Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mi 4. Jul 2012, 06:07

laie hat geschrieben:Na, dann los, dann zeig uns, daß die Wissenschaft als ganzes gesehen ein rationales Projekt ist.

Die "Wissenschaft als Ganzes" ? - Geschwurbel! Das ist ein Maßstab, für den sich kein Mensch interessiert, ich werd meine Zeit jedenfalls nicht damit verschwenden.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mi 4. Jul 2012, 06:18

Guten Morgen ujmp. Du hättest mir auch einen Guten Morgen wünschen können, statt so einer kindischen Rhetorik. Schweig doch einfach mal, wenn du nichts zu sagen hast.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mi 4. Jul 2012, 10:25

laie hat geschrieben:[...] Na, dann los, dann zeig uns, daß die Wissenschaft als ganzes gesehen ein rationales Projekt ist. Zeige uns ein Paar von Theorien ausser den von mir zitierten, deren eine die andere in der o.g. Weise reduziert, so daß der Individuenbereich der neuen Theorie und die Relationen auf diesen Individuenbereich logisch aus dem der alten hervorgehen. Vielleicht solltest du dich einfach mehr mit Wissenschaftstheorie beschäftigen. Zum Einstieg [...] Aber Vorsicht, vielleicht sind das alles versteckte Kreationisten :veg:


Das ist wieder unehrlich und du weißt das auch. Ich habe dir oben beschrieben, wo der Knackpunkt liegt: Wissenschaftskritik plus unhinterfragte Religon.

Der Witz besteht gerade darin, dass Wissenschaft ein offenes Projekt ist und natürlich kritisierbar ist, und auch sein soll. Die Prozedur selbst ist eine verfeinerte Form des gesunden Menschenverstandes mit Versuch und Irrtum und so fort. Bei Leuten mit religiöser Agenda und mit religiösen Kontext ist es aber besser, sich eben nicht länger und genauer damit zu beschäftigen. Denn es geht den Religionisten nur darum, durch Insinuation seine Märchengeschichte (oder Märchengeschichten allgemein) als viable Alternative anzubieten. Er wird deshalb darauf achten, das Augenmerk immer auf der Kritik an der Wissenschaft zu belassen, und dabei beiläufig Religion einzustreuen. Religion, oder ihr Gehalt in Bezug zur Wissenschaft wird bewusst ausgespart und abgewiesen und dann dreist behauptet, dass es ja nicht zur Sache täte (obwohl dann zwei Beiträge später wieder die Religion eingestreut wird). Das Thema dazu hieße, zum Beispiel NOMA.

So scheint es ganz natürlich zu sein, zum Thema "Gottesbegriff" plötzlich fröhlich und munter Wissenschaften auseinanderzunehmen. Gegen Wissenschaftskritik ist also nichts einzuwenden, wohl aber gegen unsaubere und unehrliche Methoden, sich damit zu befassen. Diese Kritik wird dann aber vom Religonisten als allgemeiner Fundamentalismus, oder Dogmatismus der Wissenschaft ausgelegt, oder wenn der Religionist mal ganz mutig ist, die Wissenschaft zur Ersatz-Religion deklariert. Damit kann man bequem das Spiel verlängern, weiter an Wissenschaften, Atheisten oder sonstwem herumkritisieren und weiterhin insinuieren, das Religionen ja doch irgendwie über jeden Zweifel erhaben seien.

Was dann im nächsten Schritt passiert ist in der Regel die Exit-Strategie. Die müsste als nächstes kommen. Liegt die Masche einmal auf dem Tisch, wird sich der Religionist beleidigt und mißverstanden spielend zurückziehen. Die Punkte sind ja gemacht, Wissenschaften sind in Zweifel gezogen worden, man konnte Atheisten als Dogmatiker und Fundamentalisten bezeichnen. Dann kann man sich eigentlich auch zurückziehen. Im nächsten Thread geht es dann wieder von vorne los, bis an der Stelle, wo die Masche wieder evident wird und so weiter. Das altmodische Wort insinuieren habe ich deshalb verwendet, weil es ein bisschen aus der Form fällt, aber den Sachverhalt trifft. Dadurch wird es in Zukunft leichter sein, das Schauspiel abzukürzen. Man kann meine Behauptung hier dadurch Lügen strafen, indem man sich einfach anders verhält. Das Problem ist also hoffentlich so oder so gelöst.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mi 4. Jul 2012, 11:42

Lumen hat geschrieben:Ich habe dir oben beschrieben, wo der Knackpunkt liegt: Wissenschaftskritik plus unhinterfragte Religon.


ja, und ich habe geantwortet, daß man Religion und Glaubenssätze sehr wohl hinterfragt. Wie gesagt: daß wir akzeptieren, daß es uns wirklich gibt, daß wir akzeptieren, daß die Welt um uns herum existiert, daß wir Gott akzeptieren, das sind Dinge, die wir nicht mehr hinterfragen können. Realität ist nicht hintergehbar ebensowenig wie Gott. Aussagen über Realität oder über Gott können wir kritisieren und sollen es auch. Und ganz wichtig: man darf Realität und Gott nicht vermengen, jedenfalls nicht in der Weise, daß Gott als Intelligenz in der Lage wäre, Naturgesetze durch Wunder ausser Kraft zu setzen. Wenn man unbedingt will, könnte man vielleicht sagen, daß Gott mit dem umfassenden Begriff des Seins insgesamt zusammenfällt. Die Realität, wir sie kennen, wäre dann eine Teilmenge dieses Seins. Das ist etwas völlig anderes als wenn bestimmte Leute versuchen "Religion als viable Alternative anzubieten". Das halte ich persönlich für verkehrt.

Ich stimme dir aber zu, daß es genügend Leute gibt, die dem nicht folgen: sowohl Atheisten als auch Nicht-Theisten.

Wie gesagt: das Problem besteht eher auf deiner Seite, weil du unter Gott, Glaube, Religion etc. nur evangikale Richtungen und Kreatives Design verstehst. Ich will kurz darstellen, wo ich das Problem sehe. Ich habe vor kurzem in ein Hörbuch hineingehorcht: Dawkins Gotteswahn. Der Ausschnitt, den ich zu hören bekam, hieß "Die Gotteshypothese". Um es gleich zu sagen: Dawkins hat Recht. Ja, der Gott des AT ist grausam, mordend, ekelhaft usw. usw. Stimmt. Dawkins sagt dann, daß es unfair sei, ein solch' leichtes Ziel anzugreifen. Er führt dann seine eigene Gotteshypothese ein, also eine Aussage, die seiner Meinung nach als einzig sinnvolle überhaupt in Frage kommt, nämlich Gott als Intelligenz, die irgendwo draussen im Universum kauert und unsere Welt absichtsvoll geschaffen hat. Es ist diese These die er dann gekonnt zerpflückt.

Dieses Vorgehen ist m.E. bedenklich. Zunächst einmal: glaubt Dawkins allen Ernstes, daß er der erste ist, dem die offensichtliche Grausamkeit Gottes im AT auffällt? Ferner: er setzt diesem Bild, diesem zutiefst verstörenden Bild eine "Gotteshypothese" entgegen, die er dann bequem bekämpfen kann. Nur: diese Hypothese ist nicht die im AT vorgestellte. Es ist der rächende, strafende, belohnende, zornige Gott, der da eingeführt ist. Und darüber gibt es schon jede Menge Literatur. Dawkins begeht den gleichen Fehler wie seine Gegner: Er versucht Gott zu einem möglichen Teil (daher auch "Gotteshypothese") der Realität zu machen. Genau diesen Fehler machen Kreationisten auch.

Ein Wort noch dazu, daß Wissenschaft als Projekt so furchtbar offen und kritisierbar sei, Religion aber angeblich nicht: wenn ich mir deine Reaktion und die von ujmp so anschaue, dann werde ich den Eindruck nicht los, daß auf eurer Seite eine Immunisierungsstrategie nach der anderen gefahren wird. Zunächst hält uns ujmp lustige Ausführungen über Frühstückseier, die du dann auch noch laut beklatscht. Setzt man dann Popper alternative zeitgenössische Wissenschaftstheorie entgegen, weicht ujmp aus und sagt, der Unterschied zu Popper sei ja gar nicht so wichtig (aha, auf einmal nicht mehr?). Geht man dann mehr ins Detail und zeigt, wo die Probleme mit der herkömmlichen Auffassung von Wissenschaft liegen, tut er Wissenschaftstheorie sogar als Geschwurbel ab, weil er einfach keine Ahnung hat. Und für dich sind meine Ausführungen gleich Anlass, mich in die Kreationistenecke zu stecken und von mir ein anderes Verhalten einzufordern, damit du gnädigerweise diese Meinung änderst:

Lumen hat geschrieben:Man kann meine Behauptung hier dadurch Lügen strafen, indem man sich einfach anders verhält. Das Problem ist also hoffentlich so oder so gelöst.


Man beachte: nicht wie man argumentiert, kann deine Meinung ändern, sondern wie man sich verhält. Du entscheidest dann, ob dir ein Verhalten genehm ist. Das ist schon nah an der Grenze zum Grössenwahn. Vollbreit hatte schon Recht: du bist ein Fundamentalist. Und ujmp ist ein gedanklicher Mitläufer, von keines Gedankens Blässe angekränkelt. So wie er früher vermutlich an religiöse Wunder geglaubt hat, weil er davon in der Bibel gelesen oder von anderen gehört hatte, Räucherstäbchen, vielleicht Zungenreden, was weiss ich, der ganze Blödsinn -- so heftet er sich jetzt an die brights und an die scheinbare Rationalität in der Wissenschaft.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mi 4. Jul 2012, 13:32

Es geht eben wieder um Deutungshoheit. Ich habe zuvor beschrieben, welche Bedingungen dazu führen, dass ich selbst persönlich eine Diskussion als unehrlich empfinde. Diese Kriterien waren formale Kritieren. Sie sind ihrerseits wieder kritisierbar und stellen meine persönliche Meinung, und meine Beobachtung dar, mit meiner Bewertung und Einordnung. Das willst du aber als "Grenze des Größenwahns" und "Fundamentalismus" verstanden wissen. Dir gefällt das also nicht. Warum nicht? Es sind doch meine Kritieren, die ich offen und krisierbar darstelle.

Warum sollte ich also Fundamentalist sein, bleibt wieder unklar. Das wird eben insinuiert. Keine Erklärung hierzu, nur Nebel und Zaubertrick und raus. Wo du Dawkins ins Spiel bringst, passiert da doch das gleiche. Und bei anderen Namen, die ich mit Vollbreit schon durchdiskutiert habe, haargenau die gleiche Nummer. Der Religionist unterstellt immer unlautere Motive, niedere Beweggründe oder verbindet Nicht-Gläubige sonstwie mit negativ behafteten Schlagwörtern "Fundamentalist", "größenwahn", "hasserfüllt", "strident" usw. Was du jetzt schriebst ist genau das, was ich zuvor als meine Erwartung formuliert habe. Sorry, niemand zwingt dich dazu, meine schlechte Erwartungen an Religionsfritzen Punkt für Punkt zu erfüllen. Die Masche ist bekannt, also ist es mal Zeit, dass ihr euch eine andere sucht.

laie hat geschrieben:Wie gesagt: das Problem besteht eher auf deiner Seite, weil du unter Gott, Glaube, Religion etc


Nein, es besteht nicht auf meiner Seite. Ich bin Atheist, weil ich von den Angeboten der Religion nicht überzeugt bin. Ich brauche keinen Gottesbegriff und sehe ich mich auch nicht genötigt, Fan bestimmter Märchen zu werden. Wenn Atheisten sich mit Gottesbegriffen beschäftigen, dann nehmen sie Bezug auf bestimmte, wiederkehrende Versionen davon. Das mag nicht deine Privat-Version sein und mag nur nährungsweise eine Individualmeinung widerspiegeln. Es ist auch hier das Problem das der Deutungshoheit: Der heutige Christ möchte bestimmte, ihm genehme, der Zeit angepasste Sachen verbreitet wissen. Da wird es schon direkt unehrlich. Fragen wir doch mal nach: Warum ist Buch Y der Bibel "wahrer" als Buch Z. Warum ist ein beliebiger Satz von Jesus geäußert an Stelle A "besser" als an Stelle B? Vollbreit hat sich da schon entlarvt. Er verlangt allen ernstes, dass ein Atheist sich entweder der Deutungshoheit der Christen unterzuordnen hat, oder aber ein "faires" und ausgewogenes Bild zeichnen soll, was alles beinhaltet. Warum soll der gemäßtige Christ, der nie in die Kirche geht, als "Gegner" für Dawkins herhalten, wenn "God Hates Fags" Christen öffentlich wirksam Probleme machen? Klar, als Pressesprecher einer Firma möchte ich nicht, dass die Skandale genannt werden. Warum sollten aber andere Leute diese verschweigen? Deine Forderung liest sich so, als müsste ein Umweltschützer die Vorzüge von Dow-Chemicals auch anpreisen, da das Herausstellen der Umweltskandale zu "einseitig", zu "fundamentalistisch" sei. Aber andere Leute haben da keine Aktie. Wenn die Firma schlecht darsteht, dann steht sie eben schlecht da. Da kümmert es mich einen feuchten Kehricht, ob die Firma auch was tolles irgendwo irgendwie leistet. Es gibt andere Firmen, Angebote und vielleicht sind bessere dabei. Welche, die noch keine Kerben im Kerbholz haben.

Der nächste Trick, oder Problematik ist natürlich die Zuordnung zu "Christenheit" allgemein. Auch da möchten Anhänger gerne einen Doppelstandard. Positiv gerne. Negativ aber bitte nicht. Am besten diktiert der Christ, welche Aktivitäten, Personen und Handlungen momentan als christlich gelten und welche nicht. Das soll sich selbstverständlich auch rückwirkend ändern können (wenn z.B. raus kommt, das "Mutter" Theresia doch nicht so toll war, wie früher mal angenommen). Schon witzig. Aber dann Popper und Kuhn.

Er führt dann seine eigene Gotteshypothese ein, also eine Aussage, die seiner Meinung nach als einzig sinnvolle überhaupt in Frage kommt, nämlich Gott als Intelligenz, die irgendwo draussen im Universum kauert und unsere Welt absichtsvoll geschaffen hat. Es ist diese These die er dann gekonnt zerpflückt. Dieses Vorgehen ist m.E. bedenklich.


Was hätte Dawkins stattdessen, konkret, machen sollen? Ist es falsch, zunächst darzustellen, auf welchen Gegenstand man sich bezieht. Das gefiel dir ja bei mir auch nicht. Was ist denn dein persönlicher Gottesbegriff? Und woher nimmst du ihn? Reden wir doch darüber, wenn dir das atheistische Zerrbild nicht gefällt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mi 4. Jul 2012, 14:37

Ich habe klar gesagt, warum ich dich für einen Fundamentalisten halte, der sich an der Grenze zum Grössenwahn bewegt. Formal sind deine Kriterien durchaus nicht. Man kann sie eben nicht diskutieren, wenn du sagst, es kommt darauf an, wie man sich verhält, damit du deine Meinung änderst.

Ich habe dem auch nichts hinzuzufügen oder zurückzunehmen. Daß du nicht über die Bedeutung des Gottesbegriff schreiben willst oder kannst, ist ja dein gutes Recht. Dann halt dich doch einfach raus.

Lumen hat geschrieben:Es gibt andere Firmen, Angebote und vielleicht sind bessere dabei. Welche, die noch keine Kerben im Kerbholz haben.


Angebote wofür und von wem?

Lumen hat geschrieben:Was hätte Dawkins stattdessen, konkret, machen sollen? Ist es falsch, zunächst darzustellen, auf welchen Gegenstand man sich bezieht.


Ich habe klar geschrieben, worin ich Dawkins methodischen Fehler sehe. Wenn ich umgekehrt eine bestimmte Theorie kritisiere, dann denke ich mir auch nicht etwas aus, worüber meiner Meinung nach diese Theorie am besten hätte sprechen sollen, sondern ich setze mich mit dem, was die Theorie sagt, auseinander. Dawkins Kritik ist keine.

Lumen hat geschrieben:Was ist denn dein persönlicher Gottesbegriff? Und woher nimmst du ihn? Reden wir doch darüber, wenn dir das atheistische Zerrbild nicht gefällt.


Ich habe immer wieder durchblicken lassen, welche Gottesbegriffe ich überhaupt diskutierbar finde und welche nicht. Ich wiederhole mich hier nicht. Ausserdem: was willst du denn schon darüber reden? Dazu müsstest du zunächst einmal den einfachen Teil beherrschen, nämlich Glauben nicht als Angriff auf die Wissenschaft zu sehen. Daran scheiterst du ja schon.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mi 4. Jul 2012, 17:22

  1. Niemand zwingt dich dazu, eine Verbindung zwischen Wissenschaftskritik und Gottesbegriff herzustellen und diese dabei gleichzeitig unerklärt zu belassen.
  2. Du kannst außerdem meine Ansicht dazu in den Wind schießen. Ich habe dir erklärt, warum ich das problematisch finde. Das hat mit Fundamentalismus nichts zu tun.
  3. Was hat ein Gottesbegriff nochmal mit Popper, Kuhn und Wissenschaftskritik zu tun? Mir erschließt sich der Zusammenhang nicht.
  4. Es steht dir selbstverständlich frei, Dawkins Kritik zu ignorieren oder für keine zu halten. Das ist analog zu der Situation hier. Wenn meine Kritik an deinen Windeiern für dich keine ist, dann eben nicht. Du bist aber sicherlich nicht der einzige, der sich darüber ein Urteil bilden wird.
  5. Mit Angebot ist gemeint, dass Erklärungsmodelle aus unterschiedlichen Richtungen vorgeschlagen werden, z.B. von Religionen oder von Wissenschaften. Diese kann man für sich teilweise oder ganz ablehnen. Sie sind aber eben nicht immer "aus einer Hand". Nicht jede wissenschaftliche Theorie hat denselben Stellenwert und es gibt keine Garantie dass ein Modell in jeder Hinsicht konsistent mit jeder anderen ist. Darauf läuft ja deine Kritik hinaus, wenn ich sie richtig verstanden habe. Du möchtest "die Wissenschaften als Ganzes" als eine Art geschlossenes System sehen. Es soll eine Autorität geben, die irgendwie alles abgleicht. Ähnlich wie ein Romanautor, oder eben Kirchendogmatiker und Theologien alle Inhalte aufeinander abstimmen können und sich eigens damit beschäftigen. Leider spricht die Natur in Rätseln und ist dermaßen komplex, dass wir Brüche wie zwischen Phyisk und Chemie oder Chemie und Biologie vorerst hinnehmen müssen. Was hat in der Reihe aber z.B. ein Gott zu suchen? Woher stammt dieser "Gott", d.h. woher stammt überhaupt die Idee einer Gottheit in diesem Zusammenhang? Ein Mitteleuropäer hat diese Idee mit ziemlicher Sicherheit aus dem Christentum, also aus einer bronzezeitlichen Märchengeschichte. Warum, nochmal, sollte eine Märchengeschichte im Hinblick auf Wissenschaftskritik nun berücksichtigt werden? In welchem Verhältnis, nochmal, steht Märchenkunde (Theologie) zu Naturwissenschaften?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mi 4. Jul 2012, 18:20

ad 1 und ad 3: ich sage an keiner Stelle, daß der Gottesbegriff etwas mit Popper, Kuhn zu tun hat. Was ich sage ist, daß Theologie eine Wissenschaft ist, deren Aussagen fachintern genauso kritisch hinterfragt werden wie z.B. naturwissenschaftlichen Disziplinen. Der wissenschaftstheoretische Bogen, den unsere Diskussion hier genommen hat, ist ja vor allem ujmp und seinen Frühstückseiern geschuldet, weil er damit zeigen wollte, wie rational es angeblich in der Wissenschaft zugeht (von der er übrigens die Theologie selbstredend ausschloß.). Mit rational charakterisiere ich die Auffassung, daß empirische Theorien an der Erfahrung scheitern und daß am Ende sich die bessere Einsicht durchsetzt. Theorien können gegen widerspenstige Erfahrungen immun sein, nicht weil Wissenschaftler so böse sind, sondern weil es keinen Grund gibt, die Logik einer Theorie zu verwerfen.

Ich hatte vielmehr den Gottesbegriff in die Nähe des Realitätsbegriffs gesetzt. Der Begriff Realität ist für mich nicht gleichbedeutend mit dem, was wir in unseren Theorien aussagen. Er ist umfassender, aber nicht identisch mit dem Gottesbegriff. Er ist aber ebenso nicht hinterfragbar, so meine These, wie der Gottesbegriff. Daher verwies ich auch auf Descartes und Augustin, die beide den Zweifel des Menschen als letzten Grund anführen.

ad 5 "dass Erklärungsmodelle aus unterschiedlichen Richtungen vorgeschlagen werden, z.B. von Religionen oder von Wissenschaften." Huch! Was willst du von den Religionen auf einmal? Verstehe ich nicht.

Lumen hat geschrieben:"Du möchtest "die Wissenschaften als Ganzes" als eine Art geschlossenes System sehen."


Nein. "Als Ganzes" deutet einfach den Gegenstand der Wissenschaftstheorie, nämlich auf alle Theorien.

Lumen hat geschrieben:Es soll eine Autorität geben, die irgendwie alles abgleicht.


Nein. Aber wären alle Theorien, reduktionistisch aufeinander bezogen, dann hätte man so etwas wie die Einheit der Wissenschaft. Grand unifying theory nennen das die Physiker glaube ich.

Lumen hat geschrieben:"Leider spricht die Natur in Rätseln und ist dermaßen komplex, dass wir Brüche wie zwischen Phyisk und Chemie oder Chemie und Biologie vorerst hinnehmen müssen."


Die Brüche rühren nicht daher, daß die Natur in Rätseln spricht (denn die Natur oder Realität verstehen wir ebensowenig wie Gott), sondern liegt in der Natur der Theorien selbst. Theorien selbst sind nicht beliebig aufeinander reduzierbar.

Lumen hat geschrieben:Was hat in der Reihe aber z.B. ein Gott zu suchen?


Habe ich ihn da hin gestellt? Nein. Vorstellungen über Gott haben für mich etwas mit den wirklich wichtigen Fragen des persönlichen Lebens zu tun: Schuld, Tod, Glück, Freiheit, Vergebung, Angst, Sinn: Was soll ich hier? Natürlich kann man über diese Dinge auch sprechen, ohne das Wort "Gott" in den Mund zu nehmen. Das ist auch nicht entscheidend. Wichtig ist, daß diese Themen über unsere blosse materielle Existenz hinausweisen, aber trotzdem für jeden Menschen von Bedeutung sind. Sie sind grösser als wir selbst.

Ich finde es übrigens ziemlich vermessen von Dir, daß du nur selbstherrlich von "bronzezeitlichen Märchen" sprichst, aber selbst keinen eigenen Gedanken zum Thema beisteuerst.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Nanna » Mi 4. Jul 2012, 18:37

Ich möchte mich auch mal kurz einmischen:
laie hat geschrieben:Vorstellungen über Gott haben für mich etwas mit den wirklich wichtigen Fragen des persönlichen Lebens zu tun: Schuld, Tod, Glück, Freiheit, Vergebung, Angst, Sinn: Was soll ich hier? Natürlich kann man über diese Dinge auch sprechen, ohne das Wort "Gott" in den Mund zu nehmen. Das ist auch nicht entscheidend. Wichtig ist, daß diese Themen über unsere blosse materielle Existenz hinausweisen. Sie sind grösser als wir selbst.

Sind wir uns denn einig darüber, dass dieses "größer" etwas Diesseitiges sein kann? Können diese Fragen deiner Meinung nach im Rahmen einer naturalistischen Philosophie (und ich meine damit nicht plumpen Szientismus, sondern die schlichte Annahme, dass "da draußen" nicht mehr ist als eine physische Realität, deren Teil wir sind) bearbeitet und ggf. beantwortet werden? Setzen Sie den Gottesbegriff überhaupt voraus?

Und was mich auch noch interessieren würde: Lässt dein sehr abstrakter Gottesbegriff sinnvollerweise so etwas wie eine persönliche Beziehung zu Gott zu und machen religiöse Rituale zu seiner Verehrung, Anbetung, u.U. Beeinflussung unter diesem Begriff noch Sinn?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 4. Jul 2012, 19:05

Nanna hat geschrieben:Sind wir uns denn einig darüber, dass dieses "größer" etwas Diesseitiges sein kann?

Nein, auch wenn mich die Initiative gerade zu diesem Satz von laie freut. Wieso diese Überhöhung? Wieso "größer als wir selbst"? Betrachten wir doch die genannten Begriffe, die von den meisten Menschen in einen Gott projiziert werden:
laie hat geschrieben:Schuld, Tod, Glück, Freiheit, Vergebung, Angst, Sinn

Schuld erwächst aus primitiven Moralvorstellungen und der Illusion von Gerechtigkeit. Letztlich ist es ein vergeistigtes Derivat des Verständnisses um ursächliches Verhalten, das man negativ bewertet. Die Bewertung kann völlig subjektiv sein, Schuld wird von vielen nicht als solche betrachtet, es gibt keinen objektiven Maßstab für "Schuld".
Der Tod ist etwas alltägliches und auch nicht "größer als wir". Der bloße Verschleiß, die Apoptose, die Nekrose, was auch immer. Natürlich versuchen wir diesen hinauszuzögern, zurecht, weil NUR unser materielles Dasein eine Gewissheit ist, die meisten (wenn auch gläubig) fürchten sich und haben berechtigten Zweifel über ihre erhoffte Unsterblichkeit (oder die ihrer Seele, Jacke wie Hose).
Glück ist flüchtig und lässt sich einfach und synthetisch stimulieren. Wir kennen schon die Wirkung verschiedener Hormone und Drogen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Freiheit ist die Illusion und die Hoffnung auf einen Freien Willen, auf Selbstbestimmung, die völlig das determinierte Leben ignoriert. Der Wunsch war wieder Vater des Gedanken.
Vergebung - siehe Schuld.
Angst ist ein Gefühl, ein primitives Tier empfindet auch Angst, nichts besonderes und doch das vielleicht wichtigste Gefühl des Menschen und jedes anderen Tieres, das sie empfindet. Es sichert oft unser Überleben, kanalysiert und kontrolliert ist sie eine starke Triebfeder und kann unser ganzes Dasein bestimmen (oder auch entfesselt, in diesem Fall ist sie aber eher destruktiv als konstruktiv bestimmend). Angst ist manchmal ein mächtiger Verbündeter, sowohl die der anderen als auch die eigene.
Und schließlich der Sinn. Wir suchen nach ihm, weil wir einen wollen, weil wir ein Ziel brauchen, um zu handeln, weil wir nicht umsonst handeln wollen. Nun, einen übergeordneten Sinn gibt es nicht, er ist subjektiv (und volglich willkürlich) festzulegen.
Diese Begriffe zu überhöhen entzieht sie einer rationalen Betrachtung, eine Sakralisierung über die wir hinaus sein sollten.
Nanna hat geschrieben:Können diese Fragen deiner Meinung nach im Rahmen einer naturalistischen Philosophie (und ich meine damit nicht plumpen Szientismus, sondern die schlichte Annahme, dass "da draußen" nicht mehr ist als eine physische Realität, deren Teil wir sind) bearbeitet und ggf. beantwortet werden?

Dein Naturalismus schließt also die Metaphysik mit ein? DAS ist plump. Dieses Gefühl "da ist doch sicherlich mehr da draußen" gehört in Akte X, nicht in eine rationale Diskussion. An einer empristischen Sichtweise ist nichts plump, sie ist wesentlich komplexer als das Denken und Glauben nach Wunsch, das alles andere ignoriert. Und auch wenn diese Frage auch nicht an mich gerichtet war: Nein.
Zusammengefasst nehme ich eine seltsame Position ein: Ich verteidige laies Sicht, weil sie nicht rationalisiert werden kann und weiterhin mit diesem metaphysischen Glauben verknüpft sein wird. Manche dieser Begriffe sind schlichtweg nicht rational, sie werden alle irrational behandelt, überhöht und mit einer Maxime betrachtet, die zwangsläufig zu einem Gottesglauben führt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mi 4. Jul 2012, 19:11

Hallo Nanna,

"Sind wir uns denn einig darüber, dass dieses "größer" etwas Diesseitiges sein kann?" Nein, es ist nichts diesseitiges, ich glaube nicht. Eher wie ein Bild, welches zwar aus diesseitigen Materialien besteht wie Holz und Leinwand und Farbe und Pinselstruktur, gleichzeitig aber als Bild von etwas Abgebildetem nicht diesseitig oder besser materiell ist.

"Können diese Fragen von einer naturalistischen Philosophie beantwortet werden?" Hmm. Ich meine, daß der Seinsbegriff umfassender ist als physische Realität ...

"Und was mich auch noch interessieren würde: Lässt dein sehr abstrakter Gottesbegriff sinnvollerweise so etwas wie eine persönliche Beziehung zu Gott zu und machen religiöse Rituale zu seiner Verehrung, Anbetung, u.U. Beeinflussung unter diesem Begriff noch Sinn?"

Zweiter Teilsatz: Nein. Die Zeit der Wunder ist vorbei. Erster Teilsatz: Antwort muss noch warten. Bin müde.

persönliche Beziehung zu Gott. Ja. Gott fällt mit dem Seinsbegriff zusammen. Das Sein als umfassende metaphysische Kategorie schließt das Nichtsein aus. Deshalb ist es ungeteilt. Geteilt und viele sind die einzelnen Seienden und Existenzen. Jedes Seiende, so sagt die Scholastik, hat das Sein nicht, das jedes andere Seiende hat. Hier kommt die Vorstellung vom Menschen als "freiem" ins Spiel: Weil jedes Seiende einzigartig ist, kann es vom Menschen nur unter bestimmten einschränkenden Rücksichten (technische Verwertbarkeit, Nutzen für die Gesundheit, gut für mich) angestrebt werden. Diese Rücksicht aber stellt die Seienden in eine feste Wertordnung. Wertordnungen verhindern aber Freiheit: denn entweder wählt man, dann muss man sich aus Vernunftsgründen für das "bessere" oder "höhere" entscheiden, ist also nicht frei. Oder man wählt unvernünftig, also blind, dann wählt man auch nicht frei, denn blindes Herausgreifen ist kein Wählen.

Nur, wenn das Sein ("Gott") selbst angezielt wird, können wir echte Freiheit realisieren. Denn das Sein hat keine Teile, die wir uns erst in eine Wertordnung bringen müssten. In der islamischen Mystik heisst ein ähnlicher Gedanke: freedom is the absence of choice. Das Englische gefällt mir hier besser, weil griffiger.

Das ist ein Freiheitsbegriff, der dem entgegensteht, was ich an anderer Stelle zum Freiheitsbegriff schrieb, nämlich daß Freiheit ganz wesentlich daran gebunden ist, daß man überlegt und abwägt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mi 4. Jul 2012, 20:09

laie hat geschrieben:Theorien können gegen widerspenstige Erfahrungen immun sein, nicht weil Wissenschaftler so böse sind, sondern weil es keinen Grund gibt, die Logik einer Theorie zu verwerfen.

Nein, sie sind immun, wenn sie nichts ausschließen und damit nichtssagend sind. Die Logik einer Theorie, wenn sie denn den Gesetzen der Logik entspricht, wird auch nie verworfen.

Eine Minimalanforderung, die heute an eine wissenschaftliche Theorie gestellt wird ist, dass sie an der Erfahrung scheitern können muss. Eine Theorie, die das nicht kann, ist prinzipiell wertlos. Das ganze ist ein logisches Problem und hat nichts damit zu tun, das wir manche Experimente rein technisch nicht durchführen können. Es geht darum, aus der Menge der denkbaren Ereignisse das tatsächlich Eintretende zu kennen oder vorhersehen zu können. Das Graviationsgesetz schließt sehr viele Ereignisse aus (z.B. das Jesus übers Wasser geht). Man kann die Statik oder die Dynamik eines Gegenstandes daher mit nur wenigen Parametern zuverlässig vorhersehen bzw steuern. Die bloße Reduktion auf diese Parameter ist dabei nicht das wichtigste, sondern die Möglichkeit, mit dieser Gesetzmäßigkeit Probleme zu lösen. Die Theorie, dass ein Apfel vom Baum fällt, weil Gott gerade so gelaunt ist, ihn fallen zu lassen, kann man nicht widerlegen, sie ist gegen jede Kritik immun. Man kann aber aus dieser Theorie nichts über die Eigenschaften eines fallenden Apfels ableiten. Deshalb ist diese Theorie empirisch wertlos.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mi 4. Jul 2012, 20:47

ujmp hat geschrieben:
laie hat geschrieben:Na, dann los, dann zeig uns, daß die Wissenschaft als ganzes gesehen ein rationales Projekt ist.

Die "Wissenschaft als Ganzes" ? - Geschwurbel! Das ist ein Maßstab, für den sich kein Mensch interessiert, ich werd meine Zeit jedenfalls nicht damit verschwenden.

Der sachliche Gehalt davon ist, dass wir beide nicht sagen können, was "Wissenschaft als Ganzes " sein soll.

Der Punkt beim Gottesbegriff ist doch, dass sich die überwältigende Mehrheit der Gläubigen die Tiefen Gedanken eines Quine überhaupt nicht macht. Die Diskussion darüber was Wissenschaft ist ist in diesem Sinne irrelevant. Das Phänomen ist doch, dass diese Menschen sehr wohl in der Lage sind vernünftige Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, ein Brot zu backen, Vorräte anzulegen, Autos odser Flugzeuge zu bauen usw. usw. und dabei sehr wohl zwischen richtigen und falschen Theorien unterscheiden und vor allem die falschen verwerfen. Man wird auch keinen überzeugten Katholiken finden, der nicht meint, dass der Kommunismus eine falsche Theorie war, oder - ganz trivial - die Theorie, dass es keinen Gott gibt. Das Phänomen ist aber auch, dass ihr Glaube ganz anderen Maßstäben unterliegt. Und dieser Unterschied macht den Gottesbegriff interessant.

Auf jeden Fall ist die Behauptung, dass die Theologie eine verkannte Wissenschaft sei, ziemlich unseriös. Der Gottesbegriff ist überhaupt keine Erkenntnis, er ist nur ein Gerede.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mi 4. Jul 2012, 21:34

laie hat geschrieben:Ich finde es übrigens ziemlich vermessen von Dir, daß du nur selbstherrlich von "bronzezeitlichen Märchen" sprichst, aber selbst keinen eigenen Gedanken zum Thema beisteuerst.


Auch hier wieder ein kleiner Ad Hominem Schlenker, den ich mal übergehe. Märchen sind rein fiktive Geschichten, die von wundersamen Ereignissen berichten. In Sagen tauchen hingegen teilweise historische Personen, Orte oder Begebenheiten auf, die aber sehr fantastisch ausgeschmückt und verändert wurden. Die Bibel ist mehrheitlich wohl eher eine Sammlung von Sagen als von Märchen. Der entscheidende Punkt ist aber nicht, ob Bethlehem ein historischer Ort ist, oder ob es Pilatus wirklich gegeben hat. Der Gebrauch der Bibel ist mitnichten die eines Geschichtsbuchs, sondern das Wesentliche sind übernatürliche Elemente, also jene, wo Märchen und Sagen gleich sind. Daher ist es zwar ein rhetorisches Mittel, die religiöse Texte als Märchen zu bezeichnen, aber eben nicht so, wie du es gerne hättest. Die Rhetorik bestand darin, einen Begriff zu wählen, der den fiktiven Charakter unterstreicht, zudem viele den Unterschied zwischen Sagen und Märchen oder Mythen nicht so genau kennen. Mit "bronzezeitlich" ist hingegen eine Einordnung in eine Entstehungszeit gemeint gewesen. Die Bronzezeit endet rund 800 Jahre vor unser Zeitrechnung, und ist mutmaßlich die Zeit, aus der verschiedene biblische Geschichten stammen.

Meine Bezeichnung als "bronzezeitliches Märchen" ist demnach nachvollziehbar und jedenfalls sachlicher als deine Versuche, durch Foul Rufe irgendeinen Schiedsrichter zu beeinflussen. Dabei habt ihr Religonisten einen Rückstand und habt noch nicht gezeigt, dass ihr überhaupt einen Ball spielen, geschweige denn Tore schießen könnt. Du bildest dir stattdessen ein, dass du durch Lamentieren und theatralisches Hinwerfen irgendwie zu einem Treffer kommen könntest.

Wissenschaftler haben heute mutmaßlich ein Teilchen entdeckt, dass seit 50 Jahren in den Formeln steckte, aber bisher partou nicht auftauchen wollte. Anders als Religionisten, die mit Megaphon an der Straßenecke stehen und ihre Bibel anpreisen, haben die Wissenschaftler sehr vorsichtig verkündigt, dass sie etwas gemessen haben, was sich möglicherweise als das Higgs-Boson herausstellen könnte.

laie hat geschrieben:persönliche Beziehung zu Gott. Ja.


Erwartungsgemäß.

laie hat geschrieben:[...] Gott fällt mit dem Seinsbegriff zusammen. Das Sein als umfassende metaphysische Kategorie schließt das Nichtsein aus. Deshalb ist es ungeteilt. Geteilt und viele sind die einzelnen Seienden und Existenzen. Jedes Seiende, so sagt die Scholastik, hat das Sein nicht, das jedes andere Seiende hat. Hier kommt die Vorstellung vom Menschen als "freiem" ins Spiel: Weil jedes Seiende einzigartig ist, kann es vom Menschen nur unter bestimmten einschränkenden Rücksichten (technische Verwertbarkeit, Nutzen für die Gesundheit, gut für mich) angestrebt werden. Diese Rücksicht aber stellt die Seienden in eine feste Wertordnung. Wertordnungen verhindern aber Freiheit: denn entweder wählt man, dann muss man sich aus Vernunftsgründen für das "bessere" oder "höhere" entscheiden, ist also nicht frei. Oder man wählt unvernünftig, also blind, dann wählt man auch nicht frei, denn blindes Herausgreifen ist kein Wählen. [...]


Du sagst das Sein schließt das Nichtsein aus und ist deshalb ungeteilt. Das Sein fällt wiederum mit Gott zusammen. Also ist das ungeteilte Sein gleich Gott. Und jeder hat also eine persönliche Beziehung zum Sein. Wenn ich das richtig entschlüssele, ist nun jedes Sein eine Facette des Gesamt-Seins, das Gott ist. Also ist jede Existenz ein Teil eines gesamten Gottes. Deine Ansichten, wenn ich das richtig verstanden habe, stehen also eher in einer gnostischen Tradition. Leider haben nervige Kritiker wie ich keine Geduld mit derartigen Konstrukten, denn sie entbehren jeder Grundlage. Du kannst Begriffe wie wild zerlegen und in immer neue, auch komplexe Zusammenhänge bringen, aber es ändert an der Ausgangssituation nichts.

Die Scholastiker, die du hier anbringst haben ihre Gott-Idee, insbesondere die monotheistische Gott Idee aus einer bronzezeitlichen Sagenwelt. Was genau verleiht dieser Sagenwelt denn nun den Anspruch, überhaupt mehr zu sein, als eine bronzezeitliche Sagenwelt? Inwiefern haben andere Sagenwelten dieses besondere Element nicht? Sicherlich kann sich ein interessierter Autor viele Gründe einfallen lassen, die eine vergleichbare Struktur haben, wie deine Ausführungen. Nichts aber "erhebt" sich davon auf die nächsthöhere Ebene, auf eine Warte, die wirklich alle Sagenwelten absucht und nach klaren externen Kriterien feststellt, welche der Wahrheit am nächsten ist. Deshalb ist der Italiener erwartbar katholisch und der Inder erwartbar Hindu.

An plausiblen Begründungen, warum es diese Sagen gibt, wie sie entstanden sind, welche Zwecke sie verfolgen, warum sie so sind, wie sie sind, mangelt es nicht. Auch nicht, warum Menschen Sein und Nichtseins, Existens und ähnliche Begriffe kennen, die eben nicht über sie hin ausweisen. Wo wir bei alten Zöpfen sind, da hatte Kant schon mit feiner preußischer Ironie gemeint, dass ein jeder sich 100 Taler vorstellen könne, aber die Vorstellung allein noch keine 100 Taler in der Hosentasche wahr werden lässt. Dazu gab es natürlich zahlreiche Repliken in alle möglichen geistigen Sphären (oder Abgründe), aber am Umstand selbst hat sich seitdem nichts geändert.

Daher ist dein Gottesbegriff ein Deepity. Natürlich hat jeder eine Beziehung zum Sein, aber das Sein ist nicht Gott und alles Sein ist auch nicht Gott. Davon ist in der Bibel mit den volkstümlichen Geschichten auch nirgends die Rede. Dafür, so habe ich es verstanden, gibt es ja die Theologie, die aus der Sagenwelt komplizierte Gebäude baut, womit sich der Fan dann auseinandersetzen kann.

Daniel Dennett über Deepities, Kurzfassung.



Mittellange Fassung ist hier zu sehen: Dennett über Theologie (6 min.),und die ganze Session mit dem Titel "The Evolution of Confusion" kann hier abgerufen werden (sehenswert, fand ich).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Nanna » Mi 4. Jul 2012, 22:54

Darth Nefarius hat geschrieben:Dein Naturalismus schließt also die Metaphysik mit ein?

Ja natürlich. Wie ich schonmal gesagt habe ist auch dieses Forum hier voll von Metaphysik. Wo ist denn der Beitrag, den du da geschrieben hast? In der Datenbank etwa? Ja, die kann dir auch nicht erklären, was ein "Gottesbegriff" ist, obwohl das (oder zumindest Meinungen darüber) in den Beiträgen durchaus enthalten ist. Natürlich geht es nicht ohne die empirisch nachweisbare Datenbank, das ist doch trivial, aber der Beitrag kommt als solcher erst zu Sinn und Geltung, indem er in einem quantitativ nicht mehr vollständig beschreibbaren Prozess interpretiert wird. Im Prinzip ist auch das Fließenmuster in der Küche schon Metaphysik, insofern, als dass Muster nichts Materielles sind. Das heißt noch lange nicht, dass da irgendetwas spukhaftes, übernatürliches im Spiel wäre.

Nebenanmerkung:
Ich könnte mir in meinem beklagenswerten Laienwissen über Physik vorstellen, dass solche Interpretationen oder metaphysischen Merkmale Eigenschaften einer vierdimensionalen Welt sind, da Interpretation immer im zeitlichen Ablauf stattfindet und empirisch festgestellte Fakten, sofern sie sich auf materielle Gegenstände beziehen, immer nur maximal dreidimensionale Objekte erfassen können. Wahrscheinlich müsste man analog ein fünfdimensionales Wesen sein, um Metaphysik "ganz normal" als empirisches Faktum betrachten zu können. Natürlich kann es sein, dass das jetzt aber auch nur klug klingt und in Wirklichkeit großer Unsinn ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dieses Gefühl "da ist doch sicherlich mehr da draußen" gehört in Akte X, nicht in eine rationale Diskussion. An einer empristischen Sichtweise ist nichts plump, sie ist wesentlich komplexer als das Denken und Glauben nach Wunsch, das alles andere ignoriert.

Es geht nicht um ein unbestimmtes "mehr da draußen", sondern darum, dass letztlich alle Denkprozesse metaphysisch sind (mit "metaphysisch" meine ich ausdrücklich nicht "aphysisch" oder "übernatürlich"). Sie brauchen natürlich die materiellen Träger und können auch nur im Rahmen dessen Agieren, was physisch möglich ist, aber sie sind nicht im engen Sinne physisch. Ich meine damit aber keinen Dualismus, das ganze bildet schon eine systemische Einheit, aber die Konstruktion von Gedankenwelten ist tatsächlich "mehr" bzw. "anders" (und zwar qualitativ, nicht quantitativ) als das uninterpretierte Aufeinanderstoßen zweiter Objekte. Mit Wunschdenken hat das nichts zu tun, im Gegenteil, ein übertriebener Reduktionismus ist das, was Gefahr läuft, sich die Welt einfacher zu machen, als sie ist.

laie hat geschrieben:Nein, es ist nichts diesseitiges, ich glaube nicht. Eher wie ein Bild, welches zwar aus diesseitigen Materialien besteht wie Holz und Leinwand und Farbe und Pinselstruktur, gleichzeitig aber als Bild von etwas Abgebildetem nicht diesseitig oder besser materiell ist.

Wir müssten uns hier mal unterhalten, was wir meinen, wenn wir "diesseitig" sagen. Was ich damit meine, wird im Grunde in dem, was ich Darth Nefarius geantwortet habe, schon recht gut ausgedrückt. Ich halte das Bild als physische Struktur für materiell, das Abgebildete für immateriell, aber beides für diesseitig. Es gibt da keine unabhängige Sphäre, in der das Abgebildete existiert, sondern irgendwie scheint das Abgebildete irgendwie irgendwo in den zeitlichen Beziehungen zwischen materiellen Objekten zu existieren und ist in Existenz und auch Eigenschaften an diese gebunden. Deshalb, ja, Interpretationen bzw. Gedankengebäude sind schon "mehr" als das physische, aber qualitativ und nicht quantitativ im Sinne eines eigenständigen existentiellen Bereichs (ok, kann man sicherlich auch präziser fassen, ich stehe da auch noch ziemlich am Anfang der Entwicklung meiner Position).

laie hat geschrieben:Ich meine, daß der Seinsbegriff umfassender ist als physische Realität ...

Könntest du das näher charakterisieren? Ich würde meinerseits sagen, dass das Sein mehr umfasst als "nur" die Atome, sondern eben auch gedankliche Strukturen, aber für mich gehen diese Strukturen nicht im engeren Sinne über das Physische hinaus, sondern sind gewissermaßen in physischer Realität inklusive der Zeit, also quasi im vierdimensionalen Raum, enthalten (und können auch nur durch zeitliche Prozesse "ausgelesen" werden).

laie hat geschrieben:Gott fällt mit dem Seinsbegriff zusammen.

Platte Frage: Warum? Warum kann man deiner Meinung nach "Gott" nicht streichen und das "Sein" Sein sein lassen?

laie hat geschrieben:Nur, wenn das Sein ("Gott") selbst angezielt wird, können wir echte Freiheit realisieren. Denn das Sein hat keine Teile, die wir uns erst in eine Wertordnung bringen müssten. In der islamischen Mystik heisst ein ähnlicher Gedanke: freedom is the absence of choice. Das Englische gefällt mir hier besser, weil griffiger.

Nimm's mir bitte nicht übel, wenn ich "griffiger" jetzt nicht unbedingt zur Beschreibung dessen gewählt hätte. Verstehe ich dich richtig, dass du von irgendeiner Art höherer Wahrheit ausgehst, die das Zusammenfallen von Normen und Freiheit beinhaltet? Und das wäre dann gleichbedeutend mit dem "Sein"? Haut mich jetzt spontan nicht so unbedingt um, aber vielleicht willst du es ja noch etwas kleinschrittiger ausführen, wie du da von A zu B kommst.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ganimed » Mi 4. Jul 2012, 23:52

Nanna hat geschrieben:Es geht nicht um ein unbestimmtes "mehr da draußen", sondern darum, dass letztlich alle Denkprozesse metaphysisch sind (mit "metaphysisch" meine ich ausdrücklich nicht "aphysisch" oder "übernatürlich"). Sie brauchen natürlich die materiellen Träger und können auch nur im Rahmen dessen Agieren, was physisch möglich ist, aber sie sind nicht im engen Sinne physisch.

Ich bin mir nicht ganz sicher, meine aber irgendwie, dass man doch besser und einfacher und sicherer fährt, wenn man sich nicht auf dieses Glatteis von "physisch im engeren Sinne" und "metaphysisch im nicht übernatürlichen Sinne" begibt. Wozu soll die Grenzziehung bei diesem "engeren Sinne" gut sein? Ich habe den Eindruck, das verwirrt nur.
Gemeint ist wohl eher der Unterschied zwischen physischen Elementen und ihren emergenten Eigenschaften. Die glatte Holzoberfläche gibt es nicht wirklich, sondern sie ist eine emergente Eigenschaft der einzelnen beteiligten Moleküle. Die Moleküle gibt es nicht wirklich, sondern sie sind eine emergente Eigenschaft der beteiligten Elementarteilchen. Und auf der nächsten Ebene sind dann wohlmöglich Strings. Und mehrere Holzflächen bilden dann vielleicht ein Muster in der Vertäfelung. Und unsere Neuronen im Gehirn bilden ein Bewusstsein, Gedanken und Denkprozesse.
Von diesen kleinen Quantensprüngen zwischen konstituierenden Elementen zu ihren emergenten Gebilden würde ich mich nicht bange machen lassen. Nennen wir alles trotzdem physisch und materiell und fertig ist die Laube. Dann kann man auch den Reduktionismus anwenden, was Vieles nochmal vereinfachen könnte.

Nanna hat geschrieben:die Konstruktion von Gedankenwelten ist tatsächlich "mehr" bzw. "anders" (und zwar qualitativ, nicht quantitativ) als das uninterpretierte Aufeinanderstoßen zweiter Objekte. Mit Wunschdenken hat das nichts zu tun, im Gegenteil, ein übertriebener Reduktionismus ist das, was Gefahr läuft, sich die Welt einfacher zu machen, als sie ist.

Ich war selten so klar der genau gegenteiligen Meinung. Ich glaube, es hat was mit Wunschdenken zu tun, mit einem psychologischen Bedürfnis zur Verklärung. Ich glaube, ohne Reduktionismus läuft man Gefahr, die Welt viel komplexer zu machen als sie ist.

laie hat geschrieben:Nein, es ist nichts diesseitiges, ich glaube nicht.

Da würde ich gerne fragen, welche konkreten Hinweise diesen "Glauben" begründen. Mir fallen keine ein. Was um alles in der Welt weist darauf hin, dass Gedanken mehr sind als die entsprechenden neuronal, biochemischen Aktivitäten? Könnte vielleicht doch nur Wunschdenken der Vater dieses Glaubens sein?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Do 5. Jul 2012, 07:47


Nanna hat geschrieben:Im Prinzip ist auch das Fließenmuster in der Küche schon Metaphysik, insofern, als dass Muster nichts Materielles sind...
Ich würde sagen: Alles Denken ist metaphysisch! Auch das Denken über Materie und physikalische Vorgänge.
Andromedar wird mit der Milchstraße kollidieren. Soviel ist sicher. In ca. 5 Mrd Jahren wird es also die Erde in der jetzigen Form gar nicht mehr geben. Ob es "Leben" in dieser, unserer jetzigen Form überhaupt nochmal irgendwo geben wird, kann niemand wissen. Wer sind wir also und wo wird alles bleiben, was wir je gedacht haben?
Physikalische und chemische Vorgänge funktionieren auch ohne unser Denken darüber. @Vollbreit hat geschrieben, er könne sich ein "intelligentes" Universum vorstellen. Vielleicht ist es so. Vielleicht hat sich das Bewusstsein des Universums in uns verkörperlicht?
Die Frage nach dem Gottesbegriff muss die Frage nach unserem Bewusstsein bleiben.
Ist der Mensch ein Zufallsprodukt innerhalb des Universums oder Absicht?

LG stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Do 5. Jul 2012, 11:14

Es ist für die Fragestellung nach Gott in Wahrheit unwichtig, was wir wissen oder nicht wissen, wo die Grenzen unserer Wahrnehmung liegen und ob wir nur Schatten an der Höhlenwand sehen oder ob alles, was wir wahrnehmen nur Einbildung ist. Alle diese mehr oder weniger überzeugenden Möglichkeiten haben mit Gott nichts zu tun. Der Zusammenhang zu "Gott" wird einfach unterstellt. Der Trick besteht darin, dass die natürliche Kategorie einfach einen übernatürlichen Überbau erhält. Dieser übernatürliche Überbau kann dann die natürliche Welt beinhalten. Da haben wir dann Ideen von Ganzheiten oder von Bewegern die aus dem Übernatürlichen heraus die natürlichen Kausalketten angestoßen haben. Im Grunde kann alles in die übernatürliche Kategorie eingebaut werden. Ganze Welten, Paradise, Verdammungsorte, Wesenheiten, Geister, Ahnen finden dort Platz. Es ist eine sprachliche Mogelpackung, die noch aus mythologischen Zeiten stammt (und da auch ihre Daseinsberechtigung hatte).

Der Mensch in seiner (nahezu) heutigen Form ist mehr als 150.000 Jahre alt. Die wirren Gottesideen, denen heutige Menschen anhaften sind in der Bronzezeit entstanden und seit ein paar Jahrhunderten bereits im Niedergang begriffen. Das Christentum wird es in der Rückschauf auf einen Wimpernschlag bringen. Schon heute haben sich die Lehren sehr stark transformiert und es wird so weiter gehen, bis vom ursprünglichen Kern nichts mehr übrig ist (man kann argumentieren, dass das außer bei Evangelikalen und Muslims schon heute der Fall ist). Manche Leute, wie offenbar auch in dem Forum hier, glauben im besten Sinne an Rudimente. An zurückgebildete, destillierte Essenzen aus der christlichen Lehre, haben es aber versäumt, darzustellen, woran dieser Gottesbegriff denn nun konkret hängt. Die Evangelikalen und Muslime gehen von der Prämisse aus, dass ihre heilige Schrift das Wort des Gottes sei. Ohne die Prämisse, geht das ganze Gebilde in die Grütze, es sei denn man lässt sich was anderes einfallen. Es ist eben nicht mit einer magischen Handbewegung getan, und der offenkundigen Tatsache, dass wir eine Wahrnehmung haben (die von der Wirklichkeit verschieden ist).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 5. Jul 2012, 12:56

lumen hat geschrieben: Der Trick besteht darin, dass die natürliche Kategorie einfach einen übernatürlichen Überbau erhält.


Was ist eine natürliche Kategorie? Sind Einheit, Vielheit, Relation usw. natürliche Kategorien?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 5. Jul 2012, 13:08

ganimed hat geschrieben:Ich glaube, ohne Reduktionismus läuft man Gefahr, die Welt viel komplexer zu machen als sie ist.


Du hast anschaulich eine Laube beschrieben. Ist die Laube nun eine "Laube" oder sind das nur irgendwelche Quanten? Ich meine, Reduktionismus ist ja ganz gut und schön, aber was haben wir davon, wenn wir in der Biologie nicht mehr von Elefanten reden, sondern von Energie? Was soll jetzt einfacher sein? Und jetzt kommen wir zu den Problemfeldern: Was ist der Gehalt eines Textes? Das, was wir im Kopf haben? Neuronale Feuerwerke? Was sagen diese Feuerwerke letzten Endes?

Im Grunde geht der Erkenntnisprozess hier sezierend vor: wir zerstören den Individuenbereich einer Theorie und ersetzen ihn durch einen neuen. Manchmal können wir zwei Ontologien noch voneinander ableiten, können also sagen, daß der neue Individuenbereich mit dem alten irgendwie etwas zu tun hat. Aber sonst?

nanna hat geschrieben:Ich halte das Bild als physische Struktur für materiell, das Abgebildete für immateriell, aber beides für diesseitig. Es gibt da keine unabhängige Sphäre, in der das Abgebildete existiert, sondern irgendwie scheint das Abgebildete irgendwie irgendwo in den zeitlichen Beziehungen zwischen materiellen Objekten zu existieren und ist in Existenz und auch Eigenschaften an diese gebunden. Deshalb, ja, Interpretationen bzw. Gedankengebäude sind schon "mehr" als das physische, aber qualitativ und nicht quantitativ im Sinne eines eigenständigen existentiellen Bereichs (ok, kann man sicherlich auch präziser fassen, ich stehe da auch noch ziemlich am Anfang der Entwicklung meiner Position).


Ich stehe auch am Anfang. Was ist, wenn das, was der Maler abbildet (das "Abgebildete") abstrakt ist? Was zeigt dann das Abbildende (das "Bild")? Was ist das Bild dann? Existiert es "irgendwie irgendwo in den zeitlichen Beziehungen zwischen materiellen Objekten"? Die Leinwand, ja die schon. Die verwendeten Materialien, ja. Aber das Bild?
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