Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 10. Okt 2012, 16:13

Gestern habe ich wieder mal Menschen bei Maischberger geguckt und da ging es wie des öfteren um Religion. Da Mattusek nicht eingeladen war, konnte man die Diskussion halbwegs genießen. Trotzdem hat das Erste es sich nicht nehmen lassen, eine handvoll Katholiken nur einer Atheistin und einer Konvertierten gegenüberzusetzen, sehr ausgewogen. Aber das war noch nichtmal das interessanteste: Eine der Gäste war eine katholische Theologin, die ausbildete und ihren Posten verloren hatte, weil sie in Fernsehdiskussionen ihrerzeit mehrmals die "biologische Jungfräulichkeit" einfach nicht glauben konnte und dies auch aussprach. Der Witz an der Sache ist, dass sie behauptet, diese Formulierung und die Argumentation von Ratzinger zu haben, sie könne es mit einer seiner Ergüsse belegen. Ein kuriose Anekdote, oder? Was soll man also über ihn denken, sofern das stimmt? Ist er (auf den Gedanken wäre ich ja nie gekommen) scheinheilig? Verlogen? Oder hilft das Alter diese Situationen und Meinungen (auch die eigenen) zu vergessen? Vielleicht ist er aber auch nur ein Infiltrator der Kirche, an die er selbst nicht glaubt und sie deswegen durch mehr radikalität sabotiert (Verschwörungstheorie :winkgrin2: )?
Die Antwort einer anderen, jungen Katholiken der "Generation Benedikt" war sinngemäß jedenfalls, dass man das wirklich irgendwie glauben muss, um auch wirklich katholisch zu sein. Aber deswegen wäre die Religion ja nicht unvernünfig.
-ach, etwa nicht?
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Frankfurter Animus » Fr 12. Okt 2012, 08:58

Verweise auf entsprechende Aussagen von Ratzinger lieferte die Theologin nicht?
Möglich, dass der derzeitige Papst seine Meinung im Verlauf der Jahre geändert hat; eine liberale Grundhaltung scheint er allerdings nie gehabt zu haben. Glaubt man Günther Grass, soll Benedikt schon als junger Mann zu Kriegsende auffallend katholisch gewesen sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Antwort einer anderen, jungen Katholiken der "Generation Benedikt" war sinngemäß jedenfalls, dass man das wirklich irgendwie glauben muss, um auch wirklich katholisch zu sein. Aber deswegen wäre die Religion ja nicht unvernünfig.


Ha, die Logik von Gläubigen = Begriffe in ihrem Sinn verdrehen, bis es den eigenen Überzeugungen passt. Vernunft basiert aber auf überprüfbaren Aussagen, die Religion nicht bieten kann - jedenfalls nicht in der Behauptung der Existenz eines Gottes. Die moralischen Ideen aus heiligen Büchern können dagegen Vernünftiges beinhalten, sind in ihrem Wesen aber nicht exklusiv religiös.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Okt 2012, 10:53

Beeindruckt dich nicht auch diese Verlogenheit des Systems? Ein MANN, der dies schreibt, wird zum Papst, eine FRAU verliert der gleichen Worte wegen (damals hätte es wohl keine Autorität gehabt, dass Ratzinger dies ursprünglich so formuliert hat, da er selbst keine relevanten Positionen innehatte) ihren Arbeitsplatz. Und selbst nachdem dieser Mann ganz oben im System ist, erkennt er nicht seine Schuld an dem Scheitern seiner ehemaligen Mitstudentin oder rehabilitiert diese (ich bin mir jetzt nicht sicher, ob die befreundet waren, oder sich persönlich kannten, aber ihm können die unzähligen Diskussionen und die Medienaufmerksamkeit, die dieser Frau zuteil wurden, und die Verwandschaft ihrer Worte mit den seinen nicht entgangen sein).
Als ich die Frage nach Liberalität stellte, war das eher ein Aufhänger, als eine ernstgemeinte Frage. Ja, mir ist seine Rolle innerhalb von Entmenschlichungen der katholischen Kirche bekannt.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Frankfurter Animus » Sa 13. Okt 2012, 04:35

Ja, die Verlogenheit der römischen Kirche beeindruckt mich und die Leichtigkeit, mit der sie häufig ihrer desaströsen Doppelmoral zu entrinnen scheint. Leider besitzen bemerkbare Teile der Medien - in Deutschland und international - eine unverständliche Sympathie mit dem katholischen Christentum... der Fall der ARD aus deinem Ursprungsposting als simples Beispiel genommen; dabei sind Schicksale wie das der Theologin, sowie weitaus abscheulichere Vorgehensweisen von Kirchenhäüptern unkompliziert zu finden. Beispiel Aids, der zusammenhängenden Dämonisierung von Kondomen und der wahnsinnigen Aussage des Päpstlichen Rates für die Familie, dieses Verhütungsmittel besäße mikroskopisch kleine Löcher, die den Virus durchließen.

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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon mat-in » Sa 13. Okt 2012, 08:02

Das Stichwort hier ist glaube ich Theologie vs Verkündigungstheologie. Nach meinen wenigen Erzählungen aus erster Hand (von einer Ex-Ordensschwester und zwei Pfarrern) lachen da hinter vorgehaltener Hand alle drüber und man muß sich das lachen verkneifen, wenn man den Leuten was von Jungfräulicher Geburt erzählt, da daß, was den Leuten erzählt wird und die Schlüsse zu denen man intern kommt ein erhebliches Stück auseinander laufen. Kann mir durchaus vorstellen das es von Ratzinger stammt, aber öffentlich so etwas sagen ist natürlich vollkommen daneben, egal für welchen katholischen Geistlichen... das hat nichts mit "liberal" zu tun.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 13. Okt 2012, 15:22

Also könnte man tatsächlich davon ausgehen, dass die Theologen die Menschen bewusst für dumm vekaufen wollen? Nun, der Theologin hat das wohl niemand gesagt, sie hat deise Regel gebrochen. ich frage mich, ob das denn wirklich notwendig ist, wenn gerade das eher abschreckt.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon xander1 » Sa 13. Okt 2012, 18:53

Was ich so halbwegs über die Medien mitbekommen habe ist, dass Razinger ziemlich liberal gewesen ist.
Kann sein, dass sich in Südamerika deshalb die Menschen von der kath. Kirche abwenden und zu den Evangelikalen wechseln.
Habe auch von Abtrünnigen Kirchen gehört, die sich von Ratzinger distanzieren, weil er von der Urpsungslehre abweicht, kann das selbst aber kaum glauben.

Ich glaube Ratzinger hat die Evolution irgendwie mehr geduldet oder angenommen ... irgendwie so (zu lange her in meinem Koppe, dass ich das in den News gelesen habe) - zumindestens fällt mir das auch schwer zu glauben.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 13. Okt 2012, 19:24

Die Katholiken in Südamerika werden kaum etwas über seine Arbeiten als junger Theologe wissen (auf die habe ich mich bezogen). Offensichtlich hat er gemerkt, dass der Aufstieg nur durch Lüge und Verrat in der Kirche möglich ist. Was soll man von ihm also halten? Ist er nur senil, ist er tatsächlich eine Art Machtpolitiker und Karrierist? Oder ist er "geläutert"?
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon mat-in » So 14. Okt 2012, 00:14

Da muß ich enttäuschen, der papst der die Evolutionstheorie anerkannte war durch Paule den II. 1996. Benedetto hingegen hatte dazu bei seiner Amtseinführung gesagt:
"Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedanken Gottes.


Der ist mit Sicherheit keinen Funken liberal, im Gegenteil, als er ins Amt ging kamen Gerüchte und Angstvorstellungen einer neuen Inquisition auf...

Warum in Südamerika die Leute vom Katholizismus zu den Evangelikalen abwandern hat wohl eher den Grund, daß man einen Glauben wie man ihn für diese Leute braucht hier nicht verkaufen könnte, man würde den Papst auslachen, egal welchen. Die katholische Kirche ist nun mal durch eine Reformation und eine Aufklärung gegangen, die hinkt auf einem Bein was den hardcore-glauben angeht.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » So 14. Okt 2012, 10:27

Enttäuschen kann mich keine der Möglichkeiten, ich will wissen, womit ich es auf der anderen Seite zu tun habe. Als "Freund" werde ich den Papst (egal welchen) nie sehen.
Vielleicht hast du meinen Ansatz nicht verstanden. Es ist nicht unbedingt ein Beleg dafür, dass er erzkonservativ ist, dass er soetwas sagt. Es stellt sich mir die Frage, wie sehr er hinter dem steht, was er sagt (während er wichtige Kirchenämter bekleidet). Der Anlass an seinen Worten zu zweifeln ist eben der Stein des Anstoßes bei der Frau, die mit ihm studierte und ihn zitierte, deswegen ihren Posten verlor. Mir stellt sich wegen dieser eigentlich aus Sicht der Kirche logischen Handlung die Frage, wie verlogen das System ist, wenn der Urheber dieses Gedankens, der ein zentrales Element des katholischen Glaubens relativiert, zum Papst wird. Ist er verlogen? Ist das System verlogen? Oder sind alle senil? Oder sind diese relativierenden Formulierungen aus dem Munde einer Frau "gefährlicher" als aus dem eines Mannes?
Es ist natürlich sehr spekulativ, wenn man nicht mehr davon ausgeht, dass er das, was er sagt, auch so meint, aber dieses Indiz ist doch diskussionswürdig. Es erschließt sich mir nicht, dass er einerseits mit der Biologie argumentiert, dann aber diese wieder ablehnt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Handlungsweisen ist die Zeit, in der er eine Karriere hinter sich gebracht hat. Seine Position bringt ihn in besondere Beobachtung, was den Inhalt seiner Aussagen beeinflussen könnte, wenn seine Prämisse der Machterhalt ist.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Frankfurter Animus » Mo 15. Okt 2012, 07:17

mat-in hat geschrieben:Da muß ich enttäuschen, der papst der die Evolutionstheorie anerkannte war durch Paule den II. 1996. Benedetto hingegen hatte dazu bei seiner Amtseinführung gesagt:
"Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedanken Gottes.


Der ist mit Sicherheit keinen Funken liberal, im Gegenteil, als er ins Amt ging kamen Gerüchte und Angstvorstellungen einer neuen Inquisition auf...


Von wem gingen die Gerüchte von einer Inquisition aus? Liest sich wie die Sensationsmeldungen der BILD-Zeitung.

Die Evolutionstheorie hat Benedikt offenbar nicht verstanden - oder in seiner Rede vom April 2005 für seine Hörer sinnverfälscht wiedergegeben. Evolution basiert auf physikalischen Gesetzen, dem genauen Gegenteil von Zufall.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon mat-in » Mo 15. Okt 2012, 19:41

Frankfurter Animus hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Der ist mit Sicherheit keinen Funken liberal, im Gegenteil, als er ins Amt ging kamen Gerüchte und Angstvorstellungen einer neuen Inquisition auf...
Von wem gingen die Gerüchte von einer Inquisition aus? Liest sich wie die Sensationsmeldungen der BILD-Zeitung.
Hauptsächlich getuschle von Pfarrern hinter vorgehaltener Hand... kann mich nicht erinnern das BILD in ihrem Enthusiasmus (wir sind papst!) sowas hätte schreiben können.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Frankfurter Animus » Mo 15. Okt 2012, 20:47

Geschwafel von besagten Geistlichen; in der Inquisition - der Tatsächlichen - verfügte der Vatikan uneingeschränkte Handhabe gegenüber einem Menschenleben - dem mutmaßlichen Ketzer eben; eine Autorität, die kein Staat Rom heute zusichern würde.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 16. Okt 2012, 10:14

In diesem Zusammenhang fällt mir aber die Bedeutung des Vatikans als Geheimdienst ein. Kennedy hat seinerzeit nicht umsonst die Beziehungen zwischen dem Vatikan und den USA verbessern wollen. Man musste ja schließlich den bösen Atheismus und Kommunismus zurückschlagen. Nein, der Vatikan überlässt seinen Freunden in den USA die moderne Inquisition.
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Frankfurter Animus » Do 18. Okt 2012, 21:35

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, der Vatikan überlässt seinen Freunden in den USA die moderne Inquisition.


Inwiefern? Über die religiösen Rechten meinst du?
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 19. Okt 2012, 12:37

Nein, über Guantanamo und die Folter. Ich meine das nur sehr überspitzt. Damit will ich aber die Verflechtung deutlich machen, die seit dem kalten Krieg besteht. Der Vatikan ist nunmal der größte Geheimdienst der Welt, deswegen haben die USA so großes Interesse an guten Beziehungen mit dem Vatikan. Natürlich sehe ich keine unmittelbaren Zusammenhänge zwischen den aktuellen Feinden der USA und den Einflüssen des Vatikans, aber letzterer wird diese Feindschaft mindestens stillschweigend gutheißen (da sie teilweise auch religiöser Natur ist).
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Re: Ist Ratzinger evtl. liberal gewesen?

Beitragvon Freidenker1 » Sa 16. Feb 2013, 12:52

Gott sei Dank sind wir nicht mehr Papst!

Warum? Mehr hier:

http://www.freidenker-galerie.de/acrylb ... -zitate-...

Schöne Grüsse aus Schabing
Rainer
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