter abnimmt ?
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon mat-in » So 6. Mär 2011, 20:40

Das ist durchaus möglich - auch wenn ich das Gefühl habe das inteligente Leute sich in (inteligenter) Gesellschaft oft auch ganz wohl fühlen ;)

Gerade für die Leute, die nicht so sind, sollte man doch irgend was zusammenschreiben, mit dem sie sich identifizieren können, daß dem ganzen aber die konfliktlastigkeit, bizarren Rituale und den Aberglauben nimmt? :gott:
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon Nanna » So 6. Mär 2011, 22:29

...und da betonen Erziehungsexperten immer wieder, wie wichtig schon für Kinder Rituale sind. ;-)

Ich denke nicht, dass du eine Gemeinschaft ohne eine gewisse Dogmatik zusammenhalten kannst. Du brauchst gemeinsame Narrative und das sind Glaubensinhalte. Weil wir schonmal die Neonazis bemüht haben hier: Deren gemeinsames Narrativ ist beispielsweise die Überlegenheit des deutschen Volkes, die Opferrolle der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und das historische Anrecht auf alleinige Sesshaftigkeit der deutschen Ethnie in Mitteleuropa. Natürlich ist all das schon von einem Gymnasiasten widerlegbar, darin unterscheidet sich dieses Narrativ nicht von Narrativen religiöser Gruppierungen.

Zweitens brauchst du Abgrenzungen gegen andere Gruppen und Milieus. Du musst auf irgendeine Weise, auch unausgesprochen, ein Gefühl für eine Überlegenheit gegenüber der Umwelt schaffen. Das muss ja nicht so platt sein, wie bei den Nazis. Die freien Religiösen beispielsweise werden auch einen gewissen harmlosen Dünkel haben, nicht schlimm, aber er klärt gewisse "Fronten". Das schafft das Gefühl einer Schicksalsgemeinschaft.

Ich sehe dein hehres Ziel, aber ich habe wenig Hoffnungen, dass du eine solche Gemeinschaft konstruieren kannst und gleichzeitig uralte und eingeschleifte Methoden menschlicher Gruppenbildung ausschalten kannst. Wasch mich, aber mach mich nicht nass?
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon musicman » So 6. Mär 2011, 23:27

platon hat geschrieben:
musicman hat geschrieben:wenn man nicht glaubt, dass das Flugzeug höchstwahrscheinlich sicher landet, würde keiner mehr mitfliegen.

die im Deutschen dummerweise durch das gleiche Wort bezeichnet werden und nichts mit einander zu tun haben.


So ist es, im Deutschen gibt es Worte mit mehr als einer Bedeutung, so eine Sauerei aber auch :mg:

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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon fritz-ferdinand » Mo 7. Mär 2011, 21:42

Hoppla, kommen die Beiträge hier aber schnell hintereinander.

mat-in hat geschrieben: Mir kommen die Kreise in denen man Atheisten, Naturalisten, "Freidenker" trifft immer so vor, als sei es einer reflektiert denkenden Elite vorbehalten, bei der jeder der Leute in diesem "Sack Flöhe" individuell auf diese Erkentnisse gekommen ist und dementsprechend sind Zusammenhalt lose und Ansprüche an "selber denken" hoch. Das schreckt eine große Masse Leute ab, die heute zum Beispiel als Mitläufer, "der Gemeinschaft wegen", etc. in einer Kirche stecken, mit deren metaphysischen und religiösen Lehren sie sich nicht identifizieren (welcher rk-christ ist wirklich, in seinem tiefsten inneren von solchen Glaubensgrundsteinen wie der jungfräulichen Geburt überzeugt?). Die Kirche gibt Regeln und Gemeinschaft, daher macht man den anderen Mummenschanz eben mit...

Daher hatte ich die Hoffnung, ein naturalistisches/atheistisches Weltbild ohne den Anspruch alleiniger Richtigkeit, ohne Missionierungszwang aber mit fertigen moralischen Regeln, Antworten auf die Fragen des Lebens und einem festen Gefühl von Zusammenhalt schaffen zu können oder schon fertig zu finden.


Also, zumindest bei uns sind die Leute Normalsterbliche, vielleicht ein bißchen mehr engagiert als durchschnittlich, z.B. bei den Naturfreunden oder in den Gewerkschaften. Wenn du unseren Terminkalender in der Pfalz anguckst, wirst du Morgenfeiern (wo bei uns vor Ort die Mehrzahl handfeste ältere Damen aus der ehemals arbeitenden Bevölkerung sind), Matineen, aber auch manchmal ein Busausflug, einen Seniorennachmittag, eine Familienfreizeit oder, eine nette Spezialität von uns, bei den Mannheimern z.B. zweimal im Jahr ein ein Sonnwendfeuer finden. Die PRAKTISCHEN Angebote, auch Hilfsangebote wie Beratungen und "Seelsorge", wenn man so will, sind wie überall in der "Gemeindearbeit", halt nach unseren Kräften. Dann gibt es auch noch eine Jugend, die einige jugendgemäße Angebote macht. Jeder kann übrigens was veranstalten, wenn den Drang dazu hat. Ich denke schon, dass man uns eine Gemeinschaft nennen kann, wenn auch nicht so sehr wie eine Familie. Aber eine Bruderschaft der Ritter von der Guten Tat, die sich in Schloß Camelot dem hehren Leben verschworen haben, das sind wir nun nicht.

Was du NICHT findest, das sind absolute und ewige Verhaltensregeln, wie z.B. "Du sollst den Tag des Herrn heiligen". Die würden dir aufs Dach steigen, wenn du sowas versuchen solltest. Nach Kants Aufforderung "Wage es, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen", als Ausweg aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit (welche bedeutet, man glaubt einfach, was man vorgesagt kriegt), ist eine ganz wichtige Regel: Du must dir selber überlegen, was du gut und böse findest, und auch warum. Und nach einer Weile solltest du nochmal kurz überlegen, ob du das immer noch so siehst. Soviel nachdenken musst du schon, das kannst du nach unserer Ansicht weder auf eine Gemeinschaft noch auf einen Guru noch auf einen Gott abschieben. Und für deine Wertesammlung einstehen musst du auch noch. Dafür müssen die anderen dir aber auch tolerant gegenübertreten, ohne dich auszugrenzen oder sowas.

Dann guckst du, ob die anderen das ähnlich sehen. Immerhin konnten wir uns darauf einigen, dass die Menschenrechte nach der Charta der UN gut sind :^^: , und zwar in einem Ausmaß, dass seit einiger Zeit die Satzung sich darauf bezieht. Eigentlich sind unsere Leute in den meisten Dingen einig und mit den üblichen Moralvorstellung konform, wenn es auch beispielsweise ab und zu jemanden gibt, der meint, in unseren Grundlagen würden Tierrechte fehlen, ungefähr: "Jedes (höhere) Tier hat ein Recht auf Leben ... " Aber wie gesagt, man muss nicht in allem übereinstimmen.

Um dir ein Beispiel zu geben: Eine weitgehende Begründung für mich für gut und böse ist mein Gefühl, dass ich es als gut oder böse EMPFINDE. Umbringen ist böse, Omma über Straße helfen (wenn sie will) ist gut. Ich denke, wenn nach all der Evolution und der sozialen Prägung, die ich bekommen habe, diese Gefühle überlebt haben, dann können sie die untauglichsten nicht sein. Ist natürlich diskutabel. Sicher würde ich anders empfinden, wenn eine Menschenfrau jährlich eine Million Kinder bekommen würde, da wäre Umbringen der Normalfall (müssen halt selber zusehen, ob sie das irgendwie überleben, die Kiddies). Andrerseits gäbe es sicher eine ganz andere Gewichtung von Freiheit und Sicherheit, wenn man im GESAMTEN LEBEN nur höchstens zwei, manchmal drei Kinder zeugen KÖNNTE. Da wär nicht mehr viel mit Abenteuerurlaub oder so, das wäre viel zu gefährlich. Usw. usw.

Außerdem haben wir natürlich noch die üblichen Lebensfeste wie Lebensweihe, Jugendweihe (beachte, das hatte die DDR von uns, nicht umgekehrt!), Eheweihe, Trauerfeier. Und Jubiläen, und Kaffeeklatsch und Geburtstag. Für die, die mitmachen wollen, die üblichen Karteileichen gibt es nämlich auch.

Aber all das gibt es auch bei den anderen Verbänden des humanistischen Spektrums, die sich viel ähnlicher sind, als sei es sich selber zugeben wollen. Es ist ja nicht so, dass du da unbedingt dazustoßen müsstest, du kannst ja trotzdem versuchen, nochmal das Rad neu zu erfinden. Aber WISSEN. dass es sowas schon gibt, das solltest du schon. Da kannst du zumindest das ein oder andere abgucken, denke ich. Alles andere ist Verschwendung.

PS: Wenn ich hier so intellektuell herumräsoniere, dann ist das, weil mir mein Leben lang manche Fragen keine Ruhe gelassen haben, und ich nicht locker gelassen habe, bis ich eine aktzeptable Antwort gefunden habe / noch finden werde. Aber das ist selbstverständlich nicht der Normalfall.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon Mark » Mi 9. Mär 2011, 01:30

Du bist also nicht unbedingt davon überzeugt, daß die Haltung der Brights (kein Supernaturalismus) der Weisheit letzter Schluss sein könnte ? Oder denkst Du diese Haltung ist kompatibel für maßgebliche Erweiterungen in der Weltanschauung, ohne das "Dogma" zu brechen ?
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon platon » Mi 9. Mär 2011, 22:15

musicman hat geschrieben:im Deutschen gibt es Worte mit mehr als einer Bedeutung, so eine Sauerei aber auch

Muss man sie deshalb ständig vorsätzlich vermischen, damit Leute wie Du sie nicht mehr auseinander halten können?
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon musicman » Mi 9. Mär 2011, 23:32

Das Problem mit der Mehrdeutigkeit des Begriffs liegt doch offensichtlich bei Dir.

Aber Spaß beiseite ich denke schon, dass es eine übers Religiöse hinausgehende psychologische Notwendigkeit ist, zu glauben dass etwas gut ausgeht, das hat nichts mit Voodoo zu tun.
Oder nehmen wir zB ich glaube dass es morgen regnet - ebenfalls nicht gerade religiös konnotiert, das Wort hat nun mal mehrere Bedeutungen.
Du kannst nicht einfach Begriffe umdefinieren nur damit sie deinem Geschmack entsprechen, auch ein Fundiatheist (siehe Liste :wink: ) sollte das zur Kenntnis nehmen.
Sollte es dir weiterhin Probleme bereiten: http://www.duden.de

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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon mat-in » Do 10. Mär 2011, 10:15

Ich habe mir angewöhnt, zu sagen "ich denke, das es morgen Regnen wird" oder "könnte" anstatt "ich glaube das es morgen regnet". Tut gar nicht weh und funktioniert...

Zurück zum Thema: gibt es denn so eine eurer "Runden" in/um Heidelberg? Anschaun würde ich mir ein oder zwei dieser Vereine schon gerne mal, denke auch, das ich da gut unterkommen könnte, wenn mir wieder nach sowas ist, aber noch hege ich zweifel, das es das ist, was ich denke, das wir brauchen... hmmm... zurück an die Arbeit.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon platon » Do 10. Mär 2011, 10:46

musicman hat geschrieben:Du kannst nicht einfach Begriffe umdefinieren nur damit sie deinem Geschmack entsprechen

Selbstverständlich kann man das, das geschieht dauernd. Ist Dir das nicht bewußt?
Weißt Du was dämlich bedeutet? Oder Quantensprung? Oder Euthanasie?
Wenn ein Begriff negativ konnotiert ist, kann man ihn durchaus nur noch für diesen negativen Kontext verwenden und für alle anderen Zusammenhänge andere Begriffe einsetzen. Oder eben anders herum. Aber die Parallelverwendung schafft nur Unklarheit über den Wortsinn.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon fritz-ferdinand » Do 10. Mär 2011, 13:37

stine hat geschrieben:Imgrunde ist das nichts weiter als Humanismus. Unter 1) wird der Mensch zum Mittelpunkt der Welt und auch noch zur sinngebenden Instanz und das will man religiös begleiten. Das ist mir, gelinde gesagt, zuviel Mensch. Religiös im naturalistischem Sinne hat für mich auch was demütiges, es stellt den Menschen eben nicht in die erste Reihe.
Ich bin auch der Meinung, wenn wir Menschen uns als die Regler und Richter über die Erde sehen, dann bürden wir uns ganz schön viel Verantwortung auf.
Nur unter 11 könnte ich mich durchaus wiederfinden.

Erzähl doch mal, was macht ihr denn so, wenn ihr euch trefft?
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@stine

Natürlich hast du recht, wir SIND eine humanistische Gemeinschaft. Wobei es zu beachten gilt, dass das ein weiter Begriff ist, der erst mal tatsächlich nichts anderes sagt, als dass Dinge (und Menschen!) zuerst einmal von Menschen und vom menschlichen Standpunkt nach menschlichen Befindlichkeiten aus betrachtet und bewertet werden (und nicht vom religiösen, ständisch-hierarchischen, wirtschaftlichen, politischen, logischen, künstlerischen etc. Standpunkt nach deren Befindlichkeiten aus). Wenn du nachgooglest, findest du, dass es sogar einen christlichen Humanismus gibt. Für die meisten heutigen Humanisten, welche Atheisten der strikten Observanz sind, ist jedoch schon der Name "freireligös" ein rotes Tuch und ruft allergische Reaktionen hervor. Für die wahren Christen jeglicher Nuance andrerseits ist unser Infostand in der Fußgängerzone immer ein beliebtes Ziel, um uns zu erklären, dass wir ganz böse Sünder sind, die in der Hölle schmoren werden. Zwischen allen Stühlen sozusagen.

Du hast Unrecht, wenn du meinst, der Artikel 1) bestimmt den Menschen zum Mittelpunkt der WELT. Er macht ihn einzig und allein zur sinngebenden Instanz für sich selber. Sinn ist eine menschliche "Erfindung", und wenn die Religionen sagen, dass der Sinn vom Transzendenten bestimmt wird, dann dient das nur dazu, den religösen Sachwaltern des Transzendenten ein Mittel an die Hand zu geben, über andere Menschen zu bestimmen. Der Artikel gibt sozusagen dem Menschen die Souveränität über sich selber zurück, er stellt schlichtweg fest, dass jeder Mensch über seinen Sinn (des Lebens oder was auch immer) selbst bestimmen kann, aber auch selbst dafür verantwortlich ist.

Wenn du genau gelesen hättest würdest du sehen, dass da nix von iss, von wegen Menschen in der ersten Reihe und Regler und Richter über die Erde, sondern dass wir als Bestandteil eingebunden sind in die Natur und auch in die Gesellschaft, und deren Gesetzmäßigkeiten (d.i. etwas anderes als Gesetze), und beiden die ihnen gebührende Achtung zu erweisen haben. Gebührende Achtung, bitte, nicht (ungebührliche) Demut,

Über unsere Treffen habe ich glaube ich schon berichtet. Es gibt keine liturgischen Vorschriften oder sowas, das bestimmt jede Gemeinde für sich. Wir haben eine monatliche Morgenfeier, die etwas festlich gestaltet ist und als zentrales Element einen Vortrag der Landessprecherin enthält, über den (aber nicht nur) danach geredet wird. Zum Abschluß singen wir meist ein Volkslied, da solltest du mal sehen, wie die Herrschaften begeistert mitmachen. Eine andere Gemeinde hat wenige, aber größere Veranstaltungen, z.B. Matineen, eine andere einen vierzehntägigen Gesprächskreis, und natürlich gibt es auch gesellige Treffen. Das wichtigste "Ritual" im Jahresverlauf sind sicher Sonnwendfeuer, wo das möglich ist. Eine Gemeinde hat letztes Jahr übrigens auch eine Enttaufung veranstaltet, um sich dagegen zu wehren, dass die Kirchen sagen, wer einmal getauft ist, gehört uns immerdar , ob er will oder nicht.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon fritz-ferdinand » Fr 11. Mär 2011, 13:18

Mark hat geschrieben:Du bist also nicht unbedingt davon überzeugt, daß die Haltung der Brights (kein Supernaturalismus) der Weisheit letzter Schluss sein könnte ? Oder denkst Du diese Haltung ist kompatibel für maßgebliche Erweiterungen in der Weltanschauung, ohne das "Dogma" zu brechen ?


Dazu will ich mal einen. man verzeihe mir, etwas martialischen Vergleich zum Begriff Pantheismus bringen. Ein Heer besteht aus einzelnen Soldaten, Kompanien, Batallionen, Standorten, Ausrüstungen usw. usw. Man kann sich die Einzelteile ansehen, z.B. eine soziologische Untersuchung über den einfachen Soldaten machen, oder die Logistik des Fuhrparks untersuchen. Den charakterlichen Kern eines Heeres erkennt man aber nur, wenn man das ganze Heer als ein Ganzes betrachtet. Erst dann erschließt sich einem, was ein Heer eigentlich bedeutet. Aber "Heer" als Ganzes ist dann nicht eine extra Wesenheit außerhalb des Heeres, und auch nicht etwas, das ohne die Einzelteile existieren könntee, es ist eine Betrachtungsweise, aus der sich auch der Charakter der Einzelteile in einem viel höheren Maße erschließt, als wenn man nur diese Einzelteile betrachten würde, selbst wenn man dazu alle Einzelteile durchgehen würde.

Ebenso ist Pantheismus eine Betrachtungsweise, die das Naturganze nicht als etwas betrachtet, das außerhalb oder über der Natur stehen würde, aber durch die Betrachtung aller Naturerscheinungen als Ganzes bewerten und erschließen sich einem die einzelnen Erscheinungen anders, wie wenn man sie nur einzeln, gewissermaßen nacheinander betrachten würde. Ein Naturganzes gäbe es aber natürlich nicht ohne die Einzelerscheinungen. Somit sind Pantheisten keine Supernaturalisten, sondern gerade Naturalisten.

Das andere Ende der Skala sind Leute, die man vielleicht Subnaturalisten nennen könnte. Alle Naturbeobachtungen, die ein Mensch machen kann, geschehen über Sinne (Sehen, Hören etc.), die man als Leitungen betrachten könnte, wo auf der einen Seite "Informationen" (Licht, Klang) eingespeist werden, die am anderen Ende im Gehirn als elektrische Signale ankommen. Gibt aber das, was als Information durchgeleitet wird, tatsächlich die Realität wieder? Man kann sich im Sinne einer virtuellen Realität natürlich vorstellen, dass die informationstragenden Impulse durch einen Computer (oder was auch immer) in Echtzeit errechnet und erzeugt werden, und somit etwas vorspiegeln, was gar nicht so der Fall ist. (Man sehe sich etwa Filme wie Matrix, Das 13. Stockwerk, Welt am Draht (Simulacron 3) an). Das ist gar nicht so aufwendig, wie es sich anhören könnte, da nämlich nur ein einziges Gehirn (oder was auch immer der Träger des Bewußtseins ist) befüttert werden müsste, nämlich ICH. Jeder außer mir könnte genausogut ein Teil der virtuellen Realität ohne eigenes Bewußtsein sein, ICH kann das nicht nachprüfen. Ein Hinweis auf die Virtualität der Welt wäre z.B. ein Wunder :^^:

Somit stellt über Sinne beobachtbare Natur außerhalb von mir (auch Erinnerungen, besonders die alten, gehören zum Außen und werden über einen "Erinnerungssinn" in das Bewußtsein geleitet) zuallererst etwas dar, an das man GLAUBT; welches man als real seiend GLAUBT. Es ist natürlich sehr,sehr,sehr wahrscheinlich, dass die Welt/Natur so existiert, wie man sie beobachtet, aber wirklich absolut todsicher kann man sich da nicht sein.
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Re: Naturalistische Religion

Beitragvon Arathas » Fr 11. Mär 2011, 13:29

fritz-ferdinand hat geschrieben:Es ist natürlich sehr,sehr,sehr wahrscheinlich, dass die Welt/Natur so existiert, wie man sie beobachtet, aber wirklich absolut todsicher kann man sich da nicht sein.


Das stimmt natürlich. Ebensogut könntest du auch die ganze Welt nur träumen und hättest keine Möglichkeit, dies zu prüfen. Und eben weil diese Möglichkeit der Überprüfung fehlt, bringt es nichts, diesem Gedanken mehr als einen spielerischen Wert einzuräumen. Man kann darauf keine Theorien bauen.
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