Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » So 29. Apr 2012, 23:06

Ich denke auch, dass Hilfsbereitschaft eine menschliche Tugend ist, die es immer schon gab.
Ferner denke ich, dass es immer auch schon Menschen gab und immer noch gibt, die diese Eigenschaft gekonnt unterdrücken oder auch gar nicht kennen (Nicht jedes Flusspferd legt sich wegen einer Gazelle mit einem Krokodil an).

Und weil das so ist, haben Menschen schon sehr früh angefangen, Regeln für ihr Zusammenleben aufzustellen. Allerdings sind diese Regeln dann teilweise ziemlich absurd geworden und haben oft mehr geschadet, als genutzt. Die Bibel (ich sehe sie mal als Schriftensammlung der frühen Gelehrten) erzählt, dass ein Mensch, namens Jesus, sich den meisten Regeln widersetzte und alles herunterbrach auf ein menschlich (göttlich) sinnvolles Maß. Er setzte sozusagen den Grundstein für ein segensreiches Miteinander, vielleicht sogar deswegen, weil er als erster die menschliche Natur erkannte, wie sie ist. Alles positive Verhalten im Menschen kann von Natur aus angelegt sein, aber was hilft das, wenn menschliche Verhaltensregeln ein Verhalten erzeugen, das oft unmenschlich ist?
Das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe, das primäre Gebot aller Christen, legte also fest, wie Menschen miteinander zu einem segensreichen Leben kommen können. In einer Zeit der strengen Herrscher, unfreien Menschen und eskalierten Gottesgebote, war das sicher revolutionär.
Generationen von Christen haben sich auf die überlieferten Worte Jesus verlassen und richten sich noch heute danach aus. Einige Regime wurden dadurch ausgehebelt, dass sich Christenmenschen niemandem, außer ihrem Gott verpflichtet fühlen. Selbst die Kirche muss heute erkennen, dass sie ihre weltliche Macht nicht über den christlichen Glauben stellen kann. Daher bleibt der christliche Gedanke für die meisten ein göttlicher Gedanke, ein guter Geist eben.

Nanna hat geschrieben:Daher müsste am Anfang jeder Überlegung erstmal stehen, was spezifisch christliche Inhalte überhaupt sind.
Das Gebot der Gebote ist: Die Gottes und die Nächstenliebe.
Wie gesagt: es ist durchau möglich, dass dies ein veranlagtes Verhalten ist, aber das alles hätte nichts geholfen, wenn es niemand in Worte gefasst und von Generation zu Generation weitergegeben hätte, weil wie schon gesagt, nicht jeder seine natürlichen Eigenschaften immer zum Vorteil auslebt.

Nanna hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Unsere Gesellschaft ist bis Dato christlich geprägt.

laie hat geschrieben:Der Atheismus in seiner westlichen Form ist durchtränkt von christlichem Gedankengut.

Das Problem bei Aussagen dieser Art ist, dass Religion inhaltlich völlig entgrenzt wird. Anscheinend kann man dem Konzept eines Gottes indifferent bis ablehnend begegnen, muss sich aber ungeachtet dessen erklären lassen, dass man nichtsdestotrotz auf eine bastardisierte Art religiös sei.
Ja, so ist es, denke ich.
In anderen Ländern sind es andere Religionen (Kulturen). Das Umfeld erzieht, da kannst du nichts machen, auch wenn du dich dagegen wehren möchtest.
Nanna hat geschrieben: Wenn es für euch so aussieht, dass z.B. jedes kooperative Verhalten schlüssig auf Nächstenliebe zurückgeführt werden kann, insbesondere in Gesellschaften, in denen in den letzten 2000 Jahren mal jemand "Nächstenliebe" gesagt hat, dann frage ich mich, wie eure Sichtweise überhaupt widerlegbar, also falsifiszierbar, sein könnte.
Das kooperative Verhalten ist kein immer präsentes menschliches Verhalten. Es gibt immer solche und solche. Um aber dieses kooperative Verhalten immer präsent zu haben, war und ist es wichtig, es mit einem Verhaltensgebot abzusichern.

laie hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Allerdings frage ich mich, was für Bedingungen für euch, stine und laie, erfüllt sein müssten, dass die Gesellschaft / der Atheismus nicht mehr von christlichem Gedankengut durchtränkt wären.

Das müssen nicht stine und ich zeigen, sondern ihr brights. Ich habe dennoch versucht, meine Position an etwas wie dem Personenkonzept festzumachen. Man könnte auch andere Beispiele aufführen. Hatte die Jenseitshoffnung wirklich keinen Einfluss auf unser modernes "Es kann immer besser werden"?
Ich denke schon, dass es einen Gott gebraucht hat, um die Menschen immer auf der geraden Bahn zu halten. Ich wiederhole nochmal: Alle "natürlich kooperativen Verhaltensweisen" helfen nichts, wenn der Mensch gerade keine Lust hat sie anzuwenden.

LG stine
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Nanna » Mo 30. Apr 2012, 00:14

Vollbreit hat geschrieben:Du würdest mit einigem Recht wohl darauf pochen, dass bestimmte Ideen Deine sind.
Nun ist es aber recht klar, dass viele Deiner Meinungen von Deinen Eltern, Deiner frühen Peergroup, Lehrern, Mitdiskutanten, Unidozenten, aus Büchern und sonst woher stammen und zeitlich auch vor Deiner geäußerten Meinung liegen.

Es muss gar nicht immer die große Originalität sein, das fundamental Neue, was typisch Nanna ist, sondern es ist vor allem Deine Art der Synthese, Dein ganz eigener Blick auf die Dinge, die individuelle Mixtur und dabei stört es doch eigentlich nicht, dass der überragende Teil der Inhalte, einzeln betrachtet, schon mal irgendwo in der Geschichte zu finden sein dürfte.

Du hast damit doch gerade in toto meine Position bestätigt. Ein "original Nanna" kann nämlich, wie du selbst sagst, nur etwas sein, was wirklich fundamental neu ist, was noch nie jemand vor mir gedacht hat. Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand der Menschheit ist es zwar unwahrscheinlich, dass das überhaupt noch möglich ist, aber irgendwann in der Geschichte gab es fundamentale Neuheiten - Abstraktionen die auf keinerlei Diskurs aufbauten. Und die waren dann eben genuine Erfindungen dieser Menschen. Alles andere danach war ein Remix, der sicher nicht weniger Kreativität erforderte, für den diese Leute aber nicht mehr die reine Urheberschaft beanspruchen konnten (deshalb schreibt man bei Musikstücken ja auch sowohl dazu, wer der ursprüngliche Interpret war und wer den Remix gemacht hat).

Nun sagst du ja selber, dass das Christentum in weiten Teilen ein Bastard ist - und ja, das ist ein Streitthema, denn laie und stine behaupten hier, dass unsere Gesellschaft vom Christentum durchdrungen ist. Wenn aber das Christentum selber wieder nur ein Behälter für die Synthese vorchristlicher Inhalte ist, dann ist nur christlich, was exakt den christlichen Themenmix beinhaltet - und das tut unsere Gesellschaft nicht mehr, sorry, nichtmal ansatzweise. Deshalb ist das Label "christlich" für unsere Gesellschaft so zutreffend wie das Label Orangensaft für eine Tasse Weihnachtstee - auch wenn in beidem was drin ist, was in seinem früheren Leben mal eine Orange war.

stine hat geschrieben:Das Gebot der Gebote ist: Die Gottes und die Nächstenliebe.
Wie gesagt: es ist durchau möglich, dass dies ein veranlagtes Verhalten ist, aber das alles hätte nichts geholfen, wenn es niemand in Worte gefasst und von Generation zu Generation weitergegeben hätte, weil wie schon gesagt, nicht jeder seine natürlichen Eigenschaften immer zum Vorteil auslebt.

Fair enough. Ich möchte dem Christentum hier auch gar nicht sein Verdienst um diese Ausformulierung absprechen, denn das ist in der Tat eines der Dinge, die ich ihm zugute halte. Allerdings ruderst du mit dieser Formulierung auch kräftig zurück, denn ein veranlagtes Prinzip in Worte zu fassen ist weit weniger innovativ, als eine elegante Regel quasi aus dem Nichts heraus zu erschaffen. Es "degradiert" den Erfinder zum Entdecker. Kooperation als Erfolgsprinzip wäre somit ungefähr so christlich, wie Amerika kolumbisch (im Sinne von "von Christoph Kolumbus gemacht") ist - also gar nicht. Und damit fällt der wesentliche Grund weg, dem Christentum eine Deutungs- und Begründungshoheit über das Prinzip Kooperation zuzugestehen. Es fragt ja heute auch keiner mehr in Madrid nach, wenn es um Amerika geht. Insofern möchte ich andere, z.B. naturalistisch geprägte, Begründungsmuster für Kooperation dagegen verwahren, dass sie bei den Christen geklaut hätten.

Übrigens frage ich mich auch, warum dies für die Christen ein Problem sein sollte. Wem es wirklich um Kooperation geht, der beharrt nicht eifersüchtig auf seiner Deutungshoheit, sondern freut sich, dass andere Gruppen, die der christlichen Lehre unzugänglich sind, eigene Begründungswege gefunden haben, an ein gemeinsames Prinzip anzuschließen. Muss man da unbedingt über die Bande gespielt missionieren? Könnte man sich nicht einfach die Hand reichen und sich gegenseitig sagen "Hey, cool, wir haben das auch, nur bei uns heißt das ..."?

stine hat geschrieben:In anderen Ländern sind es andere Religionen (Kulturen). Das Umfeld erzieht, da kannst du nichts machen, auch wenn du dich dagegen wehren möchtest.

Das Christentum als übermächtiger Leviathan, interessant. Das ist genau der Punkt, den ich so unglaublich hochmütig finde (kleines Randdetail: war das nicht eine der leicht verpönten sieben Sachen im Christentum?): Dass uns Nichtchristen unterstellt wird, dass wir nicht in der Lage seien, uns vom Christentum zu emanzipieren, egal was wir machen. Dass wir das Christentum in aller Härte dekonstruieren und seine Wirkung auf die Geschichte und letztlich uns kritisch beleuchten können, dass uns aber selbst die Fähigkeit, dieses zu tun, letztlich als ein christliches Tun ausgelegt wird. Sorry, aber das ist nicht das, was Habermas als fairen Diskurs bezeichnen würde. Und dass das hier einige provoziert, kann ich zumindest nachvollziehen, auch wenn ich alle um eine konstruktive Wortwahl bitte, so ganz nebenbei.

stine hat geschrieben:Ich denke schon, dass es einen Gott gebraucht hat, um die Menschen immer auf der geraden Bahn zu halten. Ich wiederhole nochmal: Alle "natürlich kooperativen Verhaltensweisen" helfen nichts, wenn der Mensch gerade keine Lust hat sie anzuwenden.

Falsch, es ist noch viel allgemeiner und schlimmer: Wenn der Mensch gerade keine Lust hat, sie anzuwenden, ist es piepegal, ob Gott, König, Vaterland und Diskurstheorie es verlangen - er macht's halt einfach nicht. Der strafende Gott als ultimative Strafandrohung bringt genausoviel wie die Androhung der ultimativen irdischen Strafe, der Todesstrafe: Gar nichts - die Verbrechensstatistiken bleiben, bei gleichbleibenden anderen Faktoren, konstant. Natürlich kann eine Gottesvorstellung als Sozialkitt dienen, die mithilft kooperative Kräfte freizusetzen, das ist aber dann nur ein Ausschnitt eines komplexen sozialen Mechanismus, der sich auf die einfache Formel, dass die Leute wegen (Kausalbeziehung!) Gott kooperieren, nicht mehr herunterbrechen lässt.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Mo 30. Apr 2012, 06:50

@Nanna

ja, ich geb ja zu, ein wenig habe ich schon meine Thesen zugespitzt. Also: kann man sich vom Christentum emanzipieren? Ja, man kann. Man kann z.B. nicht mehr in die Kirche gehen, seine Kinder nicht taufen lassen. Man sich entschliessen, sein Leben lang keien Katechismus und keine Bibel zu lesen. Statt dessen liest man dann eben Bücher von Feuerbach, Marx und Darwin, von Hobbes, Locke und Voltaire. Zum Beispiel. Das wäre mal ein Anfang. Später kann man noch Platon und Aristoteles dazu nehmen.

Nicht ich argumentiere monokausal, sondern "ihr" wollt euch gerne die Rosinenstückchen herausgreifen. Was hat man nicht über die Renaissance gejubelt! Die Wiedergeburt des antiken Menschen! Der Renaissance-Mensch, wie man ihn später genannt hat, ist jedoch kein antiker Mensch. Die Vorstellung, dass der Mensch ein eigenverantwortlich handelndes Individuum ist, mit persönlicher Geschichte, eigener Würde, die man sich nicht verdienen muss, Gott gegenüber verantwortlich, aber keiner Staatsdoktrin, diese Vorstellung, so behaupte ich, war dem "Griechen" oder "Römer" fremd. Gott verantwortlich zu sein ist ganz einfach: was man dem Menschen antut, das tut man Gott an. Denn Gott ist Mensch geworden. Auf der anderen Seite kann es für den Christen keine Unterwerfung unter eine weltliche Staatsdoktrin geben. Das wurde zwar nicht immer so eingehalten und manchmal schoss man auch über das Ziel hinaus, aber ich denke schon, daß dieser Dualismus, der sich schon bei Augustin findet und den Luther später wiederholt, fundamental, grundlegend für das Freiheitspathos der Aufklärung ist. Luther hat dies kurz und bündig so ausgedrückt: niemand ist dem anderen untertan - durch die Bibel. Jeder ist dem anderen untertan - durch die Bibel. Nicht umsonst wurden die frühen Christen "Atheisten" genannt, weil sie sich weigerten, den römischen Kaiser als Gott zu verehren.

Ich sprach vom Menschen und seiner persönlichen Geschichte und Würde. Kann man sich das literarische Genre der "Autobiograpie" ohne das christliche Menschenbild denken? Wer hat in der Antike, also vor dem Christentum, von sich selbst gesprochen? Spontan fällt mir da Marc Aurel ein. Aber erzählt er wirklich von sich selbst? Augustin hat es in seinen Bekennntnissen über weite Strecken getan. Nicht ob die literarische Figur Augustin, wie sie uns in den Bekenntnissen entgegentritt, dem tatsächlichen Augustin entspricht, ist hierbei entscheidend, sondern daß das eigene Selbst samt seiner Biographie zum Thema wird.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Mo 30. Apr 2012, 09:06

Nanna hat geschrieben:Wem es wirklich um Kooperation geht, der beharrt nicht eifersüchtig auf seiner Deutungshoheit, sondern freut sich, dass andere Gruppen, die der christlichen Lehre unzugänglich sind, eigene Begründungswege gefunden haben, an ein gemeinsames Prinzip anzuschließen. Muss man da unbedingt über die Bande gespielt missionieren? Könnte man sich nicht einfach die Hand reichen und sich gegenseitig sagen "Hey, cool, wir haben das auch, nur bei uns heißt das ..."?
Und, wie heißt das bei euch? :anmachen:

Nanna hat geschrieben:Es "degradiert" den Erfinder zum Entdecker.
Von Degradieren würde ich nicht sprechen, denn jeder Wissenschaftler kann nur "entdecken" was bereits da ist. Selbst die Kreativität mit natürlichen Elementen etwas Neues zu schaffen ist letztlich nur die Entdeckung was passiert, wenn .....
Die Entdeckung einem weltlichen Herrscher nicht untertan sein zu müssen, sondern nur sich und seinem "Gott" verpflichtet zu sein war ganz sicher eine fundamentale menschliche Errungenschaft. Nur so war es überhaupt möglich die übliche Sklaverei als unmenschlich zu erkennen und sich dagegen zu wehren. Leibeigenschaft ist etwas vollkommen Unchristliches.

Wie wäre es hier bei uns ohne das Christentum? Vielleicht wie in China oder wie im nahen Osten? Vielleicht hätten wir auch Kühe auf der Straße und bestatteten unsere Leichen im Rhein?
Dass die Menschen (das Volk) sich untereinander helfen ist noch lange kein Beleg dafür, dass Machthaber ihr Volk ebenso gutwillig lenken. In China kann man sehr gut sehen, welche Traditionen sich gottlos und unchristlich entfalten konnten über mehrere Generationen hinweg. Nach der hier herrschenden Meinung könnte, dürfte es gar keine Unmenschlichkeiten geben, weil das Gute im Menschen ja per se verankert ist.
Es hilft also nichts, wenn nur das Volk die guten Qualitäten untereinander austauscht und die Führung damit nichts am Hut hat. Braucht es also doch ein Gebot, dass für ALLE gilt. Auch für die Lenker eines Volkes.

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Mo 30. Apr 2012, 09:45

stine hat geschrieben:Wie wäre es hier bei uns ohne das Christentum? Vielleicht wie in China oder wie im nahen Osten? Vielleicht hätten wir auch Kühe auf der Straße und bestatteten unsere Leichen im Rhein?


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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Mo 30. Apr 2012, 10:15

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Wem es wirklich um Kooperation geht, der beharrt nicht eifersüchtig auf seiner Deutungshoheit, sondern freut sich, dass andere Gruppen, die der christlichen Lehre unzugänglich sind, eigene Begründungswege gefunden haben, an ein gemeinsames Prinzip anzuschließen. Muss man da unbedingt über die Bande gespielt missionieren? Könnte man sich nicht einfach die Hand reichen und sich gegenseitig sagen "Hey, cool, wir haben das auch, nur bei uns heißt das ..."?
Und, wie heißt das bei euch? :anmachen:

Du solltest dir merken, was du hier schon alles gelesen und selbst kommentiert hast, es fällt sonst ausgesprochen schwer dich ernst zu nehmen.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Mo 30. Apr 2012, 20:02

Ich merke mir im Großen und Ganzen ganz gut, was ich so von mir gebe. Es kann allerdings sein, dass ich manchmal eine Schleife drehe. Mein Anliegen ist von Beginn an das selbe: Ich frage nach der Alternative die der Naturalismus anstelle der herrschenden christlich abendländischen Kultur zu bieten hat. Das Verwerfen des Bestehenden reicht mir nicht aus.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Religion hat es immerhin bis heute geschafft immer wieder Menschen für sich zu gewinnen. Früher oder später ist oder war jeder mal dabei. So darf die Frage erlaubt sein: Wo wären wir heute ohne sie?
Ich bin sicher, wir hätten heute einen ideologischen und politischen Konformismus, der ähnliche Verhaltensmuster wie die Religion sie anbietet, vertreten würde, nur ohne Gott, sondern mit Staatschef.
Die Frage wie es heute ohne Christentum und ohne Religionen weltweit auf dieser menschlichen Erde aussähe, ist noch nicht geklärt worden.

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Di 1. Mai 2012, 07:54

stine hat geschrieben:Es kann allerdings sein, dass ich manchmal eine Schleife drehe.

Auf die Gefahr hin, dass diese Kritik sinnlos ist, weil du sie als reine Kampf-Rhetorik ab tun wirst: du drehst dich fast immer in einer Schleife.

stine hat geschrieben:Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Religion hat es immerhin bis heute geschafft immer wieder Menschen für sich zu gewinnen. Früher oder später ist oder war jeder mal dabei.

Ein argumentum ad populum und damit irrelevant. Das besagt im Übrigen einfach nur, dass jeder Mensch sich früher oder später einmal irrt.

stine hat geschrieben: So darf die Frage erlaubt sein: Wo wären wir heute ohne sie? ...Die Frage wie es heute ohne Christentum und ohne Religionen weltweit auf dieser menschlichen Erde aussähe, ist noch nicht geklärt worden.

Ein argumentum ad ignorantiam (Appell an das Nichtwissen) und damit ebenso irrelevant. Aber stell die Frage mal so: Wo wäre die Welt heute, wenn wir vor 2000 Jahren mit der kritischen Denke der Griechen weitergemacht hätten, statt den heidnischen Glauben an Trolle und Feen zu einer Religion auszubauen? - Da sollte das religiöse Selbstbewusstsein eigentlich nachlassen...

stine hat geschrieben:Ich bin sicher, wir hätten heute einen ideologischen und politischen Konformismus, der ähnliche Verhaltensmuster wie die Religion sie anbietet, vertreten würde, nur ohne Gott, sondern mit Staatschef.

Da deine Gedankenwelten hauptsächlich von irrelevanten Prämissen herrühren, ist wohl auch diese Vorstellung das, was man als "aus der Luft gegriffen" bezeichnet.

So, nu hast du's mal wieder um die Ohren gekriegt. Du solltest mal einsehen, dass die Religion sich nicht durch Vernunft begründen lässt. Vernunft ist einfach nicht ihr Revier und wo sie es trotzdem beansprucht, betrügt sie.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Di 1. Mai 2012, 11:08

ujmp hat geschrieben:Wo wäre die Welt heute, wenn wir vor 2000 Jahren mit der kritischen Denke der Griechen weitergemacht hätten,
Das ist mal eine zielführende Frage. Da die alten Philosophen auch ihre Götter kannten, wären wir vermutlich nicht weiter, als heute. Die absolute Frage nach unserer Herkunft, unserem Ziel, nach unserem Bewusstsein, also die Frage, warum wir überhaupt nach etwas fragen, hätten wir vermutlich bis heute nicht geklärt. Philosophie ist was sie ist: ein Herumreden um menschliche Gedankengänge. Ob sie letztlich unser Bewusstsein erweitert oder nicht liegt an dem, was es dabei zu trinken gibt.
:margarita: :bier:
Philosophische Erkenntnis ist ebenso ein Produkt des vorderen Hirnlappens, wie die religiösen Gefühle schlechthin.

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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Di 1. Mai 2012, 11:46

Ich hab nicht direkt von Philosophie gesprochen, sondern von der "kritischen Denke". Damit ist eine skeptische Haltung gegenüber den eigenen Überzeugungen gemeint aber auch der Glaube, dass sich die Welt eventuell besser verstehen lässt, als bisher - etwas völlig anderes, als der willkürliche christliche Dogmatismus.

Man kann die Biblische Geschichte wenn man will sogar als einen religionskritischen Prozess betrachten, wie es der Religions-Philosoph Hermann Cohen getan hat. Denn obwohl die Bibel selbst eine Religion propagiert, kritisiert sie von der ersten bis zur letzen Seite religiöse Vorstellungen. Triviale Beispiele sind "Das goldene Kalb", Jesu Kritik am Judentum, Paulus' Kritik an Petrus. die Botschaft des Kreuzes mag uns heute brutal erscheinen, aber für die Menschen damals, die wie selbstverständlich glaubten, dass sie die Flüche ihrer Vorfahren und ihre eigenen Sünden tragen müssen, war dies eine erlösende Abwendung vom Aberglauben ihrer Zeit. Das Christentum dem 3. Jhd hat nur leider diese fortschrittliche geistige Entwicklung gestoppt und das Zuendedenken, die vernünftige Konsequenz verhindert: Dass es gar keinen Gott gibt der irgend etwas beeinflusst.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » Di 1. Mai 2012, 11:59

Nanna hat geschrieben:Du hast damit doch gerade in toto meine Position bestätigt. Ein "original Nanna" kann nämlich, wie du selbst sagst, nur etwas sein, was wirklich fundamental neu ist, was noch nie jemand vor mir gedacht hat.


Nein, genau das habe ich nicht gemeint.
Du brauchst, um ein Original zu sein, eben nicht fundamental Neues zu liefern, es reicht die Mischung. Bei der Sprache wird das deutlicher. Einerseits benutzen wir alle die mehr oder weniger gleichen Begriffe, überschaubar in der Zahl, nach den gleichen Regeln, noch überschaubarer und dennoch ist nahezu jeder längere Satz, der von einem Menschen geäußert wird, zum ersten Mal in der Geschichte des Universums so geäußert worden, das hat Chomsky untersucht.
Mein letzter Satz ist so noch nie geschrieben worden, aber ich habe keine Neologismen verwendet oder neue Regeln erfunden.

Nanna hat geschrieben:Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand der Menschheit ist es zwar unwahrscheinlich, dass das überhaupt noch möglich ist, aber irgendwann in der Geschichte gab es fundamentale Neuheiten - Abstraktionen die auf keinerlei Diskurs aufbauten.


Ach, das ist viel leichter möglich, als man denkt. Man ist oft so in Gewohnheiten erstarrt, dass man gar nicht auf die Idee kommt, es könnte noch anders gehen.
Dabei ist nicht mal unsere Logik gesetzt. Sie könnte vollkommen anders sein.
Was Brandom neu macht, ist, dass er den inferentiellen Ansatz wiederbelebt, den schon Leibniz gebrauchte, der aber völlig vergessen wurde.
Dadurch kommt es zu Infragstellungen von Bereichen, die wir gar nicht infrage stellen würden, z.B. den (philosophischen) Referenzialsimus, dem Brandom eine krachende Absage erteilt.
Wir sind aber so gewohnt, dass der Referenzialismus wahr und richtig ist, dass wir ganz verstört sind, wenn er nicht bedient wird.

Kurz und vielleicht zu vereinfachend gesagt: Bei der Frage nach der Wahrheit ist es nicht richtig und wichtig, irgendwo „da draußen“ nach Tatsachen zu suchen, die den wahren Gehalt einer Aussage bestätigen (könnten). Die berühmte Korrespondenz, die den Satz: „Schnee ist weiß, ist wahr“ wahr sein lässt, liegt nicht in der Weißheit des Schnees, denn diesen „weiß“ zu nennen ist nur eine sprachliche Übereinkunft. Zu verstehen, dass und warum es richtig ist, ihn weiß zu nennen, heißt, inferentiell schließen zu können, von der Ähnlichkeit, eines leeren Blattes Papier, über ein Blütenblatt und einen Schwan, zum Schnee. Der springende Punkt ist die soziale Richtigkeit, die angemessene Begriffsbenutzung, nicht (allein, aber auch) die Fähigkeit „weiß“ sensuell erkennen zu können.
Und hier zeigt sich, dass einen Begriff zu kennen, heißt, einen Satz zu kennen und das eine Sprache (oder mindestens breitere sprachlich-logische Cluster zu kennen). Hier treffen sich Wittgenstein, Quine, Davidson und Brandom. Das Komplexe erschließt sich nicht aus dem Einfachen, sondern das Verstehen des Einfachen (eines Begriffs) setzt das (mindestens) implizite Verstehen eines breiten Musters bereits voraus.
Das geht nicht leicht konform mit dem Naturalismus.

Nanna hat geschrieben:Und die waren dann eben genuine Erfindungen dieser Menschen. Alles andere danach war ein Remix, der sicher nicht weniger Kreativität erforderte, für den diese Leute aber nicht mehr die reine Urheberschaft beanspruchen konnten (deshalb schreibt man bei Musikstücken ja auch sowohl dazu, wer der ursprüngliche Interpret war und wer den Remix gemacht hat).


Ja, aber auch der ursprüngliche Interpret hat nur (bei uns) banale Dur und moll Tonleitern mit recht gewöhnlichen Rhythmen kombiniert, herausgekommen sind Meisterwerke. Beethoven hat keine Töne neu erfunden.

Nanna hat geschrieben:Nun sagst du ja selber, dass das Christentum in weiten Teilen ein Bastard ist - und ja, das ist ein Streitthema, denn laie und stine behaupten hier, dass unsere Gesellschaft vom Christentum durchdrungen ist.


Das würde ich auch behaupten, klar.

Nanna hat geschrieben:Wenn aber das Christentum selber wieder nur ein Behälter für die Synthese vorchristlicher Inhalte ist, dann ist nur christlich, was exakt den christlichen Themenmix beinhaltet - und das tut unsere Gesellschaft nicht mehr, sorry, nichtmal ansatzweise.


Doch natürlich breitesten Teile der Gesellschaft sind christlich geprägt vom Grundgesetz, an das sich immerhin noch jeder halten muss, bis zu vielen unausgesprochenen Annahmen in der Gesellschaft.
Warum sind wir denn gegen Polygamie, haben so merkwürdige Leistungsideale, warum wollen wir „gute“ Menschen sein? Der zentrale Begriff der Menschenwürde stammt aus dem Christentum und vieles mehr. Bei Fragen der Euthanasie, der Bioethik usw. ragt das noch mit hinein.
Ich glaube, dass die meisten doch Probleme hätten, wenn man die Totenruhe ihrer Eltern stört, wobei „objektiv“ gesehen sind die tot, die stört es am allerwenigsten, wenn man sie ausbuddeln mit mit ihren Gebeinen Schlagzeug spielen würde. Ich würde es pietätlos finden, aber das ist wohl nur meine kulturelle Prägung. Auch kulturelle Tabus sind wesentlich christlich geprägt, natürlich kann man die nicht so leicht erkennen.

Ich bestreite andere Wurzeln in keiner Weise, aber dass das Christentum Europa dominant und nachhaltig geprägt hat, scheint mir keine größere Frage zu sein. Vermutlich kann man das mit dem Blick von Innen aber kaum wahr nehmen.

Nanna hat geschrieben:Deshalb ist das Label "christlich" für unsere Gesellschaft so zutreffend wie das Label Orangensaft für eine Tasse Weihnachtstee - auch wenn in beidem was drin ist, was in seinem früheren Leben mal eine Orange war.


Also, wie gesagt, ich kriege bei dem Begriff „christlich“ weder Schaum vorm Mund, noch leuchtende Augen. Ich finde sakrale Bauten und Kunst im Allgemeinen sehr schön und bin davon beeindruckt, welche Sorgfalt und wieviel Energie Menschen dafür aufgebracht haben, um ihren Gott oder ihre Götter zu ehren und damit auch ein ideales Ziel verehren.
Ich bin überzeugt, dass es gut ist, wenn Menschen Energien investieren, die über ihre persönlichen und alltäglichen Bedürfnisse und Befindlichkeiten hinausgehen. Zum einen für die Gesellschaft, zum anderen für das eigene Wohlbefinden. Die Kandidaten lauten da m.E. auch Kunst, Liebe, Politik, Philosophie, Wissenschaft, Religion und Mystik. Eben auch Religion. Das ist kein Zwang die Kunst täte es auch, warum der eine dahin geht und der andere dorthin, weiß ich nicht.

Wer käme auch die Idee die Wissenschaft oder Medizin abschaffen zu wollen, weil es KZ Ärzte oder Wissenschaftler unterm Hakenkreuz gab? Keine Sparte hat in dieser Zeit eine gute Figur gemacht, man kann das immer nur vom einzelnen oder kleinen Gruppen her betrachten.
Klar, kann und muss man an dem Gemetzel der Kreuzzüge alles Mögliche kritisieren, aber alles in allem ist das eine komplexe Geschichte.
Die Hexenverfolgungen sind willkürliche Gräueltaten, aber wenn bspw. Heinsohns Analyse stimmt, dann hat Europa seinen rasanten Aufstieg zum nicht unwesentlichen Teil einem Jahrhunderte währenden youth bulge zu verdanken, der eine Folge des klerikalen Abtreibungsverbot mit der Folge der Todesstrafe war. Gewiss keine gute Sache, doch den Aufstieg Europas zu beweinen kann es auch nicht sein wollen wir doch gerade die europäische Lebensart retten, wie mir scheint.
Wie so oft liegt im Schlechten das Gute und umgekehrt. Alles schwarz/weiß zu sehen, ist ein christliches Erbe, was man hingegen wirklich hinter sich lassen könnte.

Aber was, wenn wir mit unserem Wissenschafts-, Technologie- und Fortschrittsdenken, manche würden sagen –wahn, nun wirklich die Erde zugrunde richten, so dass nicht mal mehr Nachkommen blieben, die fragen könnten, warum wir das zugelassen haben?
Näher an der gesamten Zerstörung unserer Lebensgrundlage als Heute , waren auch die ärgsten Kreuzritter nicht. Man kann – und muss – sagen, es waren nicht so viele und sie hatten nicht die technischen Möglichkeiten, gewiss, aber gerade wie wir mit unserem technischen Möglichkeiten umgehen, lässt Sorgenfalten auf so mancher Stirn erscheinen.
Es hat ja seinen eigenen fragwürdigen Charme, wenn wir die Filtertechnologien feiern, mit denen wir den Dreck in der Welt ansatzweise beseitigen können, den die Technisierung überhaupt erst produziert hat.
Ob hier wirklich immer mehr vom Selben des Rätsels Lösung ist, da kann man prinzipielle Zweifel haben, aber hier tut eine Aufrüstung des Bewusstseins sicher an erster Stelle not.

Wenn eine m.E. notwendige Hinwendung zu Tugenden über einen christlichen Weg geht, hätte ich weniger dagegen, als einer weiteren Regression zuzuschauen. Die Gesellschaft des Fortschritts bietet aus psychologischer Sicht ein eher erschreckendes Bild, ängstlich, depressiv, entsolidarisiert und zunehmend egozentrisch. Ich würde einem verhungernden Menschen ja auch kein pappiges Weißmehlbrot mit Gentech-Hefe verweigern, weil Bio-Vollkornbrot besser ist und man, wenn, nur das essen sollte. Es muss allerdings auch nicht über Religionen gehen, aber eine religiöse Ader ist im Menschen wohl vorhanden, warum nicht diese nutzen?
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon fritz-ferdinand » Di 1. Mai 2012, 17:29

Ich wollte mal kurz noch was zu dem Begriff "christliches Abendland" (in politisch-neusprech "christlich-jüdisches Abendland", wie zynisch!) sagen:

Geschichtlich muß man es meiner Meinung nach als "christlich-feudalistisches" Abendland bezeichnen (sonst wird da etwas ausgeblendet), aber nur bis zu der Zeit der Aufklärung. Die Werte waren Gehorsam, Unterordnung, Gläubigkeit, Demut, Religion ist alleswissend und allesdeutend, Schicksalsschläge sind Sündenstrafen, von Gott kommt alles und der sündige Mensch ist nichts, außer er wurde gottesgnadenbetumt, dann aber !!! So ungefähr.

Dann taucht das "aufgeklärt-bürgerliche" Abendland auf, und das Christentum wird langsam wahlfrei. Die allmählich erstrittenen Werte sind "Selber denken statt Glauben schenken", Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit, Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Gleichberechtigung, Demokratie, Menschenwürde und Menschenwert, Rechtssicherheit usw., siehe Menschenrechte.

stine als Frau könnte in einem "christlichen Abendland" hier gar nicht so diskutieren, wie sie es tut und alle das ganz selbstverständlich finden, da das unbiblisch wäre.

Nach meiner Meinung sieht das heute so aus, dass wir prinzipiell in einem bürgerlich-aufgeklärten Abendland leben, nur dass viele sich gar nicht aufklären wollen, weil das MÜHSELIG (was für ein Wort! so pietistisch) ist.

Ich hege die heimliche Befürchtung, dass der wilde Kapitalismus der Weg in einen neuen Feudalismus ist, mit einer Wandlung des gesetzlichen Systems, in dem die Armen den Mächtigen gehorchen müssen, weil sie sonst ihre Lebensgrundlagen verlieren. Und dann wird das Christliche im Abendland sicher wieder Oberwasser bekommen.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Lumen » Di 1. Mai 2012, 18:30

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du etwas zurückblätterst wirst Du lesen können, dass nicht ich, wüst Hitler mit dem Atheismus zu verknüpfen versuchte, sondern dass Du, die Tatsachen hier verdrehend geschrieben hast:
Lumen hat geschrieben: Es wäre auch interessant, wie du diese christliche Tradition in der Geschichte festmachst. In der jüngeren Geschichte waren die Deutschen, und damit mehrheitlich Christen, zum Beispiel am Massenmord beteiligt.

Dies hast Du am Samstag 28. April 2012, 20:56 gepostet.
Du hast also ohne Not die Nazikeule ausgepackt, unterstellt, Du meinst mit jüngerer Gesichten und dem Massenmord der Deutschen, mehrheitlich Christen, die Nazizeit. Für mich liegt das nahe. Ich erlaubte mir dann Herrn Hitlers gefühlte Nähe zu den Katholiken, die er gerne umgebracht hätte, mit einem Zitat zu belegen. Du kannst das nachlesen.


Das Argument, worauf sich dies bezog war 1) stine's Randbemerkung von atheistischen Mördern 2) unter Gläubigen verbreitete Verknüpfung von Atheismus und Terror-Regimen (gerne wird im Zusammenhang mit Atheismus auch von dir Marx und Co. fallen gelassen, was eher suggestiv ist). 3) als Gegenargument auf deine Argumentation, dass "alles" von christlichen Werten durchtränkt sei, denn das träfe somit auch auf die Nazi-Zeit zu. Unbesehen von der Tatsache, dass die Nazi-Ideologie ihrerseits totalitär ist (und daher keine andere neben sich duldet), kann nicht davon gesprochen werden, dass die Christen sich im Widerstand befanden oder die Kirchen sich sonderlich aufgelehnt hätten. Das ist nicht haltbar. Im Gegenteil, sie waren vielfach als Organisation Komplizen und auf Gläubige bezogen schon rein statistisch gesehen Hitlers willige Helfer. Hier noch eine Sammlung die das ganz gut belegt. Die andere Seite mit Hitler's christlich-religiösen Zitaten hatte ich weiter oben schon genannt.

Schließlich noch einmal zu der Behauptung von den christlichen Werten, die ich nicht stehen lassen kann.

Die sogenannte christliche Nächstenliebe ist ein Begriff, der schon von Weitem wie ein Slogan daher kommt. Es geht nicht um Nächstenliebe, sondern um das christliche. Die gängige Darstellung des Christentums, insbesondere unter Protestanten läuft darauf hinaus, dass die Religion eine Religion der Liebe ist und dass Gottes Liebe zu den Menschen grenzenlos sei. Auch die Hölle wird heute so umgedeutet, dass sie bedeutet, dass Menschen sich von Gott abwenden und somit, bildlich gesprochen lieber draußen im Schnee frieren, als sich am Kamin zu wärmen. Das ist alles schön und gut und nicht mein Problem.

Mein Problem fängt da an, wo daraus eine allgemeine Wahrheit wird. Der Pressesprecher von Dow Chemicals darf seinen Konzern natürlich in schönsten und schillernsten Farben anpreisen und auch auf die neulich gestartete Umwelt-Initative hinweisen, die darstellen soll, dass sein Konzern dem Guten verpflichtet ist. Wir alle wissen was gut ist. Aber ist das, was für Dow Chemicals gut ist, auch für uns alle gut? Meinen wir dasselbe? Entspricht eine Pressemeldung einer objektiven Behauptung? Was wäre, wenn Dow Chemicals mehr Krebskranke verursacht, als jede Initiative gutmachen könnte? Was wäre, wenn der Konzern zwar schreibt, er sei umweltfreundlich, diese Aussage aber doch eher "relativ" zu verstehen ist?

Und da liegt der Hund begraben. Christen sind eben nicht "christlich-nächstenliebender" als andere Leute, und haben auch keine "bessere" Geschichte abgeliefert als andere. Eher das Gegenteil. Ihre Religion hat menschenwürdige Verhältnisse oftmals eher behindert, als befördert (und das bis heute), ungeachtet dessen, dass viele Errungenschaften von Menschen stammten, die christlich waren. Das Christentum hat kein Programm oder planvolles Handeln hierzu vorgegeben und hat selbst auch keinen "Zweck" außer dem religiösen. Der religiöse Zweck sah es lange Zeit nicht einmal vor, dass die Gläubigen die Bibel selbst lesen sollten.

Daher ist die Behauptung einer "christlichen Nächstenliebe" mehr das wiederholen eines Slogans um die Werbetrommel zu rühren, hat keinen oder nur bedingten Wahrheitsgehalt und auf die tatsächliche Geschichte bezogen wirkt dieser Slogan mindestens irreführend, oder stellt vielmehr eine Revision dar, ist in jedem Fall unehrlich und dient am Ende nur dazu, dem Wolf den Schafspelz überzuwerfen. Es gibt heute die Menschenrechte, die haushoch überlegen sind. Wir brauchen keinen Rückgriff auf "christliche Werte" und sollten uns mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass jemals wieder eine Religion das sagen hat. Ich wahre da nur den Anfängen. Mir geht das jetzt schon auf den Geist, wenn unreflektiert diese religiöse Formel behauptet wird. Das systematische Unter-den-Tisch Kehren der Aufklärung hilft da auch nicht weiter. Und wenn die Aufklärung genannt wird, dann auch gleich die vielen Einschränkungen und Probleme und Wenn-Und-Abers (was scheinbar völlig fehlt bei "christlicher Nächstenliebe Hurra" Rufen).
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » Di 1. Mai 2012, 22:32

Auch wenn ich hier wohl der Adressat sein soll, angesprochen kann ich mich da leider nicht fühlen.
Ich habe auch mehr den Eindruck, der Beitrag lief unter: "Was ich auch noch loswerden wollte." Sei's drum.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Lumen » Di 1. Mai 2012, 22:55

Vollbreit hat geschrieben:Auch wenn ich hier wohl der Adressat sein soll, angesprochen kann ich mich da leider nicht fühlen.
Ich habe auch mehr den Eindruck, der Beitrag lief unter: "Was ich auch noch loswerden wollte." Sei's drum.


Kann ja sein. Und noch Druckfrisch hinterher: "Highly Religious People Are Less Motivated by Compassion Than Are Non-Believers" (Science Daily), deutsch "Sehr-Religiöse Menschen werden weniger von Nächstenliebe motiviert as Nicht-Gläubige". Der Grund wird darin vermutet, dass bei Nicht-Gläubigen die Emotion und Empathie selbst eine sehr starke und wesentliche Triebfeder ist, wohingegen bei sehr religiösen Menschen helfen zu müssen durch eine Doktrin eingefordert wird und dann weniger effektiv ist (als Emotion). Anders gesagt, "Helfen müssen" rationalisiert die starke Emotion des Mitleids und dadurch wird sie abgeschwächt.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie genau invertiert die Wirklichkeit sich wohl herausstellt, zu dem, was Christen und andere als Illusion aufgestelllt haben (landläufig sind ja die Nicht-Gläubigen als kalt-rational verschrien).
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Mi 2. Mai 2012, 07:57

Lumen hat geschrieben:worauf sich dies bezog war 1) stine's Randbemerkung von atheistischen Mördern
Wo hätte ich das geschrieben? Kannst du das bitte nochmal zitieren?

Lumen hat geschrieben: 2) unter Gläubigen verbreitete Verknüpfung von Atheismus und Terror-Regimen (gerne wird im Zusammenhang mit Atheismus auch von dir Marx und Co. fallen gelassen, was eher suggestiv ist)
Auch das ist falsch. Es muss kein Terror-Regime sein, das gäbe es ja auch unter Religiösen, die eine bestimmte Religion durchsetzen wollen, nein, es geht darum, dass viele Menschen nur mit allgemeingültigen Regeln dauerhaft zusammen leben können. Diese Regeln muss aber jemand aufstellen und veröffentlichen. Sie müssen gelehrt werden und an das Kind gebracht werden. Das sind Verhaltensregeln und Wertvorstellungen das (menschliche) Leben betreffend.
Wenn diese Regeln nicht mehr der Staatsreligion entliehen werden, dann müssen sie weltlicher Natur sein. Und hier vermisse ich sie. Staatsformen, die Religion gänzlich ausklammern und einen Gott verbieten, sind bisher eher nicht als besonders menschenfreundlich aufgefallen. Sollte ich mich täuschen, dann bitte nenne mir ein System weltweit, das religionslos und trotzdem demokratisch ist.

LG stine
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Mi 2. Mai 2012, 11:48

Lumen hat geschrieben:dass "alles" von christlichen Werten durchtränkt sei, denn das träfe somit auch auf die Nazi-Zeit zu.


Sehr gut!

Da das Bild von den "durchtränkten Werten" von mir stammt, möchte ich dazu ein paar Worte sagen. Ich denke, es gibt eine Linie, die sich von dem Mittelalter über die Reformation zur Aufklärung zum Kapitalismus zum Nationalstaat zieht. Die immer stärkere Individualisierung wie sie ab Renaissance, dann in der Reformation und stärker später in Aufklärung und Nationalstaatsbildung aufkommt, wurde ganz entschieden beeinflußt durch das christliche Bild des Menschen, also von dem, was man sich unter einem Menschen überhaupt vorstellen wollte. Mensch, darin spiegeln sich Würde, Dialog, Gnade. Dieses Bild vom Menschen als einen, der den anderen braucht, der eine Würde hat, die ihm ohne Warum verliehen ist, steht am Anfang der Menschenrechte. Der Dominikaner Las Casas hat so bereits im 16. Jahrhundert leidenschaftlich Partei für die indigene Bevölkerung der Neuen Welt ergriffen. Daß der Jesuiten-Orden dem Profitstreben europäischer Mächte ein Dorn im Auge war und deshalb 1773 aufgehoben wurde, ist bekannt.

Die zunehmende Säkularisierung und Individualisierung des Lebens führte jedoch zu einem Vakuum im Leben der Menschen bzw. verstärkt dieses. Mehr und mehr ersetzten daher Waren die Funktion religiöser Kontemplation. Genau deshalb lässt Marx sein Kapital bei der Ware beginnen und spricht später vom Fetisch-Charakter der Ware. Seit Bourdieau dürfen wir unter Ware auch Manifestationen symbolischen und sozialen Kapitals subsummieren: die gute Ausbildung, ein Studium wurde jetzt Ware, welche man akkumulieren konnte. Jetzt konnte auch der betuchte Bürger akademische Titel anhäufen wie er Geld anhäufte. Freilich war es noch ein weiter Weg bis zur demokratischen Massenuniversität, aber der Trend war klar. Eine erfolgreiche Karriere (wozu ein Studium i.d.R. die Eintrittskarte ist) bildet bis heute die Erfüllung des individuellen wie gesellschaftlichen Lebens.

Die zunehmende Kapitalisierung (Kapitalbildung durch asketisches Sparen, protestantische Ethik) und Industrialisierung der Welt auf der anderen Seite scheint die Bildung von Nationalstaaten befördert zu haben. Der säkulare Nationalstaat tritt auf. Von ihm verlangen seine Bürger, daß er ihnen Karrierechancen ermöglichen soll, und zwar je höher die Staatsquote ist, umso mehr. Umgekehrt unterwirft sich der Bürger dafür der allgemeinen Schulpflicht, Wehrpflicht und sonstigen Pflichten. Obwohl scheinbar aus vielen Individuen bestehend, sind doch alle Bürger festgebundene Untertanen ihres Nationalstaats, dieses "Untiers", wie ihn Nietzsche einmal nannte.

Vom Nationalstaat ist nur ein Schritt zum Nationalismus, und damit zur Abgrenzung von anderen Nationen. Der Andere wird erst im Nationalstaat ein richtiges Problem, vor allem dort, wo der Nationalstaat mit einer Blut und Boden Ideologie daherkommt. Der erste historisch verbriefte Vernichtungskrieg ist die Niederschlagung des Herero-Aufstands, mit dem unverbrämten Ziel, die Überlebenden des Aufstands in der Wüste umkommen zu lassen. Es überrascht nicht unter den damaligen Verantwortlichen die direkten Ahnen späterer Nazigrössen zu finden (z.B. Göring). Es ist vielleicht nicht nur eine Laune der Geschichte, daß der Herero-Aufstand mit dem Ende des Katholizismus als eigenständige politische Kraft in Deutschland zusammenfällt.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Mi 2. Mai 2012, 20:02

Hallo laie, nicht übel, aber das ist doch alles nach dem Motto "Was ich nicht weiß, erklär ich mir" gedichtet. Ich kann das Genörgel über die "heutige Zeit" nicht mehr hören. Es ist doch objektiv so, dass es noch nie so vielen Menschen so gut ging, wie heute. Sogar in Ländern, die wir hierzulande als arm betrachten, gibt es ein stetiges Wachstum. Ein Grund dafür ist die Abwendung von religiösen Dogmen. Ein Grund ist der wissenschaftliche, technische Fortschritt und nicht zuletzt der gesellschaftliche Fortschritt der sich beispielsweise durch den Ausbau von Demokratie und Rechtssicherheit auszeichnet.

Wenn jemand von einer Religion in die andere stolpert, weil er unbedingt eine Religion braucht, dann ist das nicht die Schuld des Athesimus. Die Nazis haben quasi-religiöse Gefühle angesprochen und die Menschen, die ihren messianischen Botschaften glaubten, waren einfach sehr dumm. Was den Menschen beigebracht werden sollte, ist eine kritische Haltung gegenüber allem, vorallem gegenüber den eignenen Überzeugungen. Das Wort "Vakuum" ist m.E. eine fragwürdige Metapher. Es geht einfach nur darum es auszuhalten, dass man bestimmte Dinge nicht weiß. Von diesem Ausgangspunkt fängt man dann an, darüber nachzudenken, was man wissen kann. Und das ist gar nicht wenig und wird immer mehr - solange man seine Zeit nicht mit der Rechtfetigung eines nichtexistierenden Gottes verschwendet.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Lumen » Mi 2. Mai 2012, 22:04

Ich sekundiere damit dass Geschichte auch anders gelesen werden kann. Nach dieser Fassung gab es bestimmte Errungenschaften, von Gehirnchiruge (Römer) bis Demokratie (Griechen), Freiheitskonzepte (Germanen) bereits in brauchbaren Ansätzen. Was ausdrücklich nicht gleichbedeutend mit "war super damals" gemeint ist. Dann kamen viele Umwälzungen mit dem Zusammenbruch des römischen Reichs, Kriege und Völkerwanderungen. War dann erst genügend Chaos geschaffen konnte jene systematische himmlische Überwachungsdiktatur mit Denkzwang, Wissensvernichtung und satanischen Verschwörungstheorien die Europäer in einem eisernen Griff behalten. Die Religion befördete Knechtschaft und priviligierte Stände, bereitete den Boden für diverse Seuchenwellen mitsamt religiöser Hysterie (siehe Totentänze und Pest im 14. Jhd.). Die einfachen Leute wurden absichtlich dumm gehalten und in Leibeigenschaft getrieben, unter anderem durch Ablaßhandel (d.h. organisierte Erpressung der schlimmsten Sorte). Diese Seiten werden von selektiv leseschwachen Christen im Forum gerne systematisch überlesen. Der totalitäre Terror wurde soweit getrieben, bis dass die extrem mächtige katholische Kirche durch Luther und die Reformation gespalten werden konnte. Das geht halt nicht mal eben so mit Zettel an Kirchen nageln. Da muss man seine Subjekte schon soweit gepresst haben. Wir sind jetzt schon im 16. Jahrhundert und abseits von laies gönnerhaften Herrscher-Version aus den warmen Stuben der Herrschenden und Geistlichen war da nicht viel tolles. Da kann man mit gewohnter christlicher Logik gerne auseinanderdividieren und alles schlechte dem nicht-christlichen und alles gute dem christlichen zuordnen (analog zu: alles sich als gut heraustellt, ist von Gott, alles andere entweder vom Teufel oder auf des Herrn mysteriöse Wege zurückzuführen, oder freier Wille in neuer Lesart). Geht leider nicht. Die Kriegslinien danach, epische 30 und in Frankreich 40 Jahre lang liefen entlang reliöser Fronten, danach war Europa in Schutt und Asche gelegt, und obsurante Schwurbelei eines Christen nützten da nicht viel. Kleine Eiszeit plus christlicher Eifer haben dann die Scheiterhaufen im Jahrhundert danach brennen lassen, von den unzähligen peinlichen Befragungen (vom Papst im 13.Jh eingeführt) mit Glüheisen und Streckbank mal abgesehen. Vor allem sind das alles Sachen die keine Geheimnisse sind und auch von manchen Christen als schändliche Geschichte des Christentums anerkannt werden. Dann noch die Frechheit haben, die zahlreichen Kooperationen zwischen Glauben und Diktaturen irgendwelchen andern unterzujubeln ist schon dreist.

Die Geschichte der Menschenrechte hat einen sehr geringen christlichen Anteil, in jedem Fall unterproportional. Grundsteine wurde vom Perser Kyrus II gelegt. Religiöse Toleranz gab es weitgehend auch bei den Römern (man musste aber dem Kaiser huldigen), die Christen die laut Tacitus "alle hassen" konnten das nicht mitmachen und waren Aufrührer, haben andere Religionen fortwährend provoziert und waren dann bald Feindbild Nummer Eins. Als die tollen Christen dann selbst das Zepter schwangen, wurden direkt alle Religionen verboten (Sklaverei war natürlich kein Problem). Danach wurden alle Religionen noch buchstäblich dämonisiert (daher der Teufel so viele Namen von heidnischen Göttern hat). Den Frauenrechten hat das Christentum, noch nach Erfindung des Buchdrucks mit so tollen Werken wie dem Hexenhammer ein Denkmal gesetzt. Dreickeshandel mit Sklaven war auch zur Zeit der Konoliaisierung überhaupt kein Problem.

Ich bin ehrlich, laie, vollbreit: sieht schon Scheisse aus, für Christentum. Die guten Ideen und Heilung von Krankheiten (auch kein unwichtiges Thema) kamen dann, als Menschen denken durften, und das war dann, als die Christenheit sich gespalten und dezimiert hatte. Noch vorher war jeder direkt als Häretiker verdächtig, sobald es er/sie die Grenzen des "Gottes Schöpfung studieren und den Herrn lobpreisen" verlaß. Auch daran gibt es wenig Zweifel.

Ich möchte dabei einräumen, das Philosophen und artverwandte Theologen manchmal ihr Gehirn derartig verdreht haben, dass sie empirische Fakten (Sklavenhandel gab's wirklich etc.) nicht mehr wahrnehmen können und abgehobene Konzepte an die Stelle treten. Da wird eine Fiktion des Werdens des Menschen draus, wo Menschen dann Nächstenliebe usw. erst lernen müssen. Das ergibt aus religiöser Fakten- und denkfeindlicher Sicht durchaus Sinn, denn so kann man meinen, dass bestimmte Ideen wirklich vom Himmel gefallen sind und das Gute ist per Definition das, was von der Religion ausgeht (und alles andere ist durch feindliche Mächte korrumpiert, traditionell der Teufel, heute auch andere Dinge, die quasi "Verteufelt" werden im eigentlichen Sinn: "der Mammon" oder "die Technik" als handle es sich dabei um heidnische Gottheiten, also Aspekte des Teufels selbst). Was als saloppe Redewendung vielleicht noch durchgeht, wie die Behauptung, das Geld "angebetet" wird, ist als ernste Aussage schon lächerlich.

Dabei wird immer so getan als sei der Menscheit geholfen, wenn sie das Denken einstellt, ein paar religiösen Führern gehorcht, sich weiße Roben überwirft um die Ähnlichkeit zu Schafen auch optisch zu unterstreichen und den Tag mit sinnlosen Ritualen zu verbringen, wie telepathischen Kontakt zu Untoten-Göttern zu suchen, sich von geistlichen bespitzeln zu lassen, gegenseitge Überwachung und Gleichschaltung am Sonntag und so fort. Derartig totalitären unnd genuin christlichen Werten sollte entschieden wiedersprochen werden. Religionen können Mediationstechniken vermitteln und gerne "Ruhe" Wellness anbieten, aber abseits davon ist die Lehre unbrauchbar und moralisch Bankrott.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon stine » Do 3. Mai 2012, 06:37

Ich würde sagen, es ist unglaublich, wie sehr man Fakten verdrehen kann, einfach nur dadurch, dass man aus überzogenen überlieferten Details Alleinstellungsmerkmale macht. Aber ja, das ist die Art und Weise wie Revolution funktioniert. Aus Bürgertum wird Bourgeoisie und schon ist es negativ zu bewerten.
Die Kirche hat die Menschen nicht dumm gehalten, sondern sie Lesen und Schreiben gelehrt, noch lange bevor weltliche Schulmeister die Dörfer beglücken konnten.

ujmp hat geschrieben:Sogar in Ländern, die wir hierzulande als arm betrachten, gibt es ein stetiges Wachstum. Ein Grund dafür ist die Abwendung von religiösen Dogmen.
Und genau das stimmt auch nicht. Weil in vielen Ländern gerade religiöse Missionare dafür sorgen, dass die Kinder in abgelegnen Dörfern unterrichtet werden und dass die Menschen dort überleben können. Krankenstationen und Hilfe zur Selbsthilfe sind weltweit nicht selten kirchlich caritative Einrichtungen.

Man kann sich gerne mal die von atheistischer Seite verschwiegenen Details als Alleinstellungsmerkmal hervorholen.

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