"Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Re: "Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Beitragvon Darth Nefarius » So 26. Aug 2012, 19:19

Ich habe auch von Schulen (Gymnasien) geredet, in gebildeteren Schichten ist Atheismus verbreitet und gesellschaftstauglich. Diese schichten stellen gewiss mehr als 1% dar. Ich verstehe auch nicht, wieso es dich stört, dass es überhaupt Kreise gibt, in denen man sich zum Atheismus bekennen kann und man sagt "ja, und?". Das sollte dich freuen.
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Re: "Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Beitragvon JustFrank » So 26. Aug 2012, 19:43

Ja, die Gleichung geht auf. Nicht umsonst versuchen die Taliban, um mal am extremsten Ende der Skala zu beginnen, jegliche Bildung in Afghanistan zu verhindern. Echte Bildung stellt für alle Götter ein existenzielles Problem dar, weil es sie auf breiter Front entlarvt.

Vor allem gebildete Frauen stellen für Fundis ein kaum beherrschbares Problem dar. Was, wenn genau diejenigen, die Religion innerhalb ihrer Familien stumpf weitergeben sollen aufgrund ihrer Bildung plötzlich ausfallen? Die, die am meisten Einfluss auf ihre Kinder ausüben?

Also wenn ich Mullah, Pope oder Guru wäre, fände ich Bildung so richtig sch......
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Re: "Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Beitragvon Nanna » Mo 27. Aug 2012, 02:23

xander1 hat geschrieben:Bei subjektiven Einschätzungen anderer argumentierst du meist dagegen. [...] Damit schränkst du den erfahrbaren Horizont ein.

Würde ich nicht so sehen. Subjektive Einschätzungen sind ja per definitionem so angelegt, dass sie von anderen selten geteilt werden. Dissens ist beim Austausch subjektiver Erfahrungen vorprogrammiert, deshalb strebe ich häufig eine allgemeinere Betrachtung an.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn die Argumente korrekt sind, ist es irrelevant, was die Intention ist.

Die Intention spielt in sozialen Zusammenhängen immer eine Rolle, vielleicht nicht beim Diskussionsergebnis, aber trotzdem darin, wie es aufgenommen wird (Sprüche wie "Du hast Recht, bist aber trotzdem ein Ar...mleuchter" oder "Ich respektiere dich, bin aber nicht einer Meinung mit dir" reflektieren das).

Unabhängig davon ist die Intention aber auch entscheidend dafür, ob eine Diskussion überhaupt in Gang kommt. Wenn niemand die Intention hat, eine Grundsatzdiskussion zu führen, wird es höchstwahrscheinlich auch keine geben. Ein Freund von mir, der Veganer ist, hat z.B. die unangenehme Angewohnheit, jede Erwähnung von Lebensmitteln in eine Grundsatzdiskussion über Fleischkonsum zu führen, mit der Intention, andere zum wohlwollenden Nachdenken über den Veganismus oder gar dessen Übernahme zu bewegen. Viele seiner Argumente sind stichhaltig, haben aber wegen der missionarischen Attitüde trotzdem ein "Gschmäckle", wie man so schön sagt, und sind häufig auch unangebracht, weil niemand vorher zugestimmt hat, eine Grundsatzdiskussion zu führen. Einfach nur "korrekte Argumente" in die Landschaft rauszuplärren reicht eben nicht aus, um wirklich eine produktive Diskussion zu führen.


Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Bist du, ganz ehrlich, offen für Argumente, die der Religion zugute kämen, oder sind proreligiöse Argumente für dich per definitionem ein Widerspruch in sich selbst? Echte Diskussionen werden immer ergebnisoffen geführt.

Nein, Talkshows werden so geführt. Man darf ruhig zu einem Ergebnis kommen und muss die gegenargumente nicht kpnstlich aufwerten, damit es ausgeglichen aussieht.
Wenn man eine dezidierte Position hat ist es selbstverständlich, dass die Gegenargumente (mit denen man sich bei einer dezidierten Haltung auseinandergesetzt hat) einen nicht überzeugen.

"Ergebnisoffen" bedeutet nicht, dass am Ende kein Ergebnis steht, sondern dass am Anfang keines steht. Wenn jeder bereits vor der Diskussion beschlossen hat, Recht zu haben, ist eine Diskussion überflüssig und findet per definitionem auch gar nicht statt. Allenfalls kann man von einem "Meinungsaustausch" in dem Sinne sprechen, dass man sich gegenseitig eine Übersicht seiner inkonsumerablen Positionen gibt. Das kann in politischen Talkshows, die der öffentlichen Profilierung und der Information der Wähler dienen sollen, sogar sinnvoll sein, aber darüber rede ich hier nicht. Eine konstruktive Diskussion, die tatsächlich der Wahrheitsfindung dient, ist eine, bei der alle Beteiligten sich emotional vom Gegenstand ein Stück weit distanzieren, um in der Lage zu sein, Argumente ihrer Stärke nach zu bewerten. Das schließt leidenschaftliches Streiten nicht aus, penetrante Rechthaberei aber sehr wohl.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Natürlich hat jede Seite ihre festen Überzeugungen, aber im Zweifel müssen die Grundregeln des Diskutierens, also logische Gültigkeit der Gedankenführung, solide Wahl der Prämissen, Transparenz der Argumentation und nicht zuletzt das Einhalten sozialer Höflichkeitsregeln dem rigorosen Durchsetzen der eigenen Meinung vorgehen.

Meinst du wirklich, dass dies bei einer proreligiösen Haltung möglich ist? Habe ich noch nie erlebt, und du?

Sagen wir so, mit einem Theologieprofessor streitet es sich nicht mehr ganz so leicht über bestimmte Aspekte, insbesondere, weil es in der Theologie durchaus rationalistisch geprägte Schulen gibt (z.B. den Theologischen Rationalismus im Christentum oder die Mu'tazila im Islam). Wenn man mit Leuten diskutiert, die davon Ahnung haben, kann man ganz schön herausgefordert sein, die Deutungshoheit über den Rationalismus zu behalten. Generell glaube ich schon, dass es rationalistisch orientierte Strömungen in der Religion gibt, die meine o.g. Bedingungen für rationalen Diskurs erfüllen können, ja. Ob sie sich bis zum Ende behaupten können, sei mal dahingestellt, das hängt dann häufig davon ab, wie sehr man Prinzipien wie Ockhams Rasiermesser für entscheidend hält, aber das ist halt alles nicht mehr letztentscheidbar. Mich überzeugt's nicht, aber deshalb muss ich Religiöse nicht für prinzipiell diskussionsunfähig erklären (und wir reden hier natürlich nicht über den Fundamentalisten aus der Wüste).

Darth Nefarius hat geschrieben:Mit anderen Worten, wann man den Mund halten sollte? Das ist eine unterwürfige Geste, die bei interessanten Persönlichkeiten nicht notwendig ist. Mein Freundeskreis akzeptiert und schätzt Ehrlichkeit und kann mit solchen Aussagen umgehen, labilere Gemüter, denen man alles verschweigen muss, sind für mich keine interessanten Personen. Wenn er aber, wie er es beschreibt, von dieser Sorte herausgefordert wird, ist es legitim auch zu antworten, oder meinst du er sollte kuschen, obwohl sie sich unlängst über "den Atheisten" ihre Meinung haben? Was gibt es da zu verlieren?

Den Mund halten ist nicht unbedingt eine unterwürfige Geste, sondern kann auch taktische Klugheit sein. Wer sofort die volle Breitseite abgibt, erzeugt häufig instinktive Abwehr beim Gegenüber, die dann keine Diskussion mehr ermöglicht, indem man das vermeidet, kann man sich den Gesprächskanal für später offen halten. Es ist schön, wenn du interessante Personen um dich hast, die deine Ehrlichkeit schätzen, aber im Umkehrschluss legt deine Aussage ja auch nahe, dass du nur einen Modus der Meinungsäußerung beherrscht, ich nenne ihn mal den in-your-face-Modus. Auffällig ist auch, dass du von deinen Freunden sprichst, also von Leuten, die dir vertrauen. Es ist nur natürlich, dass Vertrauenspersonen sich häufig eher etwas Ehrliches sagen lassen, als Fremde.
Von einem umsichtigen Diskutanten (Achtung, kleine Stichelei ;-)) würde man allerdings erwarten, dass er bei Bedarf seine Diskussionsweise dem Gegenüber anpassen kann. Vielleicht braucht das "labile Gemüt" einfach nur einen anderen Zugang zu den Gegenargumenten, und da würde es eben für dich sprechen, wenn du dem/derjenigen eine Brücke bauen würdest. Die Messlatte sollte dabei auch nicht dein Freundeskreis sein, sondern wie gut du Leute erreichst, die besonders verschieden von dir sind. Wenn du einen hinduistischen Bauern aus Bengalen mit deinen Argumenten erreichst, so dass er sie zumindest nachvollziehen kann, dann wäre ich beeindruckter.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und im Forum sehe ich diese Schranke nicht

Es geht ja nicht um's Forum. Jeder, der hier hereinkommt, akzeptiert per Forenregeln und über die hier verbreitete Diskussionskultur, dass hier sehr sachlich, prowissenschaftlich und logikbezogen argumentiert wird. Ich bevorzuge so einen Diskussionsstil ja auch, aber es ist eben nicht der einzige, den es gibt. Gerade mit Leuten, die rhetorisch weniger versiert, vielleicht weniger (fachlich) gebildet, weniger diskussionsfreudig und weniger an selbstkritischer Reflexion interessiert sind, muss man erstmal common grounds ausleuchten und Vertrauen aufbauen. Außerdem muss man überhaupt erstmal klären, was man meint, wenn man dieses und jenes sagt. Der eine sagt Religion und meint seine Meditation im Garten, während der andere nur "Taliban" hört. Solche Leute führen dann stundenlange Streitgespräche und merken nicht, dass sie meilenweit aneinander vorbeireden. Da hilft auch alle Ehrlichkeit und Offenheit nichts, da braucht es Klugheit und Empathie, sonst findet man erst gar nicht heraus, ob sich zu diskutieren überhaupt lohnt - kann ja sein, dass man ähnliche Ansichten hat, die nur durch unterschiedlichen Sprachgebrauch verdeckt werden. Wer schon nach zwei Minuten sämtliche Großkaliber rauszieht und den anderen durch sein rhetorisches Auftrumpfen verärgert und allein schon aus sozialen Gründen eine scharfe Erwiderung provoziert, verspielt die Chance, sowas überhaupt herauszufinden.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:(das Standardargument gegen Religion mit den Grausamkeiten der Kreuzzüge, Hexenverfolgungen etc. ist so eines, wo der Gewaltaspekt im Kontext von Religion einseitig überinterpretiert wird, was dem Vorbringenden aber häufig als "blanke, rationale Wahrheit" erscheint, obwohl sehr viel emotional geprägte Empörung dabei ist).

Ist diese Empörung etwa nicht angebracht? Die kontrareligiöse Position wird nicht durch den hass auf die Religion sachlich falscher, wenn auch emotionaler. Das Leugnen dieser Untaten kommt der Holocaustleugnung gleich und beides empört Menschen zurecht.

Nein, es ist nicht pauschal angebracht. Du kannst nicht, wenn BMW ein neues Auto präsentiert, die Zerschlagung des Konzerns fordern, nur weil da in der Nazizeit auch Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Beides hat, ungeachtet des gänzlich unbestreitbaren Unrechts, nichts (mehr) miteinander zu tun. Wenn Emotionalität zur quantitativen wie qualitativen Verzerrung der Faktenlage führt, was sie ihrer Natur nach ja fast immer tut, ist sie sehr wohl ein Problem. Der Spruch "Das wird man wohl noch sagen dürfen" ist z.B. ein recht sicherer Indikator dafür, dass einer eine eingefahrene Meinung hat, von der er sich schon rein aus emotionalen Gründen nicht lösen kann, auch wenn er selbst natürlich absolut davon überzeugt ist, "nur die Wahrheit" zu sagen.

Übrigens scheinst auch du hier nicht ganz frei von Scheuklappen zu sein. Wo ich geschrieben habe, dass der "Gewaltaspekt im Kontext von Religion einseitig überinterpretiert wird" hast du anscheinend nur noch "Leugnen dieser Untaten" gelesen. Das ist genau das, was ich meine. Von Leugnen war keine Rede, aber wer solche Aspekte eben einseitig überinterpretiert, kann alles nur noch durch diese Brille sehen. Da ist dann alles, was nicht tiefschwarz ("kommt der Holocaustleugnung gleich") gemalt ist, gleich weiß, obwohl es nur um die differenzierte Betrachtung von Graustufen ging. Unterschiede in der Bewertung von Sachverhalten sind selten binär, aber viele der Äußerungen von dir und auch Andilein gehen in die Richtung, dass man eigentlich nur noch für oder gegen Religion sein kann. Das würde ich an eurer Stelle überdenken, nicht um der Religion, sondern um der umfassenden und fairen Betrachtung willen, die unabhängig vom Gegenstand gelten muss, wenn man wissenschaftliche Standards anstrebt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Oft erreicht man viel mehr, wenn man sich etwas zurückhält und nur erst mal vorsichtig Zweifel sät und die Leute selbst nachdenken lässt.

Zweifel ist der natürliche Feind des Glaubens. Aber wie willst du das bezüglich dieses Themas anstellen? Man kann nie so subtil werden, dass es einerseits auffällt und andererseits Früchte trägt. Kaum reichen zweifelnde Kommentare, wird man als Atheist enttarnt; sind sie jedoch zu subtil, kommt der Religiöse kaum auf den gedanken, es könnte dem Glauben widersprechen. Und ist man zu beharrlich, kommt es zu Situationen, die du beschrieben hast.

Du kannst niemanden zum Zweifel zwingen, das zu akzeptieren ist der erste Schritt, den man schon allein um des eigenen Wohlbefindens willen gehen sollte. Ich sehe das Problem, das du beschreibst, aber ich meine auch nicht zwingend, dass man versucht, andere Leute zu manipulieren. Es kann ausreichen, zu sagen, dass man Atheist ist und eine andere Meinung hat, aus diesen und jenen Gründen. Dabei muss man gar nicht offensiv gegen die Religion argumentieren, es reicht häufig vollkommen aus, ein abweichendes Beispiel zu geben, an dem andere sich orientieren können und das sie herausfordert, sich dazu zu positionieren (und damit auch dazu zwingt, komplett selber über das Thema nachzudenken, ohne subtilen missionarischen Anstoß). Ein Beispiel:
Ich war mal auf einer Hochzeit, wo wir in einem Gasthaus in kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten an Tischen verteilt saßen, ich mit meiner damaligen Freundin an einem. Wir sind beide Vegetarier und hatten das vegetarische Menü bestellt, ohne allerdings irgendwelches Aufhebens drum zu machen. Als das Essen serviert wurde, fingen die Leute reihum am Tisch plötzlich ungefragt an, sich für ihren Fleischkonsum zu rechtfertigen oder zu betonen, dass sie nur ganz wenig Fleisch essen würden oder wie toll sie das fänden, dass wir Vegetarier seien. Wir hatten keinen Piep gesagt, aber anscheinend forderte das abweichende Beispiel allein die Leute heraus, die eigene Position zu bedenken und in eine Beziehung zu unserem abweichenden Verhalten zu setzen. Und vielleicht war es gerade die Selbstverständlichkeit, mit der wir das vorgelebt haben, die die Umsitzenden zum Überlegen gebracht hat, dass das mit dem Vegetarismus vielleicht ganz nett und praktikabel sein könnte.
Der missionarische Veganer, von dem ich weiter oben berichtet habe, hat dagegen häufig eher den Einfluss, dass Umstehende wegen der ganzen Moralisiererei bei gemeinsamen Restaurantbesuchen eher noch zusätzlich Fleisch bestellen oder zumindest ihren Fleischkonsum nicht reduzieren, schon allein, weil man einem Besserwisser den Sieg nicht gönnen will, ganz egal, wie gut seine Argumente sind. Das heißt nicht, dass Diskussionen über Fleischkonsum unsinnig wären, aber eben nur abhängig vom Kontext. Wenn in der Zeitung was über Massentierhaltung steht, erwarte ich argumentative Auseinandersetzungen, gerne zwischendurch auch mal hart und polemisch, aber am Küchentisch muss das Thema ja nicht forciert werden. Das meine ich damit, dass man mit Empathie und Situationsgefühl häufig einfach weiter kommt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Versiert zu diskutieren bedeutet eben auch, seine Argumente rhetorisch geschickt anzubringen und sie für das Gegenüber annehmbar zu machen.

Bei Gläubigen sind das nur Argumente, die sie bestätigen. Ich sehe es nicht so, dass man es der Gegenseite möglichst angenehm machen muss. Aber das ist eine Frage des Stils.

Komisch, ich hatte den Eindruck, dass auch eine ganze Reihe von Ungläubigen hier nur Argumente zulassen, die sie bestätigen. Wie oft wird hier nicht gesagt, dass jemand es für unmöglich hält, dass ein Religiöser ordentlich argumentiert, schreibst ja auch du selber (s.o.).
Im Prinzip ist bekannt, dass das ein allgemein verbreitetes psychologisches Phänomen ist. Wir lesen Zeitungen und sehen Fernsehsender, die in etwa unser Weltbild abbilden, umgeben uns mit Menschen, die ähnlich wie wir denken usw.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Denn man kommuniziert ja nicht nur den "rationalen" Inhalt, sondern auch andere soziale Signale wie Achtung bzw. Missachtung, Über- bzw. Unterordnung, Hilfsbereitschaft bzw. Rücksichtslosigkeit usw.

Das stimmt. Wenn ich zwischen Über- und Unterordnung entscheiden muss, fällt mir die Wahl nicht schwer.

Du könntest es ja zur Abwechslung mal statt mit binären Unterscheidungen mit dem Mittelweg versuchen. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben: Ein paar verzweifelte dumme Puten hatten mal in meiner Schulzeit eine Diskussion versucht vom Zaun zu brechen, weil ich entsprechend meinem Blick sie für "dumm oder so" halte.

Ja, meine Güte, die Pubertät. In solchen Situationen geht es ja recht offensichtlich nicht um eine inhaltliche Diskussion, sondern um eine soziale Statusbestimmung, da muss man dann halt mitspielen und sich um Schadensbegrenzung bemühen. Ich versuch da immer entspannt zu bleiben, sich provozieren lassen lohnt sich nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist eben nicht egal. Denke an deine eigenen Worte bezüglich Emotionalität und soziale Bedeutung. Kaum ein Konflikt kann so eskalieren wie einer bezüglich des Glaubens oder hast du schonmal von den Kunstkriegen gehört? Es wird wohl auch deiner Erfahrung entsprechen, dass zuerst die Religion, dann die Politik, dann die Kunst, dann um die Popkultur und dann noch um Zylinderkopfdichtungen emotional am geladensten sind.

Richtig, aber der Anspruch an die Diskussionskultur sollte überall derselbe sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dein Bild von der Gegenseite ist reichlich idealisierend. Hast du schonmal diesen Mattussek in den Talkshows bezüglich des Glaubens diskutieren sehen? Wie willst du es dem recht machen, außer dass du sagst "ja du und der Katholizismus haben in allen Punkten recht"? Es ist nicht so, dass ich mir versuche auch mal von solchen Diskussionen etwas bezüglich des Stils abzugucken, aber wenn nichtmal Moderation einem solchen Wesen beikommt, ist eine Diskussion aussichtslos.

Ja, und dann kann es tatsächlich angebracht sein, eine scharfe Erwiderung zu geben, einfach, damit die Umstehenden kapieren, dass man einer ganz und gar anderen Meinung ist. Ich bin nicht pauschal dagegen, das Gegenüber in Grund und Boden zu reden, aber wir haben ja ursprünglich nicht von Profitalkern, sondern von Diskussionen in einer Abiturklasse geredet, wo man ja anderen sozialen Zusammenhängen ausgesetzt ist. Man kann eine Diskussion übrigens auch mit den Worten "Ich bin da völlig anderer Meinung, halte eine Diskussion mit Ihnen darüber aber für unmöglich und werde mich deshalb zurückziehen" beenden. Man muss sich ja nicht jeden Mist antun.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe darauf geantwortet, nicht weil es auf mich bezogen war, sondern weil ich eine ziemlich gegensätzliche Position habe. Ich denke, Nanna, dass ich dir gegenüber höflich genug war und deinen Ansprüchen genügte, auch wenn ich auf das eine oder andere klare Wort nicht verzichten konnte.

Das weiß ich schon und ich habe auch mit dir hier in letzter Zeit kein Höflichkeitsproblem gehabt. Aber du eignest dich für bestimmte Punkte als gutes Beispiel, finde ich zumindest, weil du selber oft in Diskussionen mit der Einstellung zu starten scheinst, dass du Recht hast und das auch vermitteln möchtest, was ich nicht immer hilfreich finde, auch für dich selber nicht.
Aber mir ging es nicht darum, irgendjemandem hier Vorwürfe zu machen, eher darum, die Fragestellung etwas allgemeiner von "Warum bekomme ich für Religionsbashing keinen Applaus, obwohl mir der ja wohl ganz ganz zweifelsfrei zustünde?" hin zu "Wenn eine Diskussion schiefgeht, sind dann immer nur die Anderen schuld?" zu bewegen, unabhängig von der Person.
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Re: "Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Beitragvon xander1 » Mo 27. Aug 2012, 10:26

Das wird jetzt spannend - die Diskussion Nanna - Darth Nefarius - aber weniger wegen dem was sie schreiben - sondern eher wenn man statistisch auswerten würde wie viel jeder schreibt und zu welchem Punkt wie viel und wie lange sich die Diskussion zieht - und wenn man sich im Klaren darüber ist welche Motive der Einzelne von beiden hatte (ok - dazu muss man das dann lesen :/ ) , wie sich die Situationsmotive verändern mit der Zeit.

(Ein Informatiker mit Interesse fürs soziale - geht sowas von gar nicht.)
Zumindestens könnte man jetzt Persönlichkeitsprofile anlegen, wenn man das was ich meine hier untersuchen würde.

(Ansonsten muss ich erst mal ne Forum-Pause einlegen und mich zwingen wenig mit dem PC zu machen zur Zeit .... wegen zwangsweiser Erholung meinerseits)
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Re: "Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 27. Aug 2012, 11:25

Nanna hat geschrieben:Die Intention spielt in sozialen Zusammenhängen immer eine Rolle, vielleicht nicht beim Diskussionsergebnis, aber trotzdem darin, wie es aufgenommen wird (Sprüche wie "Du hast Recht, bist aber trotzdem ein Ar...mleuchter" oder "Ich respektiere dich, bin aber nicht einer Meinung mit dir" reflektieren das).

Ersteres Ergebnis ist mir lieber als jede Ar...kriecherei. Mir sind inhaltliche Ergebnisse wichtiger als eine bedeutungslose Freundlichkeit, die auf keinen Gemeinsamkeiten fußt.
Nanna hat geschrieben:Unabhängig davon ist die Intention aber auch entscheidend dafür, ob eine Diskussion überhaupt in Gang kommt. Wenn niemand die Intention hat, eine Grundsatzdiskussion zu führen, wird es höchstwahrscheinlich auch keine geben. Ein Freund von mir, der Veganer ist, hat z.B. die unangenehme Angewohnheit, jede Erwähnung von Lebensmitteln in eine Grundsatzdiskussion über Fleischkonsum zu führen, mit der Intention, andere zum wohlwollenden Nachdenken über den Veganismus oder gar dessen Übernahme zu bewegen. Viele seiner Argumente sind stichhaltig, haben aber wegen der missionarischen Attitüde trotzdem ein "Gschmäckle", wie man so schön sagt, und sind häufig auch unangebracht, weil niemand vorher zugestimmt hat, eine Grundsatzdiskussion zu führen. Einfach nur "korrekte Argumente" in die Landschaft rauszuplärren reicht eben nicht aus, um wirklich eine produktive Diskussion zu führen.

Solchen Leuten sage ich, dass Fleisch einfach besser schmeckt und in Salat so viel Vitamine wie in Druckerpapier ist. Spaß beiseite, ich habe Andileins Situation als Ausgangspunkt genommen, in der er aufgefordert wird und nicht der Initiator ist. Mag sein, dass paradoxerweise die Gläubigen keine grundsatzdiskussion wollen, sie aber eröffnen, aber ich will mit meinem Standpunkt letztlich nur deutlich machen, dass er sachlich nichts falsch macht, wenn er nicht kuscht und sachlich antwortet, dir hingegen ist es so überaus wichtig, dass er ihnen gefällig ist, was ich nicht nachvollziehen kann. Natürlich werden diese Art von Leute ihn dann nicht mögen, aber ich würde mir auch kein Bein ausreißen, damit diese Art es tut. Auf solche Irrationalität habe ich immer verzichtet, dadurch hatte ich zwar nie besonders viele Freunde, aber die, die ich hatte, sind es immer noch, sie sind hochintelligent und rational. Mit anderen Worten beführworte ich es nicht, wenn du ihm nahelegst, freundlicher und entgegenkommender zu sein, wenn es nur einen sozialen Grund hat, da gute Beziehungen mit manchen Menschen keinen Nutzen besitzen, wenn sie so empfindliche und irrationale Wesen sind.
Nanna hat geschrieben:"Ergebnisoffen" bedeutet nicht, dass am Ende kein Ergebnis steht, sondern dass am Anfang keines steht.

Dann solltest du "unvoreingenommen" schreiben. das halte ich aber auch nicht für nötig, sogar für abwegig. Wie gesagt, wenn einem die eigene Position korrekt erscheint, kann man auch von ihr und ihren Konsequenzen überzeugt sein, im Umkehrschluss halte ich eine Haltung wie du sie forderst nicht für geeignet, um in eine Diskussion einzusteigen, da offensichtlich Zweifel an der eigenen Position vorhanden sind und sie deswegen wohl noch nicht stichhaltig genug ist. Wenn man diesen Zeifel aber in sehr geringem Maße hat, genügt die eigene Position den eigenen Ansprüchen. Damit erreicht man erst die maximal erreichbare Qualität als Diskussionspartner, die man selbst erreichen kann. Ich halte es für völlig unnötig mit Leuten zu diskutieren, die sich in ihrer Sache so unsicher sind, dass sie unvoreingenommen in die Sache einsteigen, da sie nicht überzeugt genug von ihrer Position sind.
Nanna hat geschrieben: Wenn jeder bereits vor der Diskussion beschlossen hat, Recht zu haben, ist eine Diskussion überflüssig und findet per definitionem auch gar nicht statt.

Natürlich kann sie das, bis auf Ausnahmen, die schon als Fanatismus bezeichnet werden. In diesem Fall ist eine Diskussion wirklich überflüssig. Erst wenn beide Seiten von ihren Positionen überzeugt sind, halte ich die Qualität der Diskussion für maximal. Dann ist es meist nur anstrengender, langwieriger. Aber unter der Prämisse, dass man rational und logisch reagiert (wie auch mal zu erkennen, dass man unrecht hat), ist dieser Beschluss völlig in Ordnung und eine Konsequenz aus Überzeugung. Ich halte diese Prämisse, um es aber nochmal zu betonen, der wichtigeren unterworfen: Einhaltung von Rationalität und Logik. Einen überzeugten Menschen kann man zwar nicht so leicht überzeugen, aber es ist möglich, wenn er kein irrationaler Zeitgenosse ist. Unter diesen Bedingungen finden die besten Diskussionen statt.
Nanna hat geschrieben:Allenfalls kann man von einem "Meinungsaustausch" in dem Sinne sprechen, dass man sich gegenseitig eine Übersicht seiner inkonsumerablen Positionen gibt. Das kann in politischen Talkshows, die der öffentlichen Profilierung und der Information der Wähler dienen sollen, sogar sinnvoll sein, aber darüber rede ich hier nicht. Eine konstruktive Diskussion, die tatsächlich der Wahrheitsfindung dient, ist eine, bei der alle Beteiligten sich emotional vom Gegenstand ein Stück weit distanzieren, um in der Lage zu sein, Argumente ihrer Stärke nach zu bewerten. Das schließt leidenschaftliches Streiten nicht aus, penetrante Rechthaberei aber sehr wohl.

Ich denke, ich habe klargemacht, wie ich eine ergebnislose Diskussion vermeide: Rationale, intelligente Diskussionspartner, die sich ihrer Sache sicher sind, aber dennoch fähig sind, einzugestehen, dass sie unrecht hatten. Das kann zur Rechthaberei führen, aber keiner unumstößlichen, wenn sie rational bleibt. Aber eigentlich kann niemand ernsthaft entscheiden, ob er neutral einsteigt oder nicht. Manche Personen haben den Fimmel, sich erstmal einzureden, dass sie grundsätzlich offen und möglichst auf die Irrationalitäten des Gegenübers eingehend diskutieren wollen, andere sparen sich solche Art Diskussionen und reden lieber mit im voraus rationalen Menschen, die Klartext verstehen und nicht gleich irrational dicht machen.
Nanna hat geschrieben:Meinst du wirklich, dass dies bei einer proreligiösen Haltung möglich ist? Habe ich noch nie erlebt, und du?

Sagen wir so, mit einem Theologieprofessor streitet es sich nicht mehr ganz so leicht über bestimmte Aspekte, insbesondere, weil es in der Theologie durchaus rationalistisch geprägte Schulen gibt (z.B. den Theologischen Rationalismus im Christentum oder die Mu'tazila im Islam). Wenn man mit Leuten diskutiert, die davon Ahnung haben, kann man ganz schön herausgefordert sein, die Deutungshoheit über den Rationalismus zu behalten. [/quote]
Ich habe auch mit einem Theologen diskutiert, das rationalste, was er tun konnte, war sich der Diskussion mit "man muss auch mal glauben" zu entziehen, eine rationalere Antwort von der proreligiösen Seite habe ich nie gehört. Ich halte es nicht für schwierig zu erkennen, wie unlogisch und irrational der Glaube oder Religiösität ist, ebensowenig es darzustellen. Denn schließlich basiert ihre Haltung immer auf den gleichen irrationalen Motiven, ohne Empirismus, nur mit Glauben zu argumentieren und höchstens mit einem gesellschaftlichen Nutzen, während man die Nachteile gepflegt ignoriert, kann nie rational sein.
Nanna hat geschrieben:Generell glaube ich schon, dass es rationalistisch orientierte Strömungen in der Religion gibt, die meine o.g. Bedingungen für rationalen Diskurs erfüllen können, ja.

Meine nicht, deine Bedingungen sind eher oberflächlich rational, hauptsächlich sozial. Dir geht es mehr um die Etikette als um die inhaltliche Sachlichkeit der Position.
Nanna hat geschrieben: Mich überzeugt's nicht, aber deshalb muss ich Religiöse nicht für prinzipiell diskussionsunfähig erklären (und wir reden hier natürlich nicht über den Fundamentalisten aus der Wüste).

Ich halte sie für diskussionsunwürdig. Es kostet mich unnötige Zeit mit solchen Leuten zu diskutieren, da sie nicht auf rationaler, logischer Basis überzeugt sind, sondern auf emotionaler, glaubender Basis und damit nie überzeugbar sind. Man kann nicht mit Rationalität gegen Glauben vorgehen, egal wie gemäßigt dein Gegenüber ist. Ich halte auch selbsternannte Agnostiker für solche Fälle, da sie Glauben und Logik als gleichwertig bezüglich der Positionsfindung betrachten und damit eigentlich extrem zweifelnde Gläubige sind. Ich kenne so einen, der ansonsten ein höchst rationaler Mensch ist. Er behauptet zwar von sich ein Agnostiker zu sein, aber dieser Behauptung widersprach er nicht und bestätigte stillschweigend meine Analyse über diese Position.
Nanna hat geschrieben:Den Mund halten ist nicht unbedingt eine unterwürfige Geste, sondern kann auch taktische Klugheit sein. Wer sofort die volle Breitseite abgibt, erzeugt häufig instinktive Abwehr beim Gegenüber, die dann keine Diskussion mehr ermöglicht, indem man das vermeidet, kann man sich den Gesprächskanal für später offen halten.

So wie er es beschrieben hat, halte ich dies für unwahrscheinlich genug und nicht erstrebenswert. Oder anders: Ich persönlich will den Gesprächskanal gar nicht bei solchen Reaktionen offen halten. Wenn es so aufwendig ist, deren Ohren offen zu halten, kann man es sich gleich sparen, wenn man nicht drauf steht. Ich tue es nicht.
Taktik wäre angebracht, wenn man sich einen Vorteil aus entsprechendem Vorgehen verspricht. Ich kann den Vorteil mit irrationalen Wesen so einen Kontakt zu halten, bei dem man die meiste Zeit verschweigen muss, was man denkt, für nutzlos.
Nanna hat geschrieben: Es ist schön, wenn du interessante Personen um dich hast, die deine Ehrlichkeit schätzen, aber im Umkehrschluss legt deine Aussage ja auch nahe, dass du nur einen Modus der Meinungsäußerung beherrscht, ich nenne ihn mal den in-your-face-Modus. Auffällig ist auch, dass du von deinen Freunden sprichst, also von Leuten, die dir vertrauen. Es ist nur natürlich, dass Vertrauenspersonen sich häufig eher etwas Ehrliches sagen lassen, als Fremde.

Dass ich von Freunden spreche bedeutet, dass ich mit rationalen, unvoreingenommenen, intelligenten Persönlichkeiten immer Freundschaften geschlossen habe, wenn man sich öfters getroffen hatte (im Studium, in der Schule). Mit den meisten Menschen spreche ich klartext, wenn ich sie für rational genug halte, um mit ihnen überhaupt zu sprechen. Ich habe mich nie eingeschmeichelt, so habe ich nicht viele, aber die best möglichen Freundschaften auf rationaler Ebene erhalten. Aber nicht, dass dies falsch verstanden wird: Man redet miteinander, kann sich vertrauen, aber Albernheiten und Irrationalitäten sind aufgrund des Charakters grundsätzlich ausgeschlossen. Die meisten würden soetwas als distanziert bezeichnen, vielleicht ist es das auch. Aber das schätze ich. Und wenn der Kontakt, das Vertrauen und die Sympathei über die Schulzeit erhalten bleibt, kommt es dem emotional aufgeladenen Begriff "Freundschaft" nahe genug, auch wenn diese verson davon nicht wirklich emotional ist. Ja, solche Beziehungen schätze ich.
Nanna hat geschrieben:Von einem umsichtigen Diskutanten (Achtung, kleine Stichelei ;-)) würde man allerdings erwarten, dass er bei Bedarf seine Diskussionsweise dem Gegenüber anpassen kann. Vielleicht braucht das "labile Gemüt" einfach nur einen anderen Zugang zu den Gegenargumenten, und da würde es eben für dich sprechen, wenn du dem/derjenigen eine Brücke bauen würdest.

Wenn es zu aufwendig ist, um einen signifikanten Nutzen daraus zu haben, lohnt es sich nicht. Klar beherrsche ich das, aber dann nutze ich das nicht für ehrliche Diskussionen, sondern für Manipulation. Da ist natürlich die Ehrlichkeit völlig raus, weswegen ich das nicht als Diskussion betrachte. Bei Sticheleien brauchst du mir nicht erklären, dass sie welche sind, ich habe nichts gegen solche, sie lockern die Diskussion auf, geben ihr eine humoristische Note. :student: XD :student:
Nanna hat geschrieben:Die Messlatte sollte dabei auch nicht dein Freundeskreis sein, sondern wie gut du Leute erreichst, die besonders verschieden von dir sind.

Meinen Freundeskreis habe ich mit genau der Art Dialog erworben, wie ich ihn mit ihnen auch jetzt noch pflege: direkt, intelligent, rational. Nebenbei sind diese teilweise sehr verschieden von mir, bis auf diese 3 Merkmale in politischer, sozialer, ethischer Haltung. Da kommt es auch vor, dass mich einer Neoliberalisten nennt und ich ihn Kommunisten, in halbem Scherz.
Nanna hat geschrieben:Wenn du einen hinduistischen Bauern aus Bengalen mit deinen Argumenten erreichst, so dass er sie zumindest nachvollziehen kann, dann wäre ich beeindruckter.

Warum sollte ich mit so einem diskutieren? Was hätte ich für einen Nutzen? Einen Liter Milch?
Nanna hat geschrieben:Es geht ja nicht um's Forum. Jeder, der hier hereinkommt, akzeptiert per Forenregeln und über die hier verbreitete Diskussionskultur, dass hier sehr sachlich, prowissenschaftlich und logikbezogen argumentiert wird.

Um das bestätigen zu können, musst du doch beide Augen zudrücken, nicht böse gemeint. :anonym:
Nanna hat geschrieben: Ich bevorzuge so einen Diskussionsstil ja auch, aber es ist eben nicht der einzige, den es gibt.

Es ist meist der einzige, der sich lohnt. Ab einem bestimmten Moment ist Ignoranz und Teilnahmslosigkeit angebrachter, aber nicht aus taktischen Gründen, sondern weil einfach kein Gewinn aus so einer Beziehung zu machen ist.
Nanna hat geschrieben:Gerade mit Leuten, die rhetorisch weniger versiert, vielleicht weniger (fachlich) gebildet, weniger diskussionsfreudig und weniger an selbstkritischer Reflexion interessiert sind, muss man erstmal common grounds ausleuchten und Vertrauen aufbauen.

Warum? Bist du so einer, der diskutiert der Diskussion wegen? Auch wenn es bei mir so erscheint (ja, ich gebe meinen Senf oft und fast überall hier ab), bin ich niemand, der unbedingt diskutieren muss. :omg:
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Re: "Ich diskutier' nicht mit dir, du hast Gegenargumente."

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 27. Aug 2012, 11:26

Nanna hat geschrieben: Außerdem muss man überhaupt erstmal klären, was man meint, wenn man dieses und jenes sagt. Der eine sagt Religion und meint seine Meditation im Garten, während der andere nur "Taliban" hört.

Ja, das ist ein häufiges Problem. Aber das kommt auch bei höherwertigen Diskussionen vor. Ich denke, dass unterschiedliches Verständnis die häufigste Ursache von gegensätzlichen Positionen ist (vielleich die einzige?).
Nanna hat geschrieben: Da hilft auch alle Ehrlichkeit und Offenheit nichts, da braucht es Klugheit und Empathie, sonst findet man erst gar nicht heraus, ob sich zu diskutieren überhaupt lohnt - kann ja sein, dass man ähnliche Ansichten hat, die nur durch unterschiedlichen Sprachgebrauch verdeckt werden.

Also, bei einer Diskussion hier, die immer noch läuft beschränkt sich die Uneinigkeit nur noch auf Brauchbarkeit der unterschiedlichen Definitionen. Und beide Seiten haben nicht sozial und emotional argumentiert, sondern halbwegs rational und mehr oder weniger logisch. Auch so haben wir erkannt, dass wir die zentralen Begriffe unterschiedlich definieren, mit unterschiedlichem Anspruch.
Nanna hat geschrieben:Nein, es ist nicht pauschal angebracht. Du kannst nicht, wenn BMW ein neues Auto präsentiert, die Zerschlagung des Konzerns fordern, nur weil da in der Nazizeit auch Zwangsarbeiter beschäftigt waren.

Das ist auch etwas ganz anderes, da das Auto keine Ideologie ist, anders als die Religion. Nichts gegen BMW!! Bei diesem Konzern haben verschiedene Generationen nur ein materielles Produkt gemeinsam, aber die Generationen an Priestern und Religiösen haben die gleiche Ideologie in Grundzügen gemeinsam, die der Grund für die Verbrechen ist, sie ist lediglich durch die Aufklärung und Zivilisation abgeschwächt. Ein Auto war nicht der Grund für den Holocaust, es ist irrational seinen Hass auf ein seelenloses Produkt, dass nur einen banalen aber wichtigen Zweck hat, zu projizieren, anstatt auf die Ideologie selbst. Deswegen bin ich nicht gegen schöne Kirchen aus der Renaissance, aber wohl gegen die Ideologie, die in dieser und der jetzigen Zeit noch existiert.
Nanna hat geschrieben: Wenn Emotionalität zur quantitativen wie qualitativen Verzerrung der Faktenlage führt, was sie ihrer Natur nach ja fast immer tut, ist sie sehr wohl ein Problem.

Das stimmt, aber wenn der Hass auf genau das beschränkt ist, gegen das man ist, sehe ich kein Problem. Wie gesagt, ich verabscheue die religion, aber nicht aus ihr resultierende Kunstwerke. So ist es auch mit BMW (wobei ich in diesem fall weder das Produkt noch die Firma verachte, allerdings klar unterscheide).
Nanna hat geschrieben:Wo ich geschrieben habe, dass der "Gewaltaspekt im Kontext von Religion einseitig überinterpretiert wird" hast du anscheinend nur noch "Leugnen dieser Untaten" gelesen. Das ist genau das, was ich meine.

Ich habe deinem Verständnis nach einseitig überinterpretiert, klar. Nur sehe ich einen klaren Zusammenhang zwischen dieser Ideologie und den Resultaten. Mag sein, dass wir dem Ablasshandel den schönsten Teil Roms zu verdanken haben, aber was wäre Rom, wenn es diese Religion nie gegeben hätte? Was wäre uns noch an Bauten, die zuvor abgerissen wurden, erhalten geblieben? Auch die Proargumente müssen gewichtet werden, ich ignoriere sie nicht, habe sie aber eben entsprechend gewichtet.
In diesem Fall halte ich Gedankenexperimente für angemessen.
Nanna hat geschrieben:Von Leugnen war keine Rede, aber wer solche Aspekte eben einseitig überinterpretiert, kann alles nur noch durch diese Brille sehen.

Überinterpretation liegt im Auge des Betrachters. Ich sehe es anders. Oder hast du es etwa nicht so gemeint? Sei ehrlich, du wusstest, dass so reagiert werden könnte, du hast es bewusst zweideutig formuliert, obwohl du eben diese Interpretation haben wolltest, um dann diese als einseitig darzustellen. Zweideutigkeiten sind ein nettes Mittel zur Manipulation, geschickt, aber für geübte Augen nur ein Taschenspielertrick. Wie fändest du es denn, wenn ich jetzt anfange zweideutig zu schreiben, wohlwissend wie du es interpretieren würdest?
Nanna hat geschrieben:Unterschiede in der Bewertung von Sachverhalten sind selten binär, aber viele der Äußerungen von dir und auch Andilein gehen in die Richtung, dass man eigentlich nur noch für oder gegen Religion sein kann.

Ist es denn nicht so? Klar gibt es Menschen, die sich nie eine eigene Meinung bilden können oder wollen, aber wenn sie dazu durch äußere Umstände gedrängt werden, tun sie es sowieso.
Nanna hat geschrieben:Das würde ich an eurer Stelle überdenken, nicht um der Religion, sondern um der umfassenden und fairen Betrachtung willen, die unabhängig vom Gegenstand gelten muss, wenn man wissenschaftliche Standards anstrebt.

Diese Art Betrachtung ist nie möglich, sondern nur ein Ideal, dass immer subjektiv interpretiert wird. Man kann ein unwissenschaftliches Thema nicht wissenschaftlich behandeln. Die Religion verdient diese Betrachtung nicht, sie ermöglicht sie gar nicht erst.
Nanna hat geschrieben:Du kannst niemanden zum Zweifel zwingen, das zu akzeptieren ist der erste Schritt, den man schon allein um des eigenen Wohlbefindens willen gehen sollte.

Das ist mir bewusst, deswegen habe ich auf deutlich machen wollen, dass manche Diskussion es einfach nicht wert ist, sich die Mühe zu machen, Zweifel sähen zu wollen, ohne dass man "enttarnt" wird.
Nanna hat geschrieben: Ich sehe das Problem, das du beschreibst, aber ich meine auch nicht zwingend, dass man versucht, andere Leute zu manipulieren. Es kann ausreichen, zu sagen, dass man Atheist ist und eine andere Meinung hat, aus diesen und jenen Gründen.

Darin waren wir uns nie uneinig.
Nanna hat geschrieben:Dabei muss man gar nicht offensiv gegen die Religion argumentieren, es reicht häufig vollkommen aus, ein abweichendes Beispiel zu geben, an dem andere sich orientieren können und das sie herausfordert, sich dazu zu positionieren (und damit auch dazu zwingt, komplett selber über das Thema nachzudenken, ohne subtilen missionarischen Anstoß). Ein Beispiel:
Ich war mal auf einer Hochzeit, wo wir in einem Gasthaus in kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten an Tischen verteilt saßen, ich mit meiner damaligen Freundin an einem. Wir sind beide Vegetarier und hatten das vegetarische Menü bestellt, ohne allerdings irgendwelches Aufhebens drum zu machen. Als das Essen serviert wurde, fingen die Leute reihum am Tisch plötzlich ungefragt an, sich für ihren Fleischkonsum zu rechtfertigen oder zu betonen, dass sie nur ganz wenig Fleisch essen würden oder wie toll sie das fänden, dass wir Vegetarier seien. Wir hatten keinen Piep gesagt, aber anscheinend forderte das abweichende Beispiel allein die Leute heraus, die eigene Position zu bedenken und in eine Beziehung zu unserem abweichenden Verhalten zu setzen. Und vielleicht war es gerade die Selbstverständlichkeit, mit der wir das vorgelebt haben, die die Umsitzenden zum Überlegen gebracht hat, dass das mit dem Vegetarismus vielleicht ganz nett und praktikabel sein könnte.

Ich verstehe, was du meinst. Allerdings ist "grün sein" (also Hybrid fahren, Bio zu kaufen und wenig Fleisch zu essen) gerade voll angesagt, gerade bei Frauen, weswegen euer für sie vorbildliches Verhalten sie zur Diskussion angeregt hat. Beim Atheismus würdet ihr eine andere Reaktion erhalten, weil dieser nicht gerade im guten Ruf steht.
So eine reaktion wirst du nur erhalten, wenn ein gewisses Schuldgefühl vorhanden ist, andernfalls wirst du mit so einem dezenten Hinweis auf deine Überzeugung nur Ablehnung erfahren, wenn er anders ist.
Nanna hat geschrieben:Das heißt nicht, dass Diskussionen über Fleischkonsum unsinnig wären, aber eben nur abhängig vom Kontext. [...]Das meine ich damit, dass man mit Empathie und Situationsgefühl häufig einfach weiter kommt.

Genau diese Situationsabhängigkeit spielt auch für mich eine Rolle. Allerdings sind unsere Schlussfolgerungen unterschiedlich. Du überlegst dir, wie du möglichst subtil bei einem schwierigen, irrationalen und emotionalen Gegenüber argumentierst, ich mache mir gar nicht erst die Mühe, wenn ich darin keinen Nutzen sehe.
Nanna hat geschrieben:Komisch, ich hatte den Eindruck, dass auch eine ganze Reihe von Ungläubigen hier nur Argumente zulassen, die sie bestätigen. Wie oft wird hier nicht gesagt, dass jemand es für unmöglich hält, dass ein Religiöser ordentlich argumentiert, schreibst ja auch du selber (s.o.).

Diese Aussage beruht auf Empirie. Ich habe nichts Widersprüchliches beobachtet. Du kannst mir gerne einen Text vorlegen, der konsequent rational und logisch proreligiös ist.
Nanna hat geschrieben:Richtig, aber der Anspruch an die Diskussionskultur sollte überall derselbe sein.

Hätte, könnte, würde, sollte. Das leben ist kein Ponnyhof.
Nanna hat geschrieben:Ja, und dann kann es tatsächlich angebracht sein, eine scharfe Erwiderung zu geben, einfach, damit die Umstehenden kapieren, dass man einer ganz und gar anderen Meinung ist. Ich bin nicht pauschal dagegen, das Gegenüber in Grund und Boden zu reden, aber wir haben ja ursprünglich nicht von Profitalkern, sondern von Diskussionen in einer Abiturklasse geredet, wo man ja anderen sozialen Zusammenhängen ausgesetzt ist.

Da habe ich die Oberstufe anders erlebt. Auch eine Schulklasse ist zu Diskussionen fähig, die jede politische Talkshow oder Parteirede übertseigen können (sowohl in Sachlichkeit als auch in der Schärfe).
Nanna hat geschrieben: Man kann eine Diskussion übrigens auch mit den Worten "Ich bin da völlig anderer Meinung, halte eine Diskussion mit Ihnen darüber aber für unmöglich und werde mich deshalb zurückziehen" beenden. Man muss sich ja nicht jeden Mist antun.

Das wird gleich als Rückzieher verstanden, in diesem Fall muss man sowas aussitzen und warten, bis das Gegenüber diese Worte ausspricht.
Nanna hat geschrieben:Aber mir ging es nicht darum, irgendjemandem hier Vorwürfe zu machen, eher darum, die Fragestellung etwas allgemeiner von "Warum bekomme ich für Religionsbashing keinen Applaus, obwohl mir der ja wohl ganz ganz zweifelsfrei zustünde?" hin zu "Wenn eine Diskussion schiefgeht, sind dann immer nur die Anderen schuld?" zu bewegen, unabhängig von der Person.

So verkürzt kann ich der Aussage zustimmen. In einem Kloster wird man damit nicht weit kommen, man muss seine Schlachten weise wählen. Allerdings sind in diesem Fall (sowohl im Kloster als auch in der Klasse) wohl die anderen Schuld. :winkgrin2:
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