Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Re:

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 17:11

AgentProvocateur hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Vielleicht ist auch mein englisch zu schlecht, aber ich bedürfte nich ein paar Erklärungen, bezüglich des starken und schwachen Hedonismus und der Möglichkeit, dass die Egoismus ausschließen und damit Altruismus ausschließlich beweisen würden.

Starker Hedonismus (mein ultimatives Ziel ist immer mein eigenes Wohl und nicht das anderer) schließt Altruismus definitionsgemäß aus. Schwacher Hedonismus (ich tue nie etwas, das mein Wohl zu stark beeinträchtigen würde) ist mit Altruismus vereinbar, denn dann kann das Wohl von Dritten durchaus das ultimative Ziel einer Handlung sein.

Ja, so habe ich das auch verstanden, aber du meintest, dass weder die Vermeidung von Schaden, noch das Erstreben von Nutzen in diesen Experimenten als primäre Motivation festgestellt wurden:
AgentProvocateur hat geschrieben:Deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass das primäre Ziel einer Handlung oft eben nicht lediglich die Belohnung (intern oder extern) bzw. die Abwendung der Bestrafung (intern [z.B. schlechtes Gewissen] oder extern) ist.

Und wie deutet das nun zweifelsfrei auf Altruismus hin und schließt Egoismus aus?
AgentProvocateur hat geschrieben:Dabei geht es um Reflex- oder sonstiges unabsichtliches Verhalten. Ich niese, der Arzt hat mit dem Hämmerchen auf mein Knie, ich stolpere und falle etc. All dieses Verhalten ist laut Definition weder egoistisch noch altruistisch.

Wieso schließt es beides aus? Gewiss sind dies keine bewusst entschiedenen Handlungen, dennoch erfüllen sie ihren selbsterhaltenden Nutzen und werden teilweise vom Nervensystem gesteuert. Ich verstehe sowas als unbewussten Egoismus (zumindest ist es mindestens so egoistisch wie Gene sein können. :winkgrin2: ). Ist aber eigentlich nicht einen Streit wert, ich werde nicht darauf beharren, weil es auch nachvollziehbar ist.
AgentProvocateur hat geschrieben:Was das ultimative Ziel ist, kann man indirekt aus dem Verhalten schließen. Dazu nimmt er das Beispiel von Suzie und Frank. Suzie mag Musik, Frank mag Suzie, Frank hat zwei schwer zu bekommende Konzertkarten für ein Konzert, das Suzie gerne sehen möchte. Suzie macht Frank schöne Augen und Frank fragt sich, warum sie das tut. Ob das wegen ihm ist, weil sie ihn auch mag oder wegen des Konzertes. Angenommen, Suzie findet in ihrer Post zwei Konzertkarten, die ihr ihr Vater geschickt hat. Daraufhin ignoriert sie Frank und geht mit John auf das Konzert. Daraus kann Frank ziemlich zuverlässig schließen, was das ultimative Ziel von Suzie war, als sie ihm schöne Augen gemacht hatte.

Und wie wurde das jetzt auf den Altruismus übertragen?
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie sähe eine logische Schlussfolgerung von der Evolution auf eine einzelne Handlung aus?

Die Evolution schlussfolgert nicht, aber wenn ich ein biologisch relevantes Experiment und dazugehörige Interpretationen habe, frage ich mich, wie sich das durchsetzen konnte. Bei einem Pfau erklärt sich der Schweif durch die intersexuelle Selektion, also der Interaktion zwischen Weibchen und Männchen zur Fortpflanzung, die wiederum nur den "Sinn" hat, seine Gene weiterzugeben, was ein Selbsterhaltungsmechanismus ist, also egoistisch motiviert (wenn auch nicht bewusst). Eigentlich ist Selektion per se Egoismus fördernd (sie selbst ist ja wohl nicht motiviert, die Akteure sind die Tiere, damit muss bei ihnen der Egoismus vorhanden sein).
AgentProvocateur hat geschrieben:Seine These ist, dass es altruistische Handlungen gibt, die von Empathie abhängen, er nennt es die "Empathie-Altruismus-These". Seine Vorgehensweise ist die: er testet die These empirisch anhand von diversen möglichen egoistischen Erklärungen. Wenn sich all diese nicht bewahrheiten, sondern jeweils seine These besser ist, dann bleibt seine These als beste Erklärung übrig.

Ja, aber wie lief das im Detail? Ich habe schon verstanden, dass er meint, den Egoismus ausschließen zu können, aber wie im Zusammenhang mit dem Hedonismus? Wenn jedesmal die Befreidigung der Anreiz für eine Handlung ist, kann er bestenfalls Altruismus einräumen (beim schwachen Hedonismus) . Demnach muss er Handlungen nachgewiesen haben, die keinerlei Befriedigung für den Handelnden bedeuteten (aber wie konnte er dann motiviert werden?).
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 17:14

fopa hat geschrieben:Natürlich treibt den Altruisten irgendetwas zu seinem altruistischen Handeln an. Es kann ein versteckter Egoismus sein ("damit er mir beim Umzug hilft"), muss es aber nicht. Es gibt auch Altruismus ohne Egoismus. Jedenfalls sofern man es nicht als egoistische Triebbefriedigung auslegt, wenn jemand dem Antrieb zum Altruismus (bzw. seinem Gewissen) nachkommt.

Ja, aber das seltsame war, dass man wohl Egoismus ausschließen könnte. Ganz ehrlich, wenn die Anhänger des Altruismus bestenfalls nachweisen können, dass es beides sein könnte, in einigen Ausnahmen der Motivation und nie ausschließlich nur Altruismus, kann ich dem nichts abgewinnen. "Kann, muss aber nicht", überzeugt mich nicht.
fopa hat geschrieben:Man kann sich zwar viele Verhaltensweisen plausibel machen, indem man in der evolutionären Geschichte zurückblickt und in diesem extrem komplexen System einen roten Faden zu erkennen meint. Aber es gibt eben auch Verhaltensweisen, die evolutionär keinen Sinn machen oder bei denen man (noch) keinen Sinn erkennen kann.

Zum Beispiel?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Di 8. Jan 2013, 17:57

Darth Nefarius hat geschrieben:Ganz ehrlich, wenn die Anhänger des Altruismus bestenfalls nachweisen können, dass es beides sein könnte, in einigen Ausnahmen der Motivation und nie ausschließlich nur Altruismus, kann ich dem nichts abgewinnen. "Kann, muss aber nicht", überzeugt mich nicht.
Es gibt nicht den Altruismus. Das wollte ich damit ausdrücken. Es gibt eine Form von Altruismus, die ein versteckter Egoismus ist. Es gibt aber auch eine andere Form von Altruismus, die sich nicht mit Egoismus erklären lässt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Zum Beispiel?
Solche Verhaltensweisen sind natürlich meist kurzfristige Erscheinungen, denn die Individuen, die sie an den Tag legen, haben durch sie keinen Vorteil. Eine Art schleppt eben in der Evolutionsgeschichte keine Muster mit sich herum, die ihr nichts nützen oder mit etwas Nützlichem verknüpft sind.
Mir fällt leider kein Beispiel ein, das muss ich zugeben. Aber du bist doch der Experte - dir müsste doch schnell eines einfallen. :wink:

Eine Verhaltensweise, die wohl irgendeinen Sinn hat, den wir aber noch nicht wirklich erkannt haben, ist vielleicht die Homosexualität. Sie ist ja keine Eintagsfliege, sondern tritt ja recht häufig auf. Vollkommen nutzlos wird sie also wohl nicht sein.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 8. Jan 2013, 19:34

fopa hat geschrieben:Es gibt nicht den Altruismus. Das wollte ich damit ausdrücken. Es gibt eine Form von Altruismus, die ein versteckter Egoismus ist. Es gibt aber auch eine andere Form von Altruismus, die sich nicht mit Egoismus erklären lässt.

Klar gibt es begrifflich letztere, aber tatsächlich an fitten Lebewesen? Wie erklärst du das ohne Egoismus (aber jetzt nicht auf die Softy-Grundschul-Religionsunterricht-Tour)?
Und inwiefern ließe es sich nicht mit Egoismus erklären (ein Beispiel)? Dass Altruismus so oft definiert wird wie Egoismus, ist mir klar (die Diskussion ist ein einziges Beispiel).
fopa hat geschrieben:Solche Verhaltensweisen sind natürlich meist kurzfristige Erscheinungen, denn die Individuen, die sie an den Tag legen, haben durch sie keinen Vorteil. Eine Art schleppt eben in der Evolutionsgeschichte keine Muster mit sich herum, die ihr nichts nützen oder mit etwas Nützlichem verknüpft sind.
Mir fällt leider kein Beispiel ein, das muss ich zugeben. Aber du bist doch der Experte - dir müsste doch schnell eines einfallen. :wink:

Sagen wir mal so: Ich bin nicht umsonst davon überzeugt, dass wir Altruismus als Illusion verstehen sollten. :mg: Weil mir bezüglich des Altruismus kein sicheres Beispiel (ohne wesentlich plausiblere Interpretation mit Egoismus) einfällt, bin ich eben so skeptisch.
fopa hat geschrieben:Eine Verhaltensweise, die wohl irgendeinen Sinn hat, den wir aber noch nicht wirklich erkannt haben, ist vielleicht die Homosexualität. Sie ist ja keine Eintagsfliege, sondern tritt ja recht häufig auf. Vollkommen nutzlos wird sie also wohl nicht sein.

Na, mit so einem Gedankengang müsstest du dich fragen, ob nicht jede Erbkrankheit ihren Sinn hat, und sei sie noch so selten. Was soll z.Bsp. am Katzenschrei-Syndrom nützlich sein? Recht häufig für Homosexualität bedeutet nach Wikipedia:
"Schätzungen über die Häufigkeit von Homosexualität variieren beträchtlich und werden durch unterschiedliche, voneinander abweichende Definitionen des Gegenstands zusätzlich verkompliziert. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass Umfragen durch die soziale Stigmatisierung der Homosexualität und die damit einhergehende Tendenz zum Verschweigen eher nach unten als nach oben verfälscht sind. So schätzten sich etwa in einer repräsentativen Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2000 nur 1,3 bzw. 0,6 Prozent der in Deutschland lebenden Befragten als schwul bzw. lesbisch sowie 2,8 bzw. 2,5 Prozent als bisexuell ein."
Diese Prozente fallen ziemlich gut unter Fehler/Variation......
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Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Jan 2013, 20:15

Darth Nefarius hat geschrieben:Ja, so habe ich das auch verstanden, aber du meintest, dass weder die Vermeidung von Schaden, noch das Erstreben von Nutzen in diesen Experimenten als primäre Motivation festgestellt wurden:
AgentProvocateur hat geschrieben:Deren Ergebnisse darauf hinauslaufen, dass das primäre Ziel einer Handlung oft eben nicht lediglich die Belohnung (intern oder extern) bzw. die Abwendung der Bestrafung (intern [z.B. schlechtes Gewissen] oder extern) ist.

Und wie deutet das nun zweifelsfrei auf Altruismus hin und schließt Egoismus aus?

Vielleicht besteht das Missverständnis hier darin, dass ich nicht explizit "die einem selber zukommenede Belohung oder Bestrafung" geschrieben habe. Es besteht nun kein Dissens darüber, dass bei jeder rationalen Handlung der als größtmöglich angesehene mögliche Nutzen angestrebt wird. Die Frage bei Egoismus vs. Altruismus ist jedoch, wessen Nutzen eine größere Rolle spielt, ob das der eigene oder der Fremdnutzen ist; ob es das ultimative Ziel ist, den eigenen Nutzen zu maximieren (= Egoismus) oder ob man auch manchmal mit dem ultimativen Ziel handelt, den Nutzen eines anderen zu erhöhen (= Altruismus), (was aber nicht heißt, dass man selber dabei überhaupt keinen Nutzen erzielen dürfte, sondern nur, dass es eben nicht das ultimative Ziel ist, den eigenen Nutzen zu erhöhen).

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich verstehe sowas als unbewussten Egoismus (zumindest ist es mindestens so egoistisch wie Gene sein können. :winkgrin2: ). Ist aber eigentlich nicht einen Streit wert, ich werde nicht darauf beharren, weil es auch nachvollziehbar ist.

Es reicht mir schon, dass Du das nachvollziehbar findest. Ich meine, es ist ein kategorieller Unterschied, wenn man z.B. von "egoistischen Genen" redet oder ob man eruieren will, ob die These des Psychologischen Egoismus zutrifft. Ich würde gerne Ersteres hier außen vor lassen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben: Was das ultimative Ziel ist, kann man indirekt aus dem Verhalten schließen. Dazu nimmt er das Beispiel von Suzie und Frank. [...]

Und wie wurde das jetzt auf den Altruismus übertragen?

Gar nicht, das ist kein Beispiel, um Egoismus vs. Altruismus zu erläutern, sondern um das Konzept des "ultimativen Zieles" zu verdeutlichen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie sähe eine logische Schlussfolgerung von der Evolution auf eine einzelne Handlung aus?

Die Evolution schlussfolgert nicht, aber wenn ich ein biologisch relevantes Experiment und dazugehörige Interpretationen habe, frage ich mich, wie sich das durchsetzen konnte. Bei einem Pfau erklärt sich der Schweif durch die intersexuelle Selektion, also der Interaktion zwischen Weibchen und Männchen zur Fortpflanzung, die wiederum nur den "Sinn" hat, seine Gene weiterzugeben, was ein Selbsterhaltungsmechanismus ist, also egoistisch motiviert (wenn auch nicht bewusst). Eigentlich ist Selektion per se Egoismus fördernd (sie selbst ist ja wohl nicht motiviert, die Akteure sind die Tiere, damit muss bei ihnen der Egoismus vorhanden sein).

Wie gesagt, ich halte das nicht nutzbringend, wenn man über Psychologischen Egoismus redet. Dieser ist einfach ein anderes Konzept als der "Biologische Egoismus". Der Psychologische Egoismus hängt von den zugrundeliegenden Motiven und Zielen ab, der "Biologische Egoismus" jedoch nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Seine These ist, dass es altruistische Handlungen gibt, die von Empathie abhängen, er nennt es die "Empathie-Altruismus-These". Seine Vorgehensweise ist die: er testet die These empirisch anhand von diversen möglichen egoistischen Erklärungen. Wenn sich all diese nicht bewahrheiten, sondern jeweils seine These besser ist, dann bleibt seine These als beste Erklärung übrig.

Ja, aber wie lief das im Detail? Ich habe schon verstanden, dass er meint, den Egoismus ausschließen zu können, aber wie im Zusammenhang mit dem Hedonismus? Wenn jedesmal die Befreidigung der Anreiz für eine Handlung ist, kann er bestenfalls Altruismus einräumen (beim schwachen Hedonismus) . Demnach muss er Handlungen nachgewiesen haben, die keinerlei Befriedigung für den Handelnden bedeuteten (aber wie konnte er dann motiviert werden?).

Nein, er hat selbstverständlich keine Handlungen nachgewiesen, die keinerlei Befriedigung des Handelnden bedeuteten. Das wird auch schwer zu machen sein. Aber der Psychologische Egoismus beinhaltet ja auch nicht die Behauptung, dass eine Handlung nur dann altruistisch sei, wenn dabei überhaupt kein Nutzen (das kann auch: Abwendung von Schaden sein) für den Handelnden entstünde. Bzw. beinhaltete er die, dann wäre er wenig interessant.

Die Definitionen von Batson orientieren sich am ultimativen Ziel einer Handlung. Ist dieses selbstbezogen (eigenen Nutzen erhöhen bzw. eigenen Schaden abwenden), dann nennt er die Handlung "egoistisch", ist dieses fremdbezogen (den Nutzen anderer erhöhen bzw. Schaden von denen abzuwenden), dann nennt er sie "altruistisch".

Dazu hat er sich, wie gesagt, viele ausgeklügelte Experimente ausgedacht und diese durchgeführt. Eine kleine Zusammenfassung davon ist diese, (und genauer steht es im oben verlinkten Text):

SEP - Egoism hat geschrieben:First, Daniel Batson and colleagues found that increased empathy leads to increased helping behaviour. One hypothesis is altrustic: empathy causes a non-instrumental desire to help. There are many competing egoistic hypotheses. Empathy might cause an unpleasant experience that subjects believe they can stop by helping; or subjects might think failing to help in cases of high empathy is more likely to lead to punishment by others, or that helping here is more likely to be rewarded by others; or subjects might think this about self-administered punishment or reward. In an ingenious series of experiments, Batson compared the egoistic hypotheses, one by one, against the altruistic hypothesis. He found that the altruistic hypothesis always made superior predictions. Against the unpleasant experience hypothesis, Batson found that giving high-empathy subjects easy ways of stopping the experience other than by helping did not reduce helping. Against the punishment by others hypothesis, Batson found that letting high-empathy subjects believe that their behaviour would be secret did not reduce helping. Against the self-administered reward hypothesis, Batson found that the mood of high-empathy subjects depended on whether they believed that help was needed, whether or not they could do the helping, rather than on whether they helped (and so could self-reward). Against the self-administered punishment hypothesis, Batson found that making high-empathy subjects believe they would feel less guilt from not helping (by letting them believe that few others had volunteered to help) did not reduce helping.

Noch eine Anmerkung zu dem, was Du zu fopa sagtest: ich finde es ziemlich problematisch, hier mit "Fehler/Variation" zu argumentieren. Damit kann man ja theoretisch jede These belegen, z.B.: "Schotten sind immer dicht". Und wenn ein Schotte nüchtern ist, dann sagt man, das sei eben ein Fehler, eine Variation, aber die These sei dennoch wahr, das sei kein Problem. Eine solche Argumentation nennt man auch "wahrer Schotte".
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Di 8. Jan 2013, 20:39

fopa hat geschrieben:Mir fällt leider kein Beispiel ein, das muss ich zugeben. Aber du bist doch der Experte - dir müsste doch schnell eines einfallen. :wink:
Darth Nefarius hat geschrieben:Was soll z.Bsp. am Katzenschrei-Syndrom nützlich sein?
:2thumbs:

Darth Nefarius hat geschrieben:Klar gibt es begrifflich letztere, aber tatsächlich an fitten Lebewesen? Wie erklärst du das ohne Egoismus (aber jetzt nicht auf die Softy-Grundschul-Religionsunterricht-Tour)?
fopa hat geschrieben:Altruismus (wie der des anonymen Spenders) kann dadurch erklärt werden, dass es sich für das Fortbestehen einer Population als nützlich erwiesen hat, wenn ein solcher Altruismus praktiziert wird. Das kann im genetischen Erbe begründet sein oder in der Kultur/Religion oder in einer Mischung davon. Es kann sich als gesellschaftliche Erwartung / sozialer Druck oder inneres Bedürfnis oder moralische Wertvorstellung oder in welcher Form auch immer äußern.
Eine altruistische Handlung eines Individuums muss also keineswegs in irgendeiner Form nützlich für das Individuum selbst sein, sondern nützlich für ein überindividuelles Muster, beispielsweise für den Altruismus (als Verhaltensmuster) selbst oder irgendein damit verknüpftes oder einhergehendes Muster.

Wenn man noch einen Schritt zurückgeht, lässt sich Altruismus sogar selbst dann noch erklären, wenn er für eine Population insgesamt schädlich ist. Ein Beispiel: Individuum A verhält sich altruistisch, sodass seine Artgenossen daraus (auf Kosten von A) Nutzen ziehen. A geht zugrunde ohne sich reproduziert zu haben. Die Idee des Altruismus ist jedoch bei seinen Artgenossen angekommen, woraufhin sozialer Druck aufgebaut wird, andere mögen sich altruistisch verhalten. Um nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, verhalten sich also auch B und C usw. altruistisch und gehen ebenfalls zugrunde. In der Bilanz wäre es durchaus denkbar, dass sich Altruismus für die Population nicht auszahlt, nämlich wenn der Verlust des Potenzials der altruistischen Individuen größer ist als der Nutzen, den sie über altruistisches Verhalten am Rest der Population verrichtet haben. Dennoch hat sich die Population mit dem Altruismus "angesteckt": er reproduziert sich innerhalb der Population selbst und dezimiert sie - ähnlich wie ein Virus, das den Wirt zu einem Verhalten zwingt, das die Verbreitung des Virus fördert (z.B. Niesen).


Was sind denn "fitte" Lebewesen/Individuen? Ich würde sagen, es sind diejenigen, die nicht negativer selektiert werden, also nicht aussterben (bzw. die, die positiv selektiert werden, also fortbestehen). Aber deswegen sind sie doch nicht ohne Mängel! Selbst wenn Altruismus (unter heutigen und hiesigen Bedingungen) sowohl für ein Individuum als auch für eine ganze Gruppe nachteilig wäre, hätte er seinen Platz in der (biologischen) Evolutionstheorie - als "Erbkrankheit" oder als genetisches Erbe aus Zeiten, in denen er sich als nützlich erwiesen hat.

Man stelle sich eine Population vor, die genetisch so geartet ist, dass immer wieder "echt altruistische" Individuen hervorgebracht werden, welche dann der gesamten Population nützen, ohne sich als Individuum einen Vorteil davon zu erhoffen. Sie wären lediglich genetisch auf Altruismus programmiert (hätten das Bedürfnis, altruistisch zu handeln). Wenn diese Variante der Population dabei hilft, sich bei den gegebenen äußeren Bedingungen gegenüber Populationen durchzusetzen, deren Mitglieder egoistisch handeln, wird dieser Altruismus generierende Teil des genetischen Codes weitergegeben. Wenn ich richtig informiert bin, ginge das prinziell auch dann, wenn das vererbende Individuum selbst nicht altruistisch ist - wenn es den Altruismus also rezessiv in sich trägt.
Wenn ich da falsch liege, wirst du mich sicher korrigieren. :wink:
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Beitragvon fopa » Di 8. Jan 2013, 20:56

AgentProvocateur hat geschrieben:Noch eine Anmerkung zu dem, was Du zu fopa sagtest: ich finde es ziemlich problematisch, hier mit "Fehler/Variation" zu argumentieren. Damit kann man ja theoretisch jede These belegen, z.B.: "Schotten sind immer dicht". Und wenn ein Schotte nüchtern ist, dann sagt man, das sei eben ein Fehler, eine Variation, aber die These sei dennoch wahr, das sei kein Problem. Eine solche Argumentation nennt man auch "wahrer Schotte".
Das ist glaube ich nicht das, was Darth meinte. So wie ich ihn verstanden habe, meinte er mit "Fehler" eine solche genetische Variation, die dem Individuum oder einer Population einen Nachteil verschafft. Diese Bewertung vorzunehmen halte ich allerdings in den meisten Fällen für unmöglich. Welche Mutationen/Variationen sich in Zukunft durchsetzen werden und welche nicht (weil sie "mangelhaft"/"fehlerhaft" sind), können wir kaum erahnen. Bei manchen Erscheinungsformen geht es, siehe schwere Erbkrankheiten, aber in Bezug auf Altruismus geht es meiner Ansicht nach nicht.

Wir haben sozusagen keine Fitness- oder Qualitätsfunktion als Bewertungsinstrument, wie sie in den Evolutionsalgorithmen bei Optimierungsproblemen angewendet wird. Die Fitnessfunktion der realen Evolution ist die Welt selbst - mit allem drum und dran. :klugscheisser:
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Re:

Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Jan 2013, 21:21

fopa hat geschrieben:Das ist glaube ich nicht das, was Darth meinte. So wie ich ihn verstanden habe, meinte er mit "Fehler" eine solche genetische Variation, die dem Individuum oder einer Population einen Nachteil verschafft.

Ja, den "wahrer Schotte"-Vorwurf ziehe ich zurück.

Jedoch ist es so, dass die These des Psychologischen Egoismus so lautet: rationale Handlungen haben immer das ultimative Ziel der Erhöhung des eigenen Nutzens. Und die These des Psychologischen Altruismus ist die Verneinung dieser These, sie lautet daher so: rationale Handlungen haben nicht immer das ultimative Ziel der Erhöhung des eigenen Nutzens. Diese beiden Thesen sind also gewissermaßen nicht symmetrisch. Wenn man also zustimmt, dass es manchmal altruistische Handlungen gibt, dann ist man von der These des Psychologischen Egoismus schon abgerückt. Und um mehr geht es mir hier nicht, als den Psychologischen Egoismus begründet anzuzweifeln.

fopa hat geschrieben:Diese Bewertung vorzunehmen halte ich allerdings in den meisten Fällen für unmöglich. Welche Mutationen/Variationen sich in Zukunft durchsetzen werden und welche nicht (weil sie "mangelhaft"/"fehlerhaft" sind), können wir kaum erahnen. Bei manchen Erscheinungsformen geht es, siehe schwere Erbkrankheiten, aber in Bezug auf Altruismus geht es meiner Ansicht nach nicht.

Wir haben sozusagen keine Fitness- oder Qualitätsfunktion als Bewertungsinstrument, wie sie in den Evolutionsalgorithmen bei Optimierungsproblemen angewendet wird. Die Fitnessfunktion der realen Evolution ist die Welt selbst - mit allem drum und dran. :klugscheisser:

Ja, das ist dann auch ein grundsätzliches Problem der These "the fittest will survive". Wenn man a priori nicht festlegen kann, was "the fittest" eigentlich ausmacht, man das nur im Nachhinein erkennen kann, dann bleibt ja letztlich nicht mehr als die Tautologie: "der, der überlebt, überlebt". Aber wer überlebt, ist, wenn man die Zukunft nicht einschätzen kann, mehr Zufall, als dass es heute feststellbare "Fittness" wäre. ("Einschätzen" ist hier nicht als bewusstes Vorgehen gemeint.) Nehmen wir mal an, morgen träfe ein riesiger Komet auf die Erde, einzig überlebende Art wäre A. Dann wäre A die fitteste Art gewesen. Nehmen wir ersatzweise an, es gäbe den Kometen nicht, Art B würde sich durchsetzen, Art A aber verschwinden. Dann wäre Art B fitter als A gewesen. Aber so eine a posteriori-Zuweisung ergibt mE keinen tieferen Sinn, das läuft nur auf die Tautologie "survivors survive" hinaus.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Jan 2013, 08:35

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, ein Narr würde es als selbstverständlich ansehen. Es hat nichts mit Moral oder Altruismus zu tun, das Gegenüber zu verstehen. Es ist eine praktische Notwendigkeit. Umgekehrt hat die Unfähigkeit den logischen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung nichts mit Egoismus zu tun. Das eine hat etwas mit Intelligenz zu tun, das andere mit Motivation.


Man kann auch nichts oder sehr wenig leisten und erwarten, dass andere dennoch allzeit für einen da sind.
Das ist keine graue Theorie sondern Lebenspraxis, freilich die der harten Egoisten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist immer noch logischer als von Selbstlosigkeit oder dem Guten auszugehen. Wie soll das denn logisch begründbar sein?


Das Gute oder Selbstlosigkeit?
Nun fopa hat was dazu geschrieben. Aber da Du mich fragst: Für den Bereich reflexiver Mensch, ist das doch nicht so schwer. Man kann das Empfinden haben, dass man im Leben Glück hatte, es einem, warum auch immer ganz gut geht. Aus dieser Motivation heraus ist der Wunsch nachvollziehbar, dass es anderen auch gut gehen sollte. Da braucht man kein Logikseminar.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:... Ich helfe, weil ich helfen will, weil ich etwas abgeben will und ich erwarte nicht, dass die arme Sau aus Burkina Faso mir dafür irgendwann mein Treppenhaus schrubbt oder später meinen Rollstuhl schiebt.

Ja, das ist die kurzsichtige Version der Altruismusvertreter. Aber wie konnte sich so ein Verhalten entwickeln? War es als die Menschheit sich entwickelte, überhaupt möglich jemandem zu nützen, ohne auf eine Gegenleistung zu hoffen? Die sozialen Interaktionen beschränkten sich auf die eigene Gruppe, damit of auf die nächsten Verwandten und Freunde oder Waffenbrüder. Dass wir jetzt der armen Sau aus Burkina Faso etwas gutes tun können, war in der Evolution nicht absehbar, wenn man es so formulieren will.


Ja und, das Internet war auch nicht absehbar und dennoch sitzen wir hier. Scheint zu gehen, oder?

Darth Nefarius hat geschrieben:Soetwas ist eine leichte Fehlfunktion eines instinktiven Verhaltens, das ursprünglich eine höhere Wahrscheinlichkeit hatte, nützlich zu sein als jetzt. Aber da es nicht schädlich ist, hat es sich gehalten.


Bemerkst Du eigentlich, dass Du ständig gezwungen bist, im Nachgang die Realität zu erklären.
Besonders … hm, eigentümlich wird das dann, wenn man versucht, von etwas, was der Fall ist zu sagen, dass es das ja eigentlich gar nicht geben dürfte. Aber zum Glück ist Altruismus ja nicht schädlich, sonst würden uns die Biologen erklären, dass es das gar nicht geben kann und was ist dann? Huch.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Auch Motive sind niemals unabhängig von anderen.

Im Kern schon. Auch wenn du der letzte Mensch oder das letzte Lebewesen bist, hast du noch grundlegende Bedürfnisse und wirst nicht einfach aus Standby gehen.


Ja, aber auch der letzte Mensch wurde geboren, sonst wäre er nicht da.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein einsames Tier funktioniert auch ohne Input durch Lebewesen.


Durch die mitgebrachte Kette der Evolution.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es gibt noch Reize durch die unbelebte Natur, die auch grundlegender sind (was bedeuten soll, dass das erste Lebewesen wohl eher einen unbelebten Reiz empfing als den durch ein anderes Lebewesen).


Und auch der ist nicht von der Umwelt unabhängig.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Du willst doch an die Wurzeln, was ich ja durchaus auch interessant finde, nur sind die Wurzeln menschlichen Verhaltens nicht rein biologisch.

Ach, und was sonst? Ein göttlicher Funken? Vor Kultur und allen Zusätzen gab es schon die Logik der Evolution und die Naturgesetze, ihnen haben wir unser Sein, unsere Motivation zu verdanken.


In der letzten Stunde hatten wir doch durchgenommen, dass der Urknall als Anfang von allem für die Urne ist, Du erinnerst Dich? Und es war Dein Vorschlag andere Ursachen, die näher liegen zu benennen. Wenn Du das noch erinnerst und es nicht nur so dahergesagt war... warum soll denn dann die naturwissenschaftliche Betrachtung am Anfang von allem stehen? Sie beleuchtet zwar den Anfang, aber sie ist ja selbst das Resultat einer langen Kette der Entwicklung.
Du könntest Dir die Frage vorlegen, wie man überhaupt Forschung betreiben kann, was dazu nötig ist. Klar, ein Gehirn und so, aber das ist der Blick auf die Außenwelt. Doch was braucht man für Zutaten aus der Innenwelt?

Darth Nefarius hat geschrieben:Warum soll für dich immer nur der eigene Vorteil ausschließlich bedeuten, andere wegzubeißen?


Das heißt es nicht immer.
Aber es gibt eben auch Kokurrenzsituationen, das Leben ist nicht nur win-win.
Und in der überwiegenden Zahl, produzieren egoistische Gene egoistische Individuen:
Richard Dawkins hat geschrieben:Ich würde argumentieren, dass eine vorherrschende Eigenschaft, die wir bei einem erfolgreichen Gen erwarten müssen, ein skrupelloser Egoismus ist. Dieser Egoismus des Gens wird gewöhnlich egoistisches Verhalten des Individuums hervorrufen. Es gibt jedoch, wie wir sehen werden, besondere Umstände, unter denen ein Gen seine eigenen egoistischen Ziele am besten dadurch erreichen kann, dass es einen begrenzten Altruismus auf der Stufe der Individuen fördert. Die Worte „besonders“ und „begrenzt“ in diesem Satz sind wichtig. So gern wir auch etwas anderes glauben wollen, universelle Liebe und das Wohlergehen einer Art als Ganzes sind Begriffe, die evolutionstheoretisch gesehen einfach keinen Sinn ergeben.
(Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1989,1994 by Richard Dawkins, dt. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Mai 1996, S.22f)


Wenn das nicht Deine Einstellung ist, wie ist dann Deine?
Danach hatte ich ja schon mal gefragt.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mi 9. Jan 2013, 09:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Jan 2013, 08:38

@ fopa: Wie war das mit zwei Tage nicht da und dann muss man gleich ein Buch lesen...? :-)

fopa hat geschrieben:Beim "Egoismus der Gene" sind es die entsprechenden genetischen Muster, bei individuellem Egoismus ist es eben das Individuum. Von dieser Definition ausgehend kann man Altruismus als eine Form des Egoismus auffassen, wenn man das Subjekt entsprechend wählt. Individuell-altruistisches Verhalten von Arbeiterinnen in einem Ameisenstaat lässt sich als egoistisches (eigennütziges) Verhalten des gesamten Staates oder der Ameisenart auffassen.


Und ich glaube, dass genau das nicht stimmt.
Genauer formuliert ist meine Kritik an diesem Konzept, dass es vermutlich viele Phänomene aus dem Tierreich erklärt – aber auch nicht alle, hier gibt es Einwände bspw. von Eibl-Eibesfeldt – aber es hat vor allem erhebliche Schwierigkeiten im Bereich der Soziobiologie.

Mein Einwand ist eigentlich unoriginellerweise immer wieder derselbe: Man kommt mit diesem Konzept – will man nicht wirklich alles einzig als Dominanzgeste um Weibchen zu beeindrucken interpretieren – in Bereiche für menschliches Miteinander, natürlich per def, zum gegenseitigen Rechenspiel der eher seichteren Art wird. „Wie du mir, so ich dir.“ „Kann ich dich gebrauchen?“ Klug soll sein, wer bewusst so handelt, die anderen tun es unbewusst und reden sich andere Motive lediglich sein.
Die Begründung, dass andere Motive gar nicht anders sein können, fällt regelmäßig zirkulär aus. (Weil der Mensch ja nur nach seinem Nutzen streben kann, macht er sich bezügliche anderer Motive selbst was vor, wäre so eine zirkuläre Begründung.)

Die Forschungen, gerade aus dem Bereich der Psychologie, sind da im Längen differenzierter und weitreichender.

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Allerdings bin ich der Auffassung, dass der Altruismus bewusster und reflexiver Menschen sehr wohl auf eigenständigen Überlegungen – und wenn Du willst, auch auf hehren Motiven – beruhen kann. Kannst Du Dich dem anschließen?
Aus subjektivem Empfinden: ja. Objektiv betrachtet: nein.
Ich schätze, die meisten altruistisch handelnden Menschen denken tatsächlich auch altruistisch.


Ja, was den letzten Punkt angeht, sind wir einer Meinung.

fopa hat geschrieben:Bei objektiver Betrachtung gibt es eben keine (wertbehafteten) hehren Motive, schon gar nicht als Erklärungsgrund für bestimmte Verhaltensweisen. Die Existenz der Empfindung hehrer Motive hat selbst eine Ursache, die erklärt werden muss. Dawkins hat ja eine Theorie dazu vorgestellt, die allerdings zumindest unvollständig zu sein scheint (Stichwort: anonymer Spender).


Arg reduktionstisch vor allem und damit ohne Ende unscharf.
Es erklärt doch am Ende wirklich nichts, wenn der letzte, „objektive“ Grund dafür, dass Du Rad fährst, Dawkins Bücher schreibt und Bach komponierte darin liegen soll, dass damit Frauen beeindruckt werden sollen. Alles nur Variationen des Pfauenrades.
Mit dieser objektiven Betrachtung, habe ich generell so meine Schwierigkeiten, ich halte das für Unsinn.

Objektiv, das soll, in diesen Kontexten, dann immer so was heißen wie: wertneutral und unvoreingenommen.
Klar für Mineralienarten geht das ganz prima, aber diese deskriptiven Ansätze sind im Menschenreich eigentlich längst erledigt. Die erfassen oberflächlich, was in der Sache selbst liegt, da der Mensch eben immer ein etwas widersprüchliches Biest ist. Er ist rational und emotional, was wann vorherrscht, kann man nicht sagen und alle starren Schemata springen hier über kurz oder lang – meistens kurz – über die Klinge.

Die Darwinistischen Modelle sind Nachbauten des homo oeconomicus, eine Kopfgeburt und ein Kind des Zeitgeistes. Kant hat seinen Teil dazu beigetragen, Marx glaubte auch an die Kraft der Vernunft und noch Freud konnte sich nicht von der Idee lösen, dass die Stimmer des Intellekts auf Dauer dominieren wird.
Wir müssen uns an die Idee erst gewöhnen, dass es anders ist, der Mensch aber auch kein ganz irrationaler Roboter ist, wo man oben Informationen reinsteckt, die dann vorhersehbar in der Black Box verwurstet werden.

Was ich aber sagen wollte: Wenn man den Menschen beschreiben will und von seiner emotionalen, intuitiven und moralischen Seite abstrahiert, wird man alles Mögliche beschreiben, aber nicht den Menschen.
Man kann dann toll vorhersagen, wie die Bewegungsmuster bei Massenpaniken sind, aber weiß dennoch nicht, wer der nächste Amokläufer wird.

fopa hat geschrieben:Bewusstsein sehe ich nicht als Voraussetzung für altruistisches Verhalten (sofern man Altruismus nicht als bewusste Handlung definiert) - siehe Insektenstaaten. Auch ein "Ich-Erkennen" ist nicht zwingend notwendig.


So meinte ich das nicht.
Ist natürlich die Frage welche Art Bewusstsein Du meinst. Ist Bewusstsein nun einzig und allein rationales Bewusstsein. Vermutlich macht es großen Sinn, auch hier zu differenzieren, zum Beispiel in: Bewusstsein, Selbstbewusstsein, reflexives Selbstbewusstsein. (Und auch das ist noch sehr grob.)
Und wie gesagt: Ich habe keinen Zweifel, dass altruistisches Verhalten im Biologischen beginnt, ich habe nur Zweifeln, dass ein anonymer Spender den selben Algorithmen folgt, wie Bakterien in der Nährlösung.

fopa hat geschrieben:Aber um Altruismus definieren zu können, braucht man natürlich Einheiten, denn anders kann man Interaktionen ja gar nicht beschreiben. Eine Einheit könnte aber auch beispielsweise eine Gruppe von Individuen sein, die sich gegenüber einer anderen Gruppe altruistisch verhält. Auch hier halte ich Bewusstsein nicht für eine notwendige Voraussetzung.


Ich glaube auch, dass man sich weitgehend unbewusst (im Sinne von: dem Individuum ist nicht klar, warum es tut, was es tut) altruistisch verhalten kann, wie der Honiganzeiger.
(Wer ihn nicht kennt: http://de.wikipedia.org/wiki/Honiganzeiger )

fopa hat geschrieben:Interessant wäre allerdings die Frage, ob eine Gruppe sich altruistisch verhalten kann, ohne dass die Individuen es einzeln tun.


Klar, kommt nur drauf an, wie Du den Fokus einstellst.
Es gibt in der Massenpsychologie das Phänomen der Regression, das in Massen, Großgruppen und mittleren Gruppen auftritt. Nicht etwa nur, wenn im Kino Feuer ausbricht oder ein bösartiger Einpeitscher die Menge versaut, sondern, die Überraschung ist, es klappt immer.
Man kann eine Gruppe gut situierter, moralisch integerer, intelligenter Akademiker, gleich ob vom Philosophen oder Biologenkongress nehmen und mit ihnen ein einfaches Experiment durchführen. Man gibt die Anweisung sich frei zu fühlen, in den nächsten Stunden über alles worüber man möchte zu reden und solle lediglich beobachten, was passiert.
Das Resultat ist immer, dass es in der Gruppe in kürzester Zeit zu Aggressionen, Spannungen, Misstrauen kommt und bald darauf nach drei immer gleichen möglichen Mustern ein Stabilisierung auf einem moralisch um Klassen niedrigeren Niveau eintritt, in dem simple Ja/Nein, Schwarz/Weiß, Gut/Böse-Muster dominieren.
Keines der Individuen würde in anderen Situationen derart primitiv werten, in solchen Situationen tun es fast alle und wer sich zurückhält oder zu schlichten versucht, gilt schnell als Verräter.
Diese Experimente sind in Variationen immer wieder durchgeführt worden, immer mit den gleichen Resultaten.
Man geht davon aus, dass sich diese Massenregressionen um eine Reorganisation auf einem niedrigeren Level ist, die aber dennoch die Gruppe zusammenhält – es gibt da glaube ich auch recht plausible Erklärungen, was im Detail passiert – also ist das Verhalten aufs Ganze betrachtet altruistisch, obwohl die Gangart viel ruppiger und primitiver als vorher ist.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Jan 2013, 09:25

AgentProvocateur hat geschrieben:Eine rationale Handlung ist eine solche, bei der (mehr oder weniger bewusst) eine Kosten-Nutzen-Rechnung vorgenommen wird. Und nur rationale Handlungen werden hier betrachtet. ...


AgentProvocateur hat geschrieben:Würde Batsons Definition beinhalten, dass nur explizit geäußerte (und selbst als richtig angenommene) Motive zu berücksichtigen seien, dann wäre das in der Tat ein Fehler. Aber das beinhaltet sie ja nicht.


Aber inwieweit sind denn Handlungen überhaupt als solche zu bezeichnen, wenn sie nicht prinzipiell begründet werden könnten?
Einer muss das Motiv ja zuschreiben und da kommt es dann mitunter doch zu Differenzen zwischen Akteur und Beobachter.

Soll heißen: Agiere ich einfach nur so (und weiß auch nicht so genau warum), so ist das ja, philosophisch gesehen, keine Handlung. Reden wir aber nur von rationalen Handlungen, impliziert das, dass mir meine Absichten/Motive klar sind.

In meiner Kritik geht es mir nicht darum, dass das Ziel explizit geäußert sein muss, es reicht (im Stillen) der Überzeugung zu sein, altruistisch zu handeln, was gelegentlich dem (begründeten) Befund eines Beobachters widersprechen könnte, der dennoch eher Egoismus sieht.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Jan 2013, 12:34

PS:

Ich lese gerade, dass Batson meinen Einwand unter Punkt 5 selbst referiert.

Im Folgenden führt er, m.E. richtig, aus, dass man weder aus einer Handlung noch Aussage eines Menschen das „ultimate goal“ ersehen kann, man braucht Beobachtungs- und Aussagenbündel.

Ich glaube jedoch, dass es in vielen Fällen weiterhin schwierig sein wird, eindeutige Ziele zuzuordnen.
Beim Urlaub ist es klar. Man plant und spart bis der Urlaub da ist und dann beendet man diese Aktivitäten.
Was ist das „ultimate goal“ der Arbeit, die man macht? Der Feierabend? Der Lohn? Die Rente? Die Anerkennung? Der Spaß am Beruf? Die Vermeidung von Geldmangel und sozialer Ausgrenzung?
Viele der Ziele können ja nicht „erreicht“ sein, in dem Sinne, dass die Motivation dann erlischt.
Sind sie überhaupt eindeutig zuzuordnen?

Könnte man z.B. das Ziel eines Söldners beschreiben?
Er handelt eindeutig für seinen Auftraggeber und bringt sein Leben in große Gefahr?
Aber vielleicht hat er Spaß am Krieg, am Töten gar?
Vielleicht tut er es emotionslos? Was anderes habe ich nicht gelernt, es gibt gutes Geld und ich kann's halt.

Sehr interessant finde ich die Diskussionen der Empathie.
Das „wir sind doch alle Menschen“ „Gefühl“, ist m.E. Kein grundlegendes Gefühl, sondern eine erst einmal kognitive Einstellung, die dann emotional besetzt wird.

Muss den Text aber noch weiter lesen, bin gut halb durch, schaffe ich momentan nicht, das erstmal als assoziativer Einwurf.
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Re:

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 9. Jan 2013, 13:14

AgentProvocateur hat geschrieben:Vielleicht besteht das Missverständnis hier darin, dass ich nicht explizit "die einem selber zukommenede Belohung oder Bestrafung" geschrieben habe. Es besteht nun kein Dissens darüber, dass bei jeder rationalen Handlung der als größtmöglich angesehene mögliche Nutzen angestrebt wird. Die Frage bei Egoismus vs. Altruismus ist jedoch, wessen Nutzen eine größere Rolle spielt, ob das der eigene oder der Fremdnutzen ist; ob es das ultimative Ziel ist, den eigenen Nutzen zu maximieren (= Egoismus) oder ob man auch manchmal mit dem ultimativen Ziel handelt, den Nutzen eines anderen zu erhöhen (= Altruismus), (was aber nicht heißt, dass man selber dabei überhaupt keinen Nutzen erzielen dürfte, sondern nur, dass es eben nicht das ultimative Ziel ist, den eigenen Nutzen zu erhöhen).

Nein, da hast du mich falsch verstanden. Ich habe es durchaus so verstanden, dass die einem selbst zukommende Belohnung oder Bestrafung zentral ist. Meine Frage bleibt: Wie soll das Egoismus ausschließen? Wie soll man den hedonistischen Aspekt nicht als Belohnung verstehen, die IMMER mindestens intern ist?
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie gesagt, ich halte das nicht nutzbringend, wenn man über Psychologischen Egoismus redet. Dieser ist einfach ein anderes Konzept als der "Biologische Egoismus". Der Psychologische Egoismus hängt von den zugrundeliegenden Motiven und Zielen ab, der "Biologische Egoismus" jedoch nicht.

Der biologische Egoismus hat den Vorteil, dass er mehr die Handlung beeinflussende, interne und systematische Faktoren berücksichtigt. Wenn dein Einwand sich nur auf eine Definitionsebene bezieht (also, ob du den Begriff für geeignet hälst oder nicht), ist akzeptabel. Verschiedene Fachrichtung verstehen beim selben Wort 2 verschiedene Dinge, jedoch erkenne ich nicht den Nutzen aus der beschränkteren Definition der Motivation. Ich erkenne nichtmal, wie man welchem Motiv (also dem altruistischen oder egoistischen, sofern beide existieren) eine Priorität zuordnen soll, wo im Gehirn doch nur zählt, ob die Handlung hormonell belohnt wurde (was immer an erster Stelle steht
und gewiss keinen direkten Vorteil für das Gegenüber hat).
AgentProvocateur hat geschrieben:Nein, er hat selbstverständlich keine Handlungen nachgewiesen, die keinerlei Befriedigung des Handelnden bedeuteten. Das wird auch schwer zu machen sein. Aber der Psychologische Egoismus beinhaltet ja auch nicht die Behauptung, dass eine Handlung nur dann altruistisch sei, wenn dabei überhaupt kein Nutzen (das kann auch: Abwendung von Schaden sein) für den Handelnden entstünde. Bzw. beinhaltete er die, dann wäre er wenig interessant.

Ist denn nicht die eigene Befriedigung das ultimative Ziel der Handlung? Wie lässt sich dieser grundsätzliche Wille nach eigener Befriedigung denn altruistisch auffassen (also selbstlos, wobei hier doch das selbst befriedigt werden will)? Wenn er also keine Handlung nachweisen konnte, die nicht zur Eigenbefriedigung führte, muss er irgendwie begründen, warum der Wille, selbst befriedigt zu sein, nicht egoistisch ist. Und die lautet?
AgentProvocateur hat geschrieben:
SEP - Egoism hat geschrieben:First, Daniel Batson and colleagues found that increased empathy leads to increased helping behaviour. One hypothesis is altrustic: empathy causes a non-instrumental desire to help.[...]

Noch eine Anmerkung zu dem, was Du zu fopa sagtest: ich finde es ziemlich problematisch, hier mit "Fehler/Variation" zu argumentieren. Damit kann man ja theoretisch jede These belegen, z.B.: "Schotten sind immer dicht". Und wenn ein Schotte nüchtern ist, dann sagt man, das sei eben ein Fehler, eine Variation, aber die These sei dennoch wahr, das sei kein Problem. Eine solche Argumentation nennt man auch "wahrer Schotte".

(Unterstrichen und gekürzt von mir)
Das ist der Knackpunkt: Wieso ist dieses Bedürfnis altruistisch, wenn ein Bedürfnis grundsätzlich die Befriedigung zum Ziel hat (also wieder die Frage, wieso der Hedonismus den Altruismus nicht grundsätzlich ausschließt)? Abgesehen davon hat wohl niemand ernsthaft bestritten, dass empathische Handlungen befriedigend sind und nicht Schaden vermeidend.
Zu den Schotten: Sofern nicht nur 0-2 % nüchtern sind, kann ich das natürlich nicht als Fehler oder Variation bezeichnen. Aber hier geht es nunmal um diese Größenordnung. Wenn der Prozentsatz der Homosexuellen in der Population bei dem von heterozygoter Sichelzellenanämie (die einen tatsächlichen Nutzen hat) liegt, können wir über einen eventuellen Nutzen reden.
Zu fopa:
Ein interindividuelles Muster kannst du den Philosophen und Sprachwissenschaftlern verkaufen. Fitness ist immer auf das Individuum bezogen.
fopa hat geschrieben: Selbst wenn Altruismus (unter heutigen und hiesigen Bedingungen) sowohl für ein Individuum als auch für eine ganze Gruppe nachteilig wäre, hätte er seinen Platz in der (biologischen) Evolutionstheorie - als "Erbkrankheit" oder als genetisches Erbe aus Zeiten, in denen er sich als nützlich erwiesen hat.

Altruismus ist wohl eher ein neueres Phänomen, zumindest versuchen die meisten den Menschen als Altruisten zu verkaufen, nicht seine Vorfahren. Eigentlich entspringt dieses Konstrukt nur dem Anthropozentrismus und falschem Moralismus. Der Begriff, den du suchst lautet Attavismus (Eigenschaft "vom Großvater").
fopa hat geschrieben:Man stelle sich eine Population vor, die genetisch so geartet ist, dass immer wieder "echt altruistische" Individuen hervorgebracht werden, welche dann der gesamten Population nützen, ohne sich als Individuum einen Vorteil davon zu erhoffen. Sie wären lediglich genetisch auf Altruismus programmiert (hätten das Bedürfnis, altruistisch zu handeln). Wenn diese Variante der Population dabei hilft, sich bei den gegebenen äußeren Bedingungen gegenüber Populationen durchzusetzen, deren Mitglieder egoistisch handeln, wird dieser Altruismus generierende Teil des genetischen Codes weitergegeben.

Wieso sollte diese Eigenschaft weitergegeben werden? Es kann auch locker dazu kommen, dass die Altruisten so derart mit dem Rest beschäftigt sind, dass sie keine Nachkommen generieren (warum auch?) und in der nächsten Generation sie schon ausgestorben sind. Dann hat der Rest eventuell mehr Schwierigkeiten, stirbt eventuell selbst aus. Na und? Ich erkenne den zwingenden Grund des Fortbestandes von Altruisten in deiner Argumentation nicht. Die Idee des rezessiven Altruismus ist zwar ganz nett, aber es gibt gute Modelle und Belege in der Biologie, dass solche Allele sich schlichtweg nicht halten, wenn das Individuum nichts davon hat. Oder beispielhaft: der homozygote, echte Altruist paart sich nie mit einem egoistischen Artgenossen (egal ob hetero- oder homozygot), weil er (ganz plausibel) so mit den anderen beschäftigt ist, dass er nie dazu kommt (und er hat auch keine Lust, sich zu paaren, weil er kein hedonistisches, egoistisches Verlangen hat). Damit können sich nur noch diejenigen Allele weitergeben, die von einem heterozygoten Egoisten stammen. In der Filialgeneration sind aber dann schon weniger altruistische Allele vorhanden als vorher (und danach auch wieder, da der Schwund von sich nicht paarenden Altruisten immer wieder hinzukommt). Irgendwann stribt das Allel aus. Das ist ein ziemlich üblicher Prozess bei Eigenschaften, die einen unfitt werden lassen.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 9. Jan 2013, 13:52

Vollbreit hat geschrieben:Man kann auch nichts oder sehr wenig leisten und erwarten, dass andere dennoch allzeit für einen da sind.
Das ist keine graue Theorie sondern Lebenspraxis, freilich die der harten Egoisten.

Ja, aber sobald zu viele dieser Individuen in einer Population vorhanden sind, kann die Population sich nicht mehr erhalten und stirbt aus. Diejenige, die hingegen kooperative Egoisten in sich trägt, wird diese überleben.
Vollbreit hat geschrieben: Für den Bereich reflexiver Mensch, ist das doch nicht so schwer. Man kann das Empfinden haben, dass man im Leben Glück hatte, es einem, warum auch immer ganz gut geht. Aus dieser Motivation heraus ist der Wunsch nachvollziehbar, dass es anderen auch gut gehen sollte. Da braucht man kein Logikseminar.

Nein, dafür braucht man einen Schlag auf den Kopf. Was ist daran logisch und nachvollziehbar, dass es, wenn es einem selbst gut geht, motivierend ist den anderen zu helfen? Dieser Wunsch ist einfach vom Himmel gefallen, nicht begründet. Klar, du beziehst dich wahrscheinlich auf deine unreflektierte eigene Motivation, die du als logisch erachtest, weil du sie so erlebst. Aber die Existenz einer Handlung bedeutet nicht, dass man den logischen Zusammenhang der Handlung verstanden hat. Und eine Erklärung ist nicht logisch, nur weil sie vermeindlich zum vorhandenen Ergebnis führt. Dementsprechend wäre auch die Begründung, dass Zeus kegelt, für Donner und Blitz auch logisch, weil wir ja wissen, dass es Blitze und Donner gibt. :irre:
Vollbreit hat geschrieben:Ja und, das Internet war auch nicht absehbar und dennoch sitzen wir hier. Scheint zu gehen, oder?

Und was soll das damit zu tun haben, dass es absoluter Altruismus ist und nicht Egoismus, der (aufgrund der heutigen Lebensumstände) ins Leere läuft? "Scheint zu gehen" hat nichtmal ansatzweise etwas mit der Frage oder dem Problem zu tun. Nur weil die Erde nicht untergegangen ist, als behauptet wurde, sie sei flach, begründet es diese These noch lange nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Bemerkst Du eigentlich, dass Du ständig gezwungen bist, im Nachgang die Realität zu erklären.
Besonders … hm, eigentümlich wird das dann, wenn man versucht, von etwas, was der Fall ist zu sagen, dass es das ja eigentlich gar nicht geben dürfte. Aber zum Glück ist Altruismus ja nicht schädlich, sonst würden uns die Biologen erklären, dass es das gar nicht geben kann und was ist dann? Huch.

Naja, man ist immer gezwungen, die Realität zu erklären, sofern man keine weltfremden Märchen erzählen will oder sich seine Theorien nach Geschmack aussucht. Was das betrifft, bin ich schuldig. Ich habe auch nie gesagt, dass es etwas gar nicht geben dürfte (wie den globalisierten Zustand, der uns Hilfe an Menschen ermöglicht, die uns das nie vergelten werden), ich habe darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten in einer Zeit entstanden ist, als es viel häufiger nützlich war, da es meist nur die eigene Gruppe und/oder die Familie betraf. Also wirklich, irgendwie scheint dich die Vernunft entgültig verlassen zu haben.
Vollbreit hat geschrieben:Ja, aber auch der letzte Mensch wurde geboren, sonst wäre er nicht da.

Der letzte Mensch hat keinen Einfluss auf seine Geburt. Er muss es nicht wollen, geboren zu werden, vielleicht hat man dich falsch aufgeklärt.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ein einsames Tier funktioniert auch ohne Input durch Lebewesen.


Durch die mitgebrachte Kette der Evolution.

Was auch immer du damit meinst. Eigentlich sind damit Signale wie Licht und Kälte gemeint. Info: Die Sonne ist kein Lebewesen, Schnee auch nicht.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Es gibt noch Reize durch die unbelebte Natur, die auch grundlegender sind (was bedeuten soll, dass das erste Lebewesen wohl eher einen unbelebten Reiz empfing als den durch ein anderes Lebewesen).


Und auch der ist nicht von der Umwelt unabhängig.

Wohl aber von Systemen, die eine Gegenleistung benötigen. Die Sonne braucht nicht angebetet zu werden, um zu scheinen (naja, nicht nur du hast diesen Irrglauben, ist ja nichts unübliches in der Geschichte, dass die Sonne angebetet wird). Das bedeutet, dass wir ihr gegenüber nicht kooperativ sein mussten.
Vollbreit hat geschrieben:In der letzten Stunde hatten wir doch durchgenommen, dass der Urknall als Anfang von allem für die Urne ist, Du erinnerst Dich?

Ich erinnere mich, dass es nicht so ist.
Vollbreit hat geschrieben:Und es war Dein Vorschlag andere Ursachen, die näher liegen zu benennen. Wenn Du das noch erinnerst und es nicht nur so dahergesagt war... warum soll denn dann die naturwissenschaftliche Betrachtung am Anfang von allem stehen? Sie beleuchtet zwar den Anfang, aber sie ist ja selbst das Resultat einer langen Kette der Entwicklung.

Die naturwissenschftliche Betrachtung steht am Anfang von allem, weil sie Additive des Menschen, die die Wahrnemung verzerren, weglässt (dazu gehören Moral, Altruismus, Religion, und alle anderen Illusionen, oder die Kultur) und dadruch näher an den Fakten, intersubjektiver ist.
Vollbreit hat geschrieben:Du könntest Dir die Frage vorlegen, wie man überhaupt Forschung betreiben kann, was dazu nötig ist. Klar, ein Gehirn und so, aber das ist der Blick auf die Außenwelt. Doch was braucht man für Zutaten aus der Innenwelt?

Was meinst du? Meine Zutaten aus der Innenwelt sind der Überlebenswille (evolutionsbedingt), mein Verstand (auch keine kulturelle Errungenschaft), mein Wissen (basiert auf Erfahrung anderer, eine Eigenschaft, die auch andere Tiere nachweislich besitzen, durch das Lernen ermöglicht), meine Geduld (auch etwas, dass man sich nicht erst ausdenken musste, damit es existiert, sondern auch an anderen Lebewesen beobachtet und logisch begründet wurde).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum soll für dich immer nur der eigene Vorteil ausschließlich bedeuten, andere wegzubeißen?


Das heißt es nicht immer.
Aber es gibt eben auch Kokurrenzsituationen, das Leben ist nicht nur win-win.

Das ist richtig, da es aber gerade diese Situationen UND die win-wins gibt, kann die Welt nicht altruistisch sein. Dadurch, dass du mir erklärst, dass es Konkurrenzsituationen gibt, die nicht zum win-win führen, bedeutet es, dass die beteiligten Parteien egoistisch sind. Dass sie hingegen in anderen Situationen kooperieren können, belegt, dass sie einen kooperativen Egoismus leben.
Vollbreit hat geschrieben:Und in der überwiegenden Zahl, produzieren egoistische Gene egoistische Individuen:

Ist richtig, falls du dich erinnerst, habe ich davon gesprochen, dass der Altruismus eine Illusion ist. Aber egoistische Individuen können auch kooperativ sein, sie müssen es gewiss nicht.
Vollbreit hat geschrieben:
Richard Dawkins hat geschrieben:Ich würde argumentieren, dass eine vorherrschende Eigenschaft, die wir bei einem erfolgreichen Gen erwarten müssen, ein skrupelloser Egoismus ist. Dieser Egoismus des Gens wird gewöhnlich egoistisches Verhalten des Individuums hervorrufen. Es gibt jedoch, wie wir sehen werden, besondere Umstände, unter denen ein Gen seine eigenen egoistischen Ziele am besten dadurch erreichen kann, dass es einen begrenzten Altruismus auf der Stufe der Individuen fördert. Die Worte „besonders“ und „begrenzt“ in diesem Satz sind wichtig. So gern wir auch etwas anderes glauben wollen, universelle Liebe und das Wohlergehen einer Art als Ganzes sind Begriffe, die evolutionstheoretisch gesehen einfach keinen Sinn ergeben.
(Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1989,1994 by Richard Dawkins, dt. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Mai 1996, S.22f)


Wenn das nicht Deine Einstellung ist, wie ist dann Deine?
Danach hatte ich ja schon mal gefragt.

Naja, und ich hatte schon geantwortet: Jein, da ich das nicht als begrenzten (oder was auch immer für einen) Altruismus bezeichne. Die "vorherrschende Eigenschaft" ist auf die Lebewesen an sich, nicht den Menschen bezogen. "Vorherrschend skrupellos" bedeutet keineswegs grausam, schließt (um es nochmal zu betonen) nicht die Empathie einiger Spezies aus. Ein Beispiel: Die vorherrschende Form des Lebens ist die Einzelligkeit. Sind wir deswegen nicht existent?
Zum Schluss ein Vorschlag, Vollbreit: Agent und fopa können sich länger erinnern, was sie und andere geschrieben haben, und sie können logischer argumentieren. Wenn es dir darum geht, dass in dieser Diskussion der Altruismus als gültig anerkannt wird (von allen Seiten), empfehle ich dir, die anderen nicht so schlecht darstehen zu lassen, indem du den Altruismus auch verteidigst. Du bist ihnen etwa genauso hilfreich wie ein amerikanischer Kreationist dem gemäßigten, deistischen Humanisten.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Mi 9. Jan 2013, 16:52

@Vollbreit
Ich glaube, du hast mich an mehreren Stellen missverstanden.
Ich meine nicht, dass unser Verhalten ausschließlich auf biologische Ursachen zurückzuführen ist. Jedenfalls möchte ich Gehirnzustände, die von kultureller, sozialer oder ähnlicher Beeinflussung herrühren, nicht als biologische Ursachen bezeichnen. Klar, auch erlernte Verhaltensweisen werden von instinktivem Verhalten beeinflusst. Der Mensch kann nicht "über seine Natur" hinauswachsen. Dennoch sind erlernte Muster eines Individuums nicht den biologischen Voraussetzungen dieses Individuums entsprungen.
Ich behaupte also nicht, dass Altruismus genetisch erklärbar sein müsste. Es könnte auch, wie Darth andeutete, ein moralisches Konstrukt sein - ein Denkmuster, das dem (in seiner Natur möglicherweise egoistischen) Menschen anerzogen wird. Das ist natürlich genauso Spekulation wie alles andere in diesem Thread. Wie Altruismus tatsächlich zu begründen ist, wissen wir schließlich nicht.

Da das Missverständnis jetzt ausgeräumt ist, wird dir sicher auch deutlich, dass ich anderen Wissenschaften nicht absprechen wollte, plausible Erklärungsmodelle liefern zu können. Wir hatten das Thema doch auch schon mal: Der Mensch, insbesondere sein "Geist", ist zu komplex, als dass biologische oder gar chemische oder physikalische Modelle ihn beschreiben könnten. Sie können bloß angeben, wie sich die Materie verhält, aus der der Mensch besteht, also das Fundament beschreiben. Für höhere Ebenen braucht man, wie du gesagt hast, andere Methoden, die nicht weniger wissenschaftlich sind. Man muss nur aufpassen, dass man nicht aneinander vorbeiläuft...
Vollbreit hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Bei objektiver Betrachtung gibt es eben keine (wertbehafteten) hehren Motive, schon gar nicht als Erklärungsgrund für bestimmte Verhaltensweisen. Die Existenz der Empfindung hehrer Motive hat selbst eine Ursache, die erklärt werden muss. Dawkins hat ja eine Theorie dazu vorgestellt, die allerdings zumindest unvollständig zu sein scheint (Stichwort: anonymer Spender).
Arg reduktionstisch vor allem und damit ohne Ende unscharf.
Es erklärt doch am Ende wirklich nichts, wenn der letzte, „objektive“ Grund dafür, dass Du Rad fährst, Dawkins Bücher schreibt und Bach komponierte darin liegen soll, dass damit Frauen beeindruckt werden sollen. Alles nur Variationen des Pfauenrades.
Mit dieser objektiven Betrachtung, habe ich generell so meine Schwierigkeiten, ich halte das für Unsinn.
Du sprichst die Ängste aus, die wohl viele Geistes- und Sozialwissenschaftler gegenüber den Naturwissenschaften empfinden: sie befürchten, als überflüssig betrachtet zu werden, wenn Naturwissenschaftler irgendwelche prinzipiellen Ursachen/Erklärungen in geistige Zuständigkeitsbereichen gefunden zu haben meinen. Dabei will gar kein Naturwissenschaftler erklären können, warum ich Rad fahre, Dawkins Bücher schreibt oder Bach komponierte. Er möchte höchstens erklären können, warum es überhaupt Menschen gibt, die solche Dinge tun - und das kann er am besten, wenn er mit Nichtnaturwissenschaftlern zusammenarbeitet. Denn du hast Recht: Wenn man Motivationen des Menschen außer Acht lässt, weil man sie für "nicht (natur)wissenschaftlich" oder "nicht objektiv" hält, kann das Bild am Ende nur unvollständig sein, und höchstwahrscheinlich ist es falsch.

Was das Gruppenexperiment angeht, habe ich den Altruismus darin noch nicht gefunden.
Vollbreit hat geschrieben:also ist das Verhalten aufs Ganze betrachtet altruistisch, obwohl die Gangart viel ruppiger und primitiver als vorher ist.
Wessen Verhalten und welches Ganze ist denn gemeint?
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Re: Re:

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 9. Jan 2013, 18:45

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe es durchaus so verstanden, dass die einem selbst zukommende Belohnung oder Bestrafung zentral ist. Meine Frage bleibt: Wie soll das Egoismus ausschließen? Wie soll man den hedonistischen Aspekt nicht als Belohnung verstehen, die IMMER mindestens intern ist? [...] Ich erkenne nichtmal, wie man welchem Motiv (also dem altruistischen oder egoistischen, sofern beide existieren) eine Priorität zuordnen soll, wo im Gehirn doch nur zählt, ob die Handlung hormonell belohnt wurde (was immer an erster Stelle steht und gewiss keinen direkten Vorteil für das Gegenüber hat). [...] Ist denn nicht die eigene Befriedigung das ultimative Ziel der Handlung? Wie lässt sich dieser grundsätzliche Wille nach eigener Befriedigung denn altruistisch auffassen (also selbstlos, wobei hier doch das selbst befriedigt werden will)? Wenn er also keine Handlung nachweisen konnte, die nicht zur Eigenbefriedigung führte, muss er irgendwie begründen, warum der Wille, selbst befriedigt zu sein, nicht egoistisch ist. Und die lautet?
AgentProvocateur hat geschrieben:
SEP - Egoism hat geschrieben:First, Daniel Batson and colleagues found that increased empathy leads to increased helping behaviour. One hypothesis is altrustic: empathy causes a non-instrumental desire to help.[...]

(Unterstrichen und gekürzt von mir)
Das ist der Knackpunkt: Wieso ist dieses Bedürfnis altruistisch, wenn ein Bedürfnis grundsätzlich die Befriedigung zum Ziel hat (also wieder die Frage, wieso der Hedonismus den Altruismus nicht grundsätzlich ausschließt)? Abgesehen davon hat wohl niemand ernsthaft bestritten, dass empathische Handlungen befriedigend sind und nicht Schaden vermeidend.

Das ist wohl immer dieselbe Frage, die Du hier stellst. Die empirischen Untersuchungen von Batson laufen so ab: er nimmt eine der egoistische Thesen (z.B.: das ultimative Ziel der Handlung sei, eine eigene Befriedigung zu erlangen) und testet diese gegen seine Empathie-Altruismus-These. Bei jeder Untersuchung trifft er Vorhersagen, die entweder die eine oder die andere These bestätigen würden. Z.B.: angenommen, man würde jemandem helfen, weil das ein gutes Gefühl in einem erzeugt. Das wäre der Nutzen, auf der anderen Seite stehen die Kosten für die Hilfeleistung. Würde man nun eine alternative Handlung anbieten, die einen vergleichbaren Nutzen, aber weniger Kosten ergäbe, dann wäre nach der egoistischen These zu erwarten, dass eher diese Option in Anspruch genommen wird, (da diese für den Handelnden aus einer Kosten-Nutzen-Rechnung heraus, die nur eigene Kosten und Nutzen in Rechnung stellt, insofern besser wäre).

Oder nehmen wir eine andere egoistische These: man hilft, weil man sonst Credit bei anderen verspielt, man in deren Ansehen sinkt. Hier sah der Versuchsaufbau dann so aus, dass es zwei Versuchsgruppen gab, wobei bei der einen gesagt wurde, dass die Entscheidung/Handlung geheim bleibt, der anderen wurde gesagt, dass die Entscheidung/Handlung dem Versuchleiter und der im Versuch hilfebedürftigen Person bekannt würden. Hier wurde davon ausgegangen, dass, wenn diese egoistische These stimmte, es einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Versuchgruppen geben müsste. Den gab es aber nicht.

(Das ist jetzt sehr grob und verkürzt dargestellt, im verlinkten Text wird das ausführlicher erläutert. Ich hoffe, die Idee dahinter kommt dennoch durch.)

Bei allen diesen durchgeführten Untersuchungen ergab sich, dass diejenige Vorhersage, die eher die jeweilige egoistische These bestätigt hätte, nicht eintraf.

Beantwortet das Deine obigen Fragen hinreichend oder wolltest Du noch auf etwas anderes hinaus?
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon stine » Mi 9. Jan 2013, 18:55

@Darth will darauf hinaus, dass der Mensch keinerlei Sozialisierung benötigt. Keinerlei Erziehung und vor allem keine religiös tradierten Vorgaben.
Nur deswegen bleibt er beharrlich der Meinung, dass der Mensch von seiner Natur aus "gut" ist.
Und das kann er (und seinesgleichen) wiederholen, sooft er (sie) möchte(n) - es stimmt einfach nicht.

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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 9. Jan 2013, 21:00

fopa hat geschrieben:Dennoch sind erlernte Muster eines Individuums nicht den biologischen Voraussetzungen dieses Individuums entsprungen.

Doch, in gewisser Weise schon. Es kann gut sein, dass ein erlerntes Verhalten aus einem instinktiven abgeleitet wurde, wie das Tanzen, z.Bsp. (von Paarungsverhalten).
Wem wenn nicht den biologischen Vorraussetzungen sind erlernte Muster entsprungen?
fopa hat geschrieben:Da das Missverständnis jetzt ausgeräumt ist, wird dir sicher auch deutlich, dass ich anderen Wissenschaften nicht absprechen wollte, plausible Erklärungsmodelle liefern zu können. Wir hatten das Thema doch auch schon mal: Der Mensch, insbesondere sein "Geist", ist zu komplex, als dass biologische oder gar chemische oder physikalische Modelle ihn beschreiben könnten.

An diesem Agreement war ich definitiv nicht beteiligt. :motz:
fopa hat geschrieben:Sie können bloß angeben, wie sich die Materie verhält, aus der der Mensch besteht, also das Fundament beschreiben. Für höhere Ebenen braucht man, wie du gesagt hast, andere Methoden, die nicht weniger wissenschaftlich sind.

Unfassbar, dass du ihn darin unterstützt. Was ist nochmal der Vorteil solcher Methoden? Worin sind sie den Naturwissenschftlichen überlegen oder greifen etwas auf, das nicht durch selbige zu erklären ist?
AgentProvocateur hat geschrieben:Bei jeder Untersuchung trifft er Vorhersagen, die entweder die eine oder die andere These bestätigen würden. Z.B.: angenommen, man würde jemandem helfen, weil das ein gutes Gefühl in einem erzeugt. Das wäre der Nutzen, auf der anderen Seite stehen die Kosten für die Hilfeleistung. Würde man nun eine alternative Handlung anbieten, die einen vergleichbaren Nutzen, aber weniger Kosten ergäbe, dann wäre nach der egoistischen These zu erwarten, dass eher diese Option in Anspruch genommen wird, (da diese für den Handelnden aus einer Kosten-Nutzen-Rechnung heraus, die nur eigene Kosten und Nutzen in Rechnung stellt, insofern besser wäre).

Ich denke nicht, dass jedes Lebewesen auch noch immer diese Rechnung hinbekommt (auch noch instinktiv).
AgentProvocateur hat geschrieben:Bei jeder Untersuchung trifft er Vorhersagen, die entweder die eine oder die andere These bestätigen würden. Z.B.: angenommen, man würde jemandem helfen, weil das ein gutes Gefühl in einem erzeugt. Das wäre der Nutzen, auf der anderen Seite stehen die Kosten für die Hilfeleistung. Würde man nun eine alternative Handlung anbieten, die einen vergleichbaren Nutzen, aber weniger Kosten ergäbe, dann wäre nach der egoistischen These zu erwarten, dass eher diese Option in Anspruch genommen wird, (da diese für den Handelnden aus einer Kosten-Nutzen-Rechnung heraus, die nur eigene Kosten und Nutzen in Rechnung stellt, insofern besser wäre).

Na, ich denke eher, dass bestimmte Triebe eine andere Priorität haben als andere und danach gewichtet wird, nicht nach dem größten Nutzen/geringsten Schaden (das ist praktisch, da sich diese Punkte durch die Evolution angeglichen haben, aber immernoch nicht äquivalent sind).
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder nehmen wir eine andere egoistische These: man hilft, weil man sonst Credit bei anderen verspielt, man in deren Ansehen sinkt. Hier sah der Versuchsaufbau dann so aus, dass es zwei Versuchsgruppen gab, wobei bei der einen gesagt wurde, dass die Entscheidung/Handlung geheim bleibt, der anderen wurde gesagt, dass die Entscheidung/Handlung dem Versuchleiter und der im Versuch hilfebedürftigen Person bekannt würden. Hier wurde davon ausgegangen, dass, wenn diese egoistische These stimmte, es einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Versuchgruppen geben müsste. Den gab es aber nicht.

(Das ist jetzt sehr grob und verkürzt dargestellt, im verlinkten Text wird das ausführlicher erläutert. Ich hoffe, die Idee dahinter kommt dennoch durch.)

Bei allen diesen durchgeführten Untersuchungen ergab sich, dass diejenige Vorhersage, die eher die jeweilige egoistische These bestätigt hätte, nicht eintraf.

Beantwortet das Deine obigen Fragen hinreichend oder wolltest Du noch auf etwas anderes hinaus?

Das war eigentlich nicht meine Kritik, aber ist auch eine Antwort wert. Ich kann dabei keineswegs auf Altruismus schließen, sondern auf Irrationalität. Ein Negativ-Beispiel für "Uneigennützigkeit", die in diesen Experimenten dem Nutzen anderer gegenüber gestellt wurde, hat noch einen Gegenspieler: Den Schaden aller. Ich kenne ein Experiment, das zeigt, wie irrational sich Menschen verhalten können: Person A bekommt Geld, sie kann es mit Person B teilen, so wie A es für angemessen hält. Wenn beide einverstanden sind mit der Verteilung, können beide das Geld behalten. Das Resultat ist, dass B ganz schön neidisch und missgünstig sein kann, schließlich bedeutet auch ein 1000 vom Gewinn für sich selbst immer noch mehr als gar nichts zu bekommen. Es gibt diverse Beispiele dieses Neids. Sowas ist klar egoistisch motiviert, jedoch so irrational, dass der Nutzen und die Kosten nicht beachtet werden und es zur irrationalen Handlung kommt (oder bezeichnest du diesen selbstschadenden Neid als altruistisch, weil er unnütz ist?).
Meine Frage beruht letztlich darauf, dass ich seine Erklärung des egoistischen Antriebs, anderen zu helfen als Abwendung von Unbehagensein auffasste, und er das Wohlgefühl der altruistischen Motivation zuordnete (so wie ich es verstand). Darin sah ich keine Logik.
@stine:
Deine falschen Behauptungen deuten entweder auf die Unfähigkeit, meine Kommentare zu lesen/zu verstehen (in denen ich Erziehung als wünschenswert bezeichnete, jedoch nicht grundsätzlich, da ich manche eher als kontraproduktiv betrachte, wie die religiöse. Zudem habe ich einen Teufel getan und den Menschen grundsätzlich als "gut" bezeichnet oder betrachtet) oder auf einen Verlust zur Realität, der durch deinen Dogmatismus und ihr Aufeinanderprallen mit naturwissenschftlicher Logik bedingt ist.
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 9. Jan 2013, 21:55

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich denke nicht, dass jedes Lebewesen auch noch immer diese Rechnung [AP: eine Kosten-Nutzen-Rechnung, bei der man am besten abschneidet] hinbekommt (auch noch instinktiv).

Aber das wird so auch nicht angenommen und ist mE auch kein relevanter Einwand gegen Batsons Untersuchungen, (ich wüsste zumindest nicht, inwiefern das relevant sein könnte). (bzw.: s.u.)

Darth Nefarius hat geschrieben:Na, ich denke eher, dass bestimmte Triebe eine andere Priorität haben als andere und danach gewichtet wird, nicht nach dem größten Nutzen/geringsten Schaden (das ist praktisch, da sich diese Punkte durch die Evolution angeglichen haben, aber immernoch nicht äquivalent sind).

Auch diesen Einwand verstehe ich nicht recht. Wenn Du meinst, dass Menschen hauptsächlich triebgesteuert handeln und viel weniger überlegt/rational, dann laufen die Untersuchungen eben darauf hinaus, dass diese Triebe sich nicht hauptsächich auf das eigene Wohl beziehen, sondern sich auch ultimativ auf das Wohl anderer beziehen können. Das halte ich hier für ziemlich egal, denn wenn sich Triebe hauptsächlich auf das Wohl anderer beziehen, wenn daraus ein ultimatives Ziel derart herrührt, dass das Wohl des anderen erhöht werden soll, dann ist das mE klar altruistisch.

(Ganz egal ist es jedoch auch wieder nicht, nicht dass hier ein Missverständnis entsteht. Anzunehmen, Menschen seien so eine Art kleine Rechenmaschinchen, die emotionslos objektiv Vor- und Nachteile abwägen würden, wäre mE ziemlich merkwürdig und falls diese Ansicht jemand irgendwelchen Untersuchungen zugrundelegen würde, dann könnte man die aufgrund dessen anzweifeln. Ebenso auch, wie wenn jemand die Ansicht hätte, Menschen könnten überhaupt keine rationalen Abwägungen tätigen, sie würden ausschließlich triebgesteuert handeln. Aber Batson vertritt nun weder die eine noch die andere extreme Ansicht.)

Darth Nefarius hat geschrieben:Das war eigentlich nicht meine Kritik, aber ist auch eine Antwort wert. Ich kann dabei keineswegs auf Altruismus schließen, sondern auf Irrationalität.

Wieso sollte eine Handlung, die als ultimatives Ziel hat, das Wohl eines Dritten zu erhöhen, irrational sein? Da sehe ich erst mal keinen direkten Zusammenhang, diese Behauptung leuchtet mir nicht ein. (Du willst ja hoffentlich nicht auf folgende Tautologie hinaus: P.: eine Handlung, deren ultimatives Ziel es ist, das Wohl eines Dritten zu erhöhen, ist irrational, K.: Also sind altruistische Handlungen irrational. Diese Konklusion folgt zwar logisch aus der Prämisse, aber die Prämisse ist erst mal nicht plausibel. leuchtet mir nicht ein.)

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein Negativ-Beispiel für "Uneigennützigkeit", die in diesen Experimenten dem Nutzen anderer gegenüber gestellt wurde, hat noch einen Gegenspieler: Den Schaden aller. Ich kenne ein Experiment, das zeigt, wie irrational sich Menschen verhalten können: Person A bekommt Geld, sie kann es mit Person B teilen, so wie A es für angemessen hält. Wenn beide einverstanden sind mit der Verteilung, können beide das Geld behalten. Das Resultat ist, dass B ganz schön neidisch und missgünstig sein kann, schließlich bedeutet auch ein 1000 vom Gewinn für sich selbst immer noch mehr als gar nichts zu bekommen. Es gibt diverse Beispiele dieses Neids. Sowas ist klar egoistisch motiviert, jedoch so irrational, dass der Nutzen und die Kosten nicht beachtet werden und es zur irrationalen Handlung kommt (oder bezeichnest du diesen selbstschadenden Neid als altruistisch, weil er unnütz ist?).

Ich kenne ein ähnliches Beispiel, (wenn jemand entscheiden kann, ob er eine Lohnerhöhung von X € bekommt oder nicht, wobei jedoch alle seine Kollegen eine Lohnerhöhung 2*X € bekommen, also das doppelte von ihm, dann entscheiden sich viele Leute gegen diese Lohnerhöhung - [das ist jetzt aber ziemlich aus dem Gedächtnis referiert, bin zu faul, das zu googeln]).

Diese Entscheidung ist ganz klar nicht altruistisch, denn sie hat ja in keinster Weise das ultimative Ziel, das Wohl anderer zu erhöhen. Allerdings würde ich diese Entscheidung auch nicht unbedingt "egoistisch" nennen wollen, (denn "egoistisch" würde mE erfordern, das eigene Wohl anzustreben). Das ist vielleicht eher ein Beispiel für eine Entscheidung/Handlung, die weder das eine noch das andere ist, auch das ist ja möglich. (Ich bin nun mir auch nicht sicher, ob man dieses Verhalten - das objektiv gesehen erst mal jedem schadet und niemandem nutzt, [hier fragt sich allerdings, ob das nicht - langfristig gesehen - durchaus auch eine gute Staregie sein könnte] - "irrational" nennen kann, aber das ist wohl eher ein Nebengleis in dieser Diskussion.)

Aber das ist hier doch auch irrelevant. Batson weist übrigens explizit darauf hin, dass es solche Handlungen - die weder egoistisch noch altruistisch sind - geben kann. Diese sind aber schlicht nicht Gegenstand seiner Untersuchungen. Daraus, dass nicht alle Handlungen entweder egoistisch oder altruistisch sein müssen, folgt ja nun auch nicht, dass es deswegen keine egoistischen oder altruistischen Handlungen geben könne.

Darth Nefarius hat geschrieben:Meine Frage beruht letztlich darauf, dass ich seine Erklärung des egoistischen Antriebs, anderen zu helfen als Abwendung von Unbehagensein auffasste, und er das Wohlgefühl der altruistischen Motivation zuordnete (so wie ich es verstand). Darin sah ich keine Logik.

Wie kommst Du jetzt darauf, dass Batson behaupten würde, die Erhöhung des eigenen Wohlgefühles sei ein Indiz für Altruismus? Das tut er nämlich explizit nicht.

Batson untersucht mehrere unterschiedliche egoistische Erklärungsversuche von möglichweise altruistischen Handlungen, die Abwendung des eigenen Unbehagens ist nur eine davon. Er rechnet das Wohlbehagen selbstverständlich nicht der altruistischen Motivation zu: wenn es das ultimative Ziel eines Helfenden ist, durch die Hilfe sein eigenes Wohlbefinden zu erhöhen, dann ist das auch nach Batson ganz klar eine egoistische Motivation. (Ebenso wie die anderen egoistischen Erklärungsversuche: z.B. wenn die ultimativen Ziele des Helfens sind: Erhöhung des Selbstwertgefühles, höheres soziales Ansehen (Belohnung durch Dritte), Vermeidung der Abwertung des sozialen Ansehens (Bestrafung durch Dritte) etc., siehe nochmal den Link dazu.)
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Re: Welche Charaktere von Mitmenschen wünschst du dir?

Beitragvon fopa » Mi 9. Jan 2013, 21:59

Darth Nefarius hat geschrieben:
fopa hat geschrieben:Dennoch sind erlernte Muster eines Individuums nicht den biologischen Voraussetzungen dieses Individuums entsprungen.
Doch, in gewisser Weise schon. Es kann gut sein, dass ein erlerntes Verhalten aus einem instinktiven abgeleitet wurde, wie das Tanzen, z.Bsp. (von Paarungsverhalten).
Wem wenn nicht den biologischen Vorraussetzungen sind erlernte Muster entsprungen?
Missverständnis: Ich habe geschrieben, dass die erlernten Muster eines Individuums nicht den biologischen Voraussetzungen dieses Individuums entsprungen sind. Selbstverständlich lassen sich viele kulturelle (interindividuelle) Muster auf biologische Voraussetzungen zurückführen. Die meisten aber nicht nur! Nimm zum Beispiel die Vorstellung des römischen Gottes Vulcanus. Die Menschen haben diese Vorstellung erst durch Einflüsse ihrer Umgebung bekommen: durch Brände und Vulkanausbrüche. Oder möchtest du behaupten, es stecke in den menschlichen Genen, an einen Feuergott zu glauben?

Darth Nefarius hat geschrieben:Unfassbar, dass du ihn darin unterstützt. Was ist nochmal der Vorteil solcher Methoden? Worin sind sie den Naturwissenschftlichen überlegen oder greifen etwas auf, das nicht durch selbige zu erklären ist?
Wo ist dein Problem? Hast du unter "höheren Ebenen" geistige, spirituelle oder gar göttliche Seinsebenen verstanden? Dann wieder Missverständnis! Ich meinte natürlich Abstraktionsebenen. Auch die Biologie ist eine Abstraktionsebene. Oder bemühst du bei all deinen Erklärungen zur Evolution die fundamentalen physikalischen Wechselwirkungen? Warum sollten in der Psychologie nicht Modelle benutzt werden, die nicht direkt aus biologischen Erkenntnissen abgeleitet sind? Entscheidend ist doch bloß, dass sie ihnen nicht grundlegend widersprechen (vorausgesetzt, die biologischen Erkenntnisse stimmen).
Wenn ich erkältet bin, nehme ich zum Beispiel auch Hausmittel zur Symptombekämpfung und zur schnelleren Genesung. Sie helfen tatsächlich, obwohl es nicht medizinisch erwiesen ist.
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