Teh Asphyx hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Was soll eine Grundgrammatik sein?
Kannst Du das etwas ausführen.
Das würde hier den Rahmen bei weitem sprengen.
Noam Chomsky sollte da aber wohl die erste Anlaufstelle sein, er hat die Idee als erster ins Gespräch gebracht und ist auch hochgradig anerkannt dafür.
Kommt wieder drauf an, was man genau darunter versteht.
Es mag da bestimmte logische Strukturen geben, nach denen sich Sprache bildet, aber die Frage ist, wie weitreichend man das denken möchte.
Gegen die damit eng zusammenhängende Idee einer Mentalsprache, die im Hintergrund von verschiedenen Sprachen stehen soll, eine Idee, die auch von Chomsky vertreten wurde, gibt es gewichtige Einwände.
Teh Asphyx hat geschrieben: Vollbreit hat geschrieben:Worauf hat man denn Zugriff und auf welche Art?
Du kannst natürlich in der Kunst oder auch in anderen Bereichen etwas aus dem Un- oder Unterbewussten fließen lassen, aber danach oder dadurch, wird es ja gerade bewusst.
Sprachliche Annäherung ist eine Art von Zugriff. Was stellst Du Dir unter Zugriff vor, als dass Du die Erklärung für den Zugriff Dir nicht gerade schon selbst geliefert hast?
Man kann aber, so wie AgentProvocateur das beschrieben hat, die ganze Arbeit in einem nichtsprachlichen Prozess durchlaufen lassen und das Ergebnis erst zur Sprache bringen.
Das kann man sicher machen, nur wird es dann eben auch zur Sprache gebracht.
In meinen Augen stellen Begriffe aber eine wesentliche Veränderung dar, einerseits eine Verarmung ist, da bestimmte Impulse und Empfindungen schwer in (unsere gegenwärtige) Sprache zu übersetzen sind, auf der anderen Seite eine starke Bereicherung, da das Unbewusste im Großen und Ganzen sehr impulsiv und momentbezogen ist.
Teh Asphyx hat geschrieben: Vollbreit hat geschrieben:Ist es nicht eher umgekehrt, nämlich dass Du als Kind die Begriffe lernst, die Deine Umgebung benutzt? Ist ja kein Zufall, dass in Deutschland alle deutsch sprechen.
Ein Begriff und ein Wort sind zwei verschiedene Dinge. Siehe auch das
semiotische Dreieck. Ein Begriff ist der Bedeutungsinhalt, während ein Wort ein Symbol ist, mit dem ein Bedeutungsinhalt assoziiert werden kann. Das Wort selbst ist aber nie der Bedeutungsinhalt.
Genau das meine ich doch auch.
Einen Begriff zu haben, ist weitaus mehr als ein Wort zu kennen, aber ohne Wort (Zeichen, Symbol) geht der wesentliche Bezug auch flöten. Der Begriff ist sozusagen das Bindeglied zwischen Wort und Ding, wie der von Dir verlinkte Artikel erläutert, darum ist ohne das Wort die Begriffbildung eben auch nicht möglich, so wenig wie ohne das Verständnis des Inhalts.
Teh Asphyx hat geschrieben:Du kannst Sprache nur deswegen lernen, weil Du Bedeutungsinhalte hast, die Du mit den Wörtern verbindest, die Du zu hören bekommst. Dadurch, dass jemand in Anwesenheit eines Kindes Mama sagt und daraufhin sich jedes Mal eine bestimmte Person zugeordnet sieht, versteht das Kind irgendwann, dass das Wort „Mama“ in Verbindung mit der Person „Mama“ steht.
Das ist ein schwieriger Punkt, weil er heißen würde, dass das Wort nur an einen Inhalt geheftet wird, der als solcher schon da ist. Das ist aber hochgradig umstritten und vermutlich schlicht falsch.
Du kannst die richtige Verwendung von Wörtern konditionieren, aber nur in einem sehr beschränkten Umfang. In Wirklichkeit bedeutet Wörten zu verstehen aber Begriffe zu haben und das bedeutet andere Wörter ebenfalls zu verstehen, mit anderen Worten, beim Lernen von Sprachen ist ein gewisser holistischer Aspekt unumgänglich.
Teh Asphyx hat geschrieben:Und genau so wird Sprache gelernt. Die Idee, dass ich eine Person erst erkennen kann, weil durch ein Lautgebilde, das sich zufällig ergeben hat und auch im ständigen Wandel ist und auch nur lokal beschränkt, sich irgendein Bewusstseinsinhalt ergeben sollte, finde ich eher ziemlich absurd.
Ich glaube, dass vieles dafür spricht, dass es bereits eine holistische (aber eben grammatisch eingeschränkte) Sprache gibt, das Affektsystem. Aber die Eigenschaften die „Mama“ zugeschrieben werden, ändern sich im Laufe der Zeit recht dramatisch.
Dennoch spricht viel dafür, dass man erst durch die „individuierenden Blicke der Anderen“ (Habermas) zu dem Ich wird, was wir meinen, wenn wir vom Ich reden.
Es gibt aber dennoch auch die Möglichkeit, dass man über eine gesprochene Sprache neue Begriffe (also Bedeutungsinhalte) lernen kann. Tatsächlich aber muss es sich zumindest irgendwie in Beziehung setzen lassen zu schon vorhandenen Begriffen.
Hier würde eine angeborene Sprsachdisposition vielleicht reichen, ich glaube aber auch, dass eine gewisse emotionale Offenheit zur Kommunikation vorhanden sein muss, die Menschen ganz eindeutig haben.
Ich würde nie behaupten, dass ein Hund eine so komplexe Begriffswelt hat wie ein Mensch. Einfache Reiz-Reaktionsmuster sind auch immer schon einfache Begriffe. Ein Reiz muss ja für das Reagierende einen bestimmten Bedeutungsinhalt haben, damit die spezielle Reaktion kommt. Ich würde also weniger zwischen bewusst und nicht-bewusst unterscheiden, sondern wie komplex das Bewusstsein ist.
Ich würde genau an der Stelle sehr unterscheiden.
Wenn der Arzt Dir mit dem Hammer den Kniesehnenreflex auslöst und man Dich fragen würde, warum Du gerade Deinen Unterschenkel bewegt hast, würdest Du sagen, „weil der Arzt …“ aber
Du hast keinen Grund es zu machen, Du musstest es tun.
Und es gibt auch Reiz-Reaktionen, die auf dieser unbewussten Ebene ablaufen.
Wenn der Hund „Sitz“ hört und sich setzt, ist er konditioniert, der hat keinen Grund warum er das macht, Lob und Leckerchen sind zwar die erwartete Folge, aber da laufen eben keine komplexen Gedanken ab und einmal konditioniert, „funktioniert“ der Hund auch irgendwann ohne Lob und Leckerchen.
Irgendeine Form von Erwartung muss da im Spiel sein, da man durch operante Konditionierungen das willkürlichste Verhalten verstärken kann, aber das lässt sich gut auf einer Ebene von Lust/Unlust erklären.
Teh Asphyx hat geschrieben:Bestimmte Säugetiere sind ja dazu in der Lage, mit dem Menschen eine Beziehung einzugehen und sogar, wenn auch in recht einfacher Form, auf auf symbolischer Ebene zu kommunizieren, da würde ich schon von Bewusstseinsabstufungen sprechen.
Ja sicher, ich ja auch.
Nur gibt es eben verschiedene Grenzen und eine entscheidende scheint mir zu sein, ob man bewusste Kenntnisse über die Vorgänge hat, die in einem ablaufen, oder, ob diese Vorgänge nur ablaufen. Das kann bei Körperprozessen wie der Verdauung, Reflexen und Konditionierungen der Fall sein, für die man alle keine Begriffe braucht, bei denen man etwas über sich weiß.
Man sieht ein Licht, hört einen Ton oder ein Wort und eine Reaktion folgt. Warum man aber reagiert, wie man es tut, weiß man nicht. Das gilt durchaus auch für kleine Kinder. Irgendwann kommt dann die Trotzphase und ändert sich alles.
Hier scheint ein entscheidender Sprung stattzufinden.
Teh Asphyx hat geschrieben:Ich kann aber Angst und Freude auch unterscheiden, ohne sie benennen zu müssen, es fühlt sich ja unterschiedlich an, auch ohne Worte dafür. Zwei verschiedene Gefühle zu haben und unterschiedlich zu erleben, reicht mir da schon.
Nein, das kannst Du eben nicht. Du reagierst unterschiedlich drauf, aber Du weißt nicht, dass es Freude oder Angst sind, auf die Du reagierst. Vielleicht zitterst oder fliehst Du oder hockst irgendwo ganz still. Aber darum musst Du nicht wissen, dass Du Angst hast. Erst wenn Du das gedeutet bekommst – darum ist die Funktion der Mutter an der Stelle so wichtig, die dem Kind möglichst unaufgeregt seine Welt und seine inneren Zustände erklärt – idealerweise ruhig und empathisch: „Du hast Angst. Mama weiß was los ist, das vergeht, bleib ruhig, es ist alles in Ordnung“, dann kann das Kind bei nächsten Mal um seine inneren Zustände wissen und sich erinnern.
So wird das Ich gebildet.
Andernfalls ist man ein von seinen momentanen Affekten und äußeren Einflüssen gepeinigter und abhängiger Organismus, der tatsächlich auf alle Reize reagieren muss, sei’s sehr äußerlich agierend oder durch sitlle merkwürdige Welterklärungen, das ist die Identitätsdifussion, die man immer dann antrifft, wenn mit der Ichbildung was schief gelaufen ist.
Teh Asphyx hat geschrieben: Vollbreit hat geschrieben:Wer Angst oder Freude empfindet ist seinen Emotionen ausgeliefert, wer weiß, dass es Angst oder Freude ist, die er empfindet, bekommt ein immer stärkeres Selbstbild und Wissen von sich selbst und das korrespondiert mit dem, was man in der Psychologie Ich nennt.
Das hat aber nur zufällig mit Sprache zu tun, weil es vor allem damit zu tun hat, dass man seine Gefühle auch jemanden mit-
teilen kann und diese im Anderen reflektiert werden.
Ja, aber sie müssen eben auch gedeutet werden.
Teh Asphyx hat geschrieben:Insofern ist hier die Sprache deswegen notwendig, damit kommuniziert werden kann, nur transportiert die Sprache immer schon ein verzerrtes Bild, die transportierten Bedeutungsinhalte sind schon abstrakt geworden und stellen nur noch eine Annäherung dar oder können sogar völlig missverstanden werden.
Kommunikation kann sicher in verschiedenen Graden misslingen, völlig d’accord.
Es ist aber nicht zwingend, dass sie misslingt und wenn sie das nicht tut, kommen viele neue Möglichkeiten hinzu, wie das erwachen von Phantasien von einem anderen Morgen, dass ohne verstandene Begriffe von Zukunft und das beherrschen und zur Verfügung haben von Konsitionalen schlicht nicht möglich wäre.
Und gerade Sprache bietet einem die Möglichkeit bei Nichtverstehen nachzufragen.