xander1 hat geschrieben:Bei subjektiven Einschätzungen anderer argumentierst du meist dagegen. [...] Damit schränkst du den erfahrbaren Horizont ein.
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn die Argumente korrekt sind, ist es irrelevant, was die Intention ist.
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Bist du, ganz ehrlich, offen für Argumente, die der Religion zugute kämen, oder sind proreligiöse Argumente für dich per definitionem ein Widerspruch in sich selbst? Echte Diskussionen werden immer ergebnisoffen geführt.
Nein, Talkshows werden so geführt. Man darf ruhig zu einem Ergebnis kommen und muss die gegenargumente nicht kpnstlich aufwerten, damit es ausgeglichen aussieht.
Wenn man eine dezidierte Position hat ist es selbstverständlich, dass die Gegenargumente (mit denen man sich bei einer dezidierten Haltung auseinandergesetzt hat) einen nicht überzeugen.
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Natürlich hat jede Seite ihre festen Überzeugungen, aber im Zweifel müssen die Grundregeln des Diskutierens, also logische Gültigkeit der Gedankenführung, solide Wahl der Prämissen, Transparenz der Argumentation und nicht zuletzt das Einhalten sozialer Höflichkeitsregeln dem rigorosen Durchsetzen der eigenen Meinung vorgehen.
Meinst du wirklich, dass dies bei einer proreligiösen Haltung möglich ist? Habe ich noch nie erlebt, und du?
Darth Nefarius hat geschrieben:Mit anderen Worten, wann man den Mund halten sollte? Das ist eine unterwürfige Geste, die bei interessanten Persönlichkeiten nicht notwendig ist. Mein Freundeskreis akzeptiert und schätzt Ehrlichkeit und kann mit solchen Aussagen umgehen, labilere Gemüter, denen man alles verschweigen muss, sind für mich keine interessanten Personen. Wenn er aber, wie er es beschreibt, von dieser Sorte herausgefordert wird, ist es legitim auch zu antworten, oder meinst du er sollte kuschen, obwohl sie sich unlängst über "den Atheisten" ihre Meinung haben? Was gibt es da zu verlieren?
Darth Nefarius hat geschrieben:Und im Forum sehe ich diese Schranke nicht
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:(das Standardargument gegen Religion mit den Grausamkeiten der Kreuzzüge, Hexenverfolgungen etc. ist so eines, wo der Gewaltaspekt im Kontext von Religion einseitig überinterpretiert wird, was dem Vorbringenden aber häufig als "blanke, rationale Wahrheit" erscheint, obwohl sehr viel emotional geprägte Empörung dabei ist).
Ist diese Empörung etwa nicht angebracht? Die kontrareligiöse Position wird nicht durch den hass auf die Religion sachlich falscher, wenn auch emotionaler. Das Leugnen dieser Untaten kommt der Holocaustleugnung gleich und beides empört Menschen zurecht.
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben: Oft erreicht man viel mehr, wenn man sich etwas zurückhält und nur erst mal vorsichtig Zweifel sät und die Leute selbst nachdenken lässt.
Zweifel ist der natürliche Feind des Glaubens. Aber wie willst du das bezüglich dieses Themas anstellen? Man kann nie so subtil werden, dass es einerseits auffällt und andererseits Früchte trägt. Kaum reichen zweifelnde Kommentare, wird man als Atheist enttarnt; sind sie jedoch zu subtil, kommt der Religiöse kaum auf den gedanken, es könnte dem Glauben widersprechen. Und ist man zu beharrlich, kommt es zu Situationen, die du beschrieben hast.
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Versiert zu diskutieren bedeutet eben auch, seine Argumente rhetorisch geschickt anzubringen und sie für das Gegenüber annehmbar zu machen.
Bei Gläubigen sind das nur Argumente, die sie bestätigen. Ich sehe es nicht so, dass man es der Gegenseite möglichst angenehm machen muss. Aber das ist eine Frage des Stils.
Darth Nefarius hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Denn man kommuniziert ja nicht nur den "rationalen" Inhalt, sondern auch andere soziale Signale wie Achtung bzw. Missachtung, Über- bzw. Unterordnung, Hilfsbereitschaft bzw. Rücksichtslosigkeit usw.
Das stimmt. Wenn ich zwischen Über- und Unterordnung entscheiden muss, fällt mir die Wahl nicht schwer.
Darth Nefarius hat geschrieben: Ein paar verzweifelte dumme Puten hatten mal in meiner Schulzeit eine Diskussion versucht vom Zaun zu brechen, weil ich entsprechend meinem Blick sie für "dumm oder so" halte.
Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist eben nicht egal. Denke an deine eigenen Worte bezüglich Emotionalität und soziale Bedeutung. Kaum ein Konflikt kann so eskalieren wie einer bezüglich des Glaubens oder hast du schonmal von den Kunstkriegen gehört? Es wird wohl auch deiner Erfahrung entsprechen, dass zuerst die Religion, dann die Politik, dann die Kunst, dann um die Popkultur und dann noch um Zylinderkopfdichtungen emotional am geladensten sind.
Darth Nefarius hat geschrieben:Dein Bild von der Gegenseite ist reichlich idealisierend. Hast du schonmal diesen Mattussek in den Talkshows bezüglich des Glaubens diskutieren sehen? Wie willst du es dem recht machen, außer dass du sagst "ja du und der Katholizismus haben in allen Punkten recht"? Es ist nicht so, dass ich mir versuche auch mal von solchen Diskussionen etwas bezüglich des Stils abzugucken, aber wenn nichtmal Moderation einem solchen Wesen beikommt, ist eine Diskussion aussichtslos.
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe darauf geantwortet, nicht weil es auf mich bezogen war, sondern weil ich eine ziemlich gegensätzliche Position habe. Ich denke, Nanna, dass ich dir gegenüber höflich genug war und deinen Ansprüchen genügte, auch wenn ich auf das eine oder andere klare Wort nicht verzichten konnte.
Nanna hat geschrieben:Die Intention spielt in sozialen Zusammenhängen immer eine Rolle, vielleicht nicht beim Diskussionsergebnis, aber trotzdem darin, wie es aufgenommen wird (Sprüche wie "Du hast Recht, bist aber trotzdem ein Ar...mleuchter" oder "Ich respektiere dich, bin aber nicht einer Meinung mit dir" reflektieren das).
Nanna hat geschrieben:Unabhängig davon ist die Intention aber auch entscheidend dafür, ob eine Diskussion überhaupt in Gang kommt. Wenn niemand die Intention hat, eine Grundsatzdiskussion zu führen, wird es höchstwahrscheinlich auch keine geben. Ein Freund von mir, der Veganer ist, hat z.B. die unangenehme Angewohnheit, jede Erwähnung von Lebensmitteln in eine Grundsatzdiskussion über Fleischkonsum zu führen, mit der Intention, andere zum wohlwollenden Nachdenken über den Veganismus oder gar dessen Übernahme zu bewegen. Viele seiner Argumente sind stichhaltig, haben aber wegen der missionarischen Attitüde trotzdem ein "Gschmäckle", wie man so schön sagt, und sind häufig auch unangebracht, weil niemand vorher zugestimmt hat, eine Grundsatzdiskussion zu führen. Einfach nur "korrekte Argumente" in die Landschaft rauszuplärren reicht eben nicht aus, um wirklich eine produktive Diskussion zu führen.
Nanna hat geschrieben:"Ergebnisoffen" bedeutet nicht, dass am Ende kein Ergebnis steht, sondern dass am Anfang keines steht.
Nanna hat geschrieben: Wenn jeder bereits vor der Diskussion beschlossen hat, Recht zu haben, ist eine Diskussion überflüssig und findet per definitionem auch gar nicht statt.
Nanna hat geschrieben:Allenfalls kann man von einem "Meinungsaustausch" in dem Sinne sprechen, dass man sich gegenseitig eine Übersicht seiner inkonsumerablen Positionen gibt. Das kann in politischen Talkshows, die der öffentlichen Profilierung und der Information der Wähler dienen sollen, sogar sinnvoll sein, aber darüber rede ich hier nicht. Eine konstruktive Diskussion, die tatsächlich der Wahrheitsfindung dient, ist eine, bei der alle Beteiligten sich emotional vom Gegenstand ein Stück weit distanzieren, um in der Lage zu sein, Argumente ihrer Stärke nach zu bewerten. Das schließt leidenschaftliches Streiten nicht aus, penetrante Rechthaberei aber sehr wohl.
Nanna hat geschrieben:Meinst du wirklich, dass dies bei einer proreligiösen Haltung möglich ist? Habe ich noch nie erlebt, und du?
Nanna hat geschrieben:Generell glaube ich schon, dass es rationalistisch orientierte Strömungen in der Religion gibt, die meine o.g. Bedingungen für rationalen Diskurs erfüllen können, ja.
Nanna hat geschrieben: Mich überzeugt's nicht, aber deshalb muss ich Religiöse nicht für prinzipiell diskussionsunfähig erklären (und wir reden hier natürlich nicht über den Fundamentalisten aus der Wüste).
Nanna hat geschrieben:Den Mund halten ist nicht unbedingt eine unterwürfige Geste, sondern kann auch taktische Klugheit sein. Wer sofort die volle Breitseite abgibt, erzeugt häufig instinktive Abwehr beim Gegenüber, die dann keine Diskussion mehr ermöglicht, indem man das vermeidet, kann man sich den Gesprächskanal für später offen halten.
Nanna hat geschrieben: Es ist schön, wenn du interessante Personen um dich hast, die deine Ehrlichkeit schätzen, aber im Umkehrschluss legt deine Aussage ja auch nahe, dass du nur einen Modus der Meinungsäußerung beherrscht, ich nenne ihn mal den in-your-face-Modus. Auffällig ist auch, dass du von deinen Freunden sprichst, also von Leuten, die dir vertrauen. Es ist nur natürlich, dass Vertrauenspersonen sich häufig eher etwas Ehrliches sagen lassen, als Fremde.
Nanna hat geschrieben:Von einem umsichtigen Diskutanten (Achtung, kleine Stichelei ) würde man allerdings erwarten, dass er bei Bedarf seine Diskussionsweise dem Gegenüber anpassen kann. Vielleicht braucht das "labile Gemüt" einfach nur einen anderen Zugang zu den Gegenargumenten, und da würde es eben für dich sprechen, wenn du dem/derjenigen eine Brücke bauen würdest.
Nanna hat geschrieben:Die Messlatte sollte dabei auch nicht dein Freundeskreis sein, sondern wie gut du Leute erreichst, die besonders verschieden von dir sind.
Nanna hat geschrieben:Wenn du einen hinduistischen Bauern aus Bengalen mit deinen Argumenten erreichst, so dass er sie zumindest nachvollziehen kann, dann wäre ich beeindruckter.
Nanna hat geschrieben:Es geht ja nicht um's Forum. Jeder, der hier hereinkommt, akzeptiert per Forenregeln und über die hier verbreitete Diskussionskultur, dass hier sehr sachlich, prowissenschaftlich und logikbezogen argumentiert wird.
Nanna hat geschrieben: Ich bevorzuge so einen Diskussionsstil ja auch, aber es ist eben nicht der einzige, den es gibt.
Nanna hat geschrieben:Gerade mit Leuten, die rhetorisch weniger versiert, vielleicht weniger (fachlich) gebildet, weniger diskussionsfreudig und weniger an selbstkritischer Reflexion interessiert sind, muss man erstmal common grounds ausleuchten und Vertrauen aufbauen.
Nanna hat geschrieben: Außerdem muss man überhaupt erstmal klären, was man meint, wenn man dieses und jenes sagt. Der eine sagt Religion und meint seine Meditation im Garten, während der andere nur "Taliban" hört.
Nanna hat geschrieben: Da hilft auch alle Ehrlichkeit und Offenheit nichts, da braucht es Klugheit und Empathie, sonst findet man erst gar nicht heraus, ob sich zu diskutieren überhaupt lohnt - kann ja sein, dass man ähnliche Ansichten hat, die nur durch unterschiedlichen Sprachgebrauch verdeckt werden.
Nanna hat geschrieben:Nein, es ist nicht pauschal angebracht. Du kannst nicht, wenn BMW ein neues Auto präsentiert, die Zerschlagung des Konzerns fordern, nur weil da in der Nazizeit auch Zwangsarbeiter beschäftigt waren.
Nanna hat geschrieben: Wenn Emotionalität zur quantitativen wie qualitativen Verzerrung der Faktenlage führt, was sie ihrer Natur nach ja fast immer tut, ist sie sehr wohl ein Problem.
Nanna hat geschrieben:Wo ich geschrieben habe, dass der "Gewaltaspekt im Kontext von Religion einseitig überinterpretiert wird" hast du anscheinend nur noch "Leugnen dieser Untaten" gelesen. Das ist genau das, was ich meine.
Nanna hat geschrieben:Von Leugnen war keine Rede, aber wer solche Aspekte eben einseitig überinterpretiert, kann alles nur noch durch diese Brille sehen.
Nanna hat geschrieben:Unterschiede in der Bewertung von Sachverhalten sind selten binär, aber viele der Äußerungen von dir und auch Andilein gehen in die Richtung, dass man eigentlich nur noch für oder gegen Religion sein kann.
Nanna hat geschrieben:Das würde ich an eurer Stelle überdenken, nicht um der Religion, sondern um der umfassenden und fairen Betrachtung willen, die unabhängig vom Gegenstand gelten muss, wenn man wissenschaftliche Standards anstrebt.
Nanna hat geschrieben:Du kannst niemanden zum Zweifel zwingen, das zu akzeptieren ist der erste Schritt, den man schon allein um des eigenen Wohlbefindens willen gehen sollte.
Nanna hat geschrieben: Ich sehe das Problem, das du beschreibst, aber ich meine auch nicht zwingend, dass man versucht, andere Leute zu manipulieren. Es kann ausreichen, zu sagen, dass man Atheist ist und eine andere Meinung hat, aus diesen und jenen Gründen.
Nanna hat geschrieben:Dabei muss man gar nicht offensiv gegen die Religion argumentieren, es reicht häufig vollkommen aus, ein abweichendes Beispiel zu geben, an dem andere sich orientieren können und das sie herausfordert, sich dazu zu positionieren (und damit auch dazu zwingt, komplett selber über das Thema nachzudenken, ohne subtilen missionarischen Anstoß). Ein Beispiel:
Ich war mal auf einer Hochzeit, wo wir in einem Gasthaus in kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten an Tischen verteilt saßen, ich mit meiner damaligen Freundin an einem. Wir sind beide Vegetarier und hatten das vegetarische Menü bestellt, ohne allerdings irgendwelches Aufhebens drum zu machen. Als das Essen serviert wurde, fingen die Leute reihum am Tisch plötzlich ungefragt an, sich für ihren Fleischkonsum zu rechtfertigen oder zu betonen, dass sie nur ganz wenig Fleisch essen würden oder wie toll sie das fänden, dass wir Vegetarier seien. Wir hatten keinen Piep gesagt, aber anscheinend forderte das abweichende Beispiel allein die Leute heraus, die eigene Position zu bedenken und in eine Beziehung zu unserem abweichenden Verhalten zu setzen. Und vielleicht war es gerade die Selbstverständlichkeit, mit der wir das vorgelebt haben, die die Umsitzenden zum Überlegen gebracht hat, dass das mit dem Vegetarismus vielleicht ganz nett und praktikabel sein könnte.
Nanna hat geschrieben:Das heißt nicht, dass Diskussionen über Fleischkonsum unsinnig wären, aber eben nur abhängig vom Kontext. [...]Das meine ich damit, dass man mit Empathie und Situationsgefühl häufig einfach weiter kommt.
Nanna hat geschrieben:Komisch, ich hatte den Eindruck, dass auch eine ganze Reihe von Ungläubigen hier nur Argumente zulassen, die sie bestätigen. Wie oft wird hier nicht gesagt, dass jemand es für unmöglich hält, dass ein Religiöser ordentlich argumentiert, schreibst ja auch du selber (s.o.).
Nanna hat geschrieben:Richtig, aber der Anspruch an die Diskussionskultur sollte überall derselbe sein.
Nanna hat geschrieben:Ja, und dann kann es tatsächlich angebracht sein, eine scharfe Erwiderung zu geben, einfach, damit die Umstehenden kapieren, dass man einer ganz und gar anderen Meinung ist. Ich bin nicht pauschal dagegen, das Gegenüber in Grund und Boden zu reden, aber wir haben ja ursprünglich nicht von Profitalkern, sondern von Diskussionen in einer Abiturklasse geredet, wo man ja anderen sozialen Zusammenhängen ausgesetzt ist.
Nanna hat geschrieben: Man kann eine Diskussion übrigens auch mit den Worten "Ich bin da völlig anderer Meinung, halte eine Diskussion mit Ihnen darüber aber für unmöglich und werde mich deshalb zurückziehen" beenden. Man muss sich ja nicht jeden Mist antun.
Nanna hat geschrieben:Aber mir ging es nicht darum, irgendjemandem hier Vorwürfe zu machen, eher darum, die Fragestellung etwas allgemeiner von "Warum bekomme ich für Religionsbashing keinen Applaus, obwohl mir der ja wohl ganz ganz zweifelsfrei zustünde?" hin zu "Wenn eine Diskussion schiefgeht, sind dann immer nur die Anderen schuld?" zu bewegen, unabhängig von der Person.
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