Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Di 17. Apr 2012, 12:12

@ganimed, ujmp

Wie ein Hauch ist der Mensch und wie Wasser, das auf dem Boden verrinnt.....

Zeigt mir den, der nicht entsetzt darüber ist, daß er nur so eine kurze Zeit war und eine so lange Zeit gewesen sein wird, daß es also eigentlich so ist, als ob er nie gelebt hätte. Ich denke, dieses Entsetzten ist sogar eine ganz entscheidende existentielle Triebfeder im Leben eines jeden Menschen.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 17. Apr 2012, 12:38

Die Woche die montags vor uns liegt ist so lang und die Woche die am Sonnabend hinter uns liegt war doch wieder zu schnell vorbei.
Und genau das empfinden die Menschen auf dem Sterbebett, wenn sie ihr Leben Revue passieren lassen. Das, was man dann gerne anders gemacht hätte, sollte man jetzt tun!

:wink: stine
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Di 17. Apr 2012, 13:10

stine hat geschrieben:Die Woche die montags vor uns liegt ist so lang und die Woche die am Sonnabend hinter uns liegt war doch wieder zu schnell vorbei.
Und genau das empfinden die Menschen auf dem Sterbebett, wenn sie ihr Leben Revue passieren lassen. Das, was man dann gerne anders gemacht hätte, sollte man jetzt tun!

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Wäre das nicht einerlei? Was ist sinnvoll vor der Ewigkeit?
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 17. Apr 2012, 13:40

Solange wir nicht wissen, ob wir was mit ins Grab nehmen, dürfen wir nicht locker lassen unser Leben so zu leben, dass wir am Ende damit zufrieden sein können. Und wenn wir nichts mit ins Grab nehmen, dann hätte das auch nicht geschadet.
Den Lebensabend erlebt jedenfalls jeder der nicht vorher stirbt und der ist sicher in Zufriedenheit netter erlebt, als unzufrieden. Oder kennst du das nicht: Hätte ich das damals nur gemacht oder hätte ich nicht was anderes machen sollen oder oder oder... wenn ich... hätt ich... wär ich...., warum also nicht tun, was man am Ende hätte tun wollen und es dann doch nicht gemacht hat?
Wenns niemandem schadet...
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Di 17. Apr 2012, 14:15

@stine
So ist es. Nur: Es gibt eine Zeit für alles. Wir tun etwas jetzt und können das Gegenteil von ihm nicht tun. Später ärgern wir uns, daß wir nicht eben dieses Gegenteil getan haben und wollen es nachholen. Siehe, es schmeckt wie schales Bier....

Am besten wäre es vermutlich, ohne Sinn und Verstand stets das zu tun, was einem gerade in den Sinn kommt - ohne Rücksicht auf unsere Biographie. Aber was wäre mein Wille ohne meine Biographie? Bin ich nicht der, von dem meine Geschichte erzählt und der meine Geschichte erzählt? Wäre ein solcher Wille überhaupt noch mein Wille?

Ich fürchte, irgendwann verstummt alles Gerede von wegen "ich gebe meinem Leben selbst einen Sinn". Und dieses Verstummen werden wir alle noch erleben...
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 17. Apr 2012, 16:06

laie hat geschrieben:Ich fürchte, irgendwann verstummt alles Gerede von wegen "ich gebe meinem Leben selbst einen Sinn". Und dieses Verstummen werden wir alle noch erleben...
Magst du das etwas genauer erklären?

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Nanna » Di 17. Apr 2012, 16:48

laie hat geschrieben:Und dieses Verstummen werden wir alle noch erleben...

Was wir wohl ganz sicher nicht erleben werden, ist das Verstummen des Kulturpessimismus. ;-)
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Di 17. Apr 2012, 16:50

Ich meine, daß der Mensch früher oder später seine Nichtigkeit vor Augen geführt bekommt. Nicht durch einen Mann mit Bart, sondern durch das Leben selbst. Zunächst einmal erfahren wir im Lauf unseres Lebens immer mehr, wie wenig eigentlich davon abhängt, ob etwas uns gefällt, ob wir es wollen. Sodann daß wir zwar vieles wollen können, aber aufgrund unserer konkreten, jeweiligen Lebenssituation nur einen Teil unserer Wünsche realisieren können. Ich kann mir mit 18 vorstellen, daß ich Rechtsanwalt und Chirurg werden kann. Tatsächlich werde ich dann Rechtsanwalt und lebe wie ein Rechtsanwalt und tue wie ein Rechtsanwalt und bin ein Rechtsanwalt. Sollte ich mich doch noch dazu entschliessen, Chirurg zu werden, wäre dieser Entschluss nicht mehr der eines frischen jungen Mannes, sondern der eines alten Rechtsanwalts, der eine ganz andere Motivation damit verbindet. Ich sage nicht, daß man einen zuvor nicht gegangenen Weg nicht später einschlagen kann. Aber wir überqueren in unserem Leben viele Kreuzungen, und können weder zeitlich noch biographisch alle Alternativen realisieren.

Natürlich, jeder versucht nach seinem eigenen Willen zu leben. Jeder ist mordsmäßíg aktiv, macht dies und das, ist stolz auf sich, was er aus eigener Kraft aus sich gemacht haben, auf das, was er noch vorhat, ist rastlos damit beschäftigt, den eigenen Willen zu verwirklichen.

Aber der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und der HERR spottet ihrer.(Psalm 2,4[Luth])
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 17. Apr 2012, 17:17

laie hat geschrieben:Ich meine, daß der Mensch früher oder später seine Nichtigkeit vor Augen geführt bekommt.
Oder dass wir einmal vor Augen geführt bekommen, wo wir überall Einfluss nehmen konnten ohne zu ahnen, dass wir Einfluss genommen haben.
Jeder von uns ist Teil eines Ganzen. Kleines Teil - aber dennoch Teil.
Ob wir uns für die Laufbahn eines Rechtsanwaltes oder eines Chirurgs oder eines Straßenkehrers entscheiden ist nicht der wesentliche Part, den wir ausfüllen. Es sind die Nebenschauplätze.
"Zufällig" kann ich jemandem helfen, der gerade Hilfe braucht, weil ich gerade zu dem Zeitpunkt am richtigen Ort war. "Zufällig" lerne ich jemanden kennen, der mir gerade den Tipp geben kann, den ich brauche und "zufällig" bin ich genau der, den jener braucht, um zu erfahren, wie er demnächst bei einer wichtigen Sache vorgehen kann. Es sind die ganz kleinen Alltäglichkeiten die das Leben füllen.
Wenn ich am Ende meines Lebens frage, was hätte ich anders machen können, dann wird nicht die Berufswahl im Fordergrund stehen, sondern ich werde froh sein, wenn ich einigen Weggenossen weiterhelfen oder ihnen ein paar schöne Augenblicke schenken konnte. Die Frage wird nicht sein, warum habe ich das Studium nicht abgebrochen und ein anderes angefangen, sondern sie wird sein, warum habe ich dem überheblichen Dozenten nicht meine Meinung gesagt und schön, dass ich die Sowieso und den Dingens dort kennengelernt habe.

Vielleicht liegt der Fehler bei der Sinnsuche darin, dass wir die Bäume vor lauter Wald nicht mehr sehen?

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Di 17. Apr 2012, 17:33

Genau so. Zu dieser Einstellung braucht es freilich eine gewisse Reife ... Das Verstummen meines Willens als Chance für einen Neuanfang.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 17. Apr 2012, 19:45

Ich denke, das ist zu hart formuliert.
Der Wille muss nicht verstummen, es müssen nur die Prioritäten neu gesteckt werden.
Vielleicht ist es ein Privileg von Eltern zu erkennen, dass der Nabel der Welt nicht man selbst ist, sondern dass nur das Zusammen einen Sinn ergibt. Ich weiß es nicht. Aber als ich gelernt habe mich selber loszulassen, sind mir die schönen Augenblicke praktisch nur so zugefallen. Das Wollen und die Erfüllung dessen ist zwar fürs Erste recht angenehm und befriedigend, aber mit der Zeit entstehen auch Lücken und der erfüllte Wunsch wird zum langweiligen Istzustand.

Probiers mal aus @laie, Augen auf und das Umfeld genau so ernst nehmen, wie dich selbst, denn du bist Teil davon.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon fritz-ferdinand » Di 17. Apr 2012, 21:55

Ach, das mit der Nichtigkeit, da braucht man nicht lange zu suchen. Man male sich mal maßstabsgerecht die Erdkugel und dann die Dicke der festen Oberfläche und der Athmosphäre auf. Dann maßstabsgerecht das Sonnensystem, dann die Entfernungen zu den nächsten Sternen. Oder eine Zeitlinie mit den geschichtlichen und archäologischen Zeiten und der Lebenszeit eines Menschen. usw. usw. Nichtig ist da fast noch untertrieben.

Der beobachtende und schlußfolgernde Verstand macht uns also ganz winzig und völlig bedeutungslos. Das Gefühl hingegen erzählt mir hingegen, dass ich der Mittelpunkt der Welt (meiner Welt) bin.

Da darf man sich in dieser Hinsicht vom Verstand nicht zu sehr beeindrucken lassen. ( Natürlich KANN man das machen und sich dann in seiner Nichtigkeit suhlen. Aber das ist psychologisch grenzwertig ).

Wie ich mich FÜHLE, so befinde ich mich.

Einen allgemeinen Sinn des Lebens sehe ich auch nicht. Ich glaube, der ist auch nicht so wichtig. Wir werden in den Details unseres Lebens laufend so auf SINN getrimmt (ich gehe in die Stadt, UM mir einen Pullover zu kaufen, ich fahre mit dem Auto, UM zu einem bestimmten Ort zu gelangen, ich fülle die Waschmaschine, UM saubere Wäsche zu bekommen), dass die Frage nach dem ganz großen Sinn ( ich LEBE, ... UM zu -äh-, -öh-, -hm-, fällt mir gerade nicht ein, jetzt gehe ich erst mal arbeiten, UM meinen Lebensunterhalt zu verdienen ) quasi ein antrainierter Reflex ist.

Ich finde, man sollte so leben, dass seine ZUFRIEDENHEIT vermehrt wird. Was das im Detail bedeutet, muss halt jeder Stückchen für Stückchen selber ausprobieren und zusammensammeln. (Beachte: Zufriedenheit ist ein GEFÜHL). Zufriedenden Leute fragen meistens nicht nach dem Sinn des Lebens, zumindest nicht mit verzehrender Leidenschaft.

Menschen sind übrigens so gestrickt, dass bei den meisten, nebst vielen weiteren Sachen, "gutes" Handeln Zufriedenheit verursachen kann. Stichworte: Helfen, Schenken, Beschützen, Mitanpacken, Aufbauen, aber auch Mitfreuen, Loben, Ermutigen, usw. .... Und das alles, ohne "Gebote" zu befolgen.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Mi 18. Apr 2012, 06:27

fritz-ferdinand hat geschrieben: Und das alles, ohne "Gebote" zu befolgen.
So weit so gut, aber irgendwo muss der Anfang gemacht werden und einem kleinen Kind muss man zuerst doch noch sagen, was es darf und was nicht und dass es Rücksichten zu nehmen hat. Oder bist du auch ein Verfechter der "Nichterziehung"?
Irgendeiner hier im Forum (hab grad vergessen wer) ist der Meinung, dass Kinder sich selber erziehen und dass sogar das gute Beispiel noch zuviel Erziehungsmittel ist.
Gebote braucht es. Ich empfehle jedem, sich mal einen Tag lang auf einem öffentlichen Kinderspielplatz aufzuhalten und zu beobachten, mit welchen Mitteln sich manche Kleinkinder durchsetzen. Kaum auszudenken, wenn das die Regel werden würde.

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ganimed » Mi 18. Apr 2012, 11:45

stine hat geschrieben:Ich empfehle jedem, sich mal einen Tag lang auf einem öffentlichen Kinderspielplatz aufzuhalten und zu beobachten, mit welchen Mitteln sich manche Kleinkinder durchsetzen. Kaum auszudenken, wenn das die Regel werden würde.

Kinder müssen noch viel lernen. Aber sie müssen nicht ihre angeborenen Werte und Moralvorstellungen austauschen gegen die "richtigen". Ein brutal agierendes Kind auf dem Kinderspielplatz hat einfach nur noch nicht gelernt, dass seine eigene Zufriedenheit insgesamt darunter leidet, wenn es sich zu sehr auf Kosten anderer durchsetzt. Seine angeborene Priorität "maximiere die eigene Zufriedenheit" ist schon völlig richtig und bedarf keiner Korrektur (nicht einmal von Seiten der Kirche). Es bedarf nur einiger Tipps, wie man dieses Ziel in einer realen sozialen Umgebung am besten erreicht, also einfach nur ein paar social skills.

Ich stimme jedenfalls fritz-ferdinand zu, der Sinn liegt in der Zufriedenheit (ich hätte "Glück" gesagt, aber wohl dasselbe gemeint). Und moralisches Verhalten ist bei gesund entwickelten Kindern das Defaultverhalten und nicht etwas, was man durch künstliche Gebote herbeizwingen müsste.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Mi 18. Apr 2012, 12:07

ganimed hat geschrieben:künstliche Gebote
Was verstehst du darunter?
ganimed hat geschrieben:Ein brutal agierendes Kind auf dem Kinderspielplatz hat einfach nur noch nicht gelernt, dass seine eigene Zufriedenheit insgesamt darunter leidet, wenn es sich zu sehr auf Kosten anderer durchsetzt.
Und was braucht es deiner Meinung nach, bis es dahinter kommt? Und ist der Weg der Selbstfindung nicht ein bisschen lang auf das Leiden derer bezogen, die es als Lehrmuster verbraucht?

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Mi 18. Apr 2012, 13:06

ganimed hat geschrieben:Und moralisches Verhalten ist bei gesund entwickelten Kindern das Defaultverhalten und nicht etwas, was man durch künstliche Gebote herbeizwingen müsste.


Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe, was du meinst: daß es so etwas wie ein angeborene Moralität gibt, ein angeborenes Empfinden, was gut und was schlecht ist. Oder meinst du die "default" Erziehung durch die Eltern?
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ganimed » Mi 18. Apr 2012, 13:56

@stine: was verstehe ich unter künstlichen Geboten: na beispielsweise "du sollst nicht töten". Ich halte es für absurd, zu denken, dass Kinder eines Tages töten würden, wenn man es versäumte, ihnen dieses Gebot nahezubringen. Es wird getötet, ganz unabhängig davon, ob jemand dieses Gebot "gelernt" hat oder nicht, ob jemand überzeugter Christ ist oder nicht. Die Hemmung, jemanden zu töten, oder ihm auch nur Leid anzutun, oder auch nur schlecht über ihn zu reden, ist eine natürliche, sich von selbst einstellende Begleiterscheinung einer sozialen Lernprozesses des Sozialwesens Mensch. Diese angeborenen und frühkindlich angeeigneten Grundlagen sind die echten Quellen für moralisches Verhalten. Die Gebote in der Bibel erscheinen mir in ihrem Anspruch dagegen unecht, künstlich und in Wirklichkeit unwirksam und unnötig.

stine hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Ein brutal agierendes Kind auf dem Kinderspielplatz hat einfach nur noch nicht gelernt, dass seine eigene Zufriedenheit insgesamt darunter leidet, wenn es sich zu sehr auf Kosten anderer durchsetzt.
Und was braucht es deiner Meinung nach, bis es dahinter kommt? Und ist der Weg der Selbstfindung nicht ein bisschen lang auf das Leiden derer bezogen, die es als Lehrmuster verbraucht?

Du willst vermutlich darauf hinaus, dass man eben doch Regeln und Gebote braucht, um zu lernen. Das stimmt eigentlich. Aber wir sind irgendwie doch nicht einer Meinung. Ich versuche unsere Standpunkte mal zu formulieren und die Differenz herauszuarbeiten:
Deine Weltsicht: das Kind ist falsch davor, will das falsche und verhält sich falsch. Sein Verhalten muss korrigiert werden durch das Erlernen von "neuen" Regeln.
Meine Weltsicht: das Kind liegt genau richtig, will das richtige (Selbstzufriedenheit) und verhält sich falsch. Sein Verhalten muss korrigiert werden durch das Verfeinern der eigenen Regeln.

Ein Kind braucht, soweit ich aus der Forschung hörte, für eine gesunde Entwicklung stabile Bindungen und bedingungslose Liebe. Ich habe den Verdacht, dass man mit dem Motto "das Kind ist falsch davor und will das falsche" einfach tendenziell eine schlechtere Ausgangsbasis hat, diese Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen. Zumindest kommt mir der Ansatz eher feindlich und weniger liebevoll vor. Daher vermute ich, dass meine Weltsicht die bessere ist :)


laie hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe, was du meinst: daß es so etwas wie ein angeborene Moralität gibt, ein angeborenes Empfinden, was gut und was schlecht ist. Oder meinst du die "default" Erziehung durch die Eltern?

Wenn ich so drüber nachdenke, meine ich vermutlich beides. Ich würde nicht so weit gehen wollen, dass die Moral samt und sonders angeboren und genetisch angelegt ist. Grundstrukturen sind sicher da (z.B. die Tendenz einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn im Gehirn zu entwickeln) und der Rest wird durch Erziehung und Interaktion mit anderen Menschen gelernt. Und ebenso sind sicherlich gewisse Grundmuster bei der Erziehung auf seiten der Eltern teilweise erblich vorgegeben (Mutterliebe, Umgang mit Neugeborenen (Aufmerksamkeit, Stimmlage erhöhen, Lautsprache verwenden, Worte wiederholen, körperliche Nähe...)) und teilweise erlernt.
Gegenüber stine will ich aber darauf hinaus, dass Moral, soweit sie denn erlernt wird, automatisch durch Interaktion auch im frühkindlichen Stadium erlernt wird und nicht später durch abstrakte, religiöse Gebote und Verhaltensregeln.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Mi 18. Apr 2012, 16:27

ganimed hat geschrieben:Deine Weltsicht: das Kind ist falsch davor, will das falsche und verhält sich falsch. Sein Verhalten muss korrigiert werden durch das Erlernen von "neuen" Regeln.
Das falsche Kind versteh ich nicht. Auf was möchtest du hinaus? Möchtest du mir unterstellen, dass ich den Kleinen die biblische Erbsünde anhänge? :(
ganimed hat geschrieben:Meine Weltsicht: das Kind liegt genau richtig, will das richtige (Selbstzufriedenheit) und verhält sich falsch. Sein Verhalten muss korrigiert werden durch das Verfeinern der eigenen Regeln.
Wenn das Kind genau richtig läge, dann würde es sich auch immer richtig verhalten. Falsches Verhalten entsteht nur genau deswegen, weil eine moralische Norm eingehalten werden soll, die dem Wollen des Kindes (auch wenn es für sich gesehen was Richtiges will) entgegensteht.

Nimm ebenfalls ein Beispiel mit der Regel: Du sollst nicht stehlen und nicht neidisch sein.
Ein kleines Kind wird sich nehmen was es will, sofern niemand ihm sagt, das gehört aber schon einem anderen und es wird eifern und toben, wenn ein anderes Kind etwas hat, was es selber haben möchte aber nicht bekommt. Das Kind ist schon richtig, wir alle sind so, aber die gesellschaftlichen Regeln sind nun mal so, dass wir uns deswegen nicht auf den Boden werfen und trotzdem dem anderen sein Eigentum lassen müssen. Selbstverständlich ist im Idealfall das Elternhaus mit seinem Vorleben Erziehung genug. Aber auch die Eltern müssten irgendwann mal die Benimmregeln gelernt haben, sonst funktioniert das mit dem Vorleben anders als sozialverträglich.

Die Regel mit dem nicht Töten ist davon abgesehen gar nicht unnütz. Im Prinzip gilt das nämlich für alles Lebendige. Und hier ist durchaus noch Bedarf an der Überlieferung des Gebotes.

Wir schweifen schon wieder ab! :/
Aber: Wir haben ja schon einen Thread zum Thema der überlieferten Menschheitsgebote, die nun mal zufällig christlich sind und hier der Religion zugeordnet werden. Abgesehen davon, dass man zur Religion stehen kann wie man will, die Gebote und ein moralisches Grundverhalten sind für ein sozialverträgliches Zusammenleben schon in Ordnung. Natürlich kann man sich die Sache auch viel schwerer machen und den kleinen Kindern das Grundgesetz vorlesen und die Ausnahmeparagraphen gleich mit, aber im Ernst: Macht das Sinn?

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Mi 18. Apr 2012, 18:02

ganimed hat geschrieben:Gegenüber stine will ich aber darauf hinaus, dass Moral, soweit sie denn erlernt wird, automatisch durch Interaktion auch im frühkindlichen Stadium erlernt wird und nicht später durch abstrakte, religiöse Gebote und Verhaltensregeln.


diesen Punkt finde ich ganz interessant. Denn ich meine, daß auch die Interaktion im frühkindlichen Stadium ganz entscheidend geprägt wird von dem jeweiligen kulturellen Erfahrungshorizont der Eltern.

Dieser umfasst nicht nur unmittelbare Erfahrungen, die die Eltern im Laufe ihres Lebens gemacht haben, sondern auch noch einen guten Teil bestimmter Traditionszusammenhänge und Diskurse. Wenn diese Traditionszusammenhänge im Abendland immer noch zum grossen Teil christlich geprägt sind,dann kann man nicht mehr einfach sagen, daß im frühkindlichen Stadium die Erziehung quasi auf natürliche Art und Weise erfolge


Gehört das noch zum Thema? :ka:
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ganimed » Mi 18. Apr 2012, 19:36

laie hat geschrieben:Denn ich meine, daß auch die Interaktion im frühkindlichen Stadium ganz entscheidend geprägt wird von dem jeweiligen kulturellen Erfahrungshorizont der Eltern.

Kulturelle Einflüsse spielen da sicher auch eine Rolle. Aber welche Rolle und welche kulturellen Einflüsse? Da kann man wohl nur spekulieren. Ich hätte da den Eindruck, dass der Unterschied zwischen zwei Müttern um Größenordnungen mehr vom Temperament, von den Genen, von eigenen frühkindlichen Lernerfahrungen mit den Großeltern und vielleicht noch vom Bildungsstand abhängt, als von Weltanschauung, philosophischen Standpunkten, Religionszugehörigkeit oder politischer Einstellung.
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