Bionic hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Warum lassen wir es nicht erstmal dabei, wie Mutter Natur es uns in Jahrmillionen Evolution beigebracht hat?
Wo wären wir heutzutage, wenn wir uns immer an die Natur gehalten hätten?
Ich sehe keinen Mehrwert darin, Haar- oder Augenfarbe zu einem Kriterium für's Kinderkriegen zu machen. Es gibt wichtigere genetische Merkmale und zum gegenwärtigen Zeitpunkt (deshalb auch "erstmal" so lassen) funktioniert der herkömmliche Weg dahingehend meines Erachtens effektiver.
Bionic hat geschrieben:Ob du ein Produkt sein willst, oder nicht, tut hier eigentlich nichts zur Sache.
Das tut es sehr wohl, weil ich als Teil einer demokratischen Gesellschaft das Recht habe, über solche Sachen mitzubestimmen. Darüberhinaus ist es ein wirklich kompliziertes ethisches Feld, denkendes und fühlendes Leben nach seinen Vorstellungen zu erschaffen. Es ist eine extreme Verantwortung, die der Schaffende hat und ich bezweifle, dass das Wohl des Erschaffenen - schon mangels klarer Definition - dabei immer im Vordergrund stehen wird.
Bionic hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:(Und ich sehe schon die ersten Klagen gegen Eltern losrollen, in denen Kinder Schadensersatz für schlechtes Design fordern.
)
Eigentlich nicht zulässig! Aber ihn unserer gestörten Welt könnte das schon sein.
Warum nicht zulässig? Im Gegensatz zur natürlichen Zeugung gibt es hier jemanden, der eine bewusste Entscheidung getroffen hat und somit für nicht nur für die Existenz des Designerkinds, sondern auch für dessen spezielle Form und Ausstattung verantwortlich ist. Es gibt einen Verursacher und einen Geschädigten. Juristisches Neuland, aber sicher nicht so einfach abzukanzeln.
Bionic hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:aber ich sehe ein Potential dafür, dass Eltern ihre Kinder als Eigentum ansehen und als Produkt, das die Erwartungen zu erfüllen hat. Es ist ein gewaltiger Unterschied in der grundsätzlichen Geisteshaltung zu Kindern generell, wenn man ein Kind bekommt und es annimmt und liebt, egal, wie es nun aussieht, oder ob man nur ein Kind akzeptiert, das zum Teppich passt.
Das stimmt schon, nur gibt es diese *Eigentumsdenken* ja heutzutage schon.
Mit dem Unterschied, dass das Kind nicht derart zweckgebunden erschaffen werden konnte. Es würde ein bestehendes Phänomen auf eine völlig neue Stufe heben. Die Eltern-Kind-Beziehung ist psychisch eine der stärksten, wenn nicht DIE stärkste und emotionsbehafteste Bindung in unserem Leben. Der Familienname lässt sich ändern, falls das gute Verhältnis in die Brüche geht oder nie existierte, aber der genetische Fingerabdruck, der von den Eltern
gezielt aufgestempelt wurde, geht nie weg. Kinder und Eltern weisen sich in Streitigkeiten schon jetzt gegenseitig die Schuld für alles mögliche zu, ich will nicht wissen, wo das hingeht, wenn die Eltern auch noch im Erbgut der Kinder herumgespielt haben.
Bionic hat geschrieben:Man kann aber auch fragen ob es nicht eigentlich unsere ethische Pflicht wäre, gesundheitliche Anfälligkeiten zu beheben. Ich denke schon!
Da widerspreche ich aber auch gar nicht. Die Frage ist, wo die Grenze zwischen dem Verhindern eindeutiger Gesundheitsschäden (Erbkrankheit, schwaches Immunsystem, meinetwegen auch Anlage zur Fehlsichtigkeit) und dem Ausstatten mit Fashionmerkmalen wie Augenfarbe, schlankem Körper, vielen Muskeln usw. ist. Sicherlich ist unter gewissen Umständen auch zweiteres für das Kind vorteilhaft. Gleichzeitig könnte es auf lange Sicht beitragen, den Genpool massiv zu verkleinern (allgemeines Problem) oder dem Desingerkind nicht zusagen (individuelles Problem). Wenn einem der eigene Körper jetzt nicht passt, muss man sich halt damit abfinden, wenn er einem als Designerkind nicht passt, sieht die Sache anders aus, denn da gibt es einen Verantwortlichen.
Das Problem, das ich zusammengefasst sehe, ist, dass die Gefahr eines Eigentumsdenken der Elterng gegenüber dem Kind besteht (Zweckgebundene Existenz des Kindes, Unethische Erwartungshaltung) und ein Verlust an Autonomie für das Kind - auch in dem Sinne, dass sie für alle Probleme bequem die Eltern verantwortlich machen können, denn die haben ja das schlechte Design geliefert. Ich sehe darin eine unheilvolle Kombination und frage mich, ob in so einer Gesellschaft auf lange Sicht nicht das pure Effizienzdenken und eine starke Gleichschaltung regieren würde. Dabei ist es für eine soziale Gemeinschaft unheimlich wichtig, auch mal Fünfe grade sein lassen zu können und abwegiges zulassen zu können, da anders keine Innovationen entstehen. Wenn aber sogar das Genom der Mode unterworfen wird, dann sehe ich im Bezug auf unsere Körper das auf uns zukommen, was wir in jedem Supermarkt heute schon haben: Das uns die Wahl zwischen Erdbeer- und Himbeermarmelade als Freiheit ausgelegt wird, wohingegen keiner überlegt, ob die Freiheit nicht darin bestehen könnte, keine Supermärkte zu haben.