von Vollbreit » Fr 17. Mai 2013, 08:27
stine, Du hast m.E. recht.
Im Licht der Placeborforschung muss man davon ausgehen, dass es eher rational als irrational ist zu Glauben.
Problem: Wer bisher nicht glauben konnte, wird es nun, weil er gerade in höchster Not ist, nicht auf einmal anknipsen können, weil die Statistiken gerade so und so aussehen und es doch ganz hilfreich wäre, wenn ...
Doch dieser Glaube muss kein religiöser sein, kann aber. Eine tiefe innere Überzeugung kann da helfen, ist m.E. sogar ein zentraler Schlüssel der psychischen Seite von Wunderheilungen. Es kann der Glaube daran sein,
… dass es da vielleicht doch was zwischen Himmel und Erde gibt,
… dass die Wissenschaft immer weiter fortschreitet.
… dass man einen überragende Arzt erwischt hat, der weiß, was er tut.
… dass jetzt einfach nicht der Zeitpunkt ist, zu sterben, dass das Leben noch was mit einem vor hat.
Und so weiter.
Zentral scheint zu sein, dass wir nicht einfach so glauben können und den Glauben auch nicht instrumentalisieren können, er muss wohl authentisch sein.
Man muss zuversichtlich sein und diese Zuversicht muss – wir sind auch rationale Wesen, aber nicht nur – für uns irgendwie Sinn machen, d.h. innerlich plausibel, folgerichtig, rational sein.
Die Frage liefe also darauf hinaus, was passieren muss, damit ich glauben oder, da das Wort manche verschreckt, begründete Zuversicht entwickeln kann.
Das ist der rationale Part bei dem Spiel.
Oft genug scheint es auch der Wegfall von Blockaden und Hemmungen (vermutlich solche, bei denen man eigene echte Träume – die aber nicht jeder hat! – den Erwartungen anderer geopfert hat) wichtig zu sein, evtl. sehr wichtig. Nicht wenige Wunderheilungen zeigen dieses Muster, das jemand im Angesicht des nahen Todes dann doch noch mal die Weltreise macht, in den Traumberuf einsteigt und wie durch ein Wunder verschwindet der Krebs.
Die Gefahr ist groß hier in ein „um zu“ Muster zu geraten, bei dem man letztlich doch nur ängstlich anklammert. Schwer zu vermeiden, bei dem Thema, aber vielen Wundergeheilten ist es gelungen loszulassen, sich hinzugeben. An Gott; ihr Schicksal; die Überzeugung, dass das alles seine Sinn hat; seinen Arzt; die unaufhaltsamen Fortschritte, jemanden, von dem man (für sich begründbar) meint, er sei kompetent.
Doch auch die Vertreter der Rubrik „eiserner Wille“ haben Erfolge. Habe kürzlich noch mit einem reden können, die leiden weniger unter diesen Hemmungen und Blockaden.
Und was den „klammheimlichen“ Unrealismus der Realisten angeht: Ja, ich glaube in uns allen liegt diese Fähigkeit (nicht Schwäche) verborgen, ich würde das gar nicht verächtlich machen, um den Kollegen da nicht die Chancen zu nehmen. Man kann das sogar ganz historisch-naturalistisch der entwicklungsbiologisch betrachten.
Wir alle machen diese Phasen durch, in denen wir uns manche sagen von einem magischen zum mythischen zum rationalen Weltbild entwickeln.
Unser bis vor kurzem üblicher Umgang mit diesen Phasen war ungefähr der: Ja es gibt sie – in der einen oder anderen Form kennt sie jeder, der Entwicklungspsychologie kennt – aber die Frühphasen, alles vor dem rationalen, waren entsetzlich primitiv, gut, dass wir sie überwunden haben, vergraben wir sie, vergessen wir sie, bekämpfen wir sie am besten, damit sie nie wieder kommen.
„Das Licht der Vernunft“, alles Gute kam daher, strahlend, klar, rational, logisch, rein und sauber. Was da an Wertung und Entwertung drin steckt ist ein eigenes Thema, aber noch Freud setzte auf die Stimme des Intellekts, der sich nach und nach durchsetzen werde und hatte die Vorstellung das Beste, was man mit unseren irrationalen, magischen, aber auch kreativen, imaginativen Vorläufern machen könne, sei, sei zu überwinden.
Hier irrte der Meister und mehr und mehr erkennt man (C.G. Jung erkannte es schon viel früher), dass man mit diesen Bildern, Vorläufern in uns auch aktiv und kreativ arbeiten kann, heimlich still und leise erobern auch ehedem entwertete Ansätze wieder die Psychotherapie. Imaginative Verfahren, einige, die den Intellekt komplett umgehen (wie EMDR) und so weiter. Man pappt einfach „Neuro“ drauf und dann kriegen alle glänzende Augen, ist zwar albern, funktioniert aber, also warum nicht.
Letztlich ginge es darum – ganz allgemein – die verschiedenen Vorläufer in uns zu reaktivieren und kreativ mit ihnen umzugehen, muss ja nicht gleich zur totalen Regression werden und ist uneingestanden nicht ohne Gefahren, aber m.E. auch von großem Nutzen.