Verlangt Diskurs nach Resultat?

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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Mi 17. Okt 2012, 16:15

Vollbreit hat geschrieben:Übersetzungen sind eine schwierige Geschichte. Kennst Du Quines „gavagai“ Beispiel dazu?


Ja. Und mein Wort war Hurxelipurxeli.

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Konzepte entstehen mE nach aus der Verknüpfung im Prinzip beliebiger Inhalte zu neuen Gebilden.


Eher nicht.
Meine Lieblingsdarstellung dieses ganzen Komplexes ist im Grunde die hier:
Robert Brandom hat geschrieben: „Die Wörter bilden ein eigenes und weitgehend unabhängiges Reich innerhalb der Welt – nicht nur in dem Sinne, dass die nichtsprachlichen Tatsachen im wesentlichen dieselben sein könnten, auch wenn die spezifisch sprachlichen Tatsachen (...)


Könntest du mit eigenen Worten und präsise angeben, was "eher nicht" stimmt? Vermutlich verstehe ich Brandom nicht, was er da sagt, aber so aus dem Kontext ergibt das überhaupt keinen Sinn: Wie können denn "nichtsprachliche Tatsachen" teil eines "eigenen Reiches der Wörter" sein? Ansonsten deckt sich (anscheinend) seine Beschreibung. Dazu schreib ich:

Lumen hat geschrieben:(...) meistens Symbolcharakter (...)


Ein Symbol ist ein vereinbartes Zeichen, das selbst zunächst keinen Bezug zum Bezeichneten hat. Diesen Bezug müssen Menschen erst herstellen und sich darauf, meist implizit, einigen. Kinder ahmen nach, Leute die nicht die gleiche Sprache sprechen, einigen sich mit Zeigen, oder durch andere Techniken (gestische Nachahmung usw.). Ich glaube das der Punkt nicht strittig sein dürfte, aber man weiß hier ja nie. Wenn wir uns darauf einigen das die Zeichenfolge Hurxelipurxeli eine Lampe ohne Schirm mit Duftbäumchen bezeichnet, dann weißt du, was ich meine, wenn ich dich Frage ob du ein Hurxelipurxeli hast. Du kannst sogar so Sachen sagen wie, dass es ein Hurxelipurxeli ist, aber das Duftbäumchen sei abgefallen. Ein Tannenbaum, der seine Nadeln verloren hat ist immernoch ein Tannenbaum usw. Das bedeutet, dass es mE eigentlich keine wirklich festen Begrenzungen zwischen Begriffen gibt und auch die Sache mit der Wahrheit nicht ohne ist. Etwas ist solange etwas, bis Leute finden, dass genügend charakteristische Merkmale rausgeflogen sind oder das Bezeichnete durch diese Veränderung sich in einen anderen Begiff verkrümelt. Wie lange kann ich etwas von einem Keks abbrechen, bis man nicht mehr von Keks, sondern von Krümeln redet?

Warum ist das überhaupt Thema? Der Gegenstand war, was Wahrheit ist. Eine Form der Wahrheit wäre damit hinreichend und umständlich genug behandelt. Leute können mit gutem Willen einsehen, dass ein dreimal zerbrochener Keks, der mehr Krümel ist, noch als Keks durchgeht. In der Philosophen-Runde vielleicht nicht, aber bei normalen Forenteilnehmern. Und wenn du Umfragen machst, ob es sich um einen Keks oder Krümel handelt, kannst du es auch statistisch ermitteln, was die Sprachgemeinschaft meistens unter Keks und Krümel versteht (die Krümel sind aber "wirklich" vorhanden, und das wäre auch wieder eine ganz andere Ebene der Diskussion). Für diejenigen, die hier garnicht mehr folgen können. Ursprünglich hatte Vollbreit den Zusammenhang zu Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten (und "Wahrheit") geleugnet. Außerdem läuft durch alle Diskussionen mit wiederkehrenden Teilnehmern ein roter Faden. Selbst wenn nanna ein bestimmtes Thema gar nicht anspricht, weiß jeder "woher er kommt" und dieses Wissen wird einbezogen. So beziehe ich ein, dass Vollbreit der Mystik zugeneigt ist, Evolutionstheorie ablehnt, und den Standpunkt vertritt, dass man nicht wissen könne, ob Schlangen* mal sprechen konnten.

Natürlich kann ich nicht wissen, ob der Mond gestern auf seiner Rückseite für die Dauer von 4 Minuten aus Bananencreme bestand*. Gemeint ist, unter normalen Menschen dies: die Wahrscheinlichkeit hierfür ist praktisch null. Damit dies passieren kann, müssten sehr viele Dinge angenommen werden, die allesamt unplausibel sind. Die Wahrheitskandidaten, es gäbe sprechende Schlangen oder Monde aus Bananencreme werden haushoch von anderen Möglichkeiten ausgestochen. Und hier können wir auch den Bogen zu Religionsquellen und so weiter spannen. Eine Welt erschaffen in 7 Tagen* kann wahr sein, wenn Tage entsprechend definiert werden, aber ist nicht wahr in dem Sinne, wie man es für gewöhnlich verstehen würde und eine Einteilung in sieben Einheiten scheint unplausibel zu sein. Daher ist die Aussage, die Welt sei in 7 Tagen erschaffen mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Es ist aber trotzdem möglich, bestimmte Charakteristika der Entstehung der Welt so zusammenzufassen, dass es sieben Einheiten ergibt und diese können dann "Tage" genannt werden. Aber dann muss ich noch gewissenhaft erfüllen, was in den Tagen jeweils entstanden sein soll (in der siebten Einheit muss ja Pause sein). Kann eine solche Sicht also mit einer gewissenhaften Betrachtung des Sachverhaltes wahr sein? Ich glaube nicht Tim.


* Beispiele sind übertragbar.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mi 17. Okt 2012, 17:25

Um das mit deinem Widerspruchsargument mal zum Abschluss zu bringen: deine Einwände betreffen nur noch einzelne Begriffe. Mit dem Widerspruchsargument hat das, soweit ich sehe, nur noch ganz entfernt zu tun. Ich fand es interessant, vorher meine Idealvorstellung eines Diskurses zu skizzieren und das dann an diesem einen Punkt mal zu versuchen in die Tat umzusetzen. Wobei ich mir erlaubte, den fehlenden Schiedsrichter durch eigene Beurteilungen und Fazits zu ersetzen. Deine Beharrlichkeit ist erstaunlich. Mit einem echten Schiedsrichter hätte es vermutlich so ungefähr auf Seite 4 oder 5 einen Abbruch und einen Schiedsentscheid gegeben. Ein Einsehen deinerseits (oder ein Einsehen meinerseits, dass dein Widerspruchsargument doch valide wäre) gab es jedenfalls nicht. Wie ich finde ist das ein intellektuelles Armutszeugnis für dich oder für mich oder für uns beide. Lumens düstere Vorhersagen scheinen sich mir zu bestätigen. Wenn einer oder beide Diskutanten nicht wollen, können sie spielend ausweichen, zerreden, Metaebenen erklimmen, sich in endlosem Begriffsdefinitionsgezerre verlieren und und und.
Ich habe dich unterwegs sicher auch das eine oder andere mal etwas zu persönlich angegriffen, wohl auch aus Fassungslosigkeit darüber, wie wenig es dir auszumachen scheint, bei diesen Ausweichmanövern erwischt zu werden und wie wenig es dir offenbar ausmacht, dass dein Argument wenn nicht klar widerlegt (aus meiner Sicht) so doch stark bezweifelt wurde. Respekt für dein Coolness. Ich frage mich da, ob ich in einem umgekehrten Fall wirklich auch so immun gegen Kritik wäre. Schwer zu sagen.

Vollbreit hat geschrieben:Bist Du eigentlich der Meinung, dass es diese Sprache gibt?

Vielleicht ist sie bisher nur zu 10% bekannt, oder zu 5%. Aber ja, ich denke da tatsächlich reduktionistisch. Die Sprache gibt es prinzipiell, weil alles was wir als Subjekt mit unserem Kopf erleben auf neuronale Vorgänge beruht, die man objektiv beschreiben kann.
Es ist dualistischer Unsinn, da geheimnisvolle Dinge anzunehmen, die kein Mensch nachweisen kann und die angeblich aber das Mehr sind als die Summe der Neuronen. Nur weil man sich nicht vorstellen kann (aus Unkenntnis oder weil die Forschung in vielen Dingen auch noch nicht sehr weit sein mag) oder vorstellen mag (aus Angst, das menschliche Selbstverständnis zu sehr zu beschädigen), dass alle geistigen Phänomene wirklich nur durch Nerven und Nervensignale erzeugt werden.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 17. Okt 2012, 19:59

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Übersetzungen sind eine schwierige Geschichte. Kennst Du Quines „gavagai“ Beispiel dazu?


Ja. Und mein Wort war Hurxelipurxeli.


Okay.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Konzepte entstehen mE nach aus der Verknüpfung im Prinzip beliebiger Inhalte zu neuen Gebilden.


Eher nicht.
Meine Lieblingsdarstellung dieses ganzen Komplexes ist im Grunde die hier:
Robert Brandom hat geschrieben: „Die Wörter bilden ein eigenes und weitgehend unabhängiges Reich innerhalb der Welt – nicht nur in dem Sinne, dass die nichtsprachlichen Tatsachen im wesentlichen dieselben sein könnten, auch wenn die spezifisch sprachlichen Tatsachen (...)


Könntest du mit eigenen Worten und präsise angeben, was "eher nicht" stimmt? Vermutlich verstehe ich Brandom nicht, was er da sagt, aber so aus dem Kontext ergibt das überhaupt keinen Sinn: Wie können denn "nichtsprachliche Tatsachen" teil eines "eigenen Reiches der Wörter" sein? Ansonsten deckt sich (anscheinend) seine Beschreibung.


Begriffe zu benutzen ist eine Praxis, an anderer Stelle schreibt er, eine, die so konkret sei, wie das Einschlagen eines Nagels in eine Wand.
Die Welt der Tatsachen hängt nicht davon ab, ob und wie wir über sie reden.
Allerdings hängt unsere Rede von den empirischen und pragmatischen Gegebenheiten ab.

Dahinter steht die Überzeugung, dass unser Umgang mit der Welt ein (weitgehend) rationaler ist (der aber mitunter impliziten Regeln folgt).
Rationalität reduziert sich aber nicht auf das Nachdenken oder Reden über die Welt, sondern auch auf den praktischen Umgang mit Welt.

Brandom zufolge ergeben sich aus Behauptungen durch den sprachlogischen Holismus (oder zumindest ein Cluster von logisch zusammenhängenden Einheiten) weitere (implizite) Festlegungen, die ggf., durch Erläuterungen oder Handlungen eingelöst werden können.

Aus diesem Kontext kann man nie etwas ganz herauslösen, die Inhalte sind also „eher nicht“ beliebig, denn schon über die Definition ergibt sich wieder ein sprachpragmatisches Muster.

Es gibt also nicht eine Welt der Worte oder Begriffe hier und eine Welt der Tatsachen da.

Lumen hat geschrieben:Dazu schreib ich:

Lumen hat geschrieben:(...) meistens Symbolcharakter (...)


Ein Symbol ist ein vereinbartes Zeichen, das selbst zunächst keinen Bezug zum Bezeichneten hat. Diesen Bezug müssen Menschen erst herstellen und sich darauf, meist implizit, einigen.


Ja, wobei ich die Frage interessant finde, ob das Symbol eben nicht ein vereinbartes Zeichen ist, sondern einen „tieferen“ inneren Zusammenhang hat.
Z.B. Rot als bevorzugte Warnfarbe.
Was aber Zeichen generell angeht, stimme ich Dir zu.

Lumen hat geschrieben:Kinder ahmen nach, Leute die nicht die gleiche Sprache sprechen, einigen sich mit Zeigen, oder durch andere Techniken (gestische Nachahmung usw.). Ich glaube das der Punkt nicht strittig sein dürfte, aber man weiß hier ja nie.


Das mit den Gesten ist auch so eine Sache.
Behalt es mal im Hinterkopf, wir können noch mal bei Gelegenheit drauf zurückkommen, was die Grundrichtung angeht, bin ich Deiner Meinung.

Lumen hat geschrieben:Wenn wir uns darauf einigen das die Zeichenfolge Hurxelipurxeli eine Lampe ohne Schirm mit Duftbäumchen bezeichnet, dann weißt du, was ich meine, wenn ich dich Frage ob du ein Hurxelipurxeli hast. Du kannst sogar so Sachen sagen wie, dass es ein Hurxelipurxeli ist, aber das Duftbäumchen sei abgefallen. Ein Tannenbaum, der seine Nadeln verloren hat ist immernoch ein Tannenbaum usw. Das bedeutet, dass es mE eigentlich keine wirklich festen Begrenzungen zwischen Begriffen gibt und auch die Sache mit der Wahrheit nicht ohne ist.


Ja.

Lumen hat geschrieben:Etwas ist solange etwas, bis Leute finden, dass genügend charakteristische Merkmale rausgeflogen sind oder das Bezeichnete durch diese Veränderung sich in einen anderen Begiff verkrümelt. Wie lange kann ich etwas von einem Keks abbrechen, bis man nicht mehr von Keks, sondern von Krümeln redet?

Warum ist das überhaupt Thema? Der Gegenstand war, was Wahrheit ist. Eine Form der Wahrheit wäre damit hinreichend und umständlich genug behandelt. Leute können mit gutem Willen einsehen, dass ein dreimal zerbrochener Keks, der mehr Krümel ist, noch als Keks durchgeht. In der Philosophen-Runde vielleicht nicht, aber bei normalen Forenteilnehmern.


Doch, gerade da.
Putnam hat solche Fragen gestellt, wie die, was genau man nun eigentlich über Gold wissen muss, um berechtigterweise von „Gold“ zu reden. Klingt blöd, wird aber sehr interessant und meint etwa das, was Du mit dem Keks meinst.
Spätestens bei Konzepten wird das interessant, wenn es darum geht, „Berechtigungen zu erben“.
Das heißt im Grunde genommen, dass man sich auf etabliertes Weltwissen beziehen (es voraussetzen) darf und das Rad nicht immer wieder neu erfinden muss.
Es reicht zu sagen: „Wie Einstein 1905 zeigen konnte“, wozu man allerdings nur berechtigt ist, wenn man auf Einstein verweist, aber ungefähr weiß, was er dort sagte und das Beispiel auch in den Kontext passt. Also eine Frage der Redlichkeit oder Wahrhaftigkeit.

Lumen hat geschrieben:Und wenn du Umfragen machst, ob es sich um einen Keks oder Krümel handelt, kannst du es auch statistisch ermitteln, was die Sprachgemeinschaft meistens unter Keks und Krümel versteht (die Krümel sind aber "wirklich" vorhanden, und das wäre auch wieder eine ganz andere Ebene der Diskussion).


Ja.

Lumen hat geschrieben:Für diejenigen, die hier garnicht mehr folgen können. Ursprünglich hatte Vollbreit den Zusammenhang zu Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten (und "Wahrheit") geleugnet. Außerdem läuft durch alle Diskussionen mit wiederkehrenden Teilnehmern ein roter Faden. Selbst wenn nanna ein bestimmtes Thema gar nicht anspricht, weiß jeder "woher er kommt" und dieses Wissen wird einbezogen. So beziehe ich ein, dass Vollbreit der Mystik zugeneigt ist, Evolutionstheorie ablehnt, und den Standpunkt vertritt, dass man nicht wissen könne, ob Schlangen* mal sprechen konnten.


Das ist jetzt z.B. unredliches Diskursverhalten.
Ich bin der Mystik zugeneigt, aber ich lehne die Evolutionstheorie ausdrücklich nicht ab, wie ich erst kürzlich sehr klar geschrieben habe. Ich glaube auch nicht, dass Schlangen mal sprechen konnten, aber mein Punkt war an der Stelle erkennbar nicht, dass es doch noch einen Funken Resthoffnung für einen schwer zu haltenden Punkt geben könnte, sondern, dass man logische Argumente empirisch nicht verifizieren oder falsifizieren kann.

Bei einer Umfrage was mehr ist, ein Drittel oder ein Viertel wird man gewiss seine Überraschungen erleben, solche Fragen sollte man aber nicht von Umfragen anhängig machen (und man muss es auch nicht).

Manche Fragen sind allerdings abhängig vom Konsens und das betrifft wesentlich z.B. moralische bzw. ethische Fragen.

Lumen hat geschrieben:Natürlich kann ich nicht wissen, ob der Mond gestern auf seiner Rückseite für die Dauer von 4 Minuten aus Bananencreme bestand*. Gemeint ist, unter normalen Menschen dies: die Wahrscheinlichkeit hierfür ist praktisch null. Damit dies passieren kann, müssten sehr viele Dinge angenommen werden, die allesamt unplausibel sind.


Mach es doch einfacher. Die Aussage, „Du kannst mich nicht widerlegen“ ist schlicht nichts wert, das unterschreibe ich sofort.

Lumen hat geschrieben:Die Wahrheitskandidaten, es gäbe sprechende Schlangen oder Monde aus Bananencreme werden haushoch von anderen Möglichkeiten ausgestochen.


Bringt Dich aber nicht aus Deiner Misere.
Die Wahrscheinlichkeit im Lotto den Höchstgewinn zu erzielen ist verschwindend gering.
Das galt halt auch für den letzten Höchstgewinner.

Lumen hat geschrieben:Und hier können wir auch den Bogen zu Religionsquellen und so weiter spannen. Eine Welt erschaffen in 7 Tagen* kann wahr sein, wenn Tage entsprechend definiert werden, aber ist nicht wahr in dem Sinne, wie man es für gewöhnlich verstehen würde und eine Einteilung in sieben Einheiten scheint unplausibel zu sein.


Das sehe ich auch so.

Lumen hat geschrieben:Daher ist die Aussage, die Welt sei in 7 Tagen erschaffen mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Es ist aber trotzdem möglich ….
[/quote]

Warum werde ich den Eindruck nicht los, dass Du immer meinst, mich von der Falschheit (oder Unwahrscheinlichkeit) von etwas überzeugen zu müssen, was ich überhaupt nicht vertrete.
Genau das ist, was die Welt an Dir so anstrengend findet.
Es ist als wenn ich behaupte Du seist ein notorischer Wähler der Linkspartei, Du antwortest, Du hättest sie nie gewählt und würdest das auch nicht beabsichtigen und ich Dir dann jedes mal erkläre, was die Linkspartei für einen absurden Mist fordert, was das für ein Haufen von Beknackten ist und jedes mal so tue, als seien Deine Worten, dass Du die Linkspartei gar nicht wählen würdest, nie gefallen.
Genauso gehst Du vor, nur eben mit dem Thema Religion, aber mit hartnäckiger Ignoranz der Aussagen der anderen und unglaublich nervtötender Penetranz.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mi 17. Okt 2012, 20:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 17. Okt 2012, 20:56

@ ganimed:

Deine Zusammenfassungen sind nicht so ganz meine Sache, aber gut, wir sind auch nur ne lockere Runde, insofern, passt schon.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Bist Du eigentlich der Meinung, dass es diese Sprache gibt?

Vielleicht ist sie bisher nur zu 10% bekannt, oder zu 5%. Aber ja, ich denke da tatsächlich reduktionistisch. Die Sprache gibt es prinzipiell, weil alles was wir als Subjekt mit unserem Kopf erleben auf neuronale Vorgänge beruht, die man objektiv beschreiben kann.


Okay, dann versuch mal bitte folgenden Gedankengang mitzugehen.
Nehmen wir an, Du diskutierst mit einem Freund über irgendetwas. Der Freund überzeugt Dich, Du hast nachher eine andere Meinung, die Meinungsänderung lässt sich neurologisch darstellen.
Aber kann man anhand der darstellbaren Einstellungsänderung das Gespräch zurückverfolgen?

Oder nimm beliebige andere Kausalkette von Ereignissen.
Vom erfolgten Reiz am Erfolgsorgan aus rückwärts, lässt sich eine Kausalkette nicht mehr rekonstruieren. Im der Theorie vom Körperinnneren und dessen Zuständen entsteht keine Welt in der es Autos, Hunde und Gelächter gibt, also die normalen Dinge mit denen wir semantisch umgehen.

ganimed hat geschrieben:Es ist dualistischer Unsinn, da geheimnisvolle Dinge anzunehmen, die kein Mensch nachweisen kann und die angeblich aber das Mehr sind als die Summe der Neuronen.


Emergenzen? Doch, die kann man nachweisen.
Es gibt spezifische Tests, die untersuchen, ob eine Ich vorhanden oder nicht vorhanden ist (die Relaitätsprüfung), oder ob eine Identitätsdiffusion vorliegt oder ob das nicht der Fall ist. Psychologen gehen ständig damit um, der Test heißt „Strukturelles Interview“.
D.h. man der Begriff „Ich“ ergibt einen Sinn und man kann den Umfang dieses Ichs empirisch testen.

ganimed hat geschrieben:Nur weil man sich nicht vorstellen kann (aus Unkenntnis oder weil die Forschung in vielen Dingen auch noch nicht sehr weit sein mag) oder vorstellen mag (aus Angst, das menschliche Selbstverständnis zu sehr zu beschädigen), dass alle geistigen Phänomene wirklich nur durch Nerven und Nervensignale erzeugt werden.


Ich glaube so weit sind auch die Kritiker des Reduktionismus‘ durchaus in ihren Überlegungen gekommen.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Mi 17. Okt 2012, 21:23

Naja Vollbreit. Es ist charakteristisch für Diskussionen mit dir, dass es sich wie Alice im Wunderland anfühlt. Es gibt eine Geschichte weit oben (Alice hat einen Tagtraum), die Rahmenhandlung, und da geht es dann in den Kaninchenbau, der nur eine weitere Rahmenhandlung ist und so weiter. Ein anderes Bild wäre auch Matroschka-Puppen. Du haust ja ständig ab in die nächste Geschichte. Jetzt sind wir bei Sprache und dein Beleg hat sich jetzt auch nur als roter Hering entpuppt. Es hätte ja sein können, dass die neue Sache den vorherigen Sachverhalt auflöst. Es ist ja durchaus interessant (das meine ich wirklich), aber dann kannst du nicht klagen, wenn das Gebilde für dich ungemütlich wird. Ich versuche wenigstens ab und zu den Ariadnefaden nicht zu verlieren. Und ich bin offenbar, mit Verweis auf Ganimed, nicht der einzige, dem das so geht. Von Rahmen und so schrieb ich ja schon als ersten Beitrag in diesem Thema. Aus meiner Sicht also QED.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mi 17. Okt 2012, 22:00

Vollbreit hat geschrieben:Nehmen wir an, Du diskutierst mit einem Freund über irgendetwas. Der Freund überzeugt Dich, Du hast nachher eine andere Meinung, die Meinungsänderung lässt sich neurologisch darstellen. Aber kann man anhand der darstellbaren Einstellungsänderung das Gespräch zurückverfolgen?

Ich glaube nicht. Man kann aus der Meinungsänderung nicht das Gespräch rekonstruieren. Hast du das so gemeint? Was also bedeuten würde, dass der Verlauf des Gesprächs nicht vollständig in der Meinungsänderung abgespeichert ist. Aber ich verstehe noch nicht, worauf du damit hinaus willst.

Vollbreit hat geschrieben:Vom erfolgten Reiz am Erfolgsorgan aus rückwärts, lässt sich eine Kausalkette nicht mehr rekonstruieren. Im der Theorie vom Körperinnneren und dessen Zuständen entsteht keine Welt in der es Autos, Hunde und Gelächter gibt, also die normalen Dinge mit denen wir semantisch umgehen.

Was meinst du hier mit "Erfolgsorgan"? Das Sinnesorgan, welches den Reiz empfing? Von wo nach wo geht die Kausalkette, die sich nicht mehr rekonstruieren lässt?
Wenn die neuronalen Vorgänge unsere innere Welt sind, dann gibt es dort drinnen auch alles, womit wir semantisch umgehen, also Repräsentationen von Autos, Hunden und Gelächter. Oder ziehst du das in Zweifel?

Vollbreit hat geschrieben:Emergenzen? Doch, die kann man nachweisen.

Auch aus deinem angegebenen Beispiel von psychologischen Tests werde ich nicht schlau. Wie kann man Emergenzen nachweisen? Welche sind das dann? Und woraus bestehen die?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Do 18. Okt 2012, 07:32

Vollbreit hat geschrieben:Warum werde ich den Eindruck nicht los, dass Du immer meinst, mich von der Falschheit (oder Unwahrscheinlichkeit) von etwas überzeugen zu müssen, was ich überhaupt nicht vertrete.
Genau das ist, was die Welt an Dir so anstrengend findet.
Es ist als wenn ich behaupte Du seist ein notorischer Wähler der Linkspartei, Du antwortest, Du hättest sie nie gewählt und würdest das auch nicht beabsichtigen und ich Dir dann jedes mal erkläre, was die Linkspartei für einen absurden Mist fordert, was das für ein Haufen von Beknackten ist und jedes mal so tue, als seien Deine Worten, dass Du die Linkspartei gar nicht wählen würdest, nie gefallen.
Genauso gehst Du vor, nur eben mit dem Thema Religion, aber mit hartnäckiger Ignoranz der Aussagen der anderen und unglaublich nervtötender Penetranz.
:applaus:
Endlich sagts mal einer!
Es ist schwer, ein einmal gesetztes Bit im Kopf eines anderen wieder zu entfernen.

:mg: stine
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Do 18. Okt 2012, 09:52

Da gebe ich zu, dass ich das verwechselt hatte, ihr seid bei dem Brights-Kernthema natürlich eher auf der Hardliner-Seite und vertretet einen klaren Standpunkt gegen Kirchen und Glauben. Ich hab euch da wohl mit ujmp und Darth Nefarius verwechselt, die ja bekanntlich eher Lax zu dem Thema stehen.

Gut, war witzig. Ein paar Belege …

stine, bereits auf Seite 2, am 4. Oktober hat geschrieben:(...) Ein Beispiel: Vielfach wird hier im Forum über die Notwendigkeit der Moral gestritten. Nur weil ich sie aus der Religion ableite (...)


vollbreit, bereits auf Seite 2, am 4. Oktober hat geschrieben:Ich spekuliere mal: Ich glaube, was explizite atheistische Naturalisten an bekennenden Gläubigen stört, ist dass sie der Meinung sind, (...) Für Naturalisten gelten aber oft viele selbstauferlegte (und ungenügend hinterfragte) Regeln. Eine davon ist, dass Wahrheit immer vorläufig ist, aber es immer nur eine beste vorläufige Wahrheit gibt (und dass diese fast immer eine naturwissenschaftliche sei). (...) Ich weiß nicht, was an einem Stein oder schierer Existenz „wahr“ sein soll. (...) Atheistische Naturalisten argumentieren (...) warum sollte es nicht im Sinne der Evolution nützlich sein zu foltern, die Todesstrafe einzuführen oder das genaue Gegenteil zu tun? (...)


stine, bereits auf Seite 2, am 7. Oktober hat geschrieben:Vielleicht hilft hier wieder ein Beispiel: Ein klassischer Mediziner und ein Vertreter der Homöopathie tauschen sich über die ideale Behandlung der heute vielfach diagnostizierten vegetativen Dystonie aus. Die Argumente beider Heiler (...)


Mein erster Beitrag in dem Thema kommt erst danach, und ging da noch um Russels Teekanne und um Behauptungen die nicht belegt sind. Es ging nicht um irgendwelche "Reizthemen" wie jeder selbst nachlesen kann. Daraufhin nam Vollbreit direkt darunter wie folgt Bezug:

vollbreit, bereits auf Seite 2 hat geschrieben:ein Problem, Lumen, ist, dass Du jenen guten Willen beim anderen einforderst, den Du selbst nicht mal im Ansatz zu gewähren bereit bist. Du bemühst Dich nicht den anderen zu verstehen, weil Du in der Illusion lebst – jedenfalls, wenn man auf Deine Reizthemen zu sprechen kommt – der andere hätte Dir schlicht überhaupt nichts zu sagen und Du hättest ihn längst verstanden. „Ich kann von euch nichts mehr lernen, aber ihr von mir“, ist da der immerwährende Subtext. (...)


Putzig. :^^:
Zuletzt geändert von Lumen am Do 18. Okt 2012, 09:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Do 18. Okt 2012, 09:55

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nehmen wir an, Du diskutierst mit einem Freund über irgendetwas. Der Freund überzeugt Dich, Du hast nachher eine andere Meinung, die Meinungsänderung lässt sich neurologisch darstellen. Aber kann man anhand der darstellbaren Einstellungsänderung das Gespräch zurückverfolgen?

Ich glaube nicht. Man kann aus der Meinungsänderung nicht das Gespräch rekonstruieren. Hast du das so gemeint?


Ja, das habe ich exakt so gemeint.

ganimed hat geschrieben:Was also bedeuten würde, dass der Verlauf des Gesprächs nicht vollständig in der Meinungsänderung abgespeichert ist. Aber ich verstehe noch nicht, worauf du damit hinaus willst.


Wir sind bei der Frage, ob es möglich ist, die Sprache der 1.Person vollständig in die der 3.Person zu übersetzen.

Wir sind offenbar einig in der Ansicht, dass die Sprache der 3.Person, die das leistet, eine Fachsprache wäre und erst zu geringen Teilen existiert, Du bist der Ansicht so zwischen 5 und 10%.
Uneins sind wir in der Frage, ob dies in Zukunft möglich sein wird.

Nehmen wir mal an, dass es tatsächlich darstellbare neurophysiologische Repräsentationen für eine erfolgte Meinungsänderung gibt, die sich meinetwegen daran festmachen lassen, dass bei der Frage nach Deiner Einstellung über ein Thema, immer ein bestimmter Bereich aktiv war, nun aber, bei der gleichen Frage, ein anderer Bereich aktiv ist.

Was genau ist nun eigentlich darstellbar?
Nehmen wir an, die Daten sind präzise genug, dann wäre die Einstellungsänderung darstellbar, sozusagen das Endresultat der Diskussion.
Du bist der Auffassung das Gespräch selbst sei aus den neurologischen Daten (den objektiven Daten der 3.Person Perspektive) heraus nicht mehr konstruierbar.

Es könnte nun aber Folgendes sein. Du bist in geselliger Runde, das Gespräch kommt wieder auf das Thema (zu dem Du vor wenigen Tagen das lange Gespräch mit Deinem besten Freund hattest), Du sagst, was Du denkst und in der geselligen Runde, bemerkt jemand Deine Einstellungsänderung und fragt: „Sag ganimed, warst du denn sonst nicht immer ganz anderer Meinung, bei dieses Thema?“
Und so könntest sowas antworten wie: „Ja, du hast Recht. Aber ich hatte vor wenigen Tagen eine intensive Unterredung mit meinem besten Freund Peter und während stundenlanger Diskussionen hat Peter mich am Ende überzeugt, dass meine bisherige Ansicht nicht stimmte und ich habe mich überzeugen lassen.“

Das heißt, Du könntest diese Daten rekonstruieren. Vielleicht nicht exakt, in allen Details, wann genau das entscheidende Argument kam, ob die Flasche Wein, die ihr dabei getrunken habt, mit dem Etikett genau zu Dir stand und ob der Tropfen der daran herunterlief nun eher links oder rechts auf dem Etikett herunterlief, aber Du kannst Dich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch an das zentrale Argument erinneren, was Dich zum umdenken brachte, an die Gesamtstimmung, wie lange ihr Euch etwa darüber unterhalten habt, wie ihr eigentlich auf dieses Thema gekommen seid, wie das Gespräch grob verlaufen ist und so weiter.
Kurz und gut: Dein Bericht (aus der 1.Person Perspektive) ist umfangreicher und enthält mehr Daten, als die Darstellung der 3.Person Perspektive.

Wäre die Sprache der 1.Person aber vollständig ersetzbar oder übersetzbar, dürfte es diese Differenz oder Lücke aber nicht geben.
Kannst Du das bis hierhin nachvollziehen?

Falls nein: Wo genau steigst Du aus und warum?

Falls ja: Dein Einwand könnte lauten, dass dies auch nur eine Frage der Technik sei, heute könne man das noch nicht rekonstruieren, aber in 50 Jahren gewiss.
Hierauf würde meine Antwort lauten, dass man vom gereizten Erfolgsorgan aus niemals wieder in die Kausallette davor zurückkommt (mit dem Bewusstsein aber sehr wohl).
D.h. man kann messen, ob ein Muskel gerade aktiviert ist. Ob das aber der Fall war, weil er von außen elektrisch gereizt wurde oder weil jemand die Absicht hatte, den Arm zu heben oder weil jemand eine kurze Reflexbewegung ausführte um sein Gesicht vor einem herannahenden Gegenstand zu schützen, kann man am Erfolgsorgan nicht sehen und rekonstruieren.
Der Erlebende könnte es aber durchaus berichten. Wieder kommt man mit den 1.Person Daten weiter (was die Rekonstruktion angeht) als mit den 3.Person Daten.

Bei einer Theorie der Nervenzellen und Körperreize passiert genau das.
Die Vergangenheit, die Geschichte die zur Reizreaktion führte ist nicht mehr (anhand der objektiven Daten der 3.Person Perspektive) rekonstruierbar.

Zumindest Ich kann nicht sehen, wie dies prinzipiell (also auch in 50 oder 100 Jahren) auf der Basis dieser Theorie anders werden sollte. Man kommt von einer reduzierenden Theorie neurologischen Daten niemals in gesprochene Sprachen hinein.

Auch dazu eine simple Frage: Kann man, wenn man nur die Aufnahmen eines reagierenden Hirns vor sich hat Deiner Meinung nach erkennen, welche Sprache der Mensch spricht, welchen Dialekt er ggf. hat und über welchen Wortschatz er verfügt? Ob er eine oder mehrere Fremdsprachen spricht und wie gut?

Vollbreit hat geschrieben:Vom erfolgten Reiz am Erfolgsorgan aus rückwärts, lässt sich eine Kausalkette nicht mehr rekonstruieren. Im der Theorie vom Körperinnneren und dessen Zuständen entsteht keine Welt in der es Autos, Hunde und Gelächter gibt, also die normalen Dinge mit denen wir semantisch umgehen.

Was meinst du hier mit "Erfolgsorgan"? Das Sinnesorgan, welches den Reiz empfing? Von wo nach wo geht die Kausalkette, die sich nicht mehr rekonstruieren lässt?
Wenn die neuronalen Vorgänge unsere innere Welt sind, dann gibt es dort drinnen auch alles, womit wir semantisch umgehen, also Repräsentationen von Autos, Hunden und Gelächter. Oder ziehst du das in Zweifel?[/quote]

Ja.
Ich glaube dass die Suche nach Autos im inneren Kopfes genauso absurd ist, wie die Suche nach dem Ich im inneren des Kopfes.
Zumindest die reduzierenden Theorien können das nicht leisten (und auch gegen repräsentationale Ansätze gibt es ernstzunehmende Argumente), also müsste man bessere Theorien finden.
Aber, dass es genaue Repräsentationen der Welt „da draußen“ „hier drinnen“ in meinem Schädel gibt, ist glaube ich eine Vorstellung die in der bisherigen Art unhaltbar ist.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Emergenzen? Doch, die kann man nachweisen.

Auch aus deinem angegebenen Beispiel von psychologischen Tests werde ich nicht schlau. Wie kann man Emergenzen nachweisen? Welche sind das dann? Und woraus bestehen die?


Gestatte mir, dass ich kurz aushole, ich vergesse Deine Frage nicht und komme drauf zurück.
Wann gibt es eigentlich etwas? Details mal weggelassen:

Ich könnte da vorne einen Baum sehen, den könnte ich auch anfassen und draufklettern, wenn ich es genau wissen will und obendrein andere befragen, ob sie den Baum dort auch sehen und diese Frage ist so blöd, weil es so offensichtlich ist, dass die anderen mich komisch anschauen und „Ja sicher“ oder sowas antworten würden. Es gibt also wohl Bäume (zumindest diesen einen).
Mit Geräuschen und Gerüchen und anderen Sinnesdaten ist das ähnlich.

Es gibt aber andere Sinnesempfindungen: Du könntest Hunger haben. Hier kannst Du nicht sagen: „Ich glaube ich haben Hunger, merkst Du das auch?“ Man mag Dir ansehen, wenn Du müde bist, aber der andere muss das nicht ebenso empfinden. Hier gehen wir anders vor, als beim Baum. Wir sagen nicht: „Also ich fühle mich nicht hungrig, also kannst Du es auch nicht sein“, sondern man würde Dir abnehmen, dass Du wahrheitsgemäße Angaben über Dein Befinden machst (wieso auch nicht?).
Man glaubt Dir das auch deshalb, weil jeder die Empfindung „Hunger“ kennt. Es gibt wohl tatsächlich Hunger. Streng genommen könnte man hier schon sagen: „Ja, zeig doch mal her deinen Hunger, das ist ja pure Metaphysik, ich habe noch nie Hunger in der Welt gesehen. Was wiegt denn so ein Hunger, wo kann ich den denn sehen?“

Dann gibt es andere Begriffe, wie „Bruttoinlandsprodukt“. Was soll das sein, kann man da drauf zeigen? Selbst wenn mir jemand einen Zettel zeigt auf dem steht: „Das Bruttoinlandsprodukt von 2011 betrug …“, weiß ich immer noch nicht was dass sein soll. Hinschreiben kann man viel, auch „Ich“ oder „superveniert“ oder „der liebe Gott“ oder „Wurzel aus -1“.
Hast Du schon mal -3 Kühe gesehen? Wieviele Beine haben -3 Kühe wohl? 12 oder 0 oder -12?
Solche Begriffe kann man definieren und empirisch bedeutet hier soviel wie, einen Weg oder eine Methode angeben zu können, wie man (also prinzipiell jeder) zu diesen Ergebnissen kommen kann.
Was muss ich tun, um auf „-3“ zu kommen. Beispielsweise von5 von 2 subtrahieren.
Einfach zu sagen, diese Zahlen gibt es ja gar nicht, würde manchen Kontoinhaber erfreuen, aber ich glaube im Alltag wissen wir alle sehr gut was 736 Euro Schulden bedeuten.

Nun also zurück zur Frage und zu den Emergenzphänomenen.
Das Ich könnte so etwas sein. Das würde dann heißt, es wäre geboren aus neurologischen Möglichkeiten oder Wechselwirkungen, aber nicht (mehr) auf diese reduzierbar.
Die Frage ob es prinzipielle Reduzierbarkeit eines jeden Phänomens gibt, blende ich mal aus, weil das ja unsere Grundfrage ist.
Nehmen wir also an, das Ich würde es tatsächlich geben und es sei ein emergentes oder emergiertes Phänomen. Auf einer emprischen Ebene muss man sich mit dieser Grundsatzfrage gar nicht herumquälen, sondern kann einfach zeigen, was man tun muss um von einem Ich zu reden.
Ob also dieses Ich ein Phänomen ist, dem man verlässlich immer wieder begegnen kann. Und ob dieses Ich auch falsifizierbar ist. (Gibt es Situationen, in denen wir kein Ich vorfinden und wie sehen die aus?)
Hier finden wir in Psychologie und Psychiatrie jede Menge.
Ein Ichverlust ist in der Psychiatrie, die größte Überlappungen mit der Neurologie hat, nicht nichts, sondern ein recht dramatisches Ereignis, man nennt es dort psychotische Episode. In diesem Fall bekommt man schwerste Medikamente und ggf. werden andere Sicherheitsmaßnahmen erwogen.
Man macht also einen ziemlichen Wirbel.
Nun könnten ja die Kollegen der Neurologie mit ihren bildgebenden Verfahren vorbeikommen und sagen: „Wisst ihr was, beruhigt euch, wir haben herausgefunden, es gibt sowieso kein Ich, also kann es auch den Ichverlust/Ichinflation/Realitätsverlust der Psychosen gar nicht geben.“ Hat sich irgendwie nicht durchgesetzt in der Praxis, diese Ansicht. Man macht immer noch ziemlichen Wirbel, wenn jemand eine akute Schizophrenie oder einen manischen Schub hat.

Und so gibt es neben den gravierenden Ereignissen, die keinen Zweifel, dass hier etwas nicht stimmt, auch subtilere Ereignisse, bei denen dennoch die Grenze zwischen Ich und Du, oder Ich und Welt/Gesellschaft verschwimmt. Auch bei oft milder Symptomatik der atypischen Psychosen eine ernste Situation. Und diese atypische Psychose ist für den Fachmann gleichbedeutend mit der Aussage, dass kein Ich mehr erkennbar ist und es gibt einen Test, die sogenannte Realitätsprüfung, bei der getestet wird, inwieweit jemand in der Lage ist, mit den Spielregeln der Gesellschaft empathisch zu sein. Es geht nicht darum, dass man diese Spielregeln teilt, es geht nur darum, dass man sie versteht. Ist das gegeben, kann man sich so verrückt verhalten wie man will, man ist nicht psychotisch. Ist das nicht gegeben, ist man psychotisch. Dieser Test funktioniert sehr gut und ist sehr fein und wird in Zweifelsfällen routinemäßig benutzt. Wenn jemand offen halluziniert oder sagt, er sei Napoleon, ist er nicht nötig.

Zweitens kann man die sogenannte Ich-Schwäche sehr schön darstellen, diagnostisch spricht man hier von der Identitätsdiffusion. Eine ebenfalls äußerst wichtige Grenze, die über die Wahl der Therapie entscheidet und die diagnostische Grenze zur schweren Persönlichkeitsstörung markiert.
Hier erscheint ein typisch geschwächtes Ich und je nach dem ob das Temperament eher in eine narzisstische oder paranoide Richtung deutet, kommt es zu entsprechenden Symptomen.
Ein riesiger und ungeheuer bedeutender Bereich, der durch diese Ich-Schwäche markiert ist und dessen therapeutisches Ziel es ist, dieses Ich zu stabilisieren und ein sogenanntes integriertes Ich zu „installieren“.
Gelingt das, kann man es an vielen Faktoren ablesen, die der Patient selbst angibt und die man testen kann. Die Art der Beziehungen wird stabiler und realistischer, es gibt weniger Probleme in Partnerschaft und Beruf, die Phantasien über sich und andere verändern sich, bestimmte Ängste reduzieren sich, die Gegenübertragung verändert sich, die moralischen Empfindungen gehen von der egozentrierten Scham zur Schuld, die sich um andere sorgt und so weiter, ein weites Feld.

Man kann auch ein von Beginn an integriertes Ich vorfinden, bei neurotischen Patienten oder psychisch gesunden Menschen. Dieses Ich hat nur Probleme in bestimmten Lebensbereichen, ist aber als ganzes integriert und hat damit de Fähigkeit sich selbst und für das eigene Leben wichtige andere Personen in Tiefe zu beschreiben.
In diesem Schaubild sind ist diese hierarchische Abfolge vom gesunden ich zum Ichverlust und dem was dazwischen liegt noch einmal dargestellt:
http://www.tfp-institut-muenchen.de/pic ... _large.png

Kurz: emergente Phänomene wie das Ich und seine partiellen oder weitereichende Schwächen, sind empirisch darstellbar, und habe für die Pathologie und die sozialen Beziehungen eine überragende Bedeutung.

Hier nun die Diskussion zu beginnen, dass es das Ich ja gar nicht geben könnte (weil man es nicht im Hirn sieht), hieße die Forschungen auf breiter Front der letzten 40 Jahre, die längst praktische Anwendung finden, kalt zu ignorieren.
Zudem finde ich es immer ganz erhebend, wenn auch theoretischen Behauptungen praktische Folgen abzuleiten sind. Aus der Theorie der Ich-Schwäche folgt praktisch jede Menge, das Phänomen ist auf allen Ebenen sichtbar, aus der Theorie dass es ein Ich gar nicht geben könne, folgt m.E. praktisch schlicht gar nichts, was mich doch einigermaßen wundert.

Was sollte Ich anders machen, wenn ich glaube, dass es ein Ich gar nicht gibt, dass das nur eine epiphänomenale Illusion meines Gehirns ist?
Was hast Du anders gemacht, nachdem Dir klar wurde (denn Du glaubst ja daran) dass Dein Ich nicht existiert?

Es gibt die Dinger und ein Ich hat dieses Beitrag verfasst.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Do 18. Okt 2012, 10:42

Naja, Lumen. Es wird wohl auch weiterhin nicht jeder anerkennen, dass Du der wirklich einzige mit Kenntnissen und Durchblick bist auch wenn Du Dich jetzt noch ein paar Beiträge lang an, aus meiner Sicht, regressiven Entwertungen abarbeiten wirst, die Dich vor dieser Konfrontation schützen, denn es können ja nur religiöse Hardliner und Grenzdebile sein, die Dich nicht allumfassend würdigen.
Ist aber nur dummes Psychogewäsch von einer Flitzpiepe, insofern habe ich Vertrauen, dass Du das schon wieder, in innerlichen Gesprächen, mit Dir ausmachen und zu Deinen Gunsten richten wirst. Kritik zu überhören und die Kritiker zu entwerten ist dabei immer eine exzellente Zutat, denn was juckt einen schon das dumme Geschwätz der anderen, sind ja eh alles Idioten.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Do 18. Okt 2012, 16:00

Aber bei der Wahrheit solltest du schon bleiben. Deine Behauptungen sind offensichtlich nicht wahr, wie jeder mit einem Klick nachprüfen kann. Das ist natürlich interessant, was du hier schreibst: "regressiven Entwertungen abarbeiten wirst, die Dich vor dieser Konfrontation, die Dich vor dieser Konfrontation schützen". Da ging ich vorhin an einer Kirche vorbei und plötzlich musste ich stehenbleiben. Aber war dann doch nur ein Krampf im kleinen Zeh. Du kannst ja gerne solche Meinungen haben, will dir den Spaß ja nicht nehmen, aber du solltest bei der Wahrheit bleiben.

Mein erster Kommentar begann so...
Vollbreit hat zumindest bei einigen diagnostizierten Problemen in den Meinungen recht, (...)


und zuletzt schrieb ich:
Es ist ja durchaus interessant (das meine ich wirklich)


Pro-Tipp: Lügen ist keine gute Idee in einem schriftlichen Medium.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Fr 19. Okt 2012, 00:14

Vollbreit hat geschrieben:Kurz und gut: Dein Bericht (aus der 1.Person Perspektive) ist umfangreicher und enthält mehr Daten, als die Darstellung der 3.Person Perspektive.
Wäre die Sprache der 1.Person aber vollständig ersetzbar oder übersetzbar, dürfte es diese Differenz oder Lücke aber nicht geben.
Kannst Du das bis hierhin nachvollziehen?

Ich kann das nur schwer nachvollziehen. Ich kann nämlich kaum glauben, dass du das schlüssig findest. Wenn man in der 3.Sprache darstellen kann, wie die geänderte Meinung aussieht, dann ist das meinetwegen die Information A. Wenn du jetzt den lebenden Menschen fragst: hey, wie war denn das? Worauf greift der dann zurück? Auf die 1.Person-Entsprechung von A? Nein, sondern auf A und auf G wie Gedächtnis. Episodisches Gedächtnis, verknüpft es assoziativ mit Erinnerungen an Empfindungen die er dabei hatte, an Gerüche, an visuelle Schnippsel von Weintropfen und vielleicht noch jede Menge Begriffe und abstrakte Ideen, die alle bei der bewussten Rückschau mit aktiv werden, weil die entsprechenden Neuronen mit den entsprechenden anderen Neuronen verbunden sind, feuern, signalisieren, Muster bilden, etc. Wenn ich Hirnforscher wäre, könnte ich es dir etwas genauer beschreiben.
Also dein Rätsel der Lücke war leicht zu lösen. Du hast unfairerweise in deiner Rätselaufgabe der Person in der 1.Sprache erlaubt, aufs ganze Gehirn zurückzugreifen und das Ergebnis an Informationen dann mit den kümmerlichen Teilinformationen verglichen, die man erhält, wenn man nur die Meinungsänderung in der 3.Sprache beschreibt.

Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube dass die Suche nach Autos im inneren Kopfes genauso absurd ist, wie die Suche nach dem Ich im inneren des Kopfes.

Das ist ja ein tolles Argument. Wow. Es muss also Emergenzen geben, weil du dir eine direkte Entsprechung einfach nicht vorstellen kannst. Rufen wir Singer an, er soll die Suche abblasen. Es gibt keine Möglichkeit, auf neuronaler Ebene eine Repräsentation von Dingen zu finden. Warum nicht? Weil Vollbreit sich die nicht vorstellen kann. Basta. Wenn er überhaupt versteht, was wir von ihm wollen, wird er sicher herzlich lachen.

Noch unglaublicher für mich (entschuldige meine Verblüffung, aber die ist wirklich groß) ist die Erläuterung, warum der psychologische Nachweis des Ichs für dich ein Argument ist, dass Emergenzen existieren. Ich musste es zweimal lesen, um sicher zu gehen, dass keine Hinweise auf einen Scherz enthalten sind. Du scheinst völlig selbstverständlich die folgenen Annahmen zu haben und Schlussfolgerungen zu treffen:
1) Hirnforscher behaupten, es gäbe kein Ich (in den Neuronen)
2) Das Ich kann deshalb nur ein emergentes Phänomen sein
3) Einen Vorgang, den Psychologen Ichverlust nennen, gibt es wirklich
4) Also gibt es das Ich wirklich
5) also gibt es wirklich Emergenzen

Dazu kann ich nur kurz entgegnen: (1) ist total falsch. (2) ist Unsinn und völlig unlogisch. (3) ist ok. (4) ist ok. (5) ist ein Folgefehler aus (2).

Wenn ich du wäre und felsenfest davon überzeugt wäre, dass das menschliche Gehirn nun Neuronen + Emergenzen ist, dann wäre ich jetzt etwas verunsichert. Auf meine Frage, was denn Emergenzen sind und woraus sie bestehen, hast du vorsichtshalber erst gar nicht geantwortet. Muss so etwas sein wie -3, etwas abstraktes, nicht fassbares, etwas aus der geistigen Welt. Mehr weißt du nicht? Und mit diesem fast nichts willst du argumentieren? Oje, oje.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber du scheinst mir ein Dualist zu sein und sehr wenig überzeugende Argumente für Emergenzen zu haben, dafür jede Menge falsche Voreingenommenheiten über Hirnforschung (die können nur bildgebende Verfahren und wissen sonst nix). Dagegen wirkte dein Widerspruchsargument auf mich noch fast akzeptabel.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Fr 19. Okt 2012, 09:27

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Kurz und gut: Dein Bericht (aus der 1.Person Perspektive) ist umfangreicher und enthält mehr Daten, als die Darstellung der 3.Person Perspektive.
Wäre die Sprache der 1.Person aber vollständig ersetzbar oder übersetzbar, dürfte es diese Differenz oder Lücke aber nicht geben.
Kannst Du das bis hierhin nachvollziehen?

Ich kann das nur schwer nachvollziehen. Ich kann nämlich kaum glauben, dass du das schlüssig findest. Wenn man in der 3.Sprache darstellen kann, wie die geänderte Meinung aussieht, dann ist das meinetwegen die Information A. Wenn du jetzt den lebenden Menschen fragst: hey, wie war denn das? Worauf greift der dann zurück?


Ich würde sagen, auf seine Erinnerung.

ganimed hat geschrieben:Auf die 1.Person-Entsprechung von A? Nein, sondern auf A und auf G wie Gedächtnis. Episodisches Gedächtnis, verknüpft es assoziativ mit Erinnerungen an Empfindungen die er dabei hatte, an Gerüche, an visuelle Schnippsel von Weintropfen und vielleicht noch jede Menge Begriffe und abstrakte Ideen, die alle bei der bewussten Rückschau mit aktiv werden, weil die entsprechenden Neuronen mit den entsprechenden anderen Neuronen verbunden sind, feuern, signalisieren, Muster bilden, etc. Wenn ich Hirnforscher wäre, könnte ich es dir etwas genauer beschreiben.


War schon okay, habe ich auch so verstanden und Hirnforscher können das auch nicht besser erklären.

ganimed hat geschrieben:Also dein Rätsel der Lücke war leicht zu lösen. Du hast unfairerweise in deiner Rätselaufgabe der Person in der 1.Sprache erlaubt, aufs ganze Gehirn zurückzugreifen und das Ergebnis an Informationen dann mit den kümmerlichen Teilinformationen verglichen, die man erhält, wenn man nur die Meinungsänderung in der 3.Sprache beschreibt.


Meinst Du denn, man könne die ganze Kette der Ereignisse bergen?
Oben hast Du selbst gesagt, das ginge nicht.
Welche neurologischen Experimente und Erkenntnisse liegen dem zugrunde?

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube dass die Suche nach Autos im inneren Kopfes genauso absurd ist, wie die Suche nach dem Ich im inneren des Kopfes.

Das ist ja ein tolles Argument. Wow.


Du glaubst das ginge, ist das ein besseres Argument?

ganimed hat geschrieben:Es muss also Emergenzen geben, weil du dir eine direkte Entsprechung einfach nicht vorstellen kannst.


Nein, es muss Emergenzen geben, weil jeder weiß, was ein Ich ist.
Wenn Du schreibst, ich hätte keine Argumente, wen meinst denn dann? Doch wohl mich, oder?
Im Alltag weißt jeder was ein Ich ist. Ich bin auch todsicher, dass Du in der Praxis darauf bestehen würdest, dass Du ein Ich hast. Glaubst Du nicht? Nun: Würdest Du mir Dein nächstes Gehalt wohl überweisen? Du hast ja kein Ich, ich schon, ich kann mit der Kohle was anfangen. Ein Hirn braucht nur Glukose, ich schick Dir zum Ausgleich ne schöne Packung Traubenzucker.
Wenn Du nun denkst: „Was, ausgerechnet dir? Ich habe dafür gearbeitet, das ist mein Geld“ usw. dann wirst Du wohl irgendwas mit den Aussagen verbinden und irgendwen mit „ich“ und „mein“ im Sinn haben. Du kannst natürlich noch die nette Zusatzschleife dranhängen: „Das illusionäre Epiphänomen meines Hirns, von dem ich glaube, dass ich das bin“ oder so, was immer auf einen performativen Selbstwiderspruch herausläuft.
(Performativer Widerspruch bedeutet: Man tut praktisch das, was man theoretisch bestreitet.)

Denn dann gibt es solche Formulierungen, dass unser Gehirn uns täuscht und so weiter.
Gibt es Dich und mich denn zwei mal? Diese Widersprüche finde man zuhauf, man muss sie nur sehen lernen.

Der entscheidende Fehler den Du m.E. hier und im anderen Thread machst, ist, dass Du eine schlampige Sprache benutzt und gleichzeitigt diejenigen, die sich um eine komplexere Sprache bemühen des Wortgeklingels bezichtigst.
Aber mit Formulierungen wie „3. Sprache“ müssen Dir alle Feinheiten durch die Lappen gehen und das tun sie erkennbar.

Du sitzt in dem Boot mit denjenigen, die immer wieder die „wahre Welt“ oder „Wirklichkeit“ beschwören und meinen, Sprache sei so etwas um Welt zu verhindern oder unnötig zu verkomplizieren oder von ihr abzulenken. Grundfalsch! Sprache erzeugt, erschafft, konstituiert (nennen das die Philosophen) in einem hohen Ausmaß Wirklichkeit.

Die allerwahrste Wirklichkeit ist dann einfach eine von Sprache „befreite“ Welt.
Ob man das feiern sollte, da gibt es unterschiedliche Einstellungen, Wissenschaft ohne Sprache kann ich mir zumindest nicht vorstellen.

ganimed hat geschrieben:Rufen wir Singer an, er soll die Suche abblasen. Es gibt keine Möglichkeit, auf neuronaler Ebene eine Repräsentation von Dingen zu finden. Warum nicht? Weil Vollbreit sich die nicht vorstellen kann. Basta. Wenn er überhaupt versteht, was wir von ihm wollen, wird er sicher herzlich lachen.


Ich habe auch schon herzlich über Singers Ausführungen gelacht, das würde ich ihm dann zugestehen. Aber wichtiger vielleicht: Hat er denn Repräsentationen gefunden?

ganimed hat geschrieben:Noch unglaublicher für mich (entschuldige meine Verblüffung, aber die ist wirklich groß) ist die Erläuterung, warum der psychologische Nachweis des Ichs für dich ein Argument ist, dass Emergenzen existieren. Ich musste es zweimal lesen, um sicher zu gehen, dass keine Hinweise auf einen Scherz enthalten sind. Du scheinst völlig selbstverständlich die folgenen Annahmen zu haben und Schlussfolgerungen zu treffen:
1) Hirnforscher behaupten, es gäbe kein Ich (in den Neuronen)
2) Das Ich kann deshalb nur ein emergentes Phänomen sein


Nein, so rum nicht.
Nicht weil die Hirnforscher es nicht finden, kann es nur ein Emergenzphänomen sein. Umgekehrt.
Kein Mensch hat Zweifel daran, dass es ein Ich gibt. Wenn Hirnforscher keines finden, ist das deren Problem. Was soll das denn heißen, das man keines gefunden hat? Hat man im Hirn mal eine Kneifzange gefunden oder ein Bruttoinlandsprodukt? Gibt es das dann auch nicht?

ganimed hat geschrieben:3) Einen Vorgang, den Psychologen Ichverlust nennen, gibt es wirklich


Todsicher!

ganimed hat geschrieben:4) Also gibt es das Ich wirklich


Klar, in dem Kontext auf jeden Fall.
Da hat es eine konsistente Bedeutung ein kohärentes Ich zu haben oder an einer Identitätsdiffusion zu leiden oder gar an Realitätsverlust = ichverlust (wahlweise Ichinflation).

Das heißt, wie es in der Wissenschaft sein sollte, korreliert die Theorie mit praktischen Erscheinungen und zwar ausgesprochen differenziert. Auch Prognosen sind auf dieser Basis möglich.

Aus der theoretischen Behauptung der Hirnforscher, es gäbe kein Ich, folgt in der Praxis, rein gar nichts. Man macht irgendwelche theoretischen Klimmzüge (die nahezu durch die Bank widersprüchlich sind) und am Ende steht als praktische Konsequenz, was genau? Sag Du es mir.
Was hat sich für Dich geändert, was sich nur ändern konnte, weil Du von 5 Jahren erfahren hast, dass es Dich gar nicht gibt?

ganimed hat geschrieben:5) also gibt es wirklich Emergenzen


Da bin ich doch recht zuversichtlich.

ganimed hat geschrieben:Dazu kann ich nur kurz entgegnen: (1) ist total falsch. (2) ist Unsinn und völlig unlogisch. (3) ist ok. (4) ist ok. (5) ist ein Folgefehler aus (2).


Kannst Du kurz erläutern, was Du mit „(1) ist total falsch“ meinst?
Ich weiß, dass die Aussagen der Hirnforscher auch hier recht breit sind. Mal gibt es kein Ich, mal gibt es eines, mal gibt es gleich mehrere, über 10. Habe ich alles schon gelesen.
Hat man sich denn inzwischen geeinigt?

ganimed hat geschrieben:Wenn ich du wäre und felsenfest davon überzeugt wäre, dass das menschliche Gehirn nun Neuronen + Emergenzen ist, dann wäre ich jetzt etwas verunsichert.


Wenn Du ich wärst, würdest Du andere Formulierungen benutzen.
„Das Gehirn ist Neuronen und Emergenzen“ ist ein Kategorienfehler.
Ansonsten fühle ich mich nicht verunsichert.

ganimed hat geschrieben:Auf meine Frage, was denn Emergenzen sind und woraus sie bestehen, hast du vorsichtshalber erst gar nicht geantwortet.


Die Frage ist auch blöd. Emergenzen bestehen aus nichts, was soll ich da antworten, aus Mehl und Sahne?
Du bist ja der Meinung, es gibt keine Qualität, nur Quantität, richtig?
Kannst Du mir denn sagen, aus was Quantität besteht? Aus Zucker, Zellen, Buchstaben? Hat Quantität Schrauben, wächst sie, muss man sie gießen?
Und bitte keine Ausflüchte, sonst muss ich glauben, dass Du nur metaphysische Wortklauberei betreibst. Merkst Du wie sinnlos wo ein Vorgehen ist?

ganimed hat geschrieben:Muss so etwas sein wie -3, etwas abstraktes, nicht fassbares, etwas aus der geistigen Welt. Mehr weißt du nicht?


Nun, es steht Dir frei, Dich im den unendlichen Weiten des www zu informieren, wenn Du Dich wirklich dafür interessierst. Da Du es von vorn herein absurd findest, weil es nicht zu Deinem Glauben passt, schenke ich mir die Mühe Dir Knochen auszugraben, die Du dann verschmähst.

ganimed hat geschrieben:Und mit diesem fast nichts willst du argumentieren? Oje, oje.


Tja, Hohn und Spott und womit argumentierst Du?
Mit Spekulationen über eine Sprache, die es in 50 Jahren ganz sicher geben wird, weil Wolf Singer sie zwar in den letzten 8 Jahren nicht gefunden hat, aber sicher in den nächsten 50 Jahren. Das klingt sehr überzeugend.

ganimed hat geschrieben:Ich bin mir nicht ganz sicher, aber du scheinst mir ein Dualist zu sein und sehr wenig überzeugende Argumente für Emergenzen zu haben, dafür jede Menge falsche Voreingenommenheiten über Hirnforschung (die können nur bildgebende Verfahren und wissen sonst nix). Dagegen wirkte dein Widerspruchsargument auf mich noch fast akzeptabel.


Ich glaube ehrlich gesagt, dass Du keinen Schimmer hast, was Dualismus überhaupt ist.
Du wirst die phobischen Tendenzen, „Uhh, ja keinen Dualismus“, die man aus Neurokreisen kennt, widergeben können, aber wirkliche Kenntnisse über den Dualismus wirst Du nicht haben.
Der Beweis ist simpel: Jede 3.Person Perspektive die irgendwas zum Objekt macht, ein Gehirn, eine Nervenzelle, einen Grashalm oder was es auch sei, braucht auf der anderen Seite ein Subjekt, welches die Daten auswertet. Ein Subjekt erst, kann der Phantasie erliegen, sich aus der Welt heraushalten zu können, zum objektiven Beobachter zu werden. Dabei finden wir uns immer schon in Welt eingebunden vor, übrigens bevor wir uns zum verbalen Subjekt stilisieren. Es waren auf ihre Art Heidegger und Wittgenstein, die darauf hingewiesen haben.

Noch mal in Kürze: In einen Dualismus kommt man immer dann, wenn man ein Stück Welt zum Objekt machen will. Beides bedingt sich und hier liegt die Wurzel der Subjekt/Objekt-Spaltung die man auch Dualismus nennt. Hast Du den Gedankengang verstanden?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Mo 22. Okt 2012, 12:06

Wenn @ganimeds These stimmt, dass es gar kein Ich gibt und alles nur Hirnarbeit ist, was unseren Körper betrifft, wieso kann unser Körper dann nicht seine Fehlfunktionen direkt an seine Steuerzentrale weiterleiten?
Die Steuerzentrale würde immer wissen, aufgrund welcher Fehlfunktion jetzt gerade etwas schief läuft, ähnlich der Fehlermeldung in komplexen Computern müsste es zB eine Meldung geben: Leber verfettet oder Blutkreislauf überprüfen usw., dann müsste sich der Arzt nicht solche Mühe geben, aus diversen Symptomen eine Krankheit zurechtzubasteln. Man könnte also direkt sagen: Hirn meldet Nebenniereninsuffizienz oder Schilddrüsenüberfunktion. Man bräuchte auch nicht warten, bis es zu Folgeschäden kommt, weil man sofort den Einzelschaden korrigieren könnte.
Warum weiß unser Hirn nicht, was genau im Körper schiefläuft? Es steuert doch alle Abläufe und weiß angeblich genau, was im Körper so vor sich geht. Es kennt das gesunde Organ und müsste dann auch das Kranke erkennen und melden können.

Im anderen Falle würde dann doch das Ich über die Steuerzentrale den Körper lenken und das Ich wüsste natürlich nicht, wieso gerade jetzt die Beine bleischwer werden. Also ich fänd es praktisch, wenn unser Hirn alle Fehlfunktionen genau analysieren und über Impulse über die Sprache der dritten Person nach außen weitergeben könnte.

LG stine
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 13:46

Das ist eine komplizierte Geschichte.
Es gibt ja Fehlermeldungen in Form von Symptomen und diese müssen eben gedeutet werden.
Manchmal ist die Fehlermedlung schon der Reparaturmechanismus, Schmerz führt zur Schonung des schmerzenden Teils und manchmal ist das schon die erfolgreiche Kur.
Eine innere Blutung ist aber eine andere Hausnummer.

Hier muss man die Symptome des Patienten, wie Müdigkeit, Leistungsschwäche oder das was man auf diversen Wegen „sieht“, Blässe und Hämatokrit-Wert eben deuten und richtig diagnostizieren.

Dabei switcht man ja ständig zwischen erster (bzw. zweiter: „Wie fühlen sie sich jetzt?“) und dritter Person hin und her nur sind eigene Befindlichkeit und objektive Daten zwei paar Schuhe, man kann nicht nur dicke Bücher drüber schreiben, es wurde sogar oft genug getan.

Das Spektrum reicht vom eigebildeten Kranken, der eigentlich „objektiv“, nie was hat, aber im Grunde sein Leben dem Thema Krankheit widmet (und gefühtl eigentlich immer krank ist), bis zu dem, der dann doch mal zum Arzt geht und wo dieser dann reichlich verwundert fragt, ob er/sie denn nie was gemerkt hätte (mit so einem Knie kann man doch nicht laufen) und die Antwort kommt, dass es schon ab und zu etwas weh getan hätte.

Die Sprachen sind halt nicht direkt ineinander übersetzbar, es gibt ein schönes Bild von Luhmann dazu, der sagt, das psychische, das biologische und das soziale System säßen mit den Rücken zueinander. Jeder versteht die Sprache des anderen (Systems) nicht, was möglich ist, sei allein wechselseitige Irritation.

Ist viel Wahres dran, vielleicht gibt es aber direktere Wege, wenn man an Yoga, psychosomatische Ansätze und so etwas denkt.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mo 22. Okt 2012, 20:32

@Vollbreit:
Mit dem Abstand von ein paar Tagen, in denen ich nicht online war, habe ich mir noch einmal die aktuelle Frage nach Emergenz angeschaut. Mir ist eigentlich noch nicht ganz klar, was deine Position ist.
In Wikipedia habe ich unter "Emergenz" das folgende gefunden:
    "Emergenz ist grundsätzlich in einer schwachen und einer starken Form denkbar. Die schwache Form der Emergenz entspricht einer nur vorläufigen Nichterklärbarkeit emergenter Systeme auf der Grundlage der Beschreibung ihrer Elemente. Dagegen wird bei der starken Form von einigen Philosophen und Naturwissenschaftlern wie beispielsweise Philip W. Anderson,[5] Robert B. Laughlin[6] oder Stuart Kauffman[7] auch die prinzipielle Nichterklärbarkeit angenommen."
Ich (und vermutlich Singer auch) nehme die Position ein, dass das "Ich" und das "Bewusstsein" und "Qualia" alles emergente Phänomene der schwachen Form sind. Ich sehe keinen Grund, wieso diese Phänomene grundsätzlich nicht objektiv beschreibbar sein sollten. Heute hat man noch nicht das ganze Bild und nicht die ganze Beschreibung. Man hat lediglich Puzzleteile, weiß so ungefähr, welche Hirnregionen an welchen Aspekten von "Ich" und "Bewusstsein" beteiligt sind. Das gesamte Zusammenspiel und nähere Details sind aber noch, soweit ich das überblicke, unklar. Aber wieso sollte die sehr dynamische Wissensentwicklung auf diesem Gebiet in den letzten 30 Jahren irgendwann zum völligen Stillstand kommen? An welche prinzipielle Grenze sollte man stoßen? Mir fällt da nichts ein.

Du nimmst, wenn ich recht verstehe, die Position ein, dass das "Ich" und das "Bewusstsein" und "Qualia" alles emergente Phänomene der starken Form sind. Dass sie also niemals, prinzipiell nicht durch eine Beschreibung der zugrundeliegenden Elemente wie der Neuronen erklärt werden können. Richtig?

Meine korrigierte Frage an dich lautet: hast du einen konkreten Hinweis darauf, dass es diese grundsätzliche Unerklärbarkeit gibt? Oder ist es nur so ein Bauchgefühl von dir nach dem Motto: du kannst es dir einfach nicht vorstellen, dass man es erklären kann?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 22:29

@ ganimed:

Schön, dass Du so hartnäckig bist und noch mal nachhakst!

ganimed hat geschrieben:Ich (und vermutlich Singer auch) nehme die Position ein, dass das "Ich" und das "Bewusstsein" und "Qualia" alles emergente Phänomene der schwachen Form sind.


Ja, das würde ich auch so sehen, dass das Deine/Eure Position ist.

ganimed hat geschrieben:Ich sehe keinen Grund, wieso diese Phänomene grundsätzlich nicht objektiv beschreibbar sein sollten.


Das weiß ich, ist aber kein Argument.

ganimed hat geschrieben:Heute hat man noch nicht das ganze Bild und nicht die ganze Beschreibung. Man hat lediglich Puzzleteile, weiß so ungefähr, welche Hirnregionen an welchen Aspekten von "Ich" und "Bewusstsein" beteiligt sind.


Ja? Welche denn?

ganimed hat geschrieben:Das gesamte Zusammenspiel und nähere Details sind aber noch, soweit ich das überblicke, unklar. Aber wieso sollte die sehr dynamische Wissensentwicklung auf diesem Gebiet in den letzten 30 Jahren irgendwann zum völligen Stillstand kommen? An welche prinzipielle Grenze sollte man stoßen? Mir fällt da nichts ein.


Die prinzipiellen Grenzen liegen m.E. nicht bei der Weiterentwicklung der Wissenschaft, das wird sicher weiter gehen, sehe ich auch so.
Die prinzipielle Grenze sehe ich bei unserem Ausgangspunkt, der Möglichkeit die Perspektive der 1.Person komplett in die der 3. zu überführen.

ganimed hat geschrieben:Du nimmst, wenn ich recht verstehe, die Position ein, dass das "Ich" und das "Bewusstsein" und "Qualia" alles emergente Phänomene der starken Form sind.


Im Grunde ja, aber das ist für meine Argumentation eigentlich belanglos.
Meine Argumentation geht in die Richtung, dass es keine Möglichkeit gibt meine Eindrücke, d.h. mein subjektives Empfinden, zu objektivieren.

Damit wir nicht an der falschen Stelle streiten: Ich behaupte hier nicht – da es sich um einen prinzipiellen Einwand handelt – dass das technisch nicht geht. Ich würde also gerne eine Gedankenexperiment durchführen, in dem die technische Frage schon geklärt ist.

Nehmen wir also an, es ginge. Mein Empfinden, sei bis ins letzte Fitzelchen objektivierbar .
Wer soll nun eigentlich mit diesen Daten etwas anfangen?
Nehmen wir an, wir sind beide 500 Jahre in der Zukunft und nun wird mein ganzes Erleben auf einen Chip gezogen und per transkranieller Magnetstimulation kann man jedem der will Vollbreitsein ins Erleben einspielen.
Jetzt könntest Du also alles aus meinem Leben genauso erinnern und erleben, wie ich. Wirklich?
Nicht ganz, denn Du würdest, trotz perfekter Simulation ja nicht mich erleben, sondern mich, wie Du mich erlebst. Du könntest denken: „Ach, so empfindet der.“ Aber das bin eben nicht ich, sondern, das ist Deine Deutung meines Erlebens. Genauso wie wir nicht beide dasselbe empfinden und erleben, wenn wir das gleiche Buch lesen. Dein Lesen und Verstehen wäre ein etwas anderes als meines.

Nun sind wir aber 500 Jahre in der Zukunft und da gibt es auch eine technische Lösung. Man kann nicht nur andere erleben, man kann auch das eigene Erleben dabei etwas herumterdimmen. Aber heruntergedimmt oder nicht, Du wärst noch immer nicht ich.

Aber gehen wir noch einen Schritt weiter und stellen uns vor, man könnte das Bewusstsein von Dir, während einer Vollbreiterfahrung ganz ausschalten. Du würdest also Vollbreit pur erleben, in voller Breite, sozusagen. D.h. die objektiviereten Daten, wären Dir vollkommen zugänglich als Echterleben. Und wenn das der Fall ist, dann, ja würdest Du genau so erleben wie ich, Du wärst ich, in dem Moment.
Und genau das ist auch das Problem. Dieses Erleben wäre Dir nicht mehr bewusst, denn Du bist ja nun ich.
Du könntest aber sagen, dass Du dennoch Teile des Erlebens wieder einspielen kannst oder vielleicht doch irgendwie erinnern. Schon, aber dann haben wir den Effekt von eben, es ist nicht mehr mein Erleben, sondern Deine Interpretation davon. Du würdest mir nahe kommen, sehr nahe, aber eben nicht über eine prinzipielle Grenze hinaus. Wie es ist eine Fledermaus zu sein oder Vollbreit, das bliebe Dir verwehrt.

Nun war die Behauptung aber auch nicht mein Bewusstsein in Deines zu überführen (oder umgekehrt) sondern mein (oder ein) subjektives Erleben in objektive Daten und eigentlich habe ich in dem Experiment schon vorausgesetzt, dass das geht.
Nur, irgendwer muss die Perspektive des Beobachters auch einnehmen.
Nehmen wir an, dass ein bestimmter Gedanke von mir, ein schreckhaftes „Huch“ durch die Zeichenfolge „§&§=((=“ objektiviert wird. In irgendeiner Neurosprache der Zukunft. Irgendeiner muss den Quatsch ja übersetzten. Das heißt, riesige Zeichenkolonnen, die man bspw. in einen Computer haut, versteht ja keine Sau. Man müsste sie (wie jede andere Sprache) übersetzen.
Entweder als Schrift, dann käme heraus, dass ein schreckhaftes „Huch“ als Zeichenfolge „§&§=((=“ objektiviert werden kann, was ein schreckhaftes „Huch“ bedeutet. Dann sind wir, wo wir waren.
Oder man lässt Dich mein Huch-Erleben direkt erleben und wir sind beim oben skizzierten Problem.
(Du kommst ihm Nahe, aber nie ganz dran, oder wenn Du ganz dran kommst, bist Du nicht mehr.)

Nun könnt man wieder sagen: Es geht ja ums Objektive. Aber was ist das? Sind das nun die Daten, die der Computer von mir erfasst hat? Das ist dann einfach eine andere Sprache – die dummerweise eben niemand versteht. Außer vielleicht dem Computer (falls Coputer in 500 Jahren „verstehen“). Der würde dann erleben wie ich erlebe, aber was, wenn ich ein Bratkartoffelerleben habe. Könnte eine Computer oder Robot wohl mein Bratkartoffelerleben haben? Auf der anorganischen Baiss von heute wohl eher nicht, als Android glaube ich immer noch, dass er an die gleichen Grenzen stößt, wie Du. Er könnte mich deuten, aber nicht erleben. Und wenn er mich erlebt, ist er nicht mehr und Objektivität verliert ihre Bedeutung.

Aber man kann Objektivität ja auch anders verstehen, etwa als statistisches Mittel.
Das ganze Forum könnte (unter den Voraussetzungen von oben) Vollbreit Erleben für 2 Stunden erleben und anschließend darüber diskutieren, wie Vollbreit wohl wirklich die Welt erlebt. Da sagt der eine, der erlebt das so, ein anderer sagt, das würde Vollbreit ganz anders erleben und am Ende würde man sich oder noch 2000 andere, auf die wahrscheinlichste Version einigen.
Das wäre dann objektives Vollbreiterleben. Ob es meinem Erleben tatsächlich entspricht, ist eher unwahrscheinlich, vor allem aber nicht zu klären und noch nicht mal von mir zu kontrollieren, denn ich weiß ja nur, wie ich erlebe.

Mit etwas Glück ist der eine oder andere Punkt klar geworden und wir können uns drüber austauschen.

ganimed hat geschrieben:Dass sie also niemals, prinzipiell nicht durch eine Beschreibung der zugrundeliegenden Elemente wie der Neuronen erklärt werden können. Richtig?


Ja, das sehe ich so.

ganimed hat geschrieben:Meine korrigierte Frage an dich lautet: hast du einen konkreten Hinweis darauf, dass es diese grundsätzliche Unerklärbarkeit gibt?


Wie oben dargestellt. Sicher nicht grandios erläutert, vielleicht auch mit Denkfehlern, aber da kannst Du mir ja helfen, denen auf die Spur zu kommen.
Ich würde allerdings auch die technische Machbarkeit bezweifeln.
Man weiß ja gar nicht was Bewusstsein ist, wie Gedanken entstehen, usw. Aber das ist ne andere Ebene der Diskussion.

ganimed hat geschrieben:Oder ist es nur so ein Bauchgefühl von dir nach dem Motto: du kannst es dir einfach nicht vorstellen, dass man es erklären kann?


Nein, das ist eigentlich schon ganz gut durchdacht, zumindest so gut es mir augenblicklich möglich ist, was natürlich seine Grenzen hat.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mo 22. Okt 2012, 23:49

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Man hat lediglich Puzzleteile, weiß so ungefähr, welche Hirnregionen an welchen Aspekten von "Ich" und "Bewusstsein" beteiligt sind.
Ja? Welche denn?

Gerade heute wieder in meinem Lieblingspodcast "Braincast" gehört, wo es um "Borderline" ging. Irgendein Frontal-Lappen (Namen habe ich vergesssen) ist immer dann beteiligt, wenn der Mensch ein schlechtes Gefühl bei einer Sache hat. Hier war es ein Borderline-Patient, der bei einem Vertrauensspiel ein ungutes Gefühl hatte. Dieser Lappen könnte also ein wichtiges Puzzlestück sein bei der Frage, was ist eigentlich die objektive Beschreibung eines "schlechten Bauchgefühls"?

Vollbreit hat geschrieben:Ich behaupte hier nicht – da es sich um einen prinzipiellen Einwand handelt – dass das technisch nicht geht.

Das verstehe ich nicht. In meiner Welt ist ein prinzipieller Einwand stärker als ein technischer. Will sagen: es kann sein, dass es prinzipiell geht aber technisch nicht. Umgekehrt kann es meiner Ansicht nach nicht sein. Wenn etwas technisch geht dann immer auch prinzipiell.

Vollbreit hat geschrieben:Nehmen wir also an, es ginge. Mein Empfinden, sei bis ins letzte Fitzelchen objektivierbar. Wer soll nun eigentlich mit diesen Daten etwas anfangen?

Die einzige Anwendung, die dir einfällt, scheint zu sein, dass man das objektiv beschriebene Erleben wieder in ein subjektiv erlebtes Erleben zurücktransferiert, irgendwie. Dass ich also mit dieser Methode das erlebe was du erlebst. Und dann konstruierst du den weit hergeholten Einwand, dass dieses Nach-Erleben ja niemals ganz echt sei, oder wenn es ganz echt sei ich dabei mein Ich verlöre. Das ist abenteuerlich.
Gegenargument 1) es gibt ja auch andere Anwendungen:
1 a) Simulation: ich lasse einen Computer dein Denken simulieren. Dein Einwand stimmt: der Computer kann ohne Körper nicht wirklich alles simulieren. Aber entweder ich simuliere einen Körper dazu (mehr oder weniger komplett) oder ich simuliere eben nur Gedanken und Emotionen ohne neuen Input.
1 b) Verständnis: ich simuliere gar nichts, sondern verstehe endlich, welches Hormon wo fehlt, wenn der Patient Angst vor Widerspruchsargumenten hat.
1 c) Nachbau: ich kann mit der objektiven Beschreibung bestimmt ganz passable künstliche Intelligenzen im Computer programmieren
Gegenargument 2) selbst wenn das Nacherleben nicht 100% klappt und klappen kann, so what?
Wenigstens klappt es ein wenig. Und das ist doch schon toll. Es ist doch abstrus zu argumentieren, dass man dein Denken nicht objektiv beschreiben kann, weil man diese Beschreibung bei einer bestimmten Anwendung nicht optimal nutzen kann. Die Beschreibung ist jedenfalls doch da, sagst du ja selbst.

Vollbreit hat geschrieben:Nur, irgendwer muss die Perspektive des Beobachters auch einnehmen.
Nehmen wir an, dass ein bestimmter Gedanke von mir, ein schreckhaftes „Huch“ durch die Zeichenfolge „§&§=((=“ objektiviert wird. In irgendeiner Neurosprache der Zukunft. Irgendeiner muss den Quatsch ja übersetzten. Das heißt, riesige Zeichenkolonnen, die man bspw. in einen Computer haut, versteht ja keine Sau. Man müsste sie (wie jede andere Sprache) übersetzen.
Entweder als Schrift, dann käme heraus, dass ein schreckhaftes „Huch“ als Zeichenfolge „§&§=((=“ objektiviert werden kann, was ein schreckhaftes „Huch“ bedeutet. Dann sind wir, wo wir waren.
Oder man lässt Dich mein Huch-Erleben direkt erleben und wir sind beim oben skizzierten Problem.

Der Computer könnte der Beobachter sein (wie oben in den Anwendungen (a) und (c) skizziert. Der braucht keine höchst verlustbehaftete Rückübersetzung von „§&§= nach "Huch". Oder ein Wissenschaftler schaut sich 3 Jahre lang das „§&§= an und kommt dann zu einer neuen Erkenntnis, ruft selber "Huch" und weiß endlich, welches Hormon fehlt wenn jemand hm hm hm...

Fazit: ich kann deine prinzipiellen Probleme mit der Objektivität nicht ganz nachvollziehen. Und wenn du keine technischen Grenzen siehst, eine objektive Sprache zu finden, verstehe ich noch nicht, wo denn dann das Problem liegt?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Di 23. Okt 2012, 00:16

Mir scheint, ganimed, dass dein Problem ist, dass du zwischen einem subjektiven Erlebnis und einer deskriptiven Darstellung dieses Erlebnisses keinen Unterschied zu erkennen vermagst. Dir scheint nicht so recht klar zu werden, welche prinzipiellen Implikationen ein Perspektivenwechsel hat, dass das eben, wie Vollbreit und ich meinen, nicht eine Trivialität darstellt, sondern keinen Stein in deiner Argumentation auf dem anderen lässt.

Nur so gesagt, um mal einigermaßen zu destillieren, wo der Kern des Streitpunktes liegt. Dasselbe Problem beschäftigt uns ja auch im anderen Thread.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Lumen » Di 23. Okt 2012, 00:17

Versetzen wir uns nicht ständig in andere Personen, und sind diese Sichtweisen nicht genauso echt, wie die, die wir "ich" nennen? Schließlich läuft die Simulation einer anderen Person auf derselben Hardware, wie das Original im Schädel einer anderen Person. Anders gesagt, können wir andauernd die Sichtweise wechseln und uns andauernd in andere Personen hineinversetzen. Das reicht vom stillen und unsichtbaren Beobachter einer Krimiszene eines Films bis hin zu der Überlegung ob unsere Mutter das Geschenk mögen wird, was wir gedenken zu kaufen (wobei wir da kurzzeitig sie werden und uns überlegen, ob wir das Geschenk für uns kaufen würden). Außerdem funktioniert das mit frühere "ichs", sei es von vor drei Minuten oder drei Jahren offenbar genau gleich. Wir sind auch noch andere ichs, ob wir auf der Arbeit sind oder als Eltern und wir können uns auch in diese Hineinversetzen, als seien es andere Personen.
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