Vollbreit hat geschrieben:Perfekt ist das alles nicht. Man kann zwar sagen, dass [...] es bestimmte Wahrheiten gibt, die sogar ewig genannt werden können, [...] aber bei dem Gewusel aus emprischen Verifikationsversuchen, logischen Schlüssen und so weiter, kommt man "der Wahrheit" nie so recht auf die Schliche. [...]
Aus einer Vielzahl von Gründen hat zweiwertige Logik (wahr/falsch), somit auch das "perfekte, ewig wahre" einen schlechten Stand. Mehrwertige Logik (Wahrscheinlichkeiten) bildet verschiedene Ungenauigkeiten, sei es der Sprache, der Definitionen, der Wahrnehmung, des Wissenkönnens besser ab. Dabei sind sehr viele Dinge mit einer deratig eindeutigen Wahrscheinlichkeit belegt, dass sie im Alltag als wahr oder falsch gelten können. Ob Schnee weiß ist, ist keine Frage von Meinungen. Alle Sprecher haben vergleichbare Sinne und Wahrnehmungen und können sich auf Begriffe gut genug einigen, wobei diese Begriffe mit der Sache hochwahrscheinlich korrespondieren. Es gibt irgendwo einen Grenze, wo Schnee aufhört Schnee zu sein (wenn er schmilzt) und es gibt auch eine Grenze wo Weiß aufhört Weiß zu sein (wenn der Schnee verdreckt wird). Genau. Diese Grenze existiert objektiv gesehen nicht. In der Natur scheint alles ein einziges gewaltiges Kontinuum zu sein, dass erst durch den Wahrnehmungsaparat in eigene Konzepte und damit Begriffe abgrenzt wird. Aber alle Menschen scheinen vergleichbare Grenzen zu ziehen, wenn auch nicht genau an der gleichen Stelle. Aber wir kommen hier vom Hunderstens ins Tausendste. In deinem ersten Beitrag geht es gut erklärt um Ideologien, Einschätzungen und Meinungen. Das Modell, dass du da vorstellst, kannte ich nicht, fand aber gerade die Wiki Seite recht erhellend. In deinem zweiten Beitrag bist du dann bei der Farbe des Schnees (Naturwissenschaft? Semiotik? Philosophie?) und es geht nach meiner Ansicht komplett drunter und drüber. Irgendwie kommt die Sprachgemeinschaft da noch mit rein. Also versuche ich es mal damit:
Ich sehe darin, dass sich eine Sprachgemeinschaft einigen muss, was mit Schulter (Schoulder) gemeint ist und es gibt dabei Ungenauigkeiten. Wir sehen hier, dass beide Möglichkeiten nebeneinander existieren können und das selbst, wenn du nicht verstehst, warum es "Blade Shoulder" und "Arm Shoulder" gibt (also vermeintlich 4 Schultern?), kannst du doch völlig problemlos sehen, was ich meine. Du kannst die Einteilung vielleicht nicht nachvollziehen. An dem Beispiel betrachtet könnte es vielleicht daran liegen, dass dein Wissen von Schweinefleisch und der Anatomie des Schweins nicht ausreicht, um zu verstehen, warum das Tier so aufgeteilt wird. Vielleicht erscheint die Aufteilung willkürlich oder sie scheint Sachverhalte zu erschaffen. Angenommen, die Qualität des Fleisches ändert sich eigentlich graduell (was kein Mensch je wissen kann, da wir nur Messpunkte aber das Kontinuum offenbar selbst nicht messen können). Indem ich jetzt zwei Bereiche definiere, habe ich plötzlich einen Bereich mit "schlechterem" und einen Bereich mit "besserem" Fleisch. Diese Eigenschaften sind, sprachlich und von der Wahrnehmung her gesehen, wirklich neu dazugekommen. Aus der graduellen Qualität des Fleisches wurde durch sprachliche Einteilung (angeregt durch funktionale, wahrnehmungsbedingte "Vorschläge") etwas neues, mit neuen Eigenschaften. Eine Sprachgemeinschaft muss sich einigen, ob sie zwei Kategorien (besseres Fleisch, schlechteres Fleisch) akzeptiert. Bei einer "querliegenden" Aufteilung des Fleisches würden diese Eigenschaften verschwinden, aber ggf. andere entstehen, die verbogen in den wahren Eigenschaften der neuen Objekte liegen. Was sich hält, hängt von der Nützlichkeit ab, und die Nützlichkeit hängt mE davon ab, was Leute sich von dem Sprechvorgang erhoffen.
Grenzen, die sinnvoll sind, wie zwischen Schnee und Schneematsch, sind nicht absolut aber werden meiner Ansicht nach durch eine Art "Brute Force" ermittelt. Zeige Leuten Schnee/Schneematch in unterschiedlichen Stadien und lasse sie jeweils eindeutig sagen, ob es entweder das eine, oder das andere ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stadium als Schnee gesehen wird, steigt mit dessen fester Beschaffenheit (usw.) und wird irgendwann praktisch gesehen 100% erreichen und genauso ist etwas irgendwann recht eindeutig Matsch.
Ob Menschen sich für Artenschutz oder Infrastrutkur entscheiden ist keine Frage von Sprachgemeinschaften. Ein Mensch könnte mit Außerirdischen verhandelt, ob die Erde einer intergalaktische Autobahn Platz machen sollte. Die Außeridrischen, sofern sie überhaupt verstehbar sind können auf die Erde "zeigen" und verdeutlichen, dass der Planet nun einmal im Wege sei. Das Benennen und Feststellen eines Sachverhaltes ist hier gerade nicht das Problem und darin stecken dann ujmps und Myrons Darstellungen. Auch im Falle des ganz oben genannten Beispiels zur Nazi-Diktatur war das Problem ja nie, dass sich "Sprachgemeinschaften" sich nicht einigen konnte, was ein Jude ist, zum Beispiel. Vielleicht war dein Beispiel nur schlecht gewählt. Vielleicht ist Gerrymandering ein dienliches Beispiel aus Politik und Gesellschaft.