laie hat geschrieben:Der Punkt ist aber, ob man ein ethisches Fundament darauf gründen kann, ob etwas mir Spass macht oder für mich von Nutzen ist. Singers Ethik ist in meinen Augen keine Ethik. Es ist in letzter Konsequenz subjektiver Hedonismus.
Eigentlich sagt Singer explizit das Gegenteil.
Die Frage ist, ob man Singer mit Singers Kernthese rechtfertigen kann:
Peter Singer hat geschrieben:„Angenommen, ich beginne dann so weit moralisch zu denken, dass ich erkenne, dass meine eigenen Interessen nicht einfach aus dem Grund, weil sie meine eigenen sind, mehr zählen als die Interessen anderer. Anstelle meiner eigenen Interessen habe ich nun die Interessen aller zu berücksichtigen, die von meiner Handlung betroffen sind. Dies erfordert von mir, dass ich alle diese Interessen abwäge und jenen Handlungsverlauf wähle, von dem es am wahrscheinlichsten ist, dass er die Interessen der Betroffenen weitestgehend befriedigt. Also muss ich - wenigstens auf einer bestimmten Ebene meiner moralischen Überlegungen - den Handlungsverlauf wählen, der per saldo für alle Betroffenen die besten Konsequenzen hat. Sie unterscheidet sich vom klassischen Utilitarismus dadurch, dass „beste Konsequenzen“ das bedeutet, was nach reiflicher Erwägung die Interessen der Betroffenen fördert, und nicht bloß das, was Lust vermehrt und Unlust verringert.“
(Peter Singer, Praktische Ethik, 1979, dt. Reclam 1984, S. 23f)
Wo ist eine Grenze zu ziehen, die nicht nur virtuell bleibt?
Drei wollen mobben, einer will nicht gemobbt werden, was fördert denn nun die Interessen aller Beteiligten? Ein bisschen mobben?
Singer macht es sich ein wenig zu einfach. Dem Salatblatt Fötus spricht er rundweg ab Interessen zu haben, die die des Froschlaichs überragen, beide wollen Leben.
Potentialität ist für ihn kein Argument, da er meint, daraus seien keine Rechte abzuleiten. (ebd. S.165)
Die Frage ist, was wäre, wenn man potentiellen Eltern, die kein Interesse haben ein behindertes Kind großzuziehen vier Leute an die Seite stellt, die sagen, es sei in ihrem Interesse, dass dieses Kind großgezogen wird., weil sie den Gedanken unerträglich fänden, geschähe dies nicht. Dann müsste man andere Werte einführen, etwas die er Nähe der Eltern, die täglich konfrontiert sind, wohin gegen die anderen es nicht sind.
Nur, wenn Nähe eine Argument ist, wäre dann nicht das Kind, um dessen Leben es geht besonders zu berücksichtigen? Näher und direkter geht es ja nicht.
Dazu kommt eben die schon angerissene Frage ob und inwieweit es gestattet, sinnvoll, erwünscht, fortschhrittlich, human ist einen generellen Schutzschirm aufzuspannen, der bestimmtes Leben schützt wie Ungeborene, Behinderte, Demente, so dass sich eine Gesellschaft und jedes ihrer Mitglieder darauf verlassen kann.
Geht es nur um Nutzlosigkeit, was spricht gegen die Todesstrafe? Warum sollte man Psychopathen mit Hirndefekt nicht ihr eigenes Grab schaufeln lassen und dann. „Bumm“, Genickschuss?
Was schützt uns dagegen aussortiert zu werden, wenn wir nicht mehr (oder noch nicht) interessant sind?
Wikipedia hat geschrieben:Die Missachtung der Präferenz einer
Person fällt hierbei in der Regel schwerer ins Gewicht, als dies bei anderen Wesen der Fall ist (vor allem im Bezug auf die Tötung, welche bei Personen niemals ausgleichbar ist), denn Personen begreifen sich selbst als vom Umfeld abgegrenzte Entitäten und ihre Interessen sind langfristiger und weitaus komplexer.
Eine Person zu töten bedeutet […] normalerweise nicht nur eine, sondern eine Vielzahl der zentralsten und bedeutendsten Präferenzen, die ein Wesen haben kann, zu verletzen. Sehr oft wird dadurch alles, was das Opfer in den vergangenen Tagen, Monaten oder sogar Jahren zu tun bemüht war, ad absurdum geführt. (Lit.: Singer, 1994, S. 129)
Der Begriff
Person umfasst hier alle ihrer selbst bewussten Wesen, unabhängig von der Spezies.[PE 1] Singer meint damit zum Beispiel ausgewachsene Menschen und Menschenaffen, sofern keine geistige Beeinträchtigung vorliegt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4f ... litarismus
Soll nur auf die Gegenwärtigkeit geschaut werden? Dann macht das behinderte Kind ja keinen „Ärger“. Der Ärger umfasst freilich die nächsten Jahr und vielleicht Jahrzehnte, aber ist das nicht auch eine Form der Potentialität?
Ich verstehe nicht, warum der m.E. lobenswerte Ansatz die Rechte der Tiere auszuweiten um den Preis einer Einschränkung der Rechte von Menschen geschehen soll.
Warum nicht Hierarchie in Boot nehmen (m.E. sollten für Mücken andere Kriterien gelten als für Schimpansen und wenn ich ein Antibiotikum nehmen, bin ich dann wirklich ein Massenmörder, denn Bakterien wollen ja auch nur leben?) aber dennoch Tabugrenzen behalten. Beim Menschen vielleicht weitreichendere als beim Tier mit Ichbewusstsein, bei dem mehr als beim Schmerzen fühlenden Tier und so weiter in hierarchischen Abstufungen.
Ob ein Zusammenleben auf der immer erst retrospektiv zu beurteilenden Basis von Nützlichkeiterwägungen wünschenswert ist und warum das Nützliche (für wen? Wer beurteilt das?) das Wünschenswerte überragen sollte, das muss noch geklärt werden.
PS:
Und was die Interessen angeht: Die Kenntnis über die Interessen einer ausgewachsenen Kuh äußert, wie stine richtig sagt, eben nicht die Kuh, sondern wir
leihen ihr unsere Argumente. Hier sollte gewisse man empathisch und nicht zynisch rangehen.
Sonderrechte und Tabugrenzen in Anspruch zu nehmen, sie überhaupt formulieren zu können und sich darauf festlegen zu lassen, ist dem Menschen vorbehalten. Das schließt nicht aus, dass man gewisse Sonderrechte auch für Tiere formuliert und ihnen diesen Status zuspricht, aber wir wären dem Fuchs nicht böse, wenn er auch weiterhin die Gans reißt, wir würden empathisch sagen, der kann eben nicht anders, dafür ist er ein Fuchs, der kann seine „Natur“ nicht überwinden. Und auch die Mordstreifzüge von Schimpansenbanden irritieren uns nicht wesentlich.
Beim Menschen gegen wir aber mit der größten Selbstverständlichkeit davon aus, dass er das a) kann und b) auch tut und es ist uns keinerlei Erwähnung wert, wenn das in 97% der Fälle des Alltags auch passiert, die 3% die sich nicht dran halten oder denen das nicht gelingt, über die reden wir und empören uns in der Regel über sie.
Es ist irgendwie fragwürdig die Unterschiede, die wir sowieso machen, zu leugnen: Warum sollte uns der nackte Affe mehr wert sein, als der mit Fell? Und andererseits den nackten Affen nicht im gleichen Umfang in die Pflicht zu nehmen. Werden die Affenfeldzüge dann künftig auch verurteilt, weil sie gegen sie Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen? Darf man Affen inhaftieren, wenn sie gegen das Recht verstoßen? Oder heißt es dann wieder, das seien doch nur Tiere, die könnten nichts dazu.
Irgendwann muss man da mal Farbe bekennen.